Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.01.2022, Az. I ZR 25/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 2328

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WERBUNG WETTBEWERBSRECHT DSGVO

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß durch unzumutbare Belästigung: Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung in eine Inbox-Werbung - Inbox-Werbung II


Leitsatz

Inbox-Werbung II

Eine wirksame Einwilligung in eine Inbox-Werbung (automatisierte Werbeeinblendung auf bestimmten dafür vorgesehenen Flächen in der E-Mail-Inbox des Nutzers), die eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG darstellt, liegt nicht vor, wenn der Nutzer, der eine unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante eines E-Mail-Dienstes gewählt hat, sich allgemein damit einverstanden erklärt, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen. Erforderlich ist vielmehr, dass der betroffene Nutzer vor einer Einwilligungserklärung klar und präzise über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung und insbesondere darüber informiert wird, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] - 3. Zivilsenat und [X.] - vom 15. Januar 2019 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] - [X.] - vom 22. März 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien beliefern Endkunden mit Strom. Die Streithelferin der Beklagten ist eine Werbeagentur.

2

Die Beklagte beauftragte die Streithelferin mit der Schaltung von Werbeeinblendungen in [X.] von Nutzern des kostenlosen E-Mail-Dienstes [X.]  . Die Werbung wurde dergestalt umgesetzt, dass im privaten Postfach eines Nutzers dieses E-Mail-Dienstes am 15. Januar 2017 in dem Bereich, in dem die eingegangenen E-Mails listenförmig angezeigt werden (nachfolgend: [X.]), eingebettet in eingegangene E-Mails die nachfolgend eingeblendete Werbung mit folgendem Text erschien: "[X.]: Günstig Strom und Gas. Jetzt top e.   -Preise mit attraktivem [X.] sichern! Mehr erfahren auf e.  .de":

Abbildung

3

Entsprechende Werbeeinblendungen erschienen bereits am 12. Dezember 2016 und 13. Januar 2017 in der [X.] des Nutzers.

4

Derartige Werbung wird auf speziellen Werbeflächen in der [X.] des Postfachs des kostenlosen E-Mail-Dienstes der [X.] eingeblendet. Sie wird als "[X.]  .de Mail Ad" bezeichnet und konnte von Werbekunden dieses Anbieters gebucht werden. Auf der vom Nutzer eines solchen kostenlosen E-Mail-Postfachs aufgerufenen Internetseite war an der entsprechenden Stelle der [X.] ein [X.] eines Adservers ([X.]) eingebunden. Dadurch wurde beim Öffnen der Internetseite eine Anfrage ([X.]) an den Adserver geschickt, ein Werbebanner aus dem Pool einzublenden. Der Adserver sandte sodann die entsprechenden Parameter an den [X.], wodurch in der [X.] des Nutzers ein nach dem Zufallsprinzip ausgewählter Werbebanner eingeblendet wurde. Klickte der Nutzer auf die eingeblendete Werbung, wurde die Eingabe zunächst an den Adserver weitergeleitet, der den Klick protokollierte und den [X.] auf die Seite des Werbenden weiterleitete. Die in der [X.] erscheinende Werbung war mit dem Wort "Anzeige" versehen und konnte durch Klicken auf das daneben zu findende Kreuz-Symbol "x" aus der [X.] entfernt werden. Die Werbung erschien - anders als die in der [X.] angezeigten E-Mails des Nutzers - grau unterlegt und enthielt weder ein Datum noch einen Absender. Außerdem konnte sie mit den vom Anbieter des E-Mail-Dienstes für E-Mails vorgesehenen Bearbeitungsoptionen nicht archiviert, beantwortet oder weitergeleitet werden. Sie wurde auch nicht in die vom Dienst ausgewiesene Anzahl ungelesener E-Mails des Nutzers eingerechnet und belegte keinen Speicherplatz im Posteingang des Nutzers.

5

Die Klägerin beanstandet diese Werbung als wettbewerbswidrig unter den Gesichtspunkten der unzumutbaren Belästigung und der Irreführung.

6

Das [X.] hat die Beklagte unter Androhung von [X.] antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] Werbung über das emailaccount "[X.].  .de" zu betreiben im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Strom an Letztverbraucher, wenn dies so geschieht wie folgt (Anlage [X.]) [es folgt eine Einblendung der oben wiedergegebenen Werbung].

Das [X.] hat die Beklagte außerdem zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.531,90 € nebst Zinsen verurteilt und den weitergehenden [X.] abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen ([X.], [X.], 170).

7

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

8

Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Januar 2020 ([X.], 420 = [X.], 446 - [X.]-Werbung I) dem [X.] zur Auslegung von Art. 2 Satz 2 Buchst. h und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) sowie Nr. 26 des [X.] der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Begriff des Verschickens im Sinne von Art. 2 Satz 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58/[X.] erfüllt, wenn eine Nachricht nicht von einem Nutzer eines elektronischen Kommunikationsdienstes an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen an die elektronische "Anschrift" des zweiten Nutzers übersandt wird, sondern infolge des Öffnens der passwortgeschützten Internetseite eines E-Mail-Kontos automatisiert von Adservern auf bestimmten dafür vorgesehenen Flächen in der E-Mail-[X.] eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers angezeigt wird ([X.]-Werbung)?

2. Setzt ein Abrufen einer Nachricht im Sinne von Art. 2 Satz 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58/[X.] voraus, dass der Empfänger nach Kenntniserlangung vom Vorliegen einer Nachricht durch ein willensgetragenes Abrufverlangen eine programmtechnisch vorgegebene Übermittlung der Nachrichtendaten auslöst oder genügt es, wenn das Erscheinen einer Nachricht in der [X.] eines E-Mail-Kontos dadurch ausgelöst wird, dass der Nutzer die passwortgeschützte Internetseite seines E-Mail-Kontos öffnet?

3. Liegt eine elektronische Post im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] auch dann vor, wenn eine Nachricht nicht an einen bereits vor der Übermittlung konkret feststehenden individuellen Empfänger verschickt wird, sondern in der [X.] eines nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Nutzers eingeblendet wird?

4. Liegt die Verwendung einer elektronischen Post für die Zwecke der Direktwerbung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] nur dann vor, wenn eine Belastung des Nutzers festgestellt wird, die über eine Belästigung hinausgeht?

5. Liegt eine die Voraussetzungen eines "Ansprechens" erfüllende Individualwerbung im Sinne von Nr. 26 Satz 1 des [X.] der Richtlinie 2005/29/[X.] nur dann vor, wenn ein Kunde mittels eines herkömmlich zur [X.] zwischen einem Absender und einem Empfänger dienenden Mediums kontaktiert wird, oder reicht es aus, wenn - wie bei der im Streitfall in Rede stehenden Werbung - ein [X.] dadurch hergestellt wird, dass die Werbung in der [X.] eines privaten E-Mail-Kontos und damit in einem Bereich angezeigt wird, in dem der Kunde individuell an ihn gerichtete Nachrichten erwartet?

9

Der [X.] hat hierüber durch Urteil vom 25. November 2021 ([X.]/20, [X.], 87 = [X.], 33 - StWL Städtische Werke [X.]) wie folgt entschieden:

1. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] ist dahin auszulegen, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der [X.] eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes in einer Form, die der einer tatsächlichen E-Mail ähnlich ist, und an derselben Stelle wie eine solche E-Mail, eine "Verwendung … elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung" im Sinne dieser Bestimmung darstellt, ohne dass die Bestimmung der Empfänger dieser Nachrichten nach dem Zufallsprinzip oder die Belastung, die dem Nutzer auferlegt wird, insoweit von Bedeutung sind, da diese Verwendung nur unter der Voraussetzung gestattet ist, dass der Nutzer klar und präzise über die Modalitäten der Verbreitung solcher Werbung, namentlich in der Liste der empfangenen privaten E-Mails, informiert wurde und seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet hat.

2. Anhang I Nr. 26 der Richtlinie 2005/29/[X.] ist dahin auszulegen, dass ein Vorgehen, das darin besteht, in der [X.] eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der einer tatsächlichen E-Mail ähnlich ist, und an derselben Stelle wie eine solche E-Mail einzublenden, unter den Begriff des "hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens" der Nutzer von [X.] im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn die Einblendung dieser Werbenachrichten zum einen so häufig und regelmäßig war, dass sie als "hartnäckiges Ansprechen" eingestuft werden kann, und zum anderen bei Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung als "unerwünschtes Ansprechen" eingestuft werden kann.

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet gehalten und angenommen, die beanstandete Platzierung der Werbung in der Inbox von privaten [X.] sei keine wettbewerbsrechtlich unzulässige geschäftliche Handlung. Dazu hat es - soweit für die Revision von Bedeutung - ausgeführt:

Die Werbung der [X.] stelle keine unzumutbare Belästigung unter Verwendung einer elektronischen Post gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Eine im Lichte der Richtlinie 2002/58/[X.] vorzunehmende unionsrechtskonforme Auslegung ergebe, dass keine elektronische Post im Sinne dieser Bestimmung vorliege. Auch der Sinn und Zweck von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] spreche gegen eine Unzulässigkeit der [X.]. Die streitgegenständliche Werbung führe - über die "normale" belästigende Wirkung von Werbung hinaus - nicht zu Belastungen oder Kosten des Nutzers des E-Mail-Dienstes. Die Funktionsweise der streitgegenständlichen Werbung entspreche insgesamt derjenigen der zweifelsfrei zulässigen Platzierung von Werbebannern mittels Adservern. Es könne für die Beurteilung des Anwendungsbereichs von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht darauf ankommen, ob die Werbung innerhalb oder außerhalb des Eingangspostfachs des E-Mail-Dienstes platziert sei.

Die Werbung der [X.] sei nicht gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a UWG unzulässig, weil es an einer Werbung mit Nachrichten fehle. Auch die Bestimmung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG sei nicht anwendbar, weil sie ein "Ansprechen" im Sinne eines "[X.]" eines individuellen Verbrauchers voraussetze, woran es hier fehle. Die Werbung der [X.] stelle auch keine unzumutbare Belästigung im Sinne der Generalklausel des § 7 Abs. 1 UWG dar. Da die Anzeigen der [X.] ihren werblichen Charakter nicht verschleierten, sei schließlich auch keine Unlauterkeit wegen Irreführung gemäß § 5a Abs. 6 UWG anzunehmen.

B. Die Revision hat Erfolg. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (dazu [X.]) sowie der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten (dazu [X.]I) nicht verneint werden.

I. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG zu.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der unzumutbaren Belästigung gemäß § 7 UWG liegen vor. Die Parteien vertreiben in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Strom und sind daher Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG alter und neuer Fassung.

2. Die [X.] der [X.] stellt außerdem eine gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Nr. 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung dar.

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung unzulässig, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets, das heißt ohne dass es einer Interessenabwägung im Einzelfall bedarf (vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2016 - [X.], [X.], 946 [juris Rn. 51] = WRP 2016, 958 - Freunde finden, mwN), anzunehmen bei einer Werbung unter Verwendung einer automatisierten Anrufmaschine, eines Faxgeräts oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG steht mit Nr. 26 Anhang I der Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken im Einklang und setzt Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) in [X.] Recht um. Sie ist mithin im Lichte des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] unionsrechtskonform auszulegen ([X.], [X.], 420 [juris Rn. 15] - [X.] I, mwN).

Nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] darf die Verwendung von automatischen Anrufsystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer oder Nutzer gestattet werden. Gemäß Art. 2 Satz 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58/[X.] ist "elektronische Post" jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird.

Für die Anwendung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] ist erstens zu prüfen, ob die Art der Kommunikation, die für die Zwecke der Direktwerbung verwendet wird, zu den von dieser Bestimmung erfassten gehört (dazu [X.] 2 b), zweitens, ob diese Kommunikation die Direktwerbung bezweckt (dazu [X.] 2 c), und drittens, ob das Erfordernis einer vorherigen Einwilligung des Nutzers beachtet wurde (dazu [X.] 2 d; vgl. [X.], [X.], 87 Rn. 37 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

b) Die Beklagte hat ihre Werbenachrichten unter Verwendung elektronischer Post und damit eines unter § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] unterfallenden elektronischen Kommunikationsmittels verbreitet.

aa) Die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] aufgeführte Liste der unter diese Bestimmung fallenden elektronischen Kommunikationsmittel ist nicht abschließend, sondern aus technologischer Sicht entwicklungsfähig und mit Blick auf das [X.], dass den Nutzern der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienste der gleiche Grad des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre geboten werden soll, weit auszulegen ([X.], [X.], 87 Rn. 39 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

bb) Im Streitfall hat die Beklagte ihre Werbenachrichten mit Hilfe ihrer Streithelferin unter Verwendung elektronischer Post verbreitet.

(1) Die im Streitfall angegriffene [X.] erfolgte mittels Textnachrichten im Sinne von Art. 2 Satz 2 Buchst. h der Richtlinie 2002/58/[X.].

Gemäß Art. 2 Satz 2 Buchst. d Satz 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] ist "Nachricht" jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Werbung der [X.] enthält eine Information in Textform, mit der das Angebot der [X.] durch den Text " [X.]: Günstig Strom und Gas. Jetzt top e.   -Preise mit attraktivem [X.] sichern! Mehr erfahren auf e.  .de!" werblich angepriesen wird. Diese Information wurde zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten weitergeleitet. Die Weiterleitung an den Nutzer des E-Mail-Accounts erfolgte dadurch, dass die Nachricht infolge des durch den Nutzer mittels Einloggens vorgenommenen Aufrufs der Internetseite seines E-Mail-Accounts vom Betreiber des [X.] in Echtzeit in die Inbox der [X.] übermittelt und dort dem Nutzer dieses E-Mail-Accounts angezeigt wurde.

(2) Die werbliche Information ist zudem unter Verwendung elektronischer Post im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] verbreitet worden.

Im vorliegenden Fall wurde die Werbenachricht aus der Sicht des Adressaten in der Inbox des Nutzers des [X.], das heißt in einem normalerweise privaten E-Mails vorbehaltenen Bereich, angezeigt. Der Nutzer konnte diesen Bereich erst nach Überprüfung des Inhalts der Werbenachricht und nur durch aktives Löschen derselben freimachen, um einen Überblick über seine ausschließlich privaten E-Mails zu erhalten. Anders als Werbebanner oder Pop-up-Fenster, die am Rand der Liste mit privaten Nachrichten oder separat von diesen erscheinen, behinderte die Einblendung der vorliegend in Rede stehenden Werbenachrichten in der Liste der privaten E-Mails des Nutzers den Zugang zu diesen E-Mails in ähnlicher Weise wie dies bei unerbetenen E-Mails ("Spam") der Fall ist ([X.], [X.], 87 Rn. 41 bis 44 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]). Eine solche Vorgehensweise stellt eine Verwendung elektronischer Post im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] dar, die geeignet ist, das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel, die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu schützen, zu beeinträchtigen. Unter diesen Umständen wird die vom Berufungsgericht geprüfte Frage, ob Werbenachrichten wie die hier in Rede stehenden selbst die Kriterien erfüllen, die es erlauben würden, sie als "elektronische Post" im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie einzustufen, überflüssig, da sie den betroffenen Nutzern über ihr E-Mail-Postfach und damit über ihre elektronische Post übermittelt wurden ([X.], [X.], 87 Rn. 45 f. - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

c) Die unter Verwendung elektronischer Post verbreiteten Angaben bezweckten auch eine Direktwerbung.

aa) Eine Direktwerbung wird bezweckt, wenn mit der Nachricht ein kommerzielles Ziel verfolgt wird und sie sich direkt und individuell an einen Verbraucher richtet ([X.], [X.], 87 Rn. 47 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

bb) Die von der [X.] über ihre Streithelferin verbreiteten Nachrichten hatten die Bewerbung der von ihr angebotenen entgeltlichen Dienstleistung zum Gegenstand und verfolgten somit ein kommerzielles Ziel (vgl. [X.], [X.], 87 Rn. 48 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

cc) Die Werbung richtete sich zudem direkt und individuell an einen Verbraucher, weil sie in Form einer E-Mail direkt in der Inbox des [X.] des betreffenden Nutzers erschien (vgl. [X.], [X.], 87 Rn. 48 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]). Dem steht nicht entgegen, dass der Adressat der Werbenachricht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurde. Die Frage, ob die Werbung an einen individuell vorbestimmten Empfänger gerichtet war oder ob es sich um eine massenhafte und nach dem Zufallsprinzip vorgenommene Verbreitung gegenüber zahlreichen Empfängern handelte, ist für die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass - wie im Streitfall - eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation vorlag, die einen oder mehrere Nutzer von [X.] direkt und individuell erreichte, indem sie in der Inbox des E-Mail-Kontos dieser Nutzer eingeblendet wurde. Die Adressaten solcher Werbenachrichten sind als Nutzer eines bestimmten [X.] individualisiert, weil der Nutzer erst Zugang zu seiner Inbox erhält, nachdem er seine Anmeldedaten und sein Passwort eingegeben hat. Damit erfolgt die Einblendung am Ende dieses Prozesses der Authentifizierung durch den Nutzer in einem privaten Bereich, der ihm vorbehalten ist und für die Konsultation der privaten Inhalte in der Form von E-Mails bestimmt ist ([X.], [X.], 87 Rn. 50 f. - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

d) Der Nutzer hat zudem nicht in die im Streitfall in Rede stehenden Werbeeinblendungen eingewilligt.

aa) Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist die Verwendung einer elektronischen Post für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger ausdrücklicher Einwilligung der Teilnehmer gestattet.

bb) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte und in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn das beanstandete Verhalten der [X.] sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - [X.], [X.], 1395 [juris Rn. 10] = WRP 2021, 1450 - [X.] Landschwein, mwN). Welche Anforderungen die Einwilligung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfüllen muss, ist durch eine unionsrechtskonforme Auslegung zu ermitteln. Der hier relevante unionsrechtliche Begriff der Einwilligung hat sich seit dem Zeitpunkt des beanstandeten Verhaltens der [X.] im Dezember 2016 bzw. Januar 2017 geändert. Eine für die Beurteilung des Unterlassungsanspruchs erhebliche Änderung der Rechtslage ist dadurch nicht eingetreten.

(1) Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2002/58/[X.] ist unter "Einwilligung" eines Nutzers oder Teilnehmers die Einwilligung der betroffenen Person im Sinne der Richtlinie 95/46/[X.] zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr zu verstehen. Nach Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 95/46/[X.] ist eine "Einwilligung der betroffenen Person" jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, verarbeitet werden.

Die Richtlinie 95/46/[X.] ist gemäß Art. 94 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/[X.] ([X.], [X.]) mit Wirkung vom 25. Mai 2018 aufgehoben worden. Gemäß Art. 94 Abs. 2 [X.] gelten nunmehr Verweise auf die aufgehobene Richtlinie als Verweise auf die [X.]. Nach Art. 4 Nr. 11 [X.] bezeichnet der Ausdruck "Einwilligung" der betroffenen Person jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.

(2) Für das [X.] gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] ergeben sich aus dieser Rechtsänderung in der Sache keine unterschiedlichen Anforderungen (vgl. [X.], [X.], 87 Rn. 55 und 57 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]). Der Umstand, dass die Nutzer, die die unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante des [X.]  -E-Mail-Dienstes gewählt haben, sich allgemein damit einverstanden erklärt haben, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen (vgl. dazu [X.], [X.], 87 Rn. 58 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]), erfüllt die Voraussetzungen einer Einwilligung nicht. Es ist vielmehr maßgeblich, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche Variante des E-Mail-Dienstes [X.]   entschieden hat, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten, wie sie im Streitfall in Rede stehen, zu erhalten. Insbesondere muss der Nutzer klar und präzise unter anderem darüber informiert worden sein, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden. Außerdem ist erforderlich, dass der Nutzer seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet hat ([X.], [X.], 87 Rn. 59 - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

(3) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte als Werbende für das Vorliegen einer Einwilligung darlegungs- und beweisbelastet ist. Es ist außerdem davon ausgegangen, dass es unerheblich ist, ob potentielle Nutzer des kostenlosen E-Mail-Dienstes von [X.]   auf die Nutzung von Anteilen der Internetseiten durch [X.] hingewiesen worden sind. Diese Beurteilung ist ebenfalls zutreffend. Eine lediglich allgemeine, nicht auf die konkret beanstandete Werbung bezogene Einwilligung in den Erhalt von Werbeeinblendungen, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen, erfüllt die Voraussetzungen einer Einwilligung gemäß Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] nicht (vgl. [X.], [X.], 87 Rn. 58 f. - [X.] Städtische Werke [X.] [X.]).

Das [X.] hat außerdem ausgeführt, dass für die in Rede stehenden konkreten Werbeeinblendungen eine wirksame Einwilligung des Nutzers weder substantiiert behauptet noch nachgewiesen worden sei. Im Verhandlungstermin sei darauf hingewiesen worden, dass eine kostenpflichtige, werbefreie Alternative eines [X.]  -E-Mail-Dienstes nicht schon immer existiert habe, sondern in der Vergangenheit nur ein kostenfreier Dienst angeboten worden sei, so dass bei einer mehrere Jahre zurückliegenden Einrichtung eines Accounts die von der [X.] behauptete Wahlmöglichkeit nicht bestanden habe und ihr Vortrag zur angeblich bei der Einrichtung eines bewusst kostenlosen Accounts erteilten Einwilligung hinsichtlich der Einblendung der konkret angegriffenen Werbeanzeige ins Leere gehe. Trotz dieses gerichtlichen Hinweises seien von der [X.]seite weder die Vertragsunterlagen, die die Registrierung des Nutzers beim [X.]  -E-Mail-Dienst zum Gegenstand hätten, vorgelegt worden, noch seien Unterlagen zur Ausübung der Wahlmöglichkeit zwischen der kostenlosen und der kostenpflichtigen E-Mail-Variante bei der Registrierung des Nutzers vorgelegt worden.

Das Berufungsgericht hat keine hiervon abweichenden Feststellungen getroffen. Auch die Revisionserwiderung hat nicht geltend gemacht, dass die Beklagte vorgetragen hätte, der betroffene Nutzer sei vor der Vereinbarung über die Einrichtung seines E-Mail-Accounts oder zumindest vor dem Empfang der streitgegenständlichen Werbeeinblendung im Dezember 2016 klar und präzise darüber informiert worden, dass solche Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt würden. Sie hat auch keinen [X.]vortrag benannt, nach dem der Nutzer nach einer solchen Information in den Erhalt solcher Werbenachrichten eingewilligt habe.

II. Der Klägerin steht außerdem gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aF (seit dem 2. Dezember 2020: § 13 Abs. 3 UWG) ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der nach dem Vorstehenden berechtigten Abmahnung zu. Dieser Anspruch besteht - wie vom [X.] rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht beanstandet angenommen - in Höhe von 1.531,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15. August 2017.

C. Auf die Revision der Klägerin ist das angegriffene Urteil daher aufzuheben. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das [X.] die Beklagte mit Recht zur Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten verurteilt hat. Die gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Berufung der [X.] ist damit zurückzuweisen.

Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es nicht, weil der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts selbst entscheiden kann und weiterer Sachvortrag der [X.] nicht zu erwarten ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZR 25/19

13.01.2022

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend EuGH, 25. November 2021, Az: C-102/20, Urteil

Art 2 S 2 Buchst h EGRL 58/2002, Art 13 Abs 1 EGRL 58/2002, § 7 Abs 1 S 1 UWG, § 7 Abs 2 Nr 1 UWG, § 7 Abs 2 Nr 3 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.01.2022, Az. I ZR 25/19 (REWIS RS 2022, 2328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2328 GRUR 2022, 995 REWIS RS 2022, 2328 MDR 2022, 906 REWIS RS 2022, 2328


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 25/19

Bundesgerichtshof, I ZR 25/19, 13.01.2022.

Bundesgerichtshof, I ZR 25/19, 30.01.2020.


Az. 3 U 724/18

OLG Nürnberg, 3 U 724/18, 15.01.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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