Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.12.2021, Az. 29 W (pat) 51/20

29. Senat | REWIS RS 2021, 511

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren - „Die OberpfälzerIn (Wort-/Bildmarke)“ - keine Unterscheidungskraft – hinreichende Verfremdung des Gesamteindrucks – geografischer Herkunftshinweis


Tenor

In der Beschwerdesache

([X.]/19 Lösch)

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2021 durch die Vorsitzende [X.]in [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] kraft Auftrags Posselt

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 11. Mai 2020 aufgehoben, die Marke 30 2018 025 800 für nichtig erklärt und deren Löschung angeordnet.

Gründe

I.

1

Die angegriffene farbig (orange, schwarz, grün, blau) ausgestaltete Wort-/Bildmarke 30 2018 025 800

Abbildung

2

ist für die Waren und Dienstleistungen

3

Klasse 09: elektronische Publikationen; elektronische Zeitschriften;

4

Klasse 16: [X.]; Zeitschriften;

5

[X.]: Veröffentlichung von Publikationen; Veröffentlichung von Zeitschriften,

6

am 29. Oktober 2018 angemeldet und am 16. Januar 2019 in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister eingetragen worden.

7

Mit am 15. März 2019 beim [X.] per Fax eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin und hiesige Beschwerdeführerin unter Zahlung der Gebühr die Nichtigerklärung und Löschung dieser Marke aufgrund absoluter Schutzhindernisse gemäß § 50 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] beantragt.

8

Die Antragstellerin macht geltend, dass die angegriffene Marke nicht unterscheidungskräftig sei und verweist im Wesentlichen auf die Begründung eines Beanstandungsbescheides des [X.] vom 18. Februar 2019 für die von der Antragstellerin selbst angemeldete Wort-/Bildmarke 30 2018 238 489.0 Abbildung

9

Der Markeninhaber hat dem ihm gegen [X.] am 10. April 2019 zugestellten Nichtigkeitsantrag mit am 9. Mai 2019 per Fax beim [X.] eingegangenen Schreiben vom selben Tag widersprochen und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 11. Mai 2020 hat die Markenabteilung 3.4 den Nichtigkeitsantrag zurückgewiesen, Kosten weder auferlegt noch erstattet und den Gegenstandswert auf 50.000 Euro festgesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der zulässige Antrag in der Sache nicht begründet sei, weil die geltend gemachten Schutzhindernisse nicht vorlägen. Der angegriffenen Marke fehle nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Zwar sei mit der Antragstellerin festzustellen, dass der Bestandteil „[X.]in“ als Hinweis auf eine Themen- oder Inhaltsangabe der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufgefasst werden könne. Insoweit bestehe Einklang mit dem Zurückweisungsbeschluss und der vorläufigen Rechtsauffassung des [X.] zu der von der Antragstellerin selbst angemeldeten Marke. Jedoch unterscheide sich die vorliegende Marke in ihrer grafischen Ausgestaltung deutlich von der angemeldeten Marke der Antragstellerin. Die streitgegenständliche Wort-/Bildmarke bestehe aus einer mehrfarbigen Schriftgestaltung und zwei verschieden farbigen Bögen, die den Schriftzug begleiteten. Zwar könne man interpretieren, dass es sich bei dem oberen Bogen um die Darstellung eines begrünten Berges und bei dem unteren Bogen um die Darstellung eines Flusses handele. Jedoch sei die Darstellung hinreichend verfremdet, mit dem Schriftzug verwoben und weiche vom [X.] ab. Die Mehrfarbigkeit, die verschiedenen grafischen und schriftbildlichen Gestaltungen sowie die Binnengroßschreibung führten in ihrer Gesamtheit zu einem hinreichend unterscheidungskräftigen Gesamteindruck. Die Marke erhalte dadurch ihren Schutz und werde damit auch auf diesen begrenzt.

Es handele sich bei der Streitmarke auch nicht um eine im Eintragungszeitpunkt freizuhaltende Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Da die Marke sowohl aus beschreibenden Wortbestandteilen, aber auch verschiedenen nicht beschreibenden, nicht nur als unwesentliches Beiwerk wahrgenommen grafischen Gestaltungen bestehe, die in ihrer Gesamtheit von der beschreibenden Aussage fortführten, bestehe kein Freihaltebedürfnis an der konkreten Ausgestaltung. Der Nichtigkeitsantrag sei daher zurückzuweisen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.]s vom 11. Mai 2020 aufzuheben und die Marke 30 2018 025 800 für nichtig zu erklären und zu löschen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Amtsverfahren hat er die Auffassung vertreten, dass der Marke Unterscheidungskraft zukomme und sie nicht freihaltebedürftig sei. Die Antragstellerin stütze ihre Auffassung zur Schutzunfähigkeit ausschließlich auf die Beanstandung ihrer eigenen Markenanmeldung und übertrage sie auf die vorliegende Marke. Die hier gegenständliche Marke bestehe jedoch aus einer grafischen Gestaltung und einem mehrdeutigen, schutzfähigen Begriff und sei jedenfalls in der Gesamtheit schutzfähig. Daher bestehe auch kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Insbesondere sei die von der Antragstellerin angemeldete Marke nur mit einem Hashtag ausgestaltet und nicht mit der hier vorliegenden Grafik zu vergleichen, weswegen auch der Verweis auf den Verfahrenshinweis des [X.] in Sachen 29 W (pat) 578/19 nicht greife.

Weder die Beschwerdeführerin noch der Beschwerdegegner haben sich vor der mündlichen Verhandlung zur Sache geäußert oder einen (Hilfs)Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

Der Senat hat eine mündlichen Verhandlung wegen Sachdienlichkeit gemäß § 69 Nr. 3 [X.] anberaumt und Termin am gleichen Tag bestimmt wie in den Verfahren 29 W (pat) 24/19 (betreffend die Wortmarkenanmeldung 30 2018 015 088.4 „Die [X.]In“; dort ist nach einem gerichtlichen Hinweis auf Antrag des Anmelders und hiesigen Beschwerdegegners nach § 69 Nr. 1 [X.] geladen worden) und 29 W (pat) 578/19 (betreffend die Wort-/Bildmarkenanmeldung 30 2018 238 489.0 Abbildung

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.].

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet.

Denn der Antrag auf Nichtigerklärung und Löschung der [X.] 2018 025 800, die sich aus der Angabe „Die [X.]In“ und grafischen Elementen zusammensetzt, ist gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 und 2 [X.] zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Eintragung der streitgegenständlichen Marke Abbildung

A. Der Antrag auf Löschung gemäß § 50 Abs. 1 [X.] ist nach dem 14. Januar 2019 gestellt worden, nämlich am 15. März 2019. Anzuwenden ist § 50 [X.] daher in seiner neuen Fassung, vgl. § 158 Abs. 8 [X.]. Des Weiteren anzuwenden ist die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 54 [X.] in der bis zum 30. April 2020 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 Abs. 3 MarkenrechtsmodernisierungsG).

Dem auf die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] gestützten und auch ansonsten zulässigen Löschungsantrag der Beschwerdeführerin hat der Markeninhaber rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 [X.] a. F. widersprochen, so dass die Voraussetzungen zur Durchführung des [X.] gemäß § 54 Abs. 2 S. 3 [X.] a. F. vorliegen.

B. Nach § 50 Abs. 1 [X.] wird die Eintragung einer Marke auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 [X.] eingetragen worden ist. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände der §§ 3, 7 und 8 [X.] verstoßen, kann eine Nichtigerklärung und Löschung nur erfolgen, wenn das [X.] sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens als auch gemäß § 50 Abs. 2 S. 1 [X.] – mit Ausnahme der Feststellung der Bösgläubigkeit – noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde zweifelsfrei besteht (vgl. [X.] GRUR 2021, 1195 Rn. 11 – [X.]; [X.], 301 Rn. 9 – [X.]; [X.], 378 Rn. 14 – [X.]; [X.], 1012 Rn. 8 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 10 und Rn. 18 – smartbook).

C. Die Streitmarke ist und war nicht unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren/ Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.], 1198 Rn. 59 f. – [X.]/[X.]]; [X.] 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? [X.]; [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] – #darferdas? [X.]; a. a. [X.]– [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein [X.] begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] Rn. 15 – Pippi-Lang-strumpf-Marke).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] 2013, 1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – [X.]).

Besteht eine Marke - wie im vorliegenden Fall - aus mehreren Elementen, ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von der Gesamtheit der Marke auszugehen ([X.] 2014, 1204 Rn. 9 – [X.]). Dabei hat sich die Prüfung darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche, jedenfalls mit einem ihrer Elemente, den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt ([X.] 2014, 872 Rn. 13 – [X.]). Bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es schließlich zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. [X.] GRUR 2004, 943 - SAT.2; [X.], 229 - BioID).

Ein Zeichen besitzt dann keine Unterscheidungskraft, wenn der angesprochene Verkehr ihm lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.] GRUR 2004, 674 Nr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270 Rn. 11 - Link economy) oder wenn es aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache besteht, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. [X.] Rn. 12 - [X.]; a. a. [X.] Rn. 21 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] Rn. 12 - [X.]).

Handelt es sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen um solche, die neben ihrem Charakter als handelbare Güter - wie im vorliegenden Streitfall - einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen können, ist zu berücksichtigen, dass ungeachtet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 [X.] die Bezeichnungen von Druckschriften auch dem Markenschutz zugänglich sind ([X.] 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt; [X.], 1042 - [X.] UND [X.]). Die Zielrichtung von Titel- und Markenschutz ist dabei unterschiedlich. Während der Titel im Allgemeinen inhaltsbezogen ist, ist es die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Frage einer hinreichenden Unterscheidungskraft ist dabei nach den allgemeinen markenrechtlichen Grundsätzen und nicht nach den Maßstäben des Schutzes von Zeitschriften- und Zeitungstiteln zu beantworten, bei denen häufig eine geografische Angabe verbunden mit einer reinen Gattungsbezeichnung als ausreichend angesehen wird ([X.] 1974, 661, 662 – [X.]). Die markenrechtliche Unterscheidungskraft ist dann zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung geeignet ist, den gedanklichen Inhalt der Waren und Dienstleistungen zu beschreiben ([X.] 2001, 1043 – [X.]). Davon ist insbesondere bei Bezeichnungen auszugehen, die nach Art eines Sachtitels gebildet sind (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 297-299; [X.] [X.], 593 - Der kleine Eisbär).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen weist die Streitmarke in Bezug auf die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen keine markenrechtliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden sie nur als werblich gestaltete [X.], nicht jedoch als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.

a) Von den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen werden neben den Fachkreisen in erster Linie Endverbraucher angesprochen.

b) Die angegriffene Marke setzt sich aus den [X.] „OberpfälzerIn“ ergänzt durch den vorangestellten bestimmten Artikel „Die“ sowie grafischen Elementen zusammen; die Angabe „Die“ ist – genauso wie die nachfolgende Angabe „Oberpfälzer“ in oranger Farbe gehalten, wobei der Artikel deutlich kleiner geschrieben ist. Zudem befindet sich unmittelbar an die Angabe „Oberpfälzer“ angehängt in schwarzer Schrift die Buchstabenfolge „In“. Über den Buchstaben „Die Ober“ befindet sich ein grüner Bogen und unterhalb der Buchstaben „fälzerIn“ ein blauer Bogen.

aa) Der Wortbestandteil des angegriffenen Zeichens hat nur einen in Vordergrund stehenden, die Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt.

(1) Die Angabe „Die [X.]In“ verwendet – deutlich erkennbar angesichts der unterschiedlichen Farbgestaltung – das sog. [X.], also den Großbuchstaben I zur Darstellung von männlicher und weiblicher Form innerhalb desselben Wortes (vgl. hierzu [X.] unter www.duden.de, Stichwort: [X.]). Es soll bei Bezeichnungen von Personengruppen kenntlich machen, dass sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint ist, ohne beide Genera ausschreiben zu müssen oder das generische Maskulinum zu verwenden. Der Wortbestandteil beinhaltet daher sowohl einen Hinweis auf eine Bewohnerin der [X.] als auch auf mehrere Oberpfälzer. Die [X.] ist der nordöstliche Regierungsbezirk des [X.]. Die Einwohner - zum Zeitpunkt der Anmeldung der Streitmarke etwa 1,1 Mio. - werden Oberpfälzer bzw. Oberpfälzerinnen genannt. Der Regierungsbezirk [X.] umfasst drei kreisfreie Städte und sieben Landkreise (vgl. hierzu Wikipedia Online-Enzyklopädie, Stichwort: [X.]).

(2) In Bezug auf die Waren der Klassen 9 und 16 kann die Wortfolge „Die [X.]In“ zum einen das Produkt selbst in personalisierter Form als ein solches aus der [X.] bezeichnen und damit einen geografischen Herkunftshinweis geben. Zum anderen hat die Angabe als Zielgruppen- und Inhaltshinweis beschreibende Bedeutung, nämlich dahingehend, dass sich die Druckschriften an Frauen aus der [X.], aber auch an (männliche) Oberpfälzer wenden und damit inhaltlich und thematisch auf deren Interessen ausgerichtet sind. Derartige geografische Angaben sind im Übrigen in der hier betroffenen Branche als inhalts- und themenbezogene Bezeichnungen zweifellos üblich, worauf der Beschwerdegegner im Verfahren 29 W (pat) 24/19 selbst hingewiesen hatte (vgl. auch nachfolgende Ausführungen unter Ziffer C 4.).

(3) Auch in Bezug auf die in [X.] beanspruchten Dienstleistungen ist eine beschreibende Bedeutung zu bejahen. Regelmäßig wird sich der für Druckschriften beschreibende Begriffsinhalt gleichermaßen auf die Dienstleistungen beziehen, die zur Entstehung der Druckschrift führen, nämlich, wenn das in Rede stehende Zeichen geeignet ist, einen weiten Themenbereich abzudecken und den Inhalt einer Vielzahl unterschiedlicher Druckschriften zu umschreiben (vgl. [X.] 2014, 483 Rn. 18 - test; GRUR 2013, 522 Rn. 17 - [X.] schönste Seiten).

Ein Druckerzeugnisse beschreibendes Zeichen verfügt mithin allenfalls dann für [X.] über die erforderliche Unterscheidungskraft, wenn es sich nur zur Beschreibung eines sehr eng begrenzten Themas oder eines einzelnen Druckwerks eignet (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Januar 2010 - 33 W (pat) 100/07 - AIR FORCE ONE). Anders als der Beschwerdegegner meint, liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Weder ist es lebensfremd noch aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich, dass Verlage nur solche Druckschriften herausgeben, die sich mit Themen aus der [X.] beschäftigen. Vielmehr lässt die Angabe „Die [X.]In“ durchaus eine thematische Breite zu. Denn eine Zeitung oder eine Zeitschrift mit einer derartigen regionalen Beschränkung auf die [X.] kann eine Vielzahl von lokalen und regionalen Themen – z. B. zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Mode, Sport, Geschichte etc. - aufgreifen und zugleich eine nicht unerhebliche Zahl von Lesern in erster Linie aus der [X.] erreichen. Daher ist es auch vorstellbar, dass ein Verlag sich dementsprechend inhaltlich beschränkt. Vor diesem Hintergrund wird der angesprochene Verkehr sehr wohl die titelartige Bezeichnung „Die OberpfälzerIn“ wegen der Nähe der in Rede stehenden Publikationsdienstleistungen zum Werktitel unmittelbar und ohne Weiteres auf die Dienstleistungen der [X.] selbst beziehen (vgl. [X.] 2009, 949 Rn. 20 – My World).

(4) Der Umstand, dass den Wortbestandteilen der Streitmarke mehrere Bedeutungen zukommen können, führt nicht zu einer schutzbegründenden Mehrdeutigkeit und/oder Interpretationsbedürftigkeit, denn alle der vorgenannten Bedeutungen sind beschreibend. Hat aber ein Markenwort mehrere Bedeutungen, die sämtlich in Bezug auf die eingetragenen Waren und Dienstleistungen beschreibend sind, reicht der allein durch die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus ([X.] 2014, 569 Rn. 24 - HOT)

(5) Der Wortbestandteil des hier streitgegenständlichen Zeichens wird nach alledem vom Verkehr in Bezug auf die elektronischen [X.] der Klasse 9 und solchen in Printform der Klasse 16 sowie auf die darauf bezogenen Veröffentlichungsdienstleistungen der [X.] naheliegend als zielgruppen- und themenbeschreibender Hinweis darauf aufgefasst, dass es sich bei diesen Publikationen und Zeitschriften um solche aus der [X.] handelt, die auf die Bedürfnisse der [X.]innen und der [X.] zugeschnittene Informationen enthalten.

bb) In Anbetracht der fehlenden Unterscheidungskraft des [X.] wirkt schließlich auch die konkrete grafische Ausgestaltung der Streitmarke Abbildung

Grundsätzlich kann einem [X.], unbeschadet der fehlenden Unter-scheidungskraft seiner Wortbestandteile, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (vgl. [X.] [X.], 229 Rn. 73, 74 – BioID; [X.] 2010, 640 – hey!; [X.], 1153 – anti Kalk). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.], an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wortbestandteile nicht aufzuwiegen ([X.] 2014, 376 Rn. 18 - [X.]; GRUR a. a. [X.] - [X.]). Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente bzw. eine den schutzunfähigen Charakter der übrigen Zeichenteile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung im Gesamteindruck des Zeichens, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen. Daran fehlt es, wenn sich das Bildelement in rein dekorativen Hervorhebungsmitteln erschöpft oder ausschließlich die – sachbezogenen – Aussagen der anderen Zeichenteile illustriert ([X.] 2008, 710 Rn. 20 – [X.]; a. a. [X.] – antiKALK).

Die hier eingesetzten Gestaltungsmerkmale, nämlich die unterschiedliche Schriftgestaltung - „[X.]In“ in Fettdruck und größer als die Angabe „Die“ -, die Kombination unterschiedlicher Farben (vgl. hierzu [X.] 30 W (pat) 547/16 - AbbildungAbbildungAbbildung Abbildung

Das Zeichen weist keine charakteristischen Merkmale auf, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sehen würde. Dass bei der Angabe „[X.]“ die Endung „In“ schwarz gehalten ist, unterstützt die Bedeutung als [X.] im Sinne der Kurzform für eine gendergerechte Schreibweise von [X.] und [X.]in und ist dadurch ohne eine besonders hervortretende Gestaltung auf die darin enthaltenen Sachangaben bezogen. Der grüne obere AbbildungAbbildung

Der Verkehr wird die genannten Gestaltungsmittel als rein dekorative und nicht als kennzeichnende Elemente wahrnehmen, so dass sie - anders als die Markenabteilung und der Markeninhaber meinen – die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht zu begründen vermögen.

Das Schutzhindernis bestand nach Überzeugung des Senats bereits bei der Anmeldung der angegriffenen Marke im Oktober 2018.

3. Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] gegeben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.

4. Der Umstand, dass Orts- oder Gebietsbezeichnungen als Titel für periodische Druckschriften üblich sind, führt nicht zu einer anderen Bewertung in markenrechtlicher Hinsicht. Denn entsprechende Bezeichnungen wie z. B. „[X.]“, „[X.] Tagblatt“, „[X.]“, „[X.] Tagblatt“, „Nürnberger Nachrichten“, „Das Bayerwald Echo“, „[X.]“ sind gar nicht oder – wie die „Süddeutsche Zeitung“ (Nr. 301 31 631) - nur als verkehrsdurchgesetzte Marke in das Markenregister eingetragen. Die Wortmarke „Die Münchnerin“ (Nr. 30 2014 051 801) ist erst nach einer Teilzurückweisung für „[X.]“ zur Eintragung gelangt. Im Übrigen haben Anmeldungen mit dem Bestandteil „Oberpfälzer“ wegen des geografischen Hinweises auf den [X.] Regierungsbezirk schon zu vielfachen Zurückweisungen geführt, wie dem Register ohne weiteres zu entnehmen ist.

Schließlich führt auch der Hinweis des Beschwerdegegners auf die zu seinen Gunsten für Fachzeitschriften eingetragene Marke 30 2008 065 906Abbildung

D. Die Beschwerde der Antragstellerin führt nach alledem zum Erfolg, so dass der angegriffene Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.]s aufzuheben, die angegriffene Marke für nichtig zu erklären und deren Löschung anzuordnen waren.

E. Soweit der Beschwerdegegner einen Verstoß des erkennenden Senats gegen seine Pflicht nach § 139 ZPO gerügt hat, weil kein schriftlicher Hinweis erfolgt ist, liegt darin keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Senat war auch nicht gehalten, dem Beschwerdegegner eine Schriftsatznachlassfrist zu gewähren. Die Beteiligten hatten in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit, sich zu dem der rechtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zu der Rechtslage zu äußern. Dass es im vorliegenden Streitfall vor allem auf die Frage ankommen werde, ob die grafische Ausgestaltung dem angegriffenen Zeichen zur Unterscheidungskraft verhilft, konnte der Beschwerdegegner bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt ohne weiteres erkennen. So wurde insbesondere in dem Beschwerdeverfahren 29 W (pat) 24/19 auf entsprechenden Hilfsantrag des Beschwerdeführers und hiesigen Beschwerdegegners geladen und zuvor mit gerichtlichem Schreiben darauf hingewiesen, dass der Senat seine Wortmarkenanmeldung „Die OberpfälzerIn“ nicht für schutzfähig erachte. Darüber hinaus sind dem von der Antragstellerin in das hiesige Verfahren eingebrachten gerichtlichen Verfahrenshinweis aus dem Beschwerdeverfahren 29 W (pat) 578/19 die Anforderungen an die grafische Ausgestaltung bei beschreibenden Wortbestandteilen einer Wort-/Bildmarke zu entnehmen; nicht zuletzt sind diese auch im Verfahren vor dem [X.] und in dem angegriffenen Beschluss der Markenabteilung – wenn auch mit anderem Ergebnis – eingehend diskutiert worden.

Das Gebot rechtlichen Gehörs verlangt nicht, dass das Gericht vor der mündlichen Verhandlung oder vor dem Erlass seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; denn ein Verfahrensbeteiligter muss schon von sich aus alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen (vgl. [X.] 2000, 894 - [X.]). Das Gericht ist schließlich auch nicht gehalten, vorab darauf hinzuweisen, dass es den Streitfall anders beurteilt als das [X.] (vgl. [X.] 2006, 152 Rn. 13 – [X.], unter Hinweis auf [X.] 74, 1, 5; [X.] NJW-RR 1996, 253, 254).

F. Zur Auferlegung von Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht kein Anlass.

Meta

29 W (pat) 51/20

08.12.2021

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 54 MarkenG, § 50 Abs 1 MarkenG, § 50 Abs 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.12.2021, Az. 29 W (pat) 51/20 (REWIS RS 2021, 511)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 511

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29 W (pat) 24/19

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