Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2013, Az. 5 AZR 2/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 8217

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Auslegung einer einzelvertraglichen Vergütungsabrede - dynamische Bezugnahme auf Gehaltstarifvertrag


Tenor

[X.] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. November 2011 - 5 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

I[X.] Auf die Revision des [X.] wird unter teilweiser Aufhebung des Urteils des [X.] vom 30. November 2011 - 5 [X.]/10 - auf die Berufung des [X.] unter teilweiser Abänderung des Urteils des [X.] vom 4. Mai 2010 - 21 [X.]/10 - die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 675,73 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 116,00 Euro seit dem 1. November 2008, 1. Dezember 2008, 1. Januar 2009, 1. Februar 2009 und 1. März 2009 sowie aus 95,73 Euro seit dem 1. April 2009 zu zahlen.

II[X.] Im Übrigen werden die Berufung und die Revision des [X.] zurückgewiesen.

[X.] Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auslegung einer einzelvertraglichen Vergütungsabrede.

2

Der 1979 geborene Kläger ist seit August 2003 bei der [X.], die mit Schreibwaren und Kommunikationsartikeln handelt, in [X.] als Verkäufer beschäftigt, zunächst in Teilzeit mit jahresdurchschnittlich 25 Wochenstunden, ab Juli 2004 in Vollzeit mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Wochenstunden. Seither erhält der Kläger eine Vergütung von 1.458,00 Euro brutto monatlich.

3

Zur Vergütung heißt es im Anstellungsvertrag vom 1. August 2003:

        

„3.2   

In Anlehnung an den Tarifvertrag erhält der Mitarbeiter ein Bruttogehalt von

                 

Tarifentgelt:

954,75

                 

Übertarifliche Zulage:

0,00   

                 

Monatsentgelt insgesamt:

954,75.

        

3.3     

Das Monatsentgelt wird jeweils nachträglich am Monatsende gezahlt. Die Zahlung erfolgt bargeldlos.“

4

Der Betrag von 954,75 Euro entsprach zum damaligen Zeitpunkt 25/37,5 des [X.] nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den [X.]amburger Einzelhandel.

5

Die Vergütungsregelung in der Fassung der von der [X.] vorformulierten Vertragsänderung vom 16. Juli 2004 (fortan: Vertragsänderung) lautet:

        

„3.2   

Für seine Tätigkeit erhält der Mitarbeiter ein monatliches Bruttogehalt von

                 

Tarifentgelt:

€ 1.458,00

                 

Übertarifliche Zulage:

€ 0,00

                 

Monatsentgelt insgesamt:

€ 1.458,00“

6

Der Betrag von 1.458,00 Euro entsprach dem seinerzeitigen Entgelt nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den [X.]amburger Einzelhandel.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger zuletzt für den Zeitraum Oktober 2008 bis März 2009 die Differenz zwischen der von der [X.] gezahlten Vergütung und dem nach dem Gehaltstarifvertrag für den [X.]amburger Einzelhandel vom 12. September 2008 in Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr vorgesehenen Betrag von 2.066,00 Euro brutto verlangt und die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede enthalte eine dynamische Bezugnahme auf den einschlägigen Gehaltstarifvertrag.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.648,00 Euro brutto nebst Zinsen i[X.]v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütungsabrede der Parteien sei nicht dynamisch ausgestaltet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat der Klage nach [X.] Durchführung eines Mediationsverfahrens i[X.]v. 2.952,00 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen [X.] weiter, die Beklagte begehrt die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, die des [X.] im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung mit dem nach der Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den [X.] Einzelhandel vom 12. September 2008 (im Folgenden: [X.]) vorgesehenen Betrag. Das ergibt die Auslegung der [X.] der Parteien.

I. Die für den Streitzeitraum maßgebende [X.] in der Fassung der Vertragsänderung ist nicht eindeutig. Die Verknüpfung eines festen [X.] mit dem Begriff „[X.]“ lässt mehrere Deutungen zu. Es könnte damit ein fester und statischer Euro-Betrag vereinbart sein. Der Bezeichnung „[X.]“ käme nur die Funktion eines Hinweises darauf zu, wie der in der Vereinbarung festgehaltene Euro-Betrag gefunden wurde. Die Verknüpfung von festem Euro-Betrag mit der Bezeichnung „[X.]“ kann aber - ohne dass es auf die von der Beklagten vermisste Bezugnahme auf einen Tarifvertrag in dessen Gänze und jeweiligen Fassung ankäme - auch bedeuten, es solle zwar ein bestimmter Euro-Betrag vereinbart, dieser aber dynamisch gestaltet sein. Dabei sind verschiedene Arten der Dynamisierung denkbar, etwa eine Erhöhung des in der [X.] festgehaltenen [X.] entsprechend den einschlägigen jeweiligen Tariferhöhungen oder die Vereinbarung einer Vergütung nach einer bestimmten tariflichen Vergütungsgruppe und damit eine Dynamik innerhalb und außerhalb der Vergütungsgruppe.

II. Die Auslegung der [X.] ergibt, dass in Ziff. 3.2 Arbeitsvertrag in der Fassung der Vertragsänderung eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe 2a des jeweils geltenden Gehaltstarifvertrags für den [X.] Einzelhandel vereinbart ist.

1. Die [X.] ist wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen. Die Beklagte hat nach den Feststellungen des [X.] sowohl den Arbeitsvertrag als auch die Vertragsänderung vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 5 [X.] - Rn. 20 ff., [X.] BGB § 310 Nr. 13 = [X.] 2002 § 310 Nr. 10; 27. Juni 2012 - 5 [X.] - Rn. 14, [X.] 2002 § 612 Nr. 14). Auf die vorformulierte Vergütungsregelung konnte der Kläger keinen Einfluss nehmen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. [X.] 14. Dezember 2011 - 5 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.] § 4 Nr. 22; 17. Oktober 2012 - 5 [X.] - Rn. 15).

2. Danach beschränkt sich die [X.] nicht auf die Vereinbarung eines festen und statischen [X.], sondern enthält zumindest eine Dynamik entsprechend den Tariferhöhungen für den [X.] Einzelhandel.

a) Nach dem Wortlaut der Klausel erhält der Mitarbeiter nicht nur einen festen Euro-Betrag, vielmehr soll dieser ein „[X.]“ sein. Damit sendet die Beklagte entgegen ihrer Auffassung nicht nur ein Signal, sie zahle ein „seinerzeit marktübliches“ Gehalt. Vielmehr verdeutlicht die Beklagte als Klauselverwenderin - zumal sie in der Klausel zwischen [X.] und übertariflicher Zulage differenziert -, sie vergüte „nach Tarif“. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf eine derartige Verknüpfung von festem Euro-Betrag und dessen Bezeichnung als [X.] redlicherweise so verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern sich entsprechend den Tariferhöhungen entwickeln soll. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als [X.] unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlt und sich das vereinbarte Gehalt nur durch Parteivereinbarung erhöhen wird.

Die in der ursprünglichen Fassung des Arbeitsvertrags enthaltene Formulierung „in Anlehnung an den Tarifvertrag“ enthält keine Einschränkung, sondern verdeutlicht nur zusätzlich, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist (vgl. [X.] 17. November 2011 - 5 [X.] - Rn. 16 mwN, [X.] TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 96).

b) Auch wenn die Klausel nicht angibt, welches [X.] der Arbeitnehmer erhalten soll, darf dieser redlicherweise annehmen, es solle das [X.] des für den Betrieb des Arbeitgebers räumlich und fachlich sowie für den Arbeitnehmer persönlich einschlägigen Tarifvertrags vereinbart sein, und zwar nach der [X.], der der in der Klausel festgehaltene Euro-Betrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht. Das war unstreitig das [X.] nach der Gehaltsgruppe 2a, 1. und 2. Berufsjahr des Gehaltstarifvertrags für den [X.] Einzelhandel in der damals geltenden Fassung vom 17. Juli 2003.

3. Mit der [X.] der Parteien wird auch die „Dynamik“ innerhalb der nach verschiedenen Stufen aufgebauten Gehaltsgruppe 2a nachvollzogen.

a) Dagegen spricht zwar, dass die [X.] der Parteien - anders etwa als die der Entscheidung des Senats vom 9. November 2005 (- 5 [X.] - Rn. 2, [X.]E 116, 185) zugrunde liegende Klausel - weder eine bestimmte Gehaltsgruppe, noch eine bestimmte Stufe innerhalb einer Gehaltsgruppe nennt. Der Kläger hat auch keinen Sachvortrag zu einer seine Auslegung stützenden Vergütungspraxis der Beklagten gehalten. Ersichtlich hat diese jedenfalls bei ihm die Stufung innerhalb der Gehaltsgruppe 2a [X.] nicht nachvollzogen. Überdies ist weder vorgetragen noch festgestellt, die „Einstufung“ sei zutreffend gewesen, weil der Kläger sich bei der Einstellung trotz eines Alters von fast 24 Jahren im 1. oder 2. Berufsjahr befunden hätte.

b) Für die Vereinbarung einer Dynamik auch innerhalb einer bestimmten Vergütungsgruppe spricht aber, dass die Beklagte mit ihrer Klausel nicht auf irgendein [X.], sondern zumindest auf die nach ihren fachlichen Anforderungen (Angestellte mit einfacher Tätigkeit, Beispiel Verkäufer/innen, auch wenn sie kassieren) zutreffende Gehaltsgruppe zurückgegriffen und mit der Klauselformulierung insgesamt den Eindruck erweckt hat, „nach Tarif“ zahlen zu wollen.

c) Beide Auslegungsmöglichkeiten sind rechtlich vertretbar, keine verdient den eindeutigen Vorzug. Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB führt deshalb zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten (vgl. [X.] 9. November 2005 - 5 [X.] - Rn. 22 mwN, [X.]E 116, 185; 19. März 2008 - 5 [X.] - Rn. 29, [X.]E 126, 198).

III. Die Höhe der monatlichen Vergütungsdifferenz hat der Kläger zutreffend berechnet, allerdings bei der Klageforderung seine ab dem 16. Februar 2009 über den Streitzeitraum hinaus andauernde Arbeitsunfähigkeit außer Betracht gelassen.

1. Das Monatsgehalt nach Gehaltsgruppe 2a nach dem 5. Berufsjahr [X.] betrug im Streitzeitraum 2.066,00 Euro brutto. Zu den von der Beklagten gezahlten 1.458,00 Euro brutto verbleibt eine Differenz von 608,00 Euro brutto monatlich. In dieser Höhe hat die Beklagte den Vergütungsanspruch des [X.] aus § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG nicht erfüllt.

2. Jedoch kann der Kläger für den Monat März 2009 nicht die volle Differenz verlangen. Er war unstreitig seit dem 16. Februar 2009 arbeitsunfähig krank und bezog seit dem 30. März 2009 keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle mehr. Der Kläger hat deshalb für den Monat März 2009 nur 29/30 der Vergütungsdifferenz, mithin 587,73 Euro brutto zu beanspruchen (zur Berechnungsmethode siehe [X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 22 ff., [X.] 2002 § 615 Nr. 37). In Höhe der Differenz von 20,27 Euro brutto ist die Klage unbegründet.

IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 in Verb. mit § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Monatsentgelt wurde nach Ziff. 3.3 Arbeitsvertrag in Übereinstimmung mit § 64 HGB am letzten Tag eines jeden Monats fällig.

V. Die Beklagte hat gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Jungbluth    

                 

Meta

5 AZR 2/12

13.02.2013

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamburg, 4. Mai 2010, Az: 21 Ca 35/10, Urteil

§ 157 BGB, § 133 BGB, § 1 TVG, § 611 Abs 1 BGB, § 305c Abs 2 BGB, § 310 Abs 3 Nr 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.02.2013, Az. 5 AZR 2/12 (REWIS RS 2013, 8217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8217

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 AZR 244/14 (Bundesarbeitsgericht)

Auslegung einer Bezugnahmeregelung - Gleichstellungsabrede - Abschluss eines "Neuvertrags"


4 AZR 243/14 (Bundesarbeitsgericht)


4 AZR 533/17 (Bundesarbeitsgericht)

Auslegung einer Bezugnahmeklausel - Branchentarifvertrag


4 AZR 271/18 (Bundesarbeitsgericht)

Bezugnahmeklausel - Günstigkeitsvergleich - Darlegungslast


4 AZR 250/21 (Bundesarbeitsgericht)

Unzulässiges Teilurteil - Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht - Eingruppierung einer Retail Operative - Berücksichtigung von …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.