Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.03.2018, Az. B 6 KA 52/17 B

6. Senat | REWIS RS 2018, 11879

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Gegenstand

(Wirtschaftlichkeitsprüfung - Anwendung des § 106 Abs 5e S 1 SGB 5)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 24. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 9443 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die klagende [X.] wendet sich gegen einen Regress in Höhe von 9443,14 Euro zu Lasten der zu 1. beigeladenen Berufsausübungsgemeinschaft ([X.]) nach einer Richtgrößenprüfung für das [X.]. Nachdem die Prüfungsstelle zunächst einen Regress in Höhe von 19 103,96 Euro festgesetzt hatte, reduzierte der beklagte Beschwerdeausschuss den [X.] mit Bescheid vom 13.6.2013 auf 9443,14 Euro. Ebenfalls mit Bescheiden vom 13.6.2013 wandelte der Beklagte schriftliche Beratungen nach § 106 Abs 5a [X.] für die [X.] und 2005 sowie [X.] für die Jahre 2006 und 2007 in Beratungen nach § 106 Abs 5e [X.] um. Das [X.] hat den Bescheid für das [X.] aufgehoben und den Beklagten zur erneuten Entscheidung verurteilt (Urteil vom 14.10.2015). Das L[X.] hat auf die Berufung der zu 2. beigeladenen [X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Der Beklagte habe einen Regress festsetzen dürfen, weil die Beigeladene zu 1. im Hinblick auf die Prüfverfahren für die Vorjahre nicht erstmalig ihr Richtgrößenvolumen überschritten habe.

2

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin geltend, das Berufungsurteil weiche von Entscheidungen des B[X.] ab ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) und die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G).

3

II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

4

1. Soweit die Klägerin eine Divergenz zur Rechtsprechung des Senats sieht, kann offenbleiben, ob ihre Darlegungen den Begründungsanforderungen entsprechen. Es reicht grundsätzlich nicht aus, aus dem L[X.]-Urteil inhaltliche Schlussfolgerungen abzuleiten, die einem höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatz widersprechen. Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G liegt jedenfalls nicht vor. Für die Zulassung einer Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung ist Voraussetzung, dass entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze aus dem L[X.]-Urteil und aus einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] miteinander unvereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl B[X.] [X.]-1500 § 160 [X.]8 Rd[X.] 4; B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]6 S 44). Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das L[X.] einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 14, 21, 29 und 67). Das L[X.]-Urteil einerseits und die höchstrichterliche Entscheidung andererseits müssen jeweils abstrakte Rechtssätze enthalten, die einander widersprechen. Das ist hier nicht der Fall.

5

Die Klägerin meint, das L[X.] habe den Rechtssatz aufgestellt, dass § 106 Abs 5e [X.] und 7 [X.] (in der Fassung des [X.] zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, [X.] 2192) nicht gelte, wenn vor dem zu beurteilenden [X.] bereits eine erstmalige Überschreitung des [X.] um mehr als 25 % vorgelegen habe. Damit werde von der zeitlichen Geltungsanordnung des § 106 Abs 5e S 7 [X.] in der vom B[X.] vorgenommenen Auslegung abgewichen. Dabei übersieht die Klägerin, wie die Beigeladene zu 2. zutreffend ausführt, dass das L[X.] seine Entscheidung nicht auf § 106 Abs 5e [X.] [X.], sondern auf § 106 Abs 5e [X.] [X.] gestützt hat. Wenn das L[X.] das Merkmal der "[X.]" und damit das Erfordernis einer vorherigen Beratung verneint hat, weil die Beigeladene zu 1. bereits in den Vorjahren ihr Richtgrößenvolumen überschritten und dies zu einer Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung geführt hatte, befindet es sich in Übereinstimmung mit dem B[X.]. Der Senat hat in seinem Urteil vom 22.10.2014 ([X.] [X.] 3/14 R - B[X.]E 117, 149 = [X.]-2500 § 106 [X.] 48, Rd[X.] 65 f) ausgeführt, es sei nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Grundsatzes "Beratung vor Regress" auch Vertragsärzte habe privilegieren wollen, die seit längerem nicht im Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot tätig seien. Ärzte, die ggf schon seit Jahren ihr Richtgrößenvolumen überschritten und hinlänglich wüssten, welcher Verordnungsumfang von der zuständigen Prüfungsstelle als wirtschaftlich angesehen werde, bedürften einer "Beratung" nicht. Diese wäre vielmehr bloße [X.]. Durch die Einfügung des Wortes "erstmalig" als Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung des § 106 Abs 5e [X.] [X.] habe der Gesetzgeber verdeutlicht, dass die Privilegierung allein den Ärzten zugutekommen solle, die bislang noch keine Veranlassung zu [X.] gegeben hätten. Eine "erstmalige" Überschreitung setze voraus, dass es nicht bereits in vorangegangenen Prüfungszeiträumen mindestens einmal oder gar wiederholt zu Überschreitungen gekommen sei (B[X.] aaO Rd[X.] 58). Die Vorschrift des § 106 Abs 5e S 7 [X.] verhalte sich überhaupt nicht zur Frage der "[X.]" der Überschreitung, sondern bestimme allein, dass der Abs 5e "auch" für Verfahren gelte, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Gegenstand der Regelung sei daher die generelle Frage, auf welche Verfahren § 106 Abs 5e [X.] überhaupt Anwendung finde, dh ob die Regelung nur zukünftige oder auch bereits laufende oder gar bereits durch Bescheide der Prüfgremien abgeschlossene Verfahren erfasse (B[X.] aaO Rd[X.] 69).

6

War der Anwendungsbereich des § 106 Abs 5e [X.] nach der Rechtsauffassung des L[X.] nicht eröffnet, weil es an den Tatbestandsvoraussetzungen des [X.] fehlte, stellte sich die Frage, ob eine "künftige Überschreitung" iS des [X.] vorlag, nicht mehr (zu den unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und unterschiedlichen Rechtsfolgen vgl B[X.] aaO Rd[X.] 71 f). Die Klägerin entnimmt dem Urteil des L[X.] die Aussage: "Regressfestsetzungen sind infolge weiterer bzw. nachfolgender ("künftiger") Überschreitungen des [X.] nicht ausgeschlossen, wenn es sich dabei um einen Prüfzeitraum handelt, der zeitlich vor einer Beratung i.S.d. § 106 Abs. 5e Satz 1 [X.] liegt, dem jedoch vor Inkrafttreten des § 106 Abs. 5e [X.] eine Beratung nach Abs. 5a voranging, die im laufenden Verwaltungsverfahren nach Inkrafttreten des Abs. 5e durch die Prüfgremien in eine Beratung nach Abs. 5e umgewandelt wurde. Die per [X.] in eine Beratung nach § 106 Abs. 5e [X.] umgewandelte Beratung wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Beratung nach § 106 Abs. 5a [X.] zurück, ohne dass die Voraussetzungen einer "individuellen Beratung" i.S.d. § 106 Abs. 5e [X.] vorliegen müssen."
Es kann dahinstehen, ob es sich dabei um einen hinreichend abstrakten Rechtssatz iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G handelt. Das angefochtene Urteil des L[X.] verhält sich jedenfalls weder zur Frage einer "künftigen Überschreitung" iS des § 106 Abs 5e [X.] [X.] noch zu den Anforderungen an eine Beratung. Die Klägerin verkennt insofern auch, dass die "umgewandelten" Maßnahmen betreffend die [X.], 2005 bis 2007 nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens waren. Dass die Klägerin meint, das L[X.] habe die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 106 Abs 5e [X.] unzutreffend umgesetzt, vermag eine Divergenz nicht zu begründen.

7

2. Der [X.] der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend dargetan. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss nach den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.]G abzuleitenden Darlegungsanforderungen in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]1 [X.]7 f; B[X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.] 11 [X.]4) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B[X.] [X.]-1500 § 153 [X.] 3 Rd[X.] 13 mwN).

8

Die Klägerin fragt,

-       

Welche (Mindest)Anforderungen sind an eine individuelle Beratung i.S.d. § 106 Abs. 5e Satz 1 [X.] zu stellen?

-       

Kann eine bereits nach § 106 Abs 5a [X.] erfolgte Beratung in eine Beratung nach § 106 Abs. 5e [X.] umgewidmet werden, ohne dass diese "individuell" nach Maßgabe des § 106 Abs. 5e Satz 1 [X.] erfolgte?

9

Es fehlt bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen. Die Klägerin zeigt nicht auf, welche Bedeutung diesen Fragen angesichts der mit Bescheiden vom 13.6.2013 erfolgten und bestandskräftigen Umwandlung der Beratungen und [X.] für die [X.] und 2005 bis 2007 noch zukommen kann. Darüber hinaus ist auch ein Klärungsbedarf angesichts der Neustrukturierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch das GKV-V[X.] zum 1.1.2017 nicht substantiiert dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des B[X.] sind Fragen zu einer Rechtsnorm, bei der es sich um ausgelaufenes Recht handelt, regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage daraus erwächst, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (vgl B[X.] Beschluss vom 29.11.2017 - [X.] [X.] 51/17 B - Juris Rd[X.] 15; B[X.] Beschluss vom 28.6.2017 - [X.] [X.] 84/16 B - Juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - [X.]-1500 § 160a [X.] 32 Rd[X.] 10 mwN). Bei Rechtsfragen zu bereits außer [X.] getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (vgl zB B[X.] Beschluss vom 28.11.1975 - 12 BJ 150/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 19; B[X.] Beschluss vom 7.2.2007 - [X.] [X.] 56/06 B - Juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 31/08 B - Juris Rd[X.]0; B[X.] Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - [X.]-1500 § 160a [X.] 32 Rd[X.] 10 mwN). Der Vortrag der Klägerin, die Rechtsfragen stellten sich "noch in einer unbestimmten Anzahl ähnlich gelagerter Verfahren", ist in seiner Allgemeinheit nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung zu begründen.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 3 [X.]G iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin auch die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 [X.] Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 [X.], § 52 Abs 3 [X.], § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 6 KA 52/17 B

21.03.2018

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG München, 14. Oktober 2015, Az: S 38 KA 621/13, Urteil

§ 106 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5, § 106 Abs 5e S 1 SGB 5 vom 22.12.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.03.2018, Az. B 6 KA 52/17 B (REWIS RS 2018, 11879)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11879

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