Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2010, Az. II ZR 78/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 3203

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Gegenstand

Haftung der Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH: Schaden der Insolvenzgläubiger durch Verletzung der Überwachungspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife - DOBERLUG


Leitsatz

DOBERLUG

Die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH sind bei einer Verletzung ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Beachtung des Zahlungsverbots aus § 64 Satz 1 GmbHG nur dann der GmbH gegenüber nach § 93 Abs. 2, § 116 AktG, § 52 GmbHG ersatzpflichtig, wenn die Gesellschaft durch die regelwidrigen Zahlungen in ihrem Vermögen i.S. der §§ 249 ff. BGB geschädigt worden ist. Die Aufsichtsratsmitglieder haften dagegen nicht, wenn die Zahlung - wie im Regelfall - nur zu einer Verminderung der Insolvenzmasse und damit zu einem Schaden allein der Insolvenzgläubiger geführt hat .

Tenor

Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Februar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des [X.] vom 26. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (im Folgenden: Schuldnerin). Er macht gegen die Beklagten, die in unterschiedlichen [X.]räumen Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats der Schuldnerin waren, einen Ersatzanspruch geltend mit der Begründung, sie hätten es pflichtwidrig und schuldhaft zugelassen, dass der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife der Schuldnerin noch "Zahlungen" im Sinne des § 64 Abs. 2 GmbHG aF bewirkt habe.

2

Die Schuldnerin war in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, weil sie von ihrer Alleingesellschafterin, der [X.], 35 Arbeitnehmer übernommen hatte und die dafür als Ausgleich gedachte Bezahlung von Arbeiten für die [X.] und den Zweckverband Trink- und Abwasser [X.] und Umland nur schleppend bzw. - seitens des Zweckverbandes - gar nicht erhielt. In den Aufsichtsratssitzungen wurden dieser Sachverhalt und die daraus für die Schuldnerin entstandene finanzielle Situation seit Mai 2000 mehrfach erörtert. Am 28. Oktober 2002 stellte der Geschäftsführer Insolvenzantrag.

3

Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei seit Anfang 2002 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Mit der Klage hat er die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Ersatz von im Einzelnen aufgeschlüsselten Zahlungen in Anspruch genommen, die der Geschäftsführer in der [X.] ab dem 5. März 2002 veranlasst hat oder die in dieser [X.] auf ein debitorisch geführtes Konto der Schuldnerin geflossen sind. Dabei hat der Kläger dem Umstand Rechnung getragen, dass während des maßgeblichen [X.]raums nur die Beklagten zu 1-5 ständig, die Beklagten zu 6 und 7 aber nur zeitweise Mitglieder des Aufsichtsrats gewesen sind.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht die Beklagten zu 1 bis 5 zur Zahlung von 901.794,65 €, den Beklagten zu 6 zur Zahlung von 169.390,61 € und den Beklagten zu 7 zur Zahlung von 21.216,49 €, jeweils als Gesamtschuldner, verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revisionen haben Erfolg und führen zur Wiederherstellung des [X.] landgerichtlichen Urteils.

6

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

7

Die Ersatzpflicht der Beklagten ergebe sich aus § 52 Abs. 1 GmbHG, § 116 [X.] in Verbindung mit § 93 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 6 [X.]. Weder aus der Satzung noch aus dem Umstand, dass sie nur Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats gewesen seien und nur eine geringfügige Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten hätten, ergebe sich, dass sie für ein Überwachungsverschulden nicht einzutreten hätten.

8

Die Pflichtverletzung der Beklagten hat das Berufungsgericht darin gesehen, dass sie den Geschäftsführer der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife nicht auf dessen Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags hingewiesen hätten. Es sei angesichts der Machtverhältnisse in der Schuldnerin davon auszugehen, dass der Geschäftsführer bei einem solchen Hinweis den Insolvenzantrag deutlich früher als geschehen gestellt hätte. Dann wären nicht unter Verstoß gegen § 64 Abs. 2 GmbHG aF Zahlungen aus [X.] geführten Geschäftskonten geleistet worden, und auf debitorisch geführten Konten wären keine Gutschriften verbucht worden.

9

Zahlungsunfähig sei die Schuldnerin jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 gewesen. Sie habe spätestens zu diesem Zeitpunkt ihre Zahlungen eingestellt. Den Beklagten sei das - zu im Einzelnen dargelegten Zeitpunkten, beginnend mit dem 5. März 2002 - bekannt gewesen.

II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage ist unbegründet.

Dabei kann offen bleiben, ob der Geschäftsführer der Schuldnerin gegen das [X.] aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG aF (= § 64 Satz 1 GmbHG in der nach Inkrafttreten des MoMiG geltenden Fassung) verstoßen hat und ob die Beklagten ihre Überwachungspflicht verletzt haben. Denn jedenfalls kommt eine Haftung der Beklagten als Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH nach § 93 Abs. 2, § 116 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 1 GmbHG nur dann in Betracht, wenn der [X.] ein Schaden i.S. der §§ 249 ff. [X.] entstanden ist. Daran fehlt es. Bezieht sich die Überwachungspflicht nämlich - wie hier - auf die Einhaltung des [X.]s aus § 64 Satz 1 GmbHG, scheidet eine Ersatzpflicht regelmäßig aus, weil nicht die [X.], sondern die Insolvenzgläubiger durch die Zahlungen geschädigt sind.

1. Der Senat hat allerdings für die Aktiengesellschaft entschieden, dass sich die Beratungs- und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats im Stadium der Insolvenzreife der [X.] auch auf die in dieser Situation bestehenden besonderen Pflichten des Vorstands bezieht und dass sich bei einer Verletzung dieser Beratungs- und Überwachungspflicht Ersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats ergeben können. Eine solche Ersatzpflicht hat er in einem Fall angenommen, in dem eine verbotswidrige Zahlung an ein Aufsichtsratsmitglied geleistet worden war ([X.], Urteil vom 16. März 2009 - [X.], [X.], 860 Rn. 14 f., 24).

a) Nach § 92 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft verpflichtet, nach Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr zu leisten, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind. Diese Pflicht richtet sich zwar ausschließlich an den Vorstand. Ihr entspricht aber eine Beratungs- und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats. Erkennt der Aufsichtsrat oder muss er erkennen, dass die [X.] insolvenzreif ist, und bestehen für ihn Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Vorstand entgegen dem Verbot des § 92 Abs. 2 Satz 1 [X.] Zahlungen leisten wird, hat der Aufsichtsrat darauf hinzuwirken, dass der Vorstand die verbotswidrigen Zahlungen unterlässt. Ein solcher Anhaltspunkt eines Verstoßes gegen § 92 Abs. 2 Satz 1 [X.] besteht etwa dann, wenn die [X.] Arbeitnehmer beschäftigt und der Vorstand das Unternehmen nach Eintritt der Insolvenzreife fortführt. Dann liegt es nahe, dass der Vorstand zumindest die Zahlung der Löhne und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung veranlassen und dadurch gegen § 92 Abs. 2 Satz 1 [X.] verstoßen wird (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juni 2009 - [X.], [X.], 1468 Rn. 6).

Verletzt der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft schuldhaft diese Überwachungspflicht, sind seine Mitglieder zum Schadensersatz verpflichtet. Das ergibt sich allerdings nicht schon aus der allgemeinen Schadensersatznorm des § 93 Abs. 2 in Verbindung mit § 116 Satz 1 [X.]. Die Ersatzpflicht folgt vielmehr aus § 93 Abs. 3 Nr. 6 [X.], auf den § 116 [X.] ebenfalls verweist. Denn durch den Verstoß des Vorstands gegen das [X.] des § 92 Abs. 2 Satz 1 [X.] wie durch die Verletzung der entsprechenden Überwachungspflicht des Aufsichtsrats entsteht nach der Rechtsprechung des Senats im Regelfall kein Schaden der [X.] i.S. des § 93 Abs. 2 [X.]. Die verbotswidrigen Zahlungen dienen in der Regel der Erfüllung von Verbindlichkeiten der [X.] und führen bei dieser nur zur Verkürzung der Bilanzsumme, nicht aber zu einem Vermögensschaden i.S. der §§ 249 ff. [X.] ([X.]/[X.], [X.], 957, 959; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rn. 4). Verringert wird nur die Insolvenzmasse in dem nachfolgenden Insolvenzverfahren, was zu einem Schaden allein der Insolvenzgläubiger führt. Diesen [X.] stellt das Gesetz - geleitet von dem Ziel, die Gesamtheit der Gläubiger der Aktiengesellschaft durch Wahrung von Neutralität bei der Bewirkung von Zahlungen in der Krise vor Schäden in Gestalt einer Verminderung ihrer Quote durch masseschmälernde Leistungen zu schützen - in § 93 Abs. 3 Nr. 6 [X.] einem Schaden der [X.] gleich ([X.]/[X.] in [X.].[X.], 3. Aufl., § 93 Rn. 134; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 93 Rn. 192 f.; [X.], [X.], 9. Aufl., § 93 Rn. 22). Damit in Übereinstimmung spricht der Senat im Zusammenhang mit § 64 Satz 1 GmbHG, § 130a Abs. 2 HGB von einem "Ersatzanspruch eigener Art" ([X.], Urteil vom 8. Januar 2001 - [X.], [X.]Z 146, 264, 278 für § 64 Abs. 2 GmbHG aF und Urteil vom 26. März 2007 - [X.], [X.], 1006, Rn. 7 für § 130a Abs. 3 HGB aF). Ansätzen im Schrifttum, eine schadensrechtliche Gesamtsaldierung vorzunehmen ([X.], [X.] 168 [2004], 637, 650 ff.; [X.]. in [X.], GmbHG, 10. Aufl., § 64 Rn. 8 ff.; [X.]/[X.], NJW 1999, 673, 678 ff.; [X.], [X.], 2201, 2205 ff.), ist er nicht gefolgt.

Da § 116 Satz 1 [X.] auch auf § 93 Abs. 3 Nr. 6 [X.] verweist, gilt die Gleichstellung des Schadens der Insolvenzgläubiger mit einem Schaden der [X.] auch für den Aufsichtsrat, der seine Überwachungspflicht in Bezug auf die Einhaltung des Verbots des § 92 Abs. 2 Satz 1 [X.] durch den Vorstand verletzt (MünchKomm[X.]/[X.], 2. Aufl., § 116 Rn. 524). Auch er ist damit, wenn er seine Überwachungspflicht schuldhaft verletzt hat, zum Ersatz der verbotswidrig geleisteten Zahlungen verpflichtet.

b) Diese Haftungserstreckung auf den Aufsichtsrat entspricht nicht nur dem Wortlaut der Normen, sondern auch der Entstehungsgeschichte des Gesetzes.

In den Vorgängernormen zu § 93 Abs. 3 [X.] und § 116 [X.] gab es zunächst keinen Gleichlauf der Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft. Zwar regelte der Gesetzgeber in Art. 225b des [X.] ([X.]) in der Fassung vom 11. Juni 1870 und nachfolgend in Art. 226 [X.] in der Fassung vom 18. Juli 1884 die Haftung des Aufsichtsrats von Aktiengesellschaften ausführlich und verwies in Art. 241 Abs. 3 [X.] 1884 für die Haftung des Vorstands auf Art. 226 [X.]. Nur für den Vorstand ordnete er aber in beiden Fassungen eine Ersatzpflicht für solche Zahlungen an, die nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der [X.] geleistet wurden (Art. 241 [X.] 1870, [X.] des [X.] 1869, [X.], 452; Art. 241 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1884, [X.]. 1884, [X.], 163).

Die Haftung des Aufsichtsrats für Zahlungen nach [X.] regelte der Gesetzgeber erstmals im Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 10. Mai 1897 (HGB aF). § 249 HGB aF verwies für die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats auf die nunmehr für den Vorstand in § 241 HGB aF im Detail geregelten Haftungstatbestände, damit auch auf die in § 241 Abs. 3 Nr. 6 HGB aF angeordnete Ersatzpflicht für Zahlungen nach [X.]. Die in Bezug genommene Vorschrift des § 241 Abs. 3 Nr. 6 HGB aF entspricht dem heutigen § 93 Abs. 3 Nr. 6 [X.].

Dass die Ersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage auf die Überwachungspflicht hinsichtlich der Wahrung des Massesicherungsgebots ausgedehnt wurde, war beabsichtigt, wie sich aus der Entwurfsbegründung ergibt: "Im Uebrigen ist die Verantwortlichkeit der [X.]mitglieder für Pflichtwidrigkeiten sachlich in der gleichen Weise wie in dem bisherigen Art. 226 geregelt, nur wird dieselbe … insofern erweitert, als nunmehr die verschärfte Ersatzpflicht, welche einen besonderen Schadensnachweis nicht voraussetzt und von den [X.]sgläubigern geltend gemacht werden kann, auch in dem Falle eintritt, daß mit Wissen und ohne Einschreiten des [X.] Zahlungen geleistet sind, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der [X.] eingetreten ist oder ihre Ueberschuldung sich ergeben hat. Ein Grund, diesen Fall an[X.] als die übrigen im Art. 226 Abs. 2 bezeichneten Fälle zu behandeln, liegt nicht vor" (Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das [X.] von 1895, abgedruckt bei [X.]/[X.]/Krampe, Quellen zum HGB von 1897, S. 127).

2. Auf den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH lassen sich diese Grundsätze nicht uneingeschränkt übertragen.

a) Zwar hat auch der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH die Pflicht, die Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsleitung ([X.] in [X.], GmbHG, 2. Aufl., § 52 Rn. 219; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG 19. Aufl., § 52 Rn. 100; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 6. Aufl., § 52 Rn. 25) und damit auch die Einhaltung des mit dem Eintritt der Insolvenzreife entstehenden [X.]s aus § 64 Satz 1 GmbHG - insoweit inhaltsgleich mit § 92 Abs. 2 Satz 1 [X.] - zu überwachen ([X.], 129, 133). Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Überwachungspflicht sind jedoch im GmbH-Recht an[X.] geregelt als im Aktienrecht. So verweist § 52 Abs. 1 GmbHG auf die Schadensersatznorm des § 116 [X.] nur mit der ausdrücklichen Einschränkung "in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2". Damit wird § 93 Abs. 3 [X.] für den fakultativen Aufsichtsrat über die nur partielle Verweisung in § 52 GmbHG gerade nicht in Bezug genommen, an[X.] als in den entsprechenden Vorschriften über den obligatorischen Aufsichtsrat einer GmbH (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 3 Abs. 2 Montan[X.], § 3 Abs. 1 Satz 2 Montan[X.]ErgG, § 6 Abs. 2 [X.]). Für eine Ersatzpflicht der Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats, die ihre Überwachungspflicht hinsichtlich der Einhaltung des [X.]s aus § 64 Satz 1 GmbHG verletzt haben, fehlt die in § 93 Abs. 3 Nr. 6 [X.] angeordnete Gleichstellung des Zahlungsabflusses mit einem Schaden der [X.] i.S. der §§ 249 ff. [X.]. Es bleibt vielmehr dabei, dass die Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats der [X.] nur dann ersatzpflichtig sind, wenn durch die Zahlung ausnahmsweise ein eigener Schaden der [X.] entstanden ist, im Übrigen aber - und damit im Regelfall - mangels eines ihr entstandenen Schadens nicht haften.

b) Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers.

Während die Vorschrift über den fakultativen Aufsichtsrat im ersten Entwurf eines Gesetzes betreffend die [X.]en mit beschränkter Haftung von 1891 noch pauschal alle Normen des Aktienrechts in Bezug nahm (Entwurf eines Gesetzes betreffend die [X.]en mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, Amtliche Ausgabe 1891, [X.], 101), verwies der tatsächlich erlassene § 53 GmbHG in der Fassung vom 20. April 1892 nur auf Art. 226 Abs. 1 [X.] 1884. Nicht entsprechend anwendbar waren damit die besonderen Haftungstatbestände für Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften, die in Art. 226 Abs. 2 [X.] enthalten waren ([X.]. 1892, [X.], 491).

In § 52 GmbHG in der Fassung vom 1. Januar 1900 fehlt in der Aufzählung der Normen aus dem Aktienrecht, auf die für die Haftung des fakultativen Aufsichtsrats der GmbH verwiesen wird, § 249 Abs. 3 HGB aF, der auf § 241 Abs. 3 HGB aF und damit auf die Vorgängernorm des § 93 Abs. 3 [X.] verwies ([X.]. 1898, [X.], 859). Das ist schon vom [X.] nicht als redaktionelles Versehen, sondern als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewürdigt worden: "Ist danach ein Aufsichtsrat zu bestellen, so finden auf ihn allerdings zum großen Teile die für den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Hierbei sind aber doch gerade wieder die Bestimmungen ausgenommen, die zum Schutze der Aktionäre und der Gläubiger erlassen worden sind, insbesondere der § 249 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 241 Abs. 3 und 4 HGB" ([X.], 129, 139).

c) Die Auslegung des § 52 GmbHG dahingehend, dass die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH bei einer Verletzung ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Beachtung des [X.]s aus § 64 Satz 1 GmbHG im Regelfall nicht ersatzpflichtig sind, entspricht nicht nur dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte, sondern auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes.

Wenn die [X.]er einer GmbH freiwillig einen Aufsichtsrat bilden, wollen sie damit - soweit sie von ihrer in § 52 Abs. 1 GmbHG eröffneten Regelungsbefugnis keinen Gebrauch machen - nicht von der dualistischen Struktur der GmbH abweichen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. März 1997 - [X.], [X.]Z 135, 48, 53 ff.), sondern lediglich ein Gremium schaffen, das für die [X.]erversammlung als dem maßgeblichen [X.] der [X.] Teilaufgaben der Überwachung der Geschäftsführer übernimmt und sicherstellt, dass diese die Geschäfte so führen, wie es dem wohlverstandenen Interesse der [X.]er entspricht. An[X.] als der obligatorische Aufsichtsrat ist der fakultative Aufsichtsrat deswegen nicht im Interesse der Allgemeinheit in die Pflicht genommen und hat keine über seine ihm von der [X.]erversammlung übertragenen Aufgaben hinausgehenden öffentlichen Belange zu wahren ([X.], 129, 138 f.). Er hat demgemäß grundsätzlich nur für solche Schäden i.S. der §§ 249 ff. [X.] einzustehen, die bei der [X.] - und nicht bei [X.] - entstanden sind ([X.], 392, 393).

3. Da die Beklagten nur Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats waren, die Schuldnerin von § 52 GmbHG abweichende Haftungstatbestände nicht geschaffen hat und Anhaltspunkte für die Verursachung eines eigenen Schadens der Schuldnerin durch die Zahlungen des Geschäftsführers weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, besteht somit kein Ersatzanspruch aus §§ 93, 116 [X.], 52 GmbHG, was der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden kann.

[X.]                                     Caliebe

                    Reichart                                  [X.]

Meta

II ZR 78/09

20.09.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 17. Februar 2009, Az: 6 U 102/07, Urteil

§ 52 GmbHG, § 64 S 1 GmbHG, § 93 Abs 1 AktG, § 93 Abs 2 AktG, § 116 AktG, § 249 BGB, §§ 249ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2010, Az. II ZR 78/09 (REWIS RS 2010, 3203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3203

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