Bundessozialgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. B 14 AS 87/09 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 9127

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Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Auskunftsverlangen des Grundsicherungsträgers - sozialgerichtliches Verfahren - kein Austausch der Rechtsgrundlage - keine Umdeutung - keine Anwendung von § 99 SGB 10 - Streitwertfestsetzung)


Leitsatz

Das Auskunftsverlangen eines Grundsicherungsträgers kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn diese Regelung anderen Zwecken dient oder auf einen anderen Sachverhalt abstellt.

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 24. April 2009 und das Urteil des [X.] vom 12. August 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für alle drei Rechtszüge auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Verpflichtung des [X.] zur Auskunftserteilung.

2

Der im 1968 geborene Kläger ist Inhaber eines [X.]. Mit der im Jahre 1969 geborenen [X.] und den drei gemeinsamen, in den Jahren 2001, 2002 und 2005 geborenen Kindern, war er Mieter eines Einfamilienhauses. Am [X.] beantragte [X.] für sich und die Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.] II).

3

Mit Bescheid vom [X.] forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf, "zur Überprüfung des Leistungsanspruches von S" im Einzelnen aufgezählte Unterlagen einzureichen und Auskünfte zu erteilen und diese durch entsprechende geeignete Nachweise zu belegen. Verlangt wurde ua ein vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular für den Bezug von [X.] II-Leistungen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht.

4

In der Begründung des Bescheids heißt es, Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht des [X.] sei § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 [X.] II. Als Partner der Antragstellerin sei er auf Verlangen zur Auskunft über sein Einkommen und Vermögen verpflichtet. Diese Auskunft sei auch zur Prüfung des Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich, weil gemäß § 9 Abs 2 Satz 1 [X.] II das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sei. Außerdem gelte die Vermutung, dass der Kläger als Partner der [X.] von dieser mitvertreten werde, weshalb er auch den allgemeinen Mitwirkungspflichten unterliege und deshalb verpflichtet sei, alle leistungserheblichen Tatsachen anzugeben, wenn er Sozialleistungen beantrage.

5

Auf den Widerspruch des [X.] hob der Beklagte den Bescheid vom [X.] durch Widerspruchsbescheid vom 8.2.2008 teilweise auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Vom Kläger könnten nur solche Unterlagen und Auskünfte verlangt werden, die seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse beträfen. Die Auskunftsverpflichtung ergebe sich aus § 60 Abs 4 [X.] II. Zugleich setzte der Beklagte ein Zwangsgeld gegen den Kläger fest.

6

Sowohl gegen die Zwangsgeldfestsetzung als auch gegen die Auskunftsverpflichtung hat der Kläger jeweils nach Abschluss des erfolglosen Widerspruchsverfahrens Klage erhoben. Im Hinblick auf die Zwangsgeldfestsetzung hat der Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat. Im Hinblick auf den Auskunftsbescheid hat das Sozialgericht (SG) die angegriffenen Bescheide mit Urteil vom 12.8.2008 teilweise geändert und den Kläger von der Verpflichtung zur Vorlage von [X.] entlastet; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen mit der Begründung, aus der nach wie vor bestehenden [X.] folge die zwischen den Beteiligten streitige Auskunftsverpflichtung.

7

Zum 1.11.2008 ist [X.] mit den gemeinsamen Kindern in eine eigene Wohnung umgezogen und hat dort ihren Hauptwohnsitz angemeldet. Im Berufungsverfahren hat das [X.] ([X.]) nach Vernehmung der [X.] die Berufung des [X.] mit Urteil vom 24.4.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, der Kläger sei zwar nicht nach § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 [X.] II als Partner einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auskunftspflichtig, denn die Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und [X.] habe tatsächlich seit Dezember 2006 nicht mehr bestanden. Die Berufung könne gleichwohl keinen Erfolg haben, da der Kläger die begehrte Auskunft gemäß § 60 Abs 2 [X.] II iVm § 1605 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schulde. Er sei bereits wegen seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern auskunftspflichtig. Eine Unterhaltsvereinbarung vermöge daran nichts zu ändern, denn die Mutter der gemeinsamen Kinder könne unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt auf etwaige Ansprüche verzichten mit der Folge, dass dann der Beklagte für den Lebensunterhalt aufkommen müsse.

8

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Zur Begründung führt er aus, der Beklagte könne das Auskunftsverlangen nicht auf § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 [X.] II stützen, weil es insoweit - wie das [X.] zutreffend entschieden habe - an einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft gefehlt habe. Das [X.] habe die Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide aber nicht ohne Weiteres austauschen dürfen. Der Kläger rügt darüber hinaus eine Verletzung des § 60 Abs 2 [X.] II iVm § 1605 Abs 1 BGB.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.]s Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 und das Urteil des [X.] vom 12. August 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 insgesamt aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte hält weiterhin an § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 [X.] II als Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen fest und teilt im Übrigen die Bedenken des [X.] hinsichtlich der Vorgehensweise des [X.].

Entscheidungsgründe

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Das Auskunftsbegehren des [X.] gegenüber dem Kläger war in seiner konkreten Form rechtswidrig, sodass der Kläger beschwert und seine Anfechtungsklage in vollem Umfang begründet ist 54 Abs 1 und 2 [X.]G).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der ursprüngliche Auskunftsbescheid des [X.] vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] und des Urteils des [X.] vom 12.8.2008. Für das konkrete Auskunftsverlangen des [X.] fehlte es an einer Rechtsgrundlage. Die Voraussetzungen des § 60 Abs 4 [X.]B II, auf den der Beklagte sein Auskunftsbegehren nach wie vor stützen möchte, liegen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des L[X.] nicht vor (dazu unter 1.). Das Vorgehen des [X.] konnte entgegen der Meinung des L[X.] auch nicht nachträglich auf § 60 Abs 2 [X.]B II gestützt werden (dazu unter 2.). Andere Rechtsgrundlagen für das Auskunftsverlangen scheiden aus (dazu unter 3.).

1. Der Beklagte konnte von dem Kläger nach § 60 Abs 4 [X.]B II keine Auskunft verlangen, weil die Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Norm - das Vorliegen einer Partnerschaft gemäß § 7 Abs 3 [X.] 3 [X.]B II - nach den Feststellungen des L[X.], nicht gegeben war. Danach hat zwischen dem Kläger und [X.] bereits seit Dezember 2006 eine Lebensgemeinschaft nicht mehr bestanden. Diese Feststellungen des L[X.] sind für das Revisionsgericht bindend (§ 163 [X.]G); sie sind von dem [X.] nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen worden. Soweit dieser im Revisionsverfahren eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das L[X.] rügt, handelt es sich nicht um einen Fehler bei der Tatsachenfeststellung, der die Aufhebung des angefochtenen Urteils begründen kann. Der Beklagte stellt lediglich die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des L[X.], was wegen des bei der Beweiswürdigung bestehenden Beurteilungsspielraums im Rahmen der revisionsgerichtlichen Überprüfung unbeachtlich ist. Fehler bei der Beweiswürdigung durch das L[X.] können nur dann zur Aufhebung des Urteils führen, wenn die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten sind (zB durch einen Verstoß gegen Denkgesetze, vgl [X.], [X.], 2. Aufl 1997, [X.]). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

2. Das L[X.] konnte auch nicht in zulässiger Weise im gerichtlichen Verfahren das Auskunftsbegehren des [X.] anstelle von § 60 Abs 4 auf § 60 Abs 2 [X.]B II stützen. Insofern lagen weder die Voraussetzungen für ein sog "Nachschieben von Gründen" vor (dazu unter a), noch konnte die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts durch eine Umdeutung nach § 43 [X.] ([X.]B X) erreicht werden (dazu unter b).

a) Zwar haben die Sozialgerichte die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl nur B[X.]E 87, 8, 11 = [X.]-4100 § 152 [X.]). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist aber dennoch nur der jeweils erlassene Verwaltungsakt und nicht irgendeine andere Entscheidung, die die Verwaltung zur Regelung des konkreten Sachverhalts auch hätte treffen können (so Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, 2004, [X.]). Bei der gerichtlichen Entscheidung kann daher die von der Behörde getroffene Entscheidung nur dann auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn hierdurch der angegriffene Verwaltungsakt nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert wird oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen sich dadurch nicht erheblich erschwert (vgl zum sog Nachschieben von Gründen grundlegend: [X.] Beschluss vom [X.] in [X.], 12; [X.] Urteil vom 16.12.2008 - [X.] AS 48/07 R - FEVS 60, 546; Urteil vom [X.] AL 69/01 R).

Das L[X.] hat den angegriffenen Auskunftsbescheid in seinem Wesensgehalt verändert, indem es zur Begründung des Auskunftsverlangens des [X.] auf § 60 Abs 2 [X.]B II statt auf § 60 Abs 4 [X.]B II abgestellt hat. Eine unzulässige [X.] ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Verwaltungsakt mit der im gerichtlichen Verfahren "nachgeschobenen" Begründung nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung wesentlich von dem ursprünglichen Verwaltungsakt unterscheidet (vgl dazu nur B[X.] Urteil vom [X.] - 7 [X.] - [X.] 1988, 373; B[X.] Urteil vom 22.9.1981 - 1 RA 109/76 - [X.] 1500 § 77 [X.]). Wird ein Verwaltungsakt auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, so ist eine Wesensänderung dann zu bejahen, wenn die neue Rechtsgrundlage anderen Zwecken dient. Eine Wesensänderung kann insoweit nur dann verneint werden, wenn die neu herangezogene Vorschrift denselben Zwecken dient und auf denselben Sachverhalt abstellt [X.]/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung , 16. Aufl 2009, § 113 Rd[X.] 65 und 67).

Die durch den Austausch der Rechtsgrundlage eingetretene [X.] ergibt sich hier schon daraus, dass § 60 Abs 2 [X.]B II anderen Zwecken dient als die ursprünglich herangezogene Regelung in § 60 Abs 4 [X.]B II. Die Auskunftsverpflichtung nach der letztgenannten Norm beruht auf der Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen zwei Partnern, dagegen setzt die Anwendung von § 60 Abs 2 [X.]B II ein Unterhaltsrechtsverhältnis voraus. Während die Auskunftsverpflichtung als Partner sich unmittelbar auf die Feststellung des Leistungsanspruchs und ggf dessen Höhe auswirkt, besteht der Zweck der Auskunftspflicht nach § 60 Abs 2 [X.]B II nicht in erster Linie in der Beschränkung oder dem Ausschluss des [X.]B II-Leistungsanspruchs, sondern berührt diesen nur mittelbar. Die Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse dient vielmehr der Prüfung von Unterhaltsverpflichtungen, um entweder auf die gerichtliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Wege der Selbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 [X.]B II geltend zu machen (vgl dazu insgesamt [X.], [X.]B II, Stand Februar 2005, § 60 Rd[X.] 5).

Aus den Absätzen 2 und 4 des § 60 [X.]B II ergeben sich zudem unterschiedliche Auswirkungen auf den konkreten Umfang der von dem Träger benötigten und vom Auskunftspflichtigen zu leistenden Auskünfte. So kann der Leistungsträger im Rahmen unterhaltsrechtlicher Beziehungen die Vorlage von Belegen über die Höhe der Einkünfte fordern (§ 60 Abs 2 Satz 3 [X.]B II iVm § 1605 Abs 1 Satz 2 BGB). Gegenüber einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt, kann dagegen nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 60 Abs 4 Satz 1 [X.] 1 [X.]B II nur die Erteilung von Auskünften verlangt werden (vgl [X.] in GK-[X.]B II, Stand August 2008, § 60 Rd[X.] 62; [X.] in Eicher/Spellbrink, [X.]B II, 2. Aufl 2008, § 60 Rd[X.] 31a; [X.] in Oestreicher, [X.]B II/[X.]B XII, Stand September 2009, § 60 [X.]B II Rd[X.] 28; vgl zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz <[X.]> insoweit auch [X.], 330 sowie [X.], 1688).

b) Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Verwaltungsaktes iS des § 43 [X.]B X zur Vermeidung einer Aufhebung der angegriffenen Bescheide nicht vor. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze des § 43 [X.]B X auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar (so zuletzt B[X.] [X.] 4-1500 § 77 [X.] 1).

Es kann hier dahinstehen, ob der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, nicht schon der erkennbaren Absicht des [X.] widerspräche (vgl § 43 Abs 2 Satz 1 Alt 1 [X.]B X). Schließlich hat der Beklagte bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren Bedenken hinsichtlich der Vorgehensweise des L[X.] geäußert und zugleich darauf hingewiesen, dass er für die [X.] ab November 2008 Auskunft von dem Kläger auf der Grundlage des § 60 Abs 2 [X.]B II in einem gesonderten Verfahren verlangt. Eine Umdeutung scheidet vorliegend aber jedenfalls deshalb aus, weil der Verwaltungsakt als Ergebnis der Umdeutung von dem [X.] in der vorliegenden Form nicht rechtmäßig hätte erlassen werden können (§ 43 Abs 1 [X.]B X). Eine Umdeutung kann nicht vorgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, fehlerhaft bleibt. In diesem Fall kommt nur die Aufhebung in Betracht. So liegt der Fall hier. Der Umfang der anfangs von dem [X.] begehrten Auskunft ist bereits im Rahmen des Widerspruchs- und dem sich daran anschließenden Klageverfahren vor dem [X.] erheblich beschränkt worden. [X.] ist allerdings die Aufforderung an den Kläger, ein vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular einzureichen. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich, denn der Kläger selbst hat keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II beantragt. Auch hat weder die Mutter der gemeinsamen Kinder, [X.], Leistungen für den Kläger beantragt, noch besteht vor dem Hintergrund des Bestreitens der Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft Raum für eine vermutete Bevollmächtigung (vgl auch Urteil des [X.]s vom 27.2.2008 - B 14 AS 23/07 R -, dort allerdings zum Meistbegünstigungsprinzip).

Der Kläger ist auch nicht als Antragsteller und deshalb zur Mitwirkung [X.] nach § 60 [X.] (<[X.]B I> zur ergänzenden Anwendung der §§ 60 ff [X.]B I im Rahmen des [X.]B II vgl B[X.] Urteil vom 19.9.2008 - B 14 [X.]/07 R - B[X.]E 101, 260 = [X.] 4-1200 § 60 [X.] 2 und Urteil vom 19.2.2009 - [X.] AS 10/08 R) anzusehen, weil er - nach Auffassung des [X.] - einer Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin S und den drei gemeinsamen Kindern angehört. Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft als solcher gibt es nicht, [X.] ist vielmehr jeder Einzelne (vgl nur B[X.]E 97, 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] 1, jeweils Rd[X.] 12). Gegen seinen Willen kann auch ein [X.] nicht zum Antragsteller werden.

Es war nicht zu entscheiden, ob der Beklagte die im Bescheid aufgeführten weiteren Unterlagen und Nachweise in rechtmäßiger Weise anfordern konnte. Da der Verwaltungsakt insgesamt aufzuheben war, kam eine geltungserhaltende Reduktion im Rahmen der Umdeutung bei dem Auskunftsbegehren nach § 60 [X.]B II nicht in Betracht. Bereits bei der früheren Sozialhilfe war allgemein anerkannt, dass - seinerzeit auf § 116 Abs 1 [X.] gestützte - Auskunftsverlangen regelmäßig als einheitliche Verwaltungsakte anzusehen waren, bei denen eine Teilrechtswidrigkeit grundsätzlich ausschied (vgl nur [X.], 375; [X.] Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom 18.4.2005 - 12 Cs 04.3362 -; [X.] Urteil vom [X.] - 4 L 57/90 -; für ausnahmsweise Teilrechtswidrigkeit [X.], 330). Für die Auskunftsverpflichtung im Rahmen des [X.]B II kann in der Regel nichts anderes gelten, Gründe für eine ausnahmsweise anzunehmende Teilrechtswidrigkeit sind hier nicht ersichtlich.

3. Weitere Rechtsgrundlagen, auf die das Auskunftsbegehren in rechtmäßiger Weise hätte gestützt werden können, existieren nicht. Dies gilt insbesondere für § 99 [X.]B X. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob § 99 [X.]B X als Rechtsgrundlage schon deshalb ausscheidet, weil es sich beim [X.]B II nicht um einen Bestandteil der Sozialversicherung handelt (vgl § 4 Abs 2 [X.]B I; zur Nichtanwendbarkeit des § 99 [X.]B X im Arbeitsförderungsrecht B[X.] Urteil vom 16.8.1989 - 7 [X.]/88 - [X.] 4100 § 144 [X.] 1 S 2, juris Rd[X.] 19; für die ergänzende Heranziehung der §§ 98 ff [X.]B X dagegen Voelzke in [X.]/[X.], [X.]B II, Stand 2009, § 60 Rd[X.] 7). Zumindest für die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht Dritter stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 99 [X.]B X nicht, da § 60 [X.]B II die Einholung der zur Durchführung des [X.]B II benötigten Auskünfte Dritter abschließend regelt.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1 VwGO. Weder der Kläger noch der Beklagte gehören zu den in § 183 [X.]G genannten Personen, für die Kostenfreiheit hinsichtlich der Gerichtskosten besteht.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 [X.]G iVm § 52 Abs 1 und 2 und § 47 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz ([X.]). Mangels genügender Anhaltspunkte für den Wert des Auskunftsverlangens war hier der [X.] von 5000 Euro gemäß § 52 Abs 2 [X.] zugrunde zu legen. Der [X.] hat als Revisionsgericht in erweiternder Auslegung des § 63 Abs 3 Satz 1 [X.] von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, auch den Streitwert für das Klage- und das Berufungsverfahren festzusetzen (vgl B[X.]E 97, 153 = [X.] 4-1500 § 183 [X.] 4 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 197a Rd[X.] 5).

Meta

B 14 AS 87/09 R

24.02.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Neuruppin, 12. August 2008, Az: S 17 AS 345/08, Urteil

§ 7 Abs 3 Nr 3 SGB 2, § 60 Abs 2 S 3 SGB 2, § 60 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 2, § 60 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 2, § 1605 Abs 1 S 2 BGB, § 43 Abs 1 SGB 10, § 99 SGB 10, § 60 SGB 1, § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG, § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG, § 183 SGG, § 154 Abs 1 VwGO, § 47 Abs 2 S 1 GKG 2004, § 52 Abs 1 GKG 2004, § 52 Abs 2 GKG 2004, § 63 Abs 3 S 1 GKG 2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.02.2011, Az. B 14 AS 87/09 R (REWIS RS 2011, 9127)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9127

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