Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. 1 StR 148/20

1. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2127

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Gegenstand

Umsatzsteuerhinterziehung: Tatvollendung bei unrichtiger Umsatzsteueranmeldung; erforderliche Feststellungen des Tatgerichts


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. November 2019 aufgehoben

a) im Schuldspruch betreffend die Hinterziehung von Umsatzsteuer der [X.] für die Monate Januar bis August 2012 (Taten 14 bis 21 der Anklage);

b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen;

c) im Ausspruch über die Kompensationsentscheidung mit den zugehörigen Feststellungen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 13 Fällen, Steuerhinterziehung in 20 Fällen und Urkundenfälschung in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt, wovon zwei Monate „als Entschädigung für überlange Verfahrensdauer“ als vollstreckt gelten. Die auf die Beanstandung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verfahrensrüge dringt aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht durch.

3

2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer der [X.] (Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2012; Taten 14 bis 21 der Anklage) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

a) Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte im Jahr 2012 Geschäftsführer der [X.] Diese erzielte im Tatzeitraum u.a. erhebliche Umsätze mit Hoch- und Tiefbauarbeiten. Bei der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2012 machte der Angeklagte unberechtigt Vorsteuerabzüge aus gefälschten Rechnungen von an den Bauvorhaben nicht beteiligten Firmen steuermindernd geltend.

5

b) Die insoweit erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeter Steuerhinterziehung in acht Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist rechtsfehlerhaft, weil die vom [X.] getroffenen Feststellungen keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Beantwortung der Frage enthalten, ob Tatvollendung eingetreten ist.

6

aa) Bei der Straftat der Steuerhinterziehung, bei der es sich nicht lediglich um ein Erklärungsdelikt, sondern um ein [X.] handelt, tritt Vollendung erst dann ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 [X.]). Betreffen die Taten - wie vorliegend - die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe inhaltlich unzutreffender [X.], hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Anmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 3 [X.] i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 18 Abs. 3 UStG) zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar steht eine Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 1 [X.] einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt allerdings die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer zu einer Steuervergütung, so gilt dies erst dann, wenn die Finanzbehörde zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 [X.]). Das Tatgericht muss daher Feststellungen dazu treffen, ob die jeweilige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Steuervergütung zum Inhalt hatte und - im Falle der Steuervergütung - ob die Finanzbehörden dieser zugestimmt haben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 24. August 2017 - 1 [X.] Rn. 22 und vom 25. Januar 2018 - 1 [X.] Rn. 4). Daran fehlt es hier.

7

bb) Zwar hat das [X.] die Höhe der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuer rechtsfehlerfrei festgestellt. Demgegenüber fehlen aber Feststellungen dazu, ob in den einzelnen [X.] insgesamt eine Zahllast oder ein [X.] angemeldet wurde und ob das Finanzamt gegebenenfalls einer solchen zugestimmt hat. Insbesondere lassen sich die erforderlichen Feststellungen nicht den im Urteil eingefügten Tabellen entnehmen. Daher kann der Senat nicht überprüfen, ob Tatvollendung eingetreten ist.

8

c) Dieser Rechtsfehler hat die Aufhebung des Schuldspruchs in den betroffenen Fällen zur Folge und zieht die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Einer Aufhebung von Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) bedarf es nicht, da diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht wird jedoch insoweit zum Inhalt der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuervoranmeldungen ergänzende Feststellungen zu treffen haben.

9

3. Die Strafzumessung des [X.]s weist darüber hinaus einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Wirtschaftsstrafkammer hat das straffreie Vorleben des Angeklagten (§ 46 Abs. 2 StGB) als bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) bei der Straffindung unberücksichtigt gelassen. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen.

4. Auch die [X.] wegen rechtstaatswidriger Verfahrensverzögerung (Art. 6 [X.]) leidet an einem Rechtsfehler. Den Urteilsgründen ([X.] f.) ist bereits nicht zu entnehmen, für welche Zeiträume und Dauer das [X.] eine solche Verfahrensverzögerung annimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.]St 52, 124 Rn. 54 ff.). Die festgesetzte Kompensation von zwei Monaten Freiheitsstrafe kann daher revisionsgerichtlich nicht überprüft werden.

5. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Hohoff     

        

Pernice     

   

Meta

1 StR 148/20

27.10.2020

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 11. November 2019, Az: 5/29 KLs 15/17

§ 150 Abs 1 S 3 AO, § 168 S 1 AO, § 168 S 2 AO, § 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 18 Abs 1 S 1 UStG, § 18 Abs 3 S 1 UStG, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. 1 StR 148/20 (REWIS RS 2020, 2127)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2127

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