Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.09.2015, Az. X R 5/13

10. Senat | REWIS RS 2015, 5697

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Gegenstand

Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des beschränkten Abzugs der sonstigen Vorsorgeaufwendungen durch das BürgEntlG KV


Leitsatz

Die Regelung über die beschränkte Abziehbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.d.F. des BürgEntlG KV) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden .

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 31. Januar 2013  9 K 242/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb, die Klägerin solche aus Gewerbebetrieb.

2

Vom Arbeitslohn des [X.] behielt dessen Arbeitgeber im Streitjahr Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 6.705 € und zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 877,56 € ein.

3

Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung darüber hinaus als sonstige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung ([X.]) Beiträge in Höhe von 4.827,78 € geltend, die sich wie folgt aufteilen:

- Risikolebensversicherung

148,23 €

        

- Unfallversicherung

243,55 €

        

- drei Kapitallebensversicherungen

4.436,00 €

        

4

Die drei Kapitallebensversicherungen waren vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen worden.

5

Da der gemeinsame Höchstbetrag der Kläger nach § 10 Abs. 4 Satz 3 [X.] aufgrund der Beiträge des [X.] zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung überschritten war, berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung die darüber hinausgehenden (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] nicht.

6

Den Einspruch der Kläger, mit dem diese die Verfassungswidrigkeit des gemeinsamen [X.] nach § 10 Abs. 4 Satz 3 [X.] geltend machten, wies das [X.] als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 925).

7

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, sonstige Vorsorgeaufwendungen neben den Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Pflegepflichtversicherung als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Sie sind der Auffassung, auch die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] genannten Sonderausgaben seien in voller Höhe zu berücksichtigen. Dies ergebe sich schon daraus, dass auch diese Sonderausgaben unvermeidliche Privatausgaben seien und somit ein Nichtabzug dem subjektiven Nettoprinzip widerspreche. Die fehlende Möglichkeit zur Berücksichtigung dieser Vorsorgeaufwendungen --wie auch des Beitragsanteils für das [X.] verletze das verfassungsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit. Der Gesetzgeber habe durch die Aufzählung der fraglichen Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] diese als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben akzeptiert. Faktisch würden aber indisponible Aufwendungen wie etwa die Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung aufgrund der [X.]berechnung des § 10 Abs. 4 [X.] von dieser Abzugsfähigkeit ausgeschlossen. Soweit dies mit dem [X.] begründet werde, verstoße dies gegen die Verfassung. Wie bei der Kirchensteuer sei eine unbeschränkte Abzugsfähigkeit geboten. Ein Hinweis auf eine eventuell spätere Steuerfreiheit ändere hieran nichts. Entscheidend bleibe die Zwangsläufigkeit der Beitragspflicht.

8

Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass weitere Sonderausgaben in Höhe von 4.828 € zum unbeschränkten Abzug zugelassen werden.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die [X.]regelung des § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] sei verfassungsgemäß (vgl. die Senatsentscheidung vom 18. November 2009 [X.], [X.], 137, [X.], 282, und die Beschlüsse des [X.] vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, [X.] 120, 125 sowie  2 BvR 1220/04, 2 [X.], [X.] 120, 169). Der Gesetzgeber habe im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis gehandelt. Das subjektive Nettoprinzip sei nicht verletzt. Die Grenze, die durch das Sozialhilferecht gezogen werde, sei beachtet worden. Davon zu unterscheiden sei das --insoweit unbeachtliche-- [X.]. Durch die Änderung im Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung --BürgEntlG KV--) vom 16. Juli 2009 ([X.], 1959) habe der Gesetzgeber die maßgebliche Unterscheidung zwischen den unbeschränkt abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] und den nur beschränkt abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] vorgenommen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Beiträge der Kläger zu den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] sind im Hinblick auf das Überschreiten des [X.] des § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] nicht als Sonderausgaben abziehbar.

1. Zu den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] gehören Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen, soweit diese nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu berücksichtigen sind; Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, die nicht unter § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b [X.] fallen, zu Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie zu Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen; Beiträge zu Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. [X.] bis [X.] des Einkommensteuergesetzes in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ([X.] a.F.), wenn die Laufzeit dieser Versicherungen vor dem 1. Januar 2005 begonnen hat und ein Versicherungsbeitrag bis zum 31. Dezember 2004 entrichtet wurde.

Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 [X.] können solche Vorsorgeaufwendungen und die in § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] genannten Beiträge zu diesen Kranken- und Pflegeversicherungen je Kalenderjahr bis insgesamt 2.800 € abgezogen werden. Nach Satz 2 der Vorschrift beträgt der Höchstbetrag 1.900 € bei Steuerpflichtigen, die ganz oder teilweise ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben oder für deren Krankenversicherung Leistungen i.S. des § 3 Nr. 9, 14, 57 oder 62 [X.] erbracht werden. Gemäß Satz 3 bestimmt sich bei zusammenveranlagten Ehegatten der gemeinsame Höchstbetrag aus der Summe der jedem Ehegatten unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zustehenden Höchstbeträge. Übersteigen die Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die nach den Sätzen 1 bis 3 des § 10 Abs. 4 [X.] zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen, sind diese abzuziehen und ein Abzug von Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] scheidet aus.

2. Angewandt auf den Streitfall führen diese Regelungen dazu, dass die Kläger zwar die geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] als Vorsorgeaufwendungen abziehen können. Ein Abzug der darüber hinaus geltend gemachten (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] in Höhe von weiteren 4.828 € für eine Risiko-, eine Unfallversicherung und drei vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen scheidet jedoch aus (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.]). Die Richtigkeit der Anwendung der vorgenannten einfachgesetzlichen Regelungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

3. § 10 Abs. 4 [X.] ist nicht verfassungswidrig. Weder verletzt die beschränkte Abziehbarkeit dieser Versicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 4 Sätze 1 und 2 [X.] (unter a) noch der [X.] Streitfall vollumfängliche-- Ausschluss des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] aufgrund von § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] das Grundgesetz --GG-- (unter b).

a) Der [X.] hat bereits in seinem Urteil in [X.], 137, [X.], 282, unter [X.] für die bis zur Neuregelung durch das [X.] [X.] geltende Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] a.F. keine Verfassungswidrigkeit der lediglich in beschränktem Umfang gegebenen Abziehbarkeit der dort genannten Vorsorgeaufwendungen erkennen können. Dabei handelte es sich sowohl um die im Streitjahr 2010 in § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. § 10 Abs. 4 [X.] (nunmehr) unbeschränkt abziehbaren Beiträge zu den dort genannten Kranken- und Pflegeversicherungen wie auch um die seitdem in § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] geregelten (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen. Soweit diese (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] betroffen sind, ist der Gesetzgeber nach Ansicht des [X.]s auch weiterhin nicht verpflichtet, Beiträge zu diesen Versicherungen steuerlich freizustellen.

aa) Eine solche Verpflichtung besteht nur für Versicherungen, die den Schutz des Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten. Aus Art. 1 Abs. 1 [X.]. Art. 20 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG leitet sich dieses Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums (subjektives Nettoprinzip) ab. Hierzu gehören die Kranken- und Pflegeversicherung, allerdings nur auf [X.] ([X.]-Beschluss in [X.] 120, 125, unter [X.]). Auf das (höhere) Sozialversicherungsniveau ist deshalb nicht abzustellen (vgl. insoweit auch [X.]surteil in [X.], 137, [X.], 282, unter [X.] und [X.]b; s.a. jüngst Urteil des [X.] vom 18. Juni 2015 VI R 45/13, [X.], 138, Rz 24).

[X.]) Unerheblich ist, ob andere Kriterien, etwa die faktische oder rechtliche Zwangsläufigkeit von Beiträgen oder die Notwendigkeit einzelner Aufwendungen im Rahmen der Daseinsvorsorge vorliegen (so bereits [X.]-Beschluss in [X.] 120, 125, Rz 104). Den vereinzelten Literaturstimmen (Söhn, Vorsorgeaufwendungen und einkommensteuerliches Existenzminimum, [X.] (2010), S. 559 (561); [X.], Sonderausgabenabzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, [X.] Nr. 56, S. 7, 13 f., 19), die hinsichtlich des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen als Folge des subjektiven Nettoprinzips auf die Absicherung von einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit zumindest vergleichbaren existentiellen Lebensrisiken abstellen, vermag der [X.] aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung des [X.] nicht zu folgen.

cc) Soweit ein unbeschränkter Abzug der Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen geboten ist, ist der Gesetzgeber diesem Gebot durch die Neuregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. § 10 Abs. 4 [X.] gerecht geworden.

[X.]) Demgegenüber war der Gesetzgeber aufgrund der dargestellten Rechtsprechung des [X.] nicht verpflichtet, die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] genannten Vorsorgeaufwendungen überhaupt (als Sonderausgaben) zum Abzug zuzulassen.

(1) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b [X.] in der bis zum Veranlagungszeitraum 2009 gültigen Fassung sowie nunmehr nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] sind [X.] als Sonderausgaben grundsätzlich berücksichtigungsfähig (geblieben). Allerdings kann es nach § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] nunmehr --wie vorliegend geschehen-- dazu kommen, dass diese Versicherungsbeiträge anders als in den Vorjahren der Höhe nach überhaupt nicht mehr als Sonderausgaben abziehbar sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Umstellung sind nicht erkennbar (ebenso Kulosa in [X.]/[X.]/[X.], § 10 [X.] Rz 400).

Soweit dies im Einzelfall zu einer ungünstigeren steuerlichen Behandlung führt, ist dies als Folge der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit hinzunehmen --besteht doch zugunsten des Steuerpflichtigen weiterhin die Möglichkeit zur Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a [X.]. Hierdurch wird der langfristigen Planungssicherheit des Steuerpflichtigen ausreichend Rechnung getragen.

(2) In Bezug auf die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und zum Krankengeld vertrat der [X.] bereits für die Rechtslage bis zur Neuregelung des [X.] durch das [X.] [X.] diese Ansicht. So heißt es im [X.]surteil in [X.], 137, [X.], 282, unter [X.]b cc:

"Ebenfalls ist es verfassungsrechtlich nicht notwendig, Beiträge zu [X.] steuerlich zum Abzug zuzulassen (zutreffend Myßen/[X.], [X.] 2009, 2313, 2326 f.). Maßgebend für den Umfang der steuerlichen Verschonung von Versicherungsbeiträgen zur Sicherung des Existenzminimums ist wie bereits dargelegt der Leistungskatalog der Sozialhilfe. Dieser erfasst zwar die Absicherung im Krankheits- und Pflegefall, nicht aber den Schutz gegen Lohnausfall. Das [X.] hat in seinem Beschluss in [X.] 120, 125 ausdrücklich hervorgehoben, dass die sozialhilferechtlichen Bestimmungen die Gewährung von Krankengeld nicht vorsehen (unter [X.]). Dementsprechend ist eine steuerliche Freistellung von [X.], soweit sie den Anspruch auf Krankengeld betreffen, zur Absicherung des Existenzminimums verfassungsrechtlich nicht geboten. Nichts anderes kann für Arbeitslosenversicherungsbeiträge gelten, da sich sowohl die Höhe des Krankengelds als auch der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Höhe des Arbeitsentgelts richtet (vgl. § 132 Abs. 1 des [X.] und § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Das Arbeitslosengeld dient ebenso wie das Krankengeld nicht der Absicherung des Existenzminimums, sondern der Erlangung einer Lohnersatzleistung."

An dieser Ansicht hält der [X.] auch im Hinblick auf die Neuregelung ab dem Streitjahr fest (vgl. zur Abziehbarkeit von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung auch das [X.]surteil vom 23. Januar 2013 [X.], [X.], 202, [X.], 423, unter [X.], m.w.N.).

(3) Soweit die von den Klägern geltend gemachten Beiträge zu Risiko- bzw. Unfallversicherungen betroffen sind, verweist der [X.] auf seine Ausführungen im [X.]surteil in [X.], 137, [X.], 282, unter [X.]b).

ee) Die unterschiedliche Höhe der in § 10 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 [X.] genannten Höchstbeträge ist nach Ansicht des [X.]s verfassungsgemäß. Insoweit verweist er auf seine Ausführungen zu der bis zur Neuregelung des § 10 Abs. 4 [X.] geltenden Norm im [X.]surteil vom 23. Januar 2013 [X.] ([X.], 147, [X.], 608, unter II.2.). Die Erhöhungen der Höchstbeträge von 2.400 € auf 2.800 € (§ 10 Abs. 4 Satz 1 [X.]) bzw. von 1.500 € auf 1.900 € (§ 10 Abs. 4 Satz 2 [X.]) führt zu keiner Veränderung der verfassungsrechtlichen Einschätzung.

b) Ist der Gesetzgeber nach den unter [X.] gemachten Ausführungen nicht verpflichtet, die in § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] genannten (sonstigen) Vorsorgeaufwendungen zum Abzug zuzulassen, können folglich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Möglichkeit des vollständigen Ausschlusses dieser Vorsorgeaufwendungen durch den neugeschaffenen § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] bestehen. Vielmehr entspricht diese Neuregelung in § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] mit der in den meisten Fällen faktischen Folge des [X.] der sonstigen Vorsorgeaufwendungen dem Gebot der Folgerichtigkeit.

aa) Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es als rechtlich gleich qualifiziert, neben dem Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit auch durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Dieses besagt, dass bei der Ausgestaltung der Steuerlast am Prinzip des steuerrechtlichen [X.] die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt wird ([X.]-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, [X.] 126, 268, unter [X.]). Als Ausnahme hiervon hat das [X.] u.a. die Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse des Gesetzgebers anerkannt. Denn jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern und dabei von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen ([X.]-Beschluss in [X.] 126, 268, unter C.I.2.b).

[X.]) Entgegen der Auffassung der Kläger verletzt der Gesetzgeber nicht das Gebot der Folgerichtigkeit, wenn er neben den [X.] auch andere sonstige Vorsorgeaufwendungen dem Sonderausgabenabzug zugewiesen hat, diese sich aber regelmäßig steuerlich nicht auswirken.

Der Gesetzgeber hat den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgend Krankenversicherungsbeiträge, welche die Basisversorgung betreffen, in vollem Umfang steuerlich als Sonderausgaben für abziehbar erklärt. Dies hinderte ihn indessen nicht, höhere Krankenversicherungsbeiträge und andere sonstige Vorsorgeaufwendungen in einer Gruppe "sonstige Vorsorgeaufwendungen" zusammenzufassen und einen Sonderausgabenabzug bis zu einem Höchstbetrag vorzusehen. Dass dies in einer Vielzahl von Fällen im Ergebnis dazu führt, dass neben den Krankenversicherungsbasisbeiträgen sonstige Vorsorgeaufwendungen nicht abziehbar sind, entspricht der gesetzlichen Systematik hinsichtlich der nur im beschränkten Umfang abziehbaren Sonderausgaben.

c) Etwas anderes ergibt sich entgegen dem [X.] auch nicht aus der unbeschränkten Abziehbarkeit der (gezahlten) Kirchensteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.]. Kirchensteuern und Vorsorgeaufwendungen sind nicht vergleichbar.

d) Aus dem [X.]surteil vom 15. Mai 2013 [X.] ([X.], 506, [X.], 25) zur Abziehbarkeit von Beiträgen zur Versorgungsanstalt der Bezirksschornsteinfegermeister ([X.]) ergibt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges. Soweit der [X.] das Vorbringen der Kläger richtig versteht, meinen diese, bereits aus der Zwangsläufigkeit der Beitragspflicht zur [X.] müsse sich eine unbegrenzte Abzugsmöglichkeit der Beiträge als Sonderausgaben ergeben.

Unabhängig davon, dass vorliegend eine solche Zwangsläufigkeit in Bezug auf die streitigen Versicherungsbeiträge zu einer Risikolebensversicherung, einer privaten Unfallversicherung und drei Kapitallebensversicherungen nicht erkennbar ist, hat der [X.] gerade in der Entscheidung in [X.], 506, [X.], 25 darauf verwiesen, der Gesetzgeber sei verfassungsrechtlich nicht deswegen verpflichtet, Beiträge als Sonderausgaben unbeschränkt zum Abzug zuzulassen, weil die Mitgliedschaft zwangsläufig ist (vgl. [X.]surteil in [X.], 506, [X.], 25, unter II.3. mit Hinweis auf [X.]-Beschluss in [X.] 120, 125, unter [X.]).

4. Da der erkennende [X.] die Regelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.]. § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] nicht für verfassungswidrig hält, war das Revisionsverfahren nicht auszusetzen und eine Entscheidung des [X.] zur Verfassungsmäßigkeit dieser einfachgesetzlichen Abzugsbeschränkung nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Meta

X R 5/13

09.09.2015

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 31. Januar 2013, Az: 9 K 242/12, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 3 EStG 2009, § 10 Abs 1 Nr 3a EStG 2009, § 10 Abs 4 EStG 2009, § 10 Abs 1 Nr 3 EStG 2002 vom 16.07.2009, § 10 Abs 1 Nr 3a EStG 2002 vom 16.07.2009, Art 1 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.09.2015, Az. X R 5/13 (REWIS RS 2015, 5697)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 432 REWIS RS 2015, 5697

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