Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2014, Az. VII ZR 161/13

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4207

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 161/13

vom

9. Juli 2014

in dem Rechtsstreit

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Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
9.
Juli 2014
durch den
Richter Dr.
Eick, die Richterin Safari
Chabestari, [X.], Dr.
Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Der Beschwerde der [X.] zu 5 wird stattgegeben.
Das Urteil des 21. Zivilsenats des [X.] vom 30. April 2013 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 5 auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin beauftragte unter Einbeziehung der VOB/B (1996) die Beklagte zu 5 im [X.] zu einem Pauschalpreis von netto 2.000.030
DM mit der Lieferung und Montage einer [X.]. In dem der [X.] zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis heißt es unter Ziffer
5.5.0:
Die Verglasung gehört zur Leistung. Es dürfen nur einwandfreie, plane und unbeschädigte [X.] eingebaut werden. Die Glasdicken sind gemäß der statischen Erfordernisse und der [X.]
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physikalischen Forderungen zu ermitteln, dürfen aber die in den einzelnen Glastypen beschriebenen [X.] nicht unter-schreiten.
Die Glasfassade wurde im Abstand von etwa 70
cm vor der bereits vor-handenen Klinkerfassade errichtet und mit einer zweiseitig gelagerten ESG-Verglasung versehen.
Im
Zeitraum von Oktober 2000 bis Mai 2007 kam es zu insgesamt sechs Brüchen der Fassadenverglasung. Die Klägerin übersandte der [X.] zu 5 mit Schreiben vom 20.
September 2002 eine Mängelanzeige. Die Parteien ver-ständigten sich darauf, die Ursachen der Glasbrüche durch einen Privatsach-verständigen überprüfen zu lassen. Dieser erarbeitete Vorschläge, die die [X.] zu 5 umsetzte. Im Juli 2004 leitete die Klägerin beim [X.] ein selbständiges Beweisverfahren ein.
[X.] hat die Klägerin Klage u.a. gegen die Beklagte zu 5 erho-ben und beantragt, die Beklagte zu 5 zu verurteilen, an sie 2.158.873,10

zahlen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass das Werk der [X.] zu 5 wegen des Einbaus ungeeigneter Glasscheiben mangelhaft sei.
Das [X.] hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass das Werk der [X.] zu 5 mangelhaft sei.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Berufungs-gericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Im Übrigen hat es die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen
Urteils an das [X.] zurückverwiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Beklagte zu 5 ihren Klageabweisungsantrag weiter.
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II.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, weil es auf einer Verletzung des [X.] der [X.] zu 5 auf rechtliches Gehör beruht.
1. Das Berufungsgericht hat
ausgeführt:
Die von der [X.] zu 5 errichtete Glasfassade sei insgesamt [X.], da im Zeitraum von 2000 bis 2007 sechs ca. 4 qm große
und 140 kg schwere
Glasscheiben unter erheblichen Gefahren für Fußgänger gebrochen seien und eine Fremdeinwirkung als Ursache mangels konkreter Anhaltspunkte nicht in Betracht komme.
Eine Hausfassade müsse so beschaffen sein, dass von ihr keine unbeherrschbaren Gefahren insbesondere für Leib und Leben von Menschen ausgingen.
Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt. Die Beklagte zu 5 habe nach Entgegennahme
der Mängelanzeige im September 2002 am 21.
November 2002 sowie am 10.
Dezember 2002 im Beisein des Sachver-ständigen an Ortsbesichtigungen teilgenommen. Entsprechend den Empfeh-lungen des Gutachters habe die Beklagte zu 5 nach März 2003 mehrere Schei-ben mit
Kantenbeschädigungen ausgetauscht. Darin sei aus [X.] jedenfalls ein Anerkenntnis im Sinne des §
212 Abs.
1 BGB zu sehen. Darauf, ob die Abnahme bereits am 19.
Juni 1998 erfolgt sei, oder ob die Frist der [X.] ohnehin nach §
13 Nr.
5 Abs.
1 Satz
3 VOB/B (1996)
neu zu berechnen gewesen wäre, komme es für die Entscheidung nicht mehr an.
Soweit die Beklagte zu 5

erstmals in der Berufungserwiderung

vor-bringe, ihr
Geschäftsführer habe beim Ortstermin ausdrücklich erklärt, die [X.] lediglich aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht über-7
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nehmen zu wollen, unterliege dieses Vorbringen gemäß §
531 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 ZPO einem Novenausschluss und sei damit präkludiert.
2. Das Berufungsgericht hat gegen den Anspruch der [X.] zu 5 auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG, verstoßen. Die [X.] der [X.] zu 5, ihr Geschäftsführer habe ausdrücklich erklärt, die Arbeiten lediglich aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechts-pflicht übernehmen zu wollen, findet im Prozessrecht keine Stütze (vgl. [X.], NJW 2005, 1487; [X.], Beschluss vom 31. Juli 2013

[X.], [X.], 632 Rn. 10).
Den Vortrag der [X.] zu 5 konnte das Berufungsgericht schon [X.] nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen, weil dieser bereits im [X.] vom 26. Mai 2011 Gegenstand des erstinstanzlichen Vortrages war. [X.] kam es dem [X.] auf die Frage der Verjährung nicht an, so dass einer Präklusion neuen Vortrags zur Verjährung § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entge-genstünde.
3.
Der Gehörsverstoß ist für die Frage der Begründetheit der Verjäh-rungseinrede entscheidungserheblich.
Zwar kann in der Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten ein zum Neubeginn der Verjährung führendes Anerkenntnis eines Mängelbeseitigungs-anspruchs liegen, § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Das gilt aber nicht, wenn der [X.] zum Ausdruck bringt, die Arbeiten nur aus Kulanz und ohne Anerken-nung einer Rechtspflicht erbringen zu wollen ([X.], Beschluss vom 23.
August 2012

VII ZR 155/10, [X.], 1789 Rn. 11 = NZBau 2012, 697). Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der [X.] zu 5 hat ihr Geschäftsführer im Rahmen des [X.] am 18. Dezember 2002 dies gegenüber allen Beteilig-ten, insbesondere den Vertretern der Klägerin, erklärt. Nach den bisherigen 12
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Feststellungen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 5 im weiteren Verlauf der Gespräche von ihrer Erklärung abgerückt sein könnte. Das schriftliche Gutachten des Privatsachverständigen enthält vielmehr den [X.], keine konkreten Angaben zu den Ursachen der Scheibenbrüche machen zu können, was die behauptete Kulanzerklärung des Geschäftsführers plausibel erscheinen lässt.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt
wäre, dass die von der [X.]n zu 5 im März 2003 durchgeführten Arbeiten aus Kulanz erfolgten.
4. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da die Klage nicht, wie die die Beklagte zu 5
meint, aus anderen Gründen abweisungsreif ist.
a) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte zu 5
die Glasfassade nur mit [X.] behaftet errichtet hat.
aa) Nach § 13 Nr. 1 VOB/B (1996) und §
633 Abs. 1 BGB a.F. ist ein Werk mangelhaft, wenn es mit Fehlern behaftet ist, die den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
Welchen Gebrauch und damit welche Beschaffenheit des Werkes die Parteien vereinbart haben, ist durch Auslegung des Werkvertrages zu ermitteln. Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinba-rung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Die-ser bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leis-tung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten 16
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Regeln der Technik eingehalten worden sind. Ist die [X.] für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der [X.] die vereinbarte [X.] ([X.], Urteil vom 8.
November 2007 -
VII ZR 183/05, [X.]Z 174, 110 Rn.
15).
[X.])
Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Berufungsge-richts zur Mangelhaftigkeit der Glasfassade nicht. Wie die Beschwerde zu Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht den von der [X.] geschul-deten Erfolg abstrakt vorausgesetzt und die gebotene Auslegung des Vertrages unterlassen. Der bloße Umstand, dass Glasscheiben gebrochen sind, sagt
nichts darüber aus, welche Vertragspartei dieses
Risiko zu tragen hat
(vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 2014

VII ZR 203/11, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen, Rn. 16 ff.).
cc) Es kommt vielmehr darauf an, ob die Parteien als
Funktion der
in Auf-trag gegebenen Glasfassade vereinbarten, dass keine Glasbrüche, außer durch [X.], auftreten dürfen. Das ist durch Auslegung nach den [X.] anerkannten Auslegungsregeln zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere der zum Ausdruck [X.] Wille der Klägerin, für welchen Zweck sie
das Bauwerk nutzen wollte
und welchen Anforderungen es nach diesem Zweck genügen musste. Diese Ausle-gung des Vertrages kann der Senat nicht selbst vornehmen, da das Berufungs-gericht
keine hinreichenden Feststellungen zu den auslegungserheblichen Um-ständen getroffen hat.
Allein die Formulierung in Ziffer 5.5.0 des [X.], zu verwenden seien nur "einwandfreie und unbeschädigte Glas-einheiten",
besagt noch nichts darüber, welche Vertragspartei das Risiko von [X.] zu tragen hat, wenn die Glasscheiben zwar technisch einwandfrei 20
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hergestellt und montiert werden, ein Glasbruchrisiko aufgrund verdeckter Ni-ckelsulfideinschlüsse aber verbleibt.
Soweit die Beschwerde meint, der Vertrag müsse dahingehend ausge-legt werden, dass ein Bruch der Glasscheiben aufgrund unvermeidbarer Ni-ckelsulfideinschlüsse in den Risikobereich der Klägerin falle, da sich ansonsten die Beklagte zu 5 zu einer objektiv unmöglichen Leistung verpflichtet hätte, ist dieser Schluss
nicht zutreffend.
Bereits nach altem Schuldrecht führte die Ver-pflichtung zur Herstellung eines unmöglichen Werks nicht zur Nichtigkeit des Vertrages nach §
306 BGB a.F., sondern zur Anwendung des § 635 BGB a.F., wonach der Auftragnehmer zum Schadensersatz verpflichtet war ([X.], Urteil vom 9. Juli 1970

VII ZR 70/68, [X.]Z 54, 236, 237 f.). Diese Rechtsfolge folgt nunmehr aus § 634 Nr. 4, § 311a Abs. 2 BGB ([X.], Urteil vom 8. Mai 2014

VII ZR 203/11, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen, Rn. 25).
b) Soweit die Beklagte zu 5 darüber hinaus rügt, die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Entbehrlichkeit der Fristsetzung, zum Verschulden und zur Schadensberechnung seien fehlerhaft, führt dies ebenfalls nicht zur Abwei-sung der Klage.
Sollten sich die Parteien darauf verständigt haben, dass die Glasfassade über kein Bruchrisiko außerhalb von [X.] verfügen durfte, könn-te ein technisch unmöglich zu erfüllendes Leistungsversprechen vorliegen, das unabhängig von einer Fristsetzung einen Schadensersatzanspruch begründet. Zudem wäre, soweit es auf ein Verschulden der [X.] zu 5 nach altem Recht ankäme, der Verschuldensmaßstab ein anderer (vgl. zum neuen Recht §
311a Abs. 2 Satz 2
BGB). Und schließlich müsste der Klägerin Gelegenheit gegeben werden, den Schaden neu zu berechnen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 2014

VII ZR 203/11, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen, Rn. 25).
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass der Geschäftsführer der [X.] zu 5 nicht erklärt hat, ausschließlich aus Kulanz tätig zu werden, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Parteien unter Mitwirkung
des Privatsachverständigen eine Anerkenntniswirkung vereinbarten, die ausschließ-lich die vom Sachverständigen in seinem Gutachten erwähnten möglichen Mangelursachen erfasst.
b) Begann die Verjährungsfrist mit der Durchführung der Arbeiten im März 2003 nicht neu, kommt es auf die streitige Frage an, wann die [X.] der [X.] zu 5 abgenommen wurden. Des
Weiteren ist erheblich, ob die Voraussetzungen des §
13 Nr.
5 Abs.
1 Satz
2 VOB/B (1996) gegeben sind.
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c) Sollte keine Verjährung eingetreten sein, wird das Berufungsgericht entsprechend den Ausführungen zu 4.a) erneut zu prüfen haben, ob das Werk der [X.] zu 5 mit Mängeln behaftet hergestellt wurde.

Eick

Safari Chabestari
[X.]

Kartzke

Jurgeleit
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.03.2012 -
17 [X.]/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.04.2013 -
I-21 [X.]/12 -

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Meta

VII ZR 161/13

09.07.2014

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2014, Az. VII ZR 161/13 (REWIS RS 2014, 4207)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4207

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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