Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2017, Az. 4 StR 298/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5502

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Betäubungsmitteldelikt: Konkurrenzverhältnis zwischen Handeltreiben und Besitz einer anderen Betäubungsmittelmenge zum Eigenkonsum


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. März 2017

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Verstrickungsbruch und [X.], des unerlaubten Veräußerns von Betäubungsmitteln in sechs Fällen und des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Waffen, unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;

b) im Strafausspruch im Fall II.2.d der Urteilsgründe aufgehoben; diese Einzelstrafe entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten „des Diebstahls in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Verstrickungsbruch und [X.], des unerlaubten Veräußerns von Betäubungsmitteln in 6 Fällen, des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Waffen sowie des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ schuldig gesprochen und ihn hierwegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Es hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei [X.] von einem Jahr und sechs Monaten der festgesetzten Strafe angeordnet und auf den Verfall von [X.] in Höhe von 5.000 Euro erkannt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der für den Fall [X.]2.d der Urteilsgründe festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte Anfang März 2016 100 Gramm Amphetamin zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs. Nachdem er es mit Koffein gestreckt hatte, verwahrte er 132,54 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 17,4 % Amphetaminbase in seinem Kühlschrank. Daneben verwahrte er verschiedene weitere Betäubungsmittel in seiner Wohnung, unter anderem mindestens teilweise zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmtes Marihuana. Neben anderen „als Zierde“ angebrachten oder abgelegten Gegenständen, unter anderem einem Butterflymesser und einem Schlagring, befand sich auf dem in Kopfhöhe angebrachten Sicherungskasten neben der Wohnungseingangstür der ca. 50 qm großen Wohnung in unmittelbarer Nähe zu Wohnzimmer und Küche eine über die Hälfte gefüllte, funktionsfähige Dose Pfefferspray der Marke [X.]. Das Pfefferspray hatte sich der Angeklagte zur [X.] beschafft, nachdem er kurz zuvor in seiner Wohnung überfallen worden war. Es sollte seinem Schutz dienen (Fall [X.] der Urteilsgründe).

3

Ebenfalls Anfang März 2016 - kurz nach dem Erwerb der zuvor erwähnten 100 Gramm Amphetamin - bat ihn ein unbekannt gebliebener Bekannter darum, für ihn 500 Gramm Amphetamin mit Koffein auf ein Kilogramm zu strecken; der Bekannte wollte es sodann gewinnbringend weiterveräußern. Der Angeklagte streckte das ihm übergebene Amphetamin auf 648,58 Gramm (Wirkstoffgehalt: 13,2 % Amphetaminbase) und verwahrte es sodann neben seinem eigenen Amphetamin in seinem Kühlschrank (Fall [X.]2.d der Urteilsgründe).

4

Die Rauschmittel wurden bei einer Durchsuchung seiner Wohnung am 4. März 2016 sichergestellt.

[X.]

5

[X.], weil sich die Annahme von zwei selbständigen realkonkurrierenden Taten in den Fällen [X.] und d der Urteilsgründe als unzutreffend erweist.

6

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] verwirklicht der gleichzeitige Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittelmengen den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. [X.], Urteile vom 4. Februar 2015 - 2 StR 266/14, [X.], 344; vom 1. August 1978 - 1 [X.]; Beschlüsse vom 3. Dezember 2015 - 4 [X.], [X.], 82; vom 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13, [X.], 163; vom 12. Oktober 2004 - 4 StR 358/04, [X.], 228 f.). Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das täterschaftlich begangene unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2015 - 4 [X.] aaO; vom 17. Mai 1996 - 3 [X.], [X.]St 42, 162, 165 f.), während zwischen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Besitz Tateinheit besteht (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 2015 - 2 StR 266/14, aaO; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 3 [X.], [X.], 58). Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung und teils zu anderen Zwecken, geht lediglich der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf. Für die anderen Zwecken dienende Menge verbleibt es dagegen bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge besteht Tateinheit (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2015 - 4 StR 516/14, [X.], 174 f.; vom 30. Juni 1998 - 1 StR 293/98, [X.], 593; vom 30. November 1995 - 1 StR 578/95; vom 12. Oktober 1990 - 1 StR 539/90; [X.] in MüKoStGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1209).

7

Mangels Wertgleichheit hat der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht [X.], selbständige, die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge untereinander zur Tateinheit zu verbinden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Dezember 2015 - 4 [X.], aaO; vom 17. Mai 1996 - 3 [X.], aaO). Demgegenüber werden an sich selbständige Taten der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch einen einheitlichen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer materiell-rechtlichen Tat verklammert (vgl. [X.], Urteil vom 4. Februar 2015 - 2 StR 266/14, aaO; Beschluss vom 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13, aaO).

8

2. Danach hat sich der Angeklagte - wie von der [X.] auch nicht verkannt - im Fall [X.] der Urteilsgründe des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Waffen und in dem als gesonderte Tat abgeurteilten und unter [X.] 2.d der Urteilsgründe festgestellten Geschehen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht. Allerdings handelt es sich nach den vorstehenden Ausführungen um eine materiell-rechtliche Tat im Sinne des § 52 StGB (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Februar 2017 - 4 [X.], [X.], 128 f.; vom 3. Dezember 2015 - 4 [X.], aaO; vom 25. Februar 2015 - 4 StR 516/14, aaO): Das bewaffnete Handeltreiben verdrängt in Bezug auf die eigene Handelsmenge den durchlaufenden einheitlichen Besitz, der hinsichtlich der vom Angeklagten verwahrten Fremdmenge in Tateinheit zu der Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge steht.

9

Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert (§ 354 Abs. 1 StPO analog); § 265 StPO steht nicht entgegen.

3. Die Schuldspruchänderung führt zum Entfallen der für die Tat [X.]2.d der Urteilsgründe verhängten [X.] von einem Jahr und zehn Monaten. Die übrigen [X.]n können bestehen bleiben. Die Gesamtstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs ebenfalls nicht berührt. Der Senat kann angesichts der Einsatzstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten und der verbleibenden [X.]n ausschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender Bestimmung des [X.] auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

4. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Sost-Scheible     

       

Cierniak     

       

[X.]

       

Bender     

       

Quentin     

       

Meta

4 StR 298/17

12.09.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 9. März 2017, Az: 9 KLs 30/16

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2017, Az. 4 StR 298/17 (REWIS RS 2017, 5502)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5502

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 298/17 (Bundesgerichtshof)


4 StR 580/16 (Bundesgerichtshof)

Konkurrenzen bei Betäubungsmitteldelikten: Gleichzeitiger Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittelmengen; Aufbewahren von Drogen zum Eigenkonsum; Verwahrung von Drogen …


4 StR 516/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge …


4 StR 259/17 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten: Strafmilderung in Ansehung ausländerrechtlicher Folgen; Konkurrenzverhältnis zwischen unerlaubtem Besitz und unerlaubtem Handeltreiben …


4 StR 430/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.