Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.10.2017, Az. 1 VR 10/17, 1 VR 10/17 (1 VR 8/17)

1. Senat | REWIS RS 2017, 3364

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kein Abschiebungsschutz für tunesischen islamistischen Gefährder


Gründe

1

Über die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO ist in der dem Geschäftsverteilungsplan entsprechenden Besetzung zu entscheiden, nicht notwendigerweise in der genauen Besetzung, in welcher der [X.] die angegriffene Entscheidung (bei der ein an sich zur zuständigen Besetzung gehörendes [X.] wegen einer Dienstreise verhindert war) erlassen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 2007 - 8 C 17.07 - juris Rn. 1). Der in dem Verfahren 1 A 8.17 u.a. gegen den VRi[X.] Prof. Dr. B. und die Ri'in[X.] [X.] gerichtete Befangenheitsantrag ist weder ausdrücklich noch sinngemäß auch im vorliegenden Verfahren gestellt worden; es bedarf daher nicht der Entscheidung, ob ein solches Gesuch vor der Entscheidung über die Begründetheit der Anhörungsrüge überhaupt statthaft wäre (dazu [X.], Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 S 783/16 - NVwZ-RR 2016, 934; s.a. [X.], Beschluss vom 24. Januar 2012 - 4 [X.] - juris).

2

Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Rügebegründung ist keine Verletzung des Rechts des Antragstellers auf rechtliches Gehör durch den angegriffenen Beschluss zu entnehmen.

3

Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, verpflichtet das Gericht, das Vorbringen jedes Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen. Es muss in seiner Entscheidung auch nicht ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten im Lauf des Verfahrens vorgetragenen Tatsachen und Rechtsansichten erörtern. Vielmehr sind in der Entscheidung nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht nicht auf sämtliche Begründungselemente des [X.] eingegangen ist, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht berücksichtigt, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - [X.]E 86, 133 <145 f.>; [X.], Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 [X.] - [X.]E 96, 200 <209 f.> und Beschlüsse vom 21. Juni 2007 - 2 B 28.07 - [X.] 235.1 § 58 [X.] Nr. 3 Rn. 6 und vom 1. März 2017 - 6 [X.] - juris Rn. 2).

4

1. Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers nicht entnehmen, dass der [X.] sein Vorbringen übergangen hätte. Er hat es vielmehr berücksichtigt, aber nicht für durchgreifend erachtet.

5

a) Der Antragsteller rügt zunächst, der [X.] sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass seine Ehe geschieden worden sei, weil seine Ehefrau ihn mehrfach wegen häuslicher Gewalt angezeigt hatte. Zutreffend sei vielmehr, dass die Ehe einvernehmlich geschieden worden sei, weil die Ehegatten nicht miteinander ausgekommen seien und die Ehefrau ein Kind von [X.] erwartet habe. Der Antragsteller macht insoweit bereits nicht geltend, dass der [X.] entscheidungserhebliches Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt hat, sondern beanstandet die Tatsachenwürdigung durch den [X.], was einen Gehörsverstoß nicht zu begründen vermag. Unabhängig hiervon hat der [X.] lediglich festgestellt, dass die Ehe im [X.] geschieden worden sei, nachdem die Ehefrau des Antragstellers diesen mehrfach wegen häuslicher Gewalt angezeigt hatte, und damit nicht auf eine Kausalität zwischen häuslicher Gewalt und Ehescheidung abgestellt, sondern lediglich den zeitlichen Ablauf dargestellt.

6

Der Antragsteller macht in diesem Zusammenhang weiterhin geltend, es könne nicht nachvollzogen werden, wie der [X.] zu der Annahme gelangen konnte, dass bei dem Antragsteller bereits im Jahre 2008 eine radikal-islamische Einstellung vorgelegen habe. Er nimmt in diesem Zusammenhang auf folgende Textpassagen im angefochtenen Beschluss Bezug (Rn. 38):

"Dass er (der Antragsteller) grundsätzlich eine persönlichkeitsbedingte Gewaltbereitschaft zur Durchsetzung seiner Wertvorstellungen hat, wird auch dadurch belegt, dass er seine Ehefrau misshandelte und aufgrund seiner radikal-islamischen Einstellung annahm, hierzu auch berechtigt zu sein."

7

Der Einschätzung des [X.]s lag zugrunde, dass der Antragsteller wegen Gewalttätigkeit gegenüber seiner Ehefrau im [X.] zu einer Geldstrafe wegen Körperverletzung verurteilt worden war ([X.]. 162 ff. [X.]). In einer Beschuldigtenvernehmung vom November 2007 ([X.]. 175 [X.]) gab der Antragsteller an, dass seine Frau ihn betrogen habe und er sie in [X.] deswegen nicht anzeigen könne. Er könne also nur durch Gewalt "zu seinem Recht kommen"; dies hat der [X.] im Kontext der persönlichen Gewaltbereitschaft des Antragstellers gewürdigt. Bei der im Rahmen der gemäß § 58a [X.] vorzunehmenden Gesamtschau aller vorliegenden Erkenntnisse hat der [X.], neben einer Vielzahl anderer Anhaltspunkte für die radikal-islamische Einstellung des Antragstellers, auf die Persönlichkeit des Antragstellers, wie sie sich u.a. aus seinem bisherigen Verhalten ergibt, abgestellt. Mit seiner Kritik an dieser Einschätzung wendet sich der Antragsteller gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des [X.]s, macht jedoch nicht geltend, dass der [X.] entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers übergangen habe. Das gleiche gilt, soweit der Antragsteller nunmehr mit mehreren, erst im [X.] vorgelegten Dokumenten ([X.] bis [X.]) die Tatsachenwürdigung des [X.]s zu erschüttern sucht. Es ist jedoch nicht der Zweck der Anhörungsrüge, das abgeschlossene Verfahren wieder aufzugreifen, um die verfahrensabschließende Entscheidung des Gerichts auf materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. Erst recht ist die Anhörungsrüge nicht dazu bestimmt, das Vorbringen in dem abgeschlossenen Verfahren zu ergänzen oder gar zu erweitern.

8

b) Eine Gehörsverletzung ist auch nicht mit [X.]ick auf die Rüge des Antragstellers einer unzureichenden Berücksichtigung seines Vorbringens zu dem Video "Öffentliche Videovorführung der Verbrennung eines jordanischen Piloten durch den [X.] in der [X.]" zu erkennen. Der Antragsteller hat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren diesbezüglich vorgetragen, dass er "tausendprozentig" nicht die Person sei, die ein Interview zu der Verbrennung eines jordanischen Piloten gegeben habe. Zudem hat er sich darauf berufen, dass es nach dem gesichtsmorphologischen Lichtbildvergleich seitens des kriminalwissenschaftlichen und -technischen Instituts lediglich "wahrscheinlich" sei, dass es sich bei den auf den Aufnahmen zu sehenden Personen um ein und dieselbe Person handele, und es sich daher bei der im Video zu sehenden Person auch um eine solche handeln könne, die dem Antragsteller sehr ähnlich sehe. Auch das Stimmenvergleichsgutachten belege nicht, dass der Antragsteller diejenige Person sei, die sich in dem Video propagandistisch zugunsten des "[X.]" äußere, da es lediglich zu dem Ergebnis komme, dass eine Identität der Sprechenden mit überwiegend bis hoher Wahrscheinlichkeit, aber nicht mit sehr hoher oder gar mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vorliege. Der [X.] habe die beiden Gutachten und den diesbezüglichen Vortrag des Antragstellers nicht zur Kenntnis genommen. Ausweislich des angegriffenen Beschlusses (Rn. 23) hat der [X.] jedoch sowohl den Untersuchungsbericht zum gesichtsmorphologischen Lichtbildvergleich einschließlich der in den [X.]n befindlichen Lichtbilddokumentation als auch das Stimmenvergleichsgutachten vom 6. Juli 2017, auf die sich auch der Antragsteller berufen hatte, zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Er hat die vorliegenden Gutachten, die eine Identität des Sprechers auf dem Video mit dem Antragsteller in dem einen Fall als "wahrscheinlich" und in dem anderen als sogar "überwiegend bis hoch wahrscheinlich" bezeichneten, sowie die in den [X.]n befindliche Lichtbilddokumentation dahin gewürdigt, dass es sich bei der Person, die sich in dem Video äußert, um den Antragsteller handelt. Dabei hat der [X.] zur Kenntnis genommen, dass die beiden Gutachten je für sich keine zweifelsfreie Identifizierung des Antragstellers ermöglichten. Seine Beweiswürdigung beruhte jedoch auf einer Gesamtschau aller Umstände, in die auch eingeflossen ist, dass die Reisebewegungen des Antragstellers (soweit bekannt) die Annahme des [X.]s untermauern, und dass der Antragsteller nicht dargelegt hatte, wo er sich zum Zeitpunkt der Aufnahme des [X.] aufgehalten hat. Dies konkretisiert die vom Antragsteller als unzutreffend beanstandete Bewertung, er habe die Mitwirkung "pauschal" bestritten. Der Antragsteller wiederholt insoweit mit der Anhörungsrüge sein Vorbringen im Verfahren und hält die Tatsachenwürdigung durch das Gericht für fehlerhaft. Der [X.] verpflichtet das Gericht aber nicht, die Beweiswürdigung des Antragstellers zugrunde zu legen.

9

c) Des Weiteren führt der Antragsteller aus, dass die Annahme des [X.]s, der Antragsteller habe den "[X.]" in Form der Weiterverbreitung von "[X.]"-Propagandamaterial unterstützt, was seine hohe Identifizierung mit dem "[X.]" und dessen militanter, gewaltbereiter Auslegung des Islam belege, falsch sei. Diese Annahme könne nicht durch die [X.]n belegt werden. Der Antragsteller habe dies auch in seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bestritten, ohne dass der [X.] hierauf eingegangen sei. Auch mit diesem Vorbringen wird ein Gehörverstoß nicht aufgezeigt. Der Antragsteller übersieht insoweit, dass der [X.] in Rn. 25 des Beschlusses unter Angabe von Belegen aus den [X.]n im Einzelnen angegeben hat, auf welche Tatsachen sich seine Annahme gründe, so dass das pauschale Bestreiten des Antragstellers die Tatsachenwürdigung durch das Gericht nicht zu erschüttern vermochte. Einer weitergehenden inhaltlichen Auseinandersetzung ist ein pauschales Bestreiten - etwas anderes vermag der [X.] in der unter Nr. 3 wiedergegebenen Äußerung des Antragstellers im Antrag vom 5. August 2017 nach wie vor nicht zu sehen - bereits nicht zugänglich.

Der Antragsteller verweist ferner darauf, dass der [X.] mit Beschluss vom 17. August 2017, den der [X.] ersichtlich zur Kenntnis genommen hat (s. Rn. 4 des Beschlusses), den Haftbefehl aufgehoben und zur Begründung u.a. darauf abgestellt habe, es ergäben sich keine Verdachtsgründe dafür, dass der Antragsteller mit seinen der Propaganda dienenden Vorbereitungshandlungen Mitglieder der [X.] individuell in ihrer medialen Tätigkeit für den "[X.]" gefördert hätte, indem er etwa seine Bilddateien in Absprache mit diesen veröffentlicht oder Mitgliedern der auf die [X.] ausgerichteten Abteilung des "[X.]" zu Veröffentlichungszwecken zur Verfügung gestellt hätte. Unabhängig davon, dass insoweit bereits keine Rüge eines Gehörsverstoßes zu erkennen ist, weist der [X.] in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese im Rahmen einer strafrechtlichen Subsumtion vorgenommene Würdigung nicht für die nach der Gefahrenabwehrvorschrift des § 58a [X.] vorzunehmende Gefahrenprognose maßstäblich ist.

d) Weiterhin rügt der Antragsteller, der [X.] habe folgenden Vortrag nicht berücksichtigt:

"Der Antragsteller hat keine Kontakte zur [X.], er kennt diese Personen nicht. Wer die Drahtzieher sind oder waren - sofern es welche gibt - weiss er auch nicht. Konkretes kann der Antragsgegner aber auch nicht liefern. Schaut man sich die Fundstellen der Staatsanwaltschaft, die ausnahmsweise auch der Verteidigung vorliegen an, so ergibt sich folgendes:

Laut Akten wurde im Jahr 2004 ein Ermittlungsverfahren gegen einen [X.]. geführt. Gegen diesen bestand unter anderem der Verdacht, so die Polizei, dass er eine Fußballgruppe nutzt, um die Teilnehmer mit islamistischem Gedankenmaterial zu indoktrinieren. Das Ermittlungsverfahren sei am 03.08.2007 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Zu dieser Fußballgruppe gehörte - neben vielen Teilnehmern - auch der Antragsteller [X.], so die Polizei. Im Übrigen laut Polizei auch Personen, die beispielsweise im [X.] - neun Jahre nach Gründung der Fußballgruppe - nach [X.] ausgereist seien.

Hierzu darf ausgeführt werden, dass zu dieser Fußballgruppe im Laufe der Jahre viele viele Personen [X.] Herkunft zugestoßen sind. 'Gruppe' ist wahrscheinlich in diesem Zusammenhang auch zuviel gesagt. Man hat gemeinsam Fußball gespielt. Der Antragsteller war ab und an auch dabei. Was diese Personen später gemacht haben, kann und muss der Antragsteller nicht wissen. Er weiss es auch nicht. Viele von diesen kennt er nicht. Da die Fußballgruppe von einer Moschee initiiert wurde, waren einfach im Laufe der Jahre viele Personen dabei. Da keine Kontakte des Antragstellers zu irgendwelchen 'Gefährdern' bestand, können die Ermittlungsbehörden auch nichts konkretes darüber sagen, d.h. ob und wenn ja, wie oft und mit wem der Antragsteller Kontakt gehabt haben soll. Er hatte sie einfach nicht."

Mit dieser Rüge übersieht der Antragsteller bereits, dass der [X.] Kontakte des Antragstellers zur sogenannten [X.] gar nicht festgestellt hat. Vielmehr hat er ausgeführt (Rn. 29), dass der Antragsteller auch bereits vor seiner Ausreise aus [X.] Kontakte zu Personen aus der islamistischen Szene unterhielt, u.a. zu Personen, gegen die wegen staatschutzgefährdender Aktivitäten strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchgeführt wurden. So habe er einer Fußballgruppe angehört, die durch [X.]. geleitet worden sei, der im Verdacht gestanden habe, die Teilnehmer mit islamistischem Gedankenmaterial zu indoktrinieren. Ein anderer Teilnehmer dieser Gruppe, [X.]., sei im Mai 2013 aus [X.] bzw. in den [X.] ausgereist und habe sich dem "[X.]" angeschlossen. Der [X.] hat hier auf die Berührungspunkte des Antragstellers zu Personen aus der islamistischen Szene als (nach dem Kontext für die Kontakte vor der Ausreise untergeordneten) Baustein im Rahmen einer Gesamtwürdigung vielfältiger Indizien abgestellt, ohne dem Antragsteller die Handlungen von Kontaktpersonen zuzurechnen.

Unabhängig davon hat der [X.] das oben wiedergegebene Vorbringen des Antragstellers zur Kenntnis genommen und erwogen, jedoch anders gewürdigt als vom Antragsteller gewünscht. Das gilt auch für seine Behauptung, [X.]. nicht zu kennen; dieser hat der [X.] mit [X.]ick auf die gemeinsame Zugehörigkeit zu derselben Fußballgruppe keinen Glauben geschenkt. Der Antragsteller bestreitet nicht, zu dieser Fußballgruppe gehört zu haben. Er behauptet lediglich, dass es sich hierbei nicht um eine feste Gruppe gehandelt, sondern dass diese sich im Laufe der Jahre aus unterschiedlichen Personen zusammengesetzt habe. Soweit er allgemein behauptet, keine Kontakte zu "irgendwelchen Gefährdern" gehabt zu haben, hat der [X.] dieses Vorbringen erwogen, es aber vor dem Hintergrund der von dem Antragsteller eingeräumten Zugehörigkeit zu dieser Gruppe als für die Indizwirkung unsubstantiiertes Bestreiten angesehen. Im Übrigen ergibt sich auch aus dem vom Antragsteller mit der Anhörungsrüge vorgelegten Vernehmungsprotokoll der ehemaligen Ehefrau des Antragstellers (Anlage [X.] zum [X.] vom 6. Oktober 2017), dass der Antragsteller wegen seiner Zugehörigkeit zu der Fußballgruppe bereits vor 2009 unter polizeilicher Beobachtung stand und vor einer beabsichtigten Ausreise nach [X.] kontrolliert wurde.

e) Das Vorbringen des Antragstellers zur Kontaktperson [X.]. (S. 22 Mitte des angegriffenen Beschlusses) legt nicht dar, welches entscheidungserhebliche, wesentliche Vorbringen des Antragstellers unberücksichtigt geblieben sein soll, sondern wendet sich im Ergebnis gegen die tatrichterliche Würdigung, dass eine Person, die Kontakt zu einem islamistischen Hassprediger (hier: [X.]) hat, ebenfalls der islamistischen Szene zuzurechnen ist.

f) Soweit der Antragsteller im Zusammenhang mit der Kontaktperson P. Nr. rügt, der [X.] habe die Akten unvollständig ausgewertet, legt er ebenfalls keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Das Vorbringen, Nr. habe neben einer Slush-Eis-Maschine weitere Küchenbedarfsartikel (Elektro-Herdplatte, Töpfe, Küchenmixmaschine) gekauft (Gerichtsakte [X.]. 23), war für den [X.] kein zentrales, entscheidungserhebliches Vorbringen, auf das gesondert einzugehen gewesen wäre. Es ändert nichts an der vorgenommenen Würdigung, dass eine Slush-Eis-Maschine ebenso wie die weiteren im Beschluss aufgeführten, von Nr. erworbenen Gegenstände (Haarblondierungsmittel, Poolreiniger, Schimmel- und Nagellackentferner) bei der Herstellung von Sprengstoff, z.B. [X.], Verwendung finden können. Dies war im vorliegenden Zusammenhang auch ohne abschließende Klärung des Verwendungszwecks oder des Berufes von Herrn Nr. in die Risikoprognose einzustellen. Auf den in der Anhörungsrüge herangezogenen Bericht des [X.] vom 23. Dezember 2016 hatte sich der Antragsteller in seiner Antragsbegründung im Übrigen nicht berufen.

g) Auch mit dem zu Ziffer 7 der Rügebegründung erhobenen Vorwurf, der [X.] habe im Zusammenhang mit der Würdigung der Aussage der Vertrauensperson der Polizei den Sachverhalt unvollständig wiedergegeben und sich mit seinen Einwänden nicht befasst, wird ein Gehörsverstoß nicht dargelegt. Der Antragsteller wendet sich insoweit gegen die tatrichterliche Würdigung durch den [X.]. Der [X.] habe außer [X.] gelassen, dass der von der Vertrauensperson benannte Zeuge [X.]. anlässlich mehrerer polizeilicher Vernehmungen die Angabe der Vertrauensperson, dass der Antragsteller versucht habe, sich über den Getränkehändler namens [X.]. Zugang zur [X.] zu verschaffen und einen Anschlag in [X.] plane, nicht bestätigt habe. Auch habe er - der Antragsteller - vorgetragen, dass er eine Person namens [X.]. nicht kenne und nicht versucht habe, sich Zugang zur [X.] zu verschaffen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat der [X.], der [X.] dieses Vorbringens in Rn. 5 des Beschlusses ersichtlich zur Kenntnis genommen hat, seine Entscheidung auf diesen Teil der Aussage der polizeilichen Vertrauensperson jedoch nicht gestützt. Er hat vielmehr darauf abgestellt (Rn. 30 des angegriffenen Beschlusses), dass die polizeilichen Vertrauenspersonen bekundet haben, dass der Antragsteller Anschläge in [X.] und auch in [X.] plane, dass auffällig oft über Themen im Zusammenhang mit einem Weihnachtsmarkt gesprochen worden sei, und dass der Antragsteller in terroristische Aktivitäten des "[X.]" involviert sei ([X.]. 395 [X.]).

h) Soweit der Antragsteller die Ausführungen des [X.]s (Rn. 32 des Beschlusses) angreift, der Antragsteller sei als Schleuser und [X.] für den "[X.]" tätig geworden, greift er die tatrichterliche Würdigung an, ohne darzulegen, inwiefern der [X.] insoweit entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers übergangen hat. Das gilt auch für seine Einwände gegen die Würdigung verschiedener Chatprotokolle durch den [X.] (Rn. 26 des Beschlusses), bei denen der Antragsteller die Chatprotokolle selektiv auswertet und dem [X.] Protokolle auf Beiaktenseiten entgegenhält, die der [X.] insoweit (s. S. 25 Zeile 1 des Beschlusses) nicht ausdrücklich benannt hat. Die Anhörungsrüge ist indes kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Es handelt sich vielmehr um ein formelles Recht, dass dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, den Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 2012 - 8 B 7.12 - ZfWG 2012, 377 - juris Rn. 2). Unabhängig hiervon hat der [X.] im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung die Erkenntnisse des [X.], wonach der Antragsteller für den "[X.]" als Schleuser und [X.] tätig war, dadurch bestätigt gesehen, dass bei der Auswertung von [X.], die dem Antragsteller seitens der Ermittlungsbehörden zugeordnet werden konnten, festgestellt wurde, dass der Antragsteller jedenfalls an der illegalen Einschleusung von Personen beteiligt war (Rn. 32 des Beschlusses) und bei ihm auch eine Telefonnummer festgestellt wurde, die wiederum Schleusern zugeordnet werden konnte, die Personen in Kampfgebiete bringen.

i) Weiter ist auch der mit Ziffer 9 der Rügebegründung sinngemäß erhobene Vorwurf, der [X.] habe den Vortrag des Antragstellers, dass er nicht Angehöriger des "[X.]" sei, nicht zur Kenntnis genommen, nicht begründet. Entgegen der Behauptung des Antragstellers lässt sich den von ihm zitierten Textpassagen aus seinem Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ein explizites Bestreiten der Zugehörigkeit zum "[X.]" nicht entnehmen. Es wird lediglich die Tätigkeit als Schleuser oder Anwerber für den "[X.]" bestritten sowie festgestellt, dass es keine Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden und Nachweise dafür gebe, dass der Antragsteller mit dem "[X.]" sympathisiere und Unterstützungshandlungen für diesen erbracht habe. Auch aus dem Beschluss des [X.] vom 5. April 2017 (Anlage [X.] des Antrages vom 5. August 2017) erschließt sich gerade nicht als Tatsache, "dass der Antragsteller sich von den Zielen des [X.] und der radikal-salafistischen Szene distanziert" habe (s. S. 20 der Anhörungsrüge); das Verwaltungsgericht hat lediglich festgehalten, dass der Antragsteller sämtliche Vorwürfe pauschal bestreite, dies aber nichts an der zuvor mitgeteilten gegenteiligen Bewertung ändere (Beschlussabdruck S. 8).

j) Ferner ist auch die Rüge, der [X.] habe den Vortrag in dem [X.] des Antragstellers vom 5. August 2017 (Anlage [X.]) nicht zur Kenntnis genommen, wonach die [X.] Behörden den Vorwurf in Bezug auf das [X.] und die Stadt [X.] nicht mehr aufrechterhalten hätten, unbegründet. Denn der [X.] hat ausweislich Rn. 2 des Beschlusses zur Kenntnis genommen, dass die [X.] Behörden ihr Auslieferungsbegehren nachfolgen dahin konkretisierten, dass der Antragsteller sich dem "[X.]"-Terrornetzwerk in [X.] angeschlossen habe. Dies bringt zugleich zum Ausdruck, dass der ursprüngliche Vorwurf nicht wiederholt wurde (vgl. ferner die Ausführungen in Rn. 46 des angegriffenen Beschlusses).

k) Weiter beanstandet der Antragsteller die Ausführungen des angegriffenen Beschlusses (Rn. 33), wonach der Antragsteller im Besitz von Telefonnummern von Personen war, die mit den [X.] im Zusammenhang stehen. Der Antragsteller wendet sich insoweit gegen die Würdigung des Akteninhalts durch den [X.], ohne einen Gehörsverstoß geltend zu machen.

l) Schließlich rügt der Antragsteller, der [X.] sei auf Seite 26/27, Rn. 36 des angegriffenen Beschlusses fälschlich davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller nach den Angaben der [X.] Behörden und den von diesen vorgelegten Erkenntnissen in [X.] dem "[X.]"-Terrornetzwerk angeschlossen habe und die Ausübung von Anschlägen in [X.] plane. Selbst der Antragsgegner habe mit [X.] vom 19. September 2017 angegeben, dass der Antragsteller dort den Angaben der [X.] Behörden zufolge nicht Mitglied des "[X.]" sei, sondern Mitglied einer [X.] Gruppierung. Auch insoweit wird keine Gehörsverletzung geltend gemacht, sondern die tatrichterliche Würdigung des Akteninhalts beanstandet. Im Übrigen hat der Antragsgegner in seinem [X.] vom 19. September 2017 folgendes Ergebnis eines Gespräches zwischen einer [X.] Delegation und den [X.] Behörden Anfang September 2017 mitgeteilt:

"Im direkten Gespräch [konnte] nur der in den ergänzenden Auslieferungsunterlagen vom April 2017 enthaltene, einigermaßen nachvollziehbare Vorwurf eines geplanten [X.] auf eine Kaserne in [X.] oder D. im März 2016 vertieft werden. Nach meinem Verständnis bestätigte bzw. präzisierte die [X.] Seite, dass [X.] nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden Anführer bzw. [X.] der aus mehreren Einzelzellen bestehenden [X.] Terrorgruppierung [X.]' sei, die in loser Verbindung zum '[X.]' stehe bzw. dessen Ziele teile. ....

Er [der Antragsteller] habe dem verdeckten Ermittler berichtet, mit seiner Organisation in [X.] Mord- und Sprengstoffanschläge verüben zu wollen. [...]"

Abgesehen davon, dass auch ausweislich dieses Gesprächs eine Verbindung des Antragstellers zum "[X.]" besteht, ergibt sich insbesondere aus den in der [X.] in Bezug genommenen Auslieferungsunterlagen vom April 2017 ([X.] vom 10. April 2017, [X.]. 297 ff. [X.]n), dass sich der Antragsteller nach den Ermittlungen der [X.] Strafverfolgungsbehörden im Auftrag von "Terrormitgliedern" in [X.] dem "[X.]"-Netzwerk in [X.] angeschlossen hat.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

1 VR 10/17, 1 VR 10/17 (1 VR 8/17)

25.10.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: VR

vorgehend BVerwG, 19. September 2017, Az: 1 VR 8/17, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.10.2017, Az. 1 VR 10/17, 1 VR 10/17 (1 VR 8/17) (REWIS RS 2017, 3364)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3364


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 VR 10/17, 1 VR 10/17 (1 VR 8/17)

Bundesverwaltungsgericht, 1 VR 10/17, 1 VR 10/17 (1 VR 8/17), 25.10.2017.


Az. 1 VR 8/17

Bundesverwaltungsgericht, 1 VR 8/17, 19.09.2017.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 VR 1/18 (1 VR 8/17, 1 VR 10/17), 1 VR 1/18, 1 VR 8/17, 1 VR 10/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Kein Abschiebungsschutz für tunesischen islamistischen Gefährder


1 VR 8/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Kein Abschiebungsschutz für tunesischen islamistischen Gefährder


2 BvR 2592/18 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Darlegungsanforderungen im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) und Rechtsschutzanspruch (Art 19 Abs 4 GG) - …


2 C 37/17, 2 C 37/17 (2 C 36/16) (Bundesverwaltungsgericht)

Anhörungsrüge im Revisionsverfahren; Überraschungsentscheidung bei bekannter höchstrichterlicher Rechtsprechung; Verhältnis von Anhörungsrüge und Gegenvorstellung


5 B 2/22, 5 B 2/22 (5 B 8/21) (Bundesverwaltungsgericht)

Erfolglose Anhörungsrüge


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

4 StR 469/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.