Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2020, Az. VIII ZR 169/18

8. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1356

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Gegenstand

Kraftfahrzeugleasing: Auswirkungen der vor Ausspruch der Kündigung wegen Zahlungsverzugs erfolgten Verwertung der Leasingsache auf den Schadensersatzanspruch des Leasinggebers; Zulassung der Revision wegen grundsätzlich Bedeutung


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] in [X.] des [X.] vom 8. Mai 2018 durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Der Antrag des Beklagten, ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Revisionsverfahrens gegen das vorgenannte Urteil zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der [X.] schloss mit der [X.] im Jahr 2012 einen Leasingvertrag über ein gebrauchtes Fahrzeug. Nach dem Vertrag war die Leasinggeberin berechtigt, diesen fristlos zu kündigen, wenn der Leasingnehmer mit der Zahlung zweier - zu Monatsbeginn fälliger - Leasingraten in Verzug gerät.

2

Ab September 2013 zahlte der [X.] die Leasingraten nicht mehr. Er gab das Fahrzeug am 29. November 2013 an das Autohaus zurück. Auf die Aufforderung der Leasinggeberin, eine Zahlungsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, um den [X.] und die Verwertung des Fahrzeugs durchführen zu können, reagierte der [X.] ebenso wenig wie auf eine Aufforderung des Autohauses im Januar 2014, das Fahrzeug abzuholen. Die offenen Leasingraten zahlte der [X.] lediglich bis einschließlich November 2013 nach.

3

Am 18. Februar 2014 veräußerte die Leasinggeberin das Fahrzeug. Mit Schreiben vom 5. März 2014, welches die Leasinggeberin mit den Worten einleitete: "den oben genannten Leasingvertrag kündigten wir", rechnete sie den Vertrag ab und forderte den [X.]n zur Zahlung von 11.229,90 € auf. Der Berechnung liegen die Leasingraten zu Grunde, welche bis zum Ablauf des Leasingvertrages (März 2016) zu zahlen gewesen wären; berücksichtigt ist eine Abzinsung bei einem Refinanzierungszins von 3,75 % sowie der aus der Verwertung des Fahrzeugs erzielte Erlös.

4

Die Leasinggeberin trat ihre Ansprüche an die Klägerin ab. Die in der Hauptsache auf Zahlung von 11.229,90 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem [X.] Erfolg gehabt. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.]n ist in der Hauptsache ohne Erfolg geblieben.

5

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der [X.] sein auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.

II.

6

1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor.

7

a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, die Frage, ob eine vorzeitige Verwertung des Leasinggutes - hier vor der Kündigung des Leasingvertrages - einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Kündigung ausschließe, habe grundsätzliche Bedeutung.

8

b) Diese - nicht näher ausgeführte - Erwägung trägt keinen der in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

9

Die Frage, ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen eine "vorzeitige", das heißt vor Ausspruch der Kündigung wegen Zahlungsverzugs erfolgte Verwertung der [X.] auf den Schadensersatzanspruch des Leasinggebers hat, ist weder umstritten noch einer abstrakten und allgemeinen Klärung zugänglich. Sie ist vielmehr anhand der jeweiligen Einzelfallumstände, insbesondere des der Verwertung vorausgehenden Verhaltens des Leasingnehmers, zu beantworten.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht (§ 398 [X.]) auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1, § 252 [X.]) bejaht.

a) Das Berufungsgericht stellt zutreffend fest, dass der [X.] Anfang Februar 2014 mit der Zahlung von zwei - diesen Monat eingerechnet sogar mit drei - Leasingraten in Verzug war und somit seine Pflichten aus dem Leasingvertrag schuldhaft verletzt hat.

b) Diesen Vertrag hat die Leasinggeberin aufgrund des Zahlungsverzugs wirksam (Ziffer [X.] der Allgemeinen Geschäftsbedingungen; § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a [X.]) gekündigt. Die Auslegung des Berufungsgerichts, eine solche Erklärung liege im Schreiben der Leasinggeberin vom 5. März 2014, ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

aa) Bei Individualerklärungen darf deren Auslegung durch den Tatrichter vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer [X.] gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 25. April 2018 - [X.], NJW 2018, 2472 Rn. 30; vom 20. Februar 2019 - [X.], NJW 2019, 2298 Rn. 31).

Bei der Auslegung einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung, wie sie hier vorliegt, ist nicht allein auf den Wortlaut abzustellen. Die Erklärung ist so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteil vom 19. September 2018 - [X.], [X.], 1 Rn. 17 mwN).

bb) Gemessen hieran hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei im Abrechnungsschreiben der Leasinggeberin vom 5. März 2014 eine konkludente Kündigung des Leasingvertrages gesehen. Der Verweis auf eine vermeintlich zuvor ausgesprochene Kündigung ("kündigten wir") sowie die Mitteilung der endgültigen Abrechnung des Leasingvertrages zeigen deutlich den Willen der Leasinggeberin zur Vertragsbeendigung. Der [X.], der das Fahrzeug zuvor wegen Zahlungsschwierigkeiten zurückgegeben hatte, konnte diese Erklärungen somit nur als eine Kündigung verstehen.

c) Der Anspruch der Klägerin scheitert - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht an einer fehlenden Fristsetzung zur Leistung (§ 281 Abs. 1 [X.]).

aa) Eine solche war nach § 281 Abs. 2 Alt. 2 [X.] entbehrlich. Hiernach bedarf es keiner Fristsetzung, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen vor, da die Klägerin den Leasingvertrag berechtigterweise fristlos gekündigt hat (vgl. [X.]/Schwarze, [X.], [X.]. 2019, § 281 Rn. [X.] und § 280 Rn. [X.]; [X.]/[X.], [X.], 79. Aufl., § 314 Rn. 11).

bb) Überdies war eine Fristsetzung in vorliegendem Fall auch deshalb entbehrlich, weil der [X.] die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat (§ 281 Abs. 2 Alt. 1 [X.]).

Er hat das Fahrzeug zum Autohaus zurückgebracht, dies mit Zahlungsschwierigkeiten begründet und sich in der Folgezeit passiv verhalten. Hierdurch hat der [X.], was für § 281 Abs. 2 Alt. 1 [X.] erforderlich ist, unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 18. Januar 2017 - [X.], NJW 2017, 1666 Rn. 31). Damit korrespondierend hat der [X.]nvertreter in Reaktion auf das Abrechnungsschreiben der Leasinggeberin mitgeteilt, die Rückgabe sei aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, sein Mandant sei zahlungsunfähig, so dass absehbar sei, "dass die Raten zukünftig nicht mehr aufgebracht werden können". Hiernach ändert auch die teilweise Nachzahlung der Raten bis einschließlich des Monats der Nutzung des Fahrzeuges (November 2013) nichts an der [X.] bezüglich der nach der Fahrzeugrückgabe fällig gewordenen Leasingraten.

d) Der [X.] kann sich schließlich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht mit Erfolg darauf berufen, die Kündigung habe keinen Schaden - in Form entgangener Leasingraten (§ 252 [X.]) - mehr auslösen können, da der Zahlungsanspruch der Leasinggeberin bereits aufgrund der Verwertung des Fahrzeugs vor Ausspruch der Kündigung nach § 326 Abs. 1 [X.] erloschen sei.

Denn der [X.] handelt - worauf das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend abstellt - widersprüchlich (§ 242 [X.]), wenn er sich zur Verneinung eines Kündigungsfolgeschadens der Leasinggeberin darauf beruft, seine Zahlungspflicht sei bereits infolge der - der Leasinggeberin zuzurechnenden - Verwertung des Fahrzeugs und nicht erst infolge der - auf seinem Zahlungsverzug beruhenden - Kündigung entfallen. Der Anlass für die Veräußerung des Fahrzeugs waren gerade sein Pflichtverstoß in Form der Nichtzahlung der Leasingraten, die Rückgabe des Fahrzeugs sowie seine Passivität in der Folgezeit. Die (frühzeitige) Verwertung war somit im Ergebnis eine wirtschaftlich vernünftige Konsequenz aus dem Verhalten des [X.]n (vgl. hierzu Senatsurteil vom 1. Dezember 1976 - [X.], NJW 1977, 580 unter III 2 b bb).

Dieser gab das Fahrzeug nebst Schlüsseln und Papieren zurück, da er die Leasingraten nicht mehr zahlen konnte. Weder der Aufforderung der Leasinggeberin, eine Zahlungsunfähigkeitsbescheinigung zu übersenden, noch derjenigen des Autohauses, das Fahrzeug abzuholen, kam der [X.] nach. Zudem hat er - wie aufgezeigt - auf das Abrechnungsschreiben der Klägerin nicht etwa dergestalt reagiert, dass er auf einer weiteren Nutzung des Fahrzeugs bestanden hat. Vielmehr hat er lediglich auf seine Zahlungsunfähigkeit verwiesen und ausdrücklich einer - hier allerdings schon erfolgten - Verwertung zugestimmt.

Der [X.], der sich im Prozess auf eine solche, aus seiner Sicht zu frühe Verwertung beruft, obwohl diese auf seinem Verhalten beruht und obwohl er sich hiermit zuvor - wenn auch ex post - einverstanden erklärte, handelt widersprüchlich (§ 242 [X.]).

Mit ihrer gegenteiligen Sichtweise übersieht die Revision im Übrigen, dass die Verwertung durch die Leasinggeberin nach Rückgabe des Fahrzeugs, Erklärung eigener Zahlungsunfähigkeit und in der Folgezeit passivem Verhalten des [X.]n, letztlich (auch) in seinem wirtschaftlichen Interesse lag, da ihm im Vergleich zu einer späteren Veräußerung der höhere Erlös im Rahmen der Schadensberechnung zugute kam.

3. Der [X.] erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

III.

Die vom [X.]n beantragte Prozesskostenhilfe für die weitere Durchführung der bereits begründeten Revision konnte nicht bewilligt werden, da es, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, an der erforderlichen Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) fehlt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Juni 2012 - [X.], [X.], 762 Rn. 1; vom 26. Februar 2009 - [X.]/08, juris Rn. 3; vom 24. November 2015 - [X.], juris Rn. 7).

Dr. Milger     

        

Dr. Schneider     

        

Kosziol

        

Dr. Schmidt     

        

Wiegand     

        

Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

VIII ZR 169/18

14.01.2020

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 8. Mai 2018, Az: 12 U 30/17

§ 242 BGB, § 252 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 3 BGB, § 281 Abs 1 BGB, § 326 Abs 1 BGB, § 543 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2020, Az. VIII ZR 169/18 (REWIS RS 2020, 1356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1356

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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