Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2019, Az. 1 StR 413/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 2759

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Mai 2019 im Schuldspruch im Fall B.II.2. der Urteilsgründe sowie im Rechtsfolgenausspruch mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 500 Euro angeordnet. Die hiergegen mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2

1. Nach den Urteilsfeststellungen erwarb der Angeklagte im [X.] 2018 von         [X.]     zehn Gramm Metamphetamin ([X.] Meth) mit einem Wirkstoffgehalt von 70 % Metamphetaminbase zu einem Kaufpreis von 80 Euro pro Gramm auf [X.]. Die Hälfte des Betäubungsmittels verkaufte er für 100 bis 120 Euro pro Gramm gewinnbringend weiter. Die andere Hälfte konsumierte er selbst. Den durch den Weiterverkauf erzielten Gewinn beabsichtigte der Angeklagte zur Deckung seines Eigenkonsumbedarfs zu verwenden (Tat [X.] der Urteilsgründe). Etwa Mitte Oktober 2018 kaufte der Angeklagte von [X.]     weitere 20 Gramm Metamphetamin zu einem Grammpreis von 80 Euro. „Auch diese Betäubungsmittel dienten dem gewinnbringenden Weiterverkauf, welchen der Angeklagte beabsichtigte“ ([X.]). Am 2. November 2018 wurden 19,84 Gramm Metamphetamin mit einem Wirkstoffanteil von 14,6 Gramm Metamphetaminbase in seiner Wohnung sichergestellt ([X.] der Urteilsgründe).

3

2. Der zur Tatzeit 33-jährige, unter anderem wegen mehrerer Betäubungsmitteldelikte vorbestrafte Angeklagte konsumierte seit seinem 14. Lebensjahr Ecstasy und auch „THC“. Mit 15 Jahren kam er in Kontakt mit [X.] und nahm seitdem fast ausschließlich [X.] von einem Gramm täglich zu sich. Er ist metamphetaminabhängig. Seinen sich steigernden [X.] vermag der Angeklagte nur eingeschränkt zu kontrollieren. Seine Freizeit und private Lebensgestaltung drehten sich in den letzten Jahren ausschließlich um die Beschaffung von Betäubungsmitteln ([X.]. Die finanziellen Mittel für seinen Eigenkonsum verschaffte er sich durch das selbständige Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ([X.] und S. 6).

II.

4

1. [X.] B.II.2. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das [X.] die Gesamtmenge der vom Angeklagten erworbenen 20 Gramm Metamphetamin als Handelsmenge der Verurteilung zugrunde gelegt hat, ohne zu erörtern, ob nicht ein Teil der [X.] dem Eigenkonsum des Angeklagten dienen sollte.

5

a) Dies lag nach den Urteilsfeststellungen nicht fern und war erörterungsbedürftig. Im Fall [X.] der Urteilsgründe hat der betäubungsmittelabhängige Angeklagte die Hälfte des erworbenen [X.] selbst konsumiert. Der Gewinn aus der Handelsmenge von fünf Gramm Metamphetamin sollte - wie schon „seit langen Jahren“ ([X.]) - zur Deckung des Eigenbedarfs verwendet werden. Dass im [X.] die erworbenen Betäubungsmittel „auch“ dem gewinnbringenden Weiterverkauf dienen sollten, lässt im Gegensatz zu den Feststellungen im Fall [X.] der Urteilsgründe ungeklärt, ob es sich um eine ausschließlich zum Zwecke des Handeltreibens vom Angeklagten erworbene [X.] handelte. Die Urteilsgründe belegen jedenfalls nicht, dass der im Wesentlichen geständige Angeklagte den Erwerb der Betäubungsmittel im [X.] der Urteilsgründe ausschließlich zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs eingeräumt hat.

6

b) Der Erörterungsmangel nötigt vorliegend zur Aufhebung des Schuldspruchs im [X.] der Urteilsgründe: Wenn die erworbene [X.] auch dem Eigenkonsum diente, würde dies eine Abänderung des Schuldspruchs zur Folge haben. Die [X.] entzieht der verhängten [X.] von zwei Jahren und sechs Monaten und der Gesamtstrafe die Grundlage.

7

2. Auch der Strafausspruch ist nicht frei von Rechtsfehlern.

8

a) Zwar erörtert das [X.] - jedoch lediglich im [X.] der Urteilsgründe im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG -, ob die vom Angeklagten unmittelbar nach seiner Festnahme zu seinem Lieferanten und einer weiteren tatbeteiligten Person gemachten Angaben zu einem Aufklärungserfolg im Sinne des § 31 BtMG geführt haben. Die [X.] verneint aber einen solchen Aufklärungserfolg mit der Begründung, dass die benannten Lieferanten bereits von den Ermittlungsbehörden überwacht wurden; insbesondere sei durch die [X.] bereits bekannt gewesen, dass die Lieferanten mit dem Angeklagten [X.] machten. Die Ermittlungsbehörden verfügten dabei auch über Erkenntnisse zur Häufigkeit der Treffen sowie darüber, dass mit [X.] in nicht geringer Menge Handel getrieben worden sei.

9

b) Mit dieser Begründung der Ablehnung eines Aufklärungserfolges im Sinne von § 31 BtMG greift das [X.] zu kurz. Ein Aufklärungserfolg im Sinne dieser Vorschrift kann auch dann noch wesentliches Gewicht für die Aufklärung von Taten anderer Beteiligter zukommen, wenn hierdurch wichtige Tatsachen oder Beweise kundgetan werden oder den bereits vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage verschafft wird (vgl. zu § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB [X.], Beschluss vom 27. August 2019 - 1 StR 586/18 Rn. 9 mwN). Den Urteilsfeststellungen ist aber nicht hinreichend zu entnehmen, dass die Angaben des Angeklagten keine sicherere Grundlage für Erkenntnisse über Straftaten der ihn beliefernden Personen geschaffen haben.

c) Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der im Fall [X.] der Urteilsgründe verhängten [X.] von zwei Jahren und neun Monaten, die trotz vorhandener strafschärfender Strafzumessungsumstände angesichts der Handels- und Eigenkonsummenge von jeweils fünf Gramm [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von 70 % Metamphetaminbase bei dem sich aus § 29 Abs. 1 BtMG eröffnenden Strafrahmen mit Blick auf den [X.] nicht ohne weiteres nachvollzogen werden kann. Das neue Tatgericht wird zudem zu beachten haben, dass der bloße Umstand, dass es sich bei den „gegenständlichen Betäubungsmitteln um [X.] handelt“, als solches keine Strafschärfung zu begründen vermag. Auch ist angesichts der angenommenen Handelsmenge im [X.] der Urteilsgründe die Wertung, dass es sich bei dem 2,92-fachen der nicht geringen Menge um eine „erhebliche Menge“ handelt, nicht unbedenklich.

3. Der Senat hebt auch die an sich rechtsfehlerfrei getroffene Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) auf, um dem neuen Tatgericht eine stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.

4. Die Einziehungsentscheidung hat ebenfalls keinen Bestand. Das [X.] hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 500 Euro damit begründet, dass der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe in diesem Wert Betäubungsmittel erlangt habe, die er durch [X.] verbrauchte.

Eine Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB kommt bei erworbenen und anschließend konsumierten Betäubungsmitteln nicht in Betracht. Bei den vom Angeklagten erworbenen fünf Gramm [X.] im Fall [X.] der Urteilsgründe handelt es sich um [X.], die nach § 33 Satz 1 BtMG, § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 37/15 Rn. 6). Nach deren Verbrauch ist eine Einziehung von deren Wert nicht möglich. Die Voraussetzungen des § 74c StGB liegen nicht vor (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juni 2019 - 3 [X.] Rn. 9 mwN). Der Angeklagte hat durch den Erwerb der Betäubungsmittel auch nichts im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB durch oder für die Tat erlangt (vgl. [X.], Urteil vom 1. März 2007 - 4 [X.] Rn. 8; Beschlüsse vom 13. Januar 2010 - 2 [X.] Rn. 6; vom 14. Dezember 2001 - 3 [X.] Rn. 2 und vom 16. November 2001 - 3 [X.] Rn. 10; [X.], StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 25); insbesondere liegt keine Entlohnung des Angeklagten für die Tat vor (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 37/15 Rn. 6).

Raum   

        

Bellay   

        

Rin[X.] Dr. [X.]
befindet sich im Urlaub
und ist deshalb an der
Unterschriftsleistung
gehindert.

                                   

Raum   

        

Bär   

        

Leplow   

        

Meta

1 StR 413/19

10.10.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

§ 31 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2019, Az. 1 StR 413/19 (REWIS RS 2019, 2759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2759

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