Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.01.2015, Az. B 4 AS 322/14 B

4. Senat | REWIS RS 2015, 17230

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulässigkeit - ordnungsgemäße Beschwerdeeinlegung - Vertretungszwang vor dem BSG - Postulationsfähigkeit eines rumänischen avocat definitiv - europäischer Rechtsanwalt - vorübergehende Tätigkeit in Deutschland - Einvernehmen mit einem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt - Nachweis des Einvernehmens


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem zuvor bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsassessor/avocat definitiv P (B) beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit steht die [X.]ewährung einer Mehrbedarfsleistung wegen Alleinerziehung nach dem [X.] an die Klägerin für die Monate Juni 2010, Dezember 2010 bis März 2011, Mai 2011 und Dezember 2011.

2

Die weiteren Zeiträume zwischen Juli 2010 und November 2011 sind nicht mehr streitig. Der Beklagte hatte vorläufige Leistungen bewilligt und den Anspruch auf die Mehrbedarfsleistung im Zusammenhang mit der endgültigen Bewilligung anerkannt. Das [X.] hat die weitere Klage wegen des Ablaufs der Frist des § 44 Abs 1 S 1 [X.]B X iVm § 40 Abs 1 S 2 [X.] abgewiesen ([X.]erichtsbescheid vom 24.10.2013). Das L[X.] hat die Entscheidung des [X.] bestätigt (Urteil vom 21.10.2014).

3

[X.]egen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das B[X.]. Sie rügt die fehlenden Unterschriften der L[X.]-Richter auf dem Urteil sowie die Verletzung des geltenden Rechts durch das L[X.]. Das [X.]ericht hätte im vorliegenden Fall, um dem Sozialstaatsprinzip gerecht zu werden, trotz der gesetzlichen Regelung des § 40 Abs 1 S 2 [X.] eine Entscheidung zu [X.]unsten der Klägerin treffen müssen. Die Sache habe daher grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.][X.]). Zugleich beantragt die Klägerin PKH sowie Beiordnung von [X.]/avocat definitiv P (B) für das Beschwerdeverfahren.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde - über die hier nach dem ausdrücklichen Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.12.2014 neben dem [X.] zu befinden war - ist unzulässig.

5

Sie ist nicht formgerecht iS des § 160a [X.][X.] eingelegt. [X.]emäß § 73 Abs 4 S 1 [X.][X.] müssen sich die Beteiligten vor dem B[X.], außer im [X.], durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind - neben den hier nicht in Betracht kommenden in § 73 Abs 2 S 2 [X.] bis 9 bezeichneten Organisationen - nur die in [X.] bezeichneten Personen zugelassen. Dies sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der [X.], eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der [X.], die die Befähigung zum Richteramt besitzen. Der Bevollmächtigte der Klägerin, der den Titel des [X.]s erworben hat und über die Zulassung als avocat definitiv in [X.] verfügt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

6

Die Voraussetzungen für eine Tätigkeit als oder wie ein Rechtsanwalt bestimmen sich nach § 4 [X.] sowie für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der [X.], der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und der [X.] nach § 1 [X.] und im Übrigen nach § 206 [X.]. Soweit danach eine Tätigkeit als oder wie ein Rechtsanwalt in [X.] auf dem [X.]ebiet des [X.] nicht schon im Ansatz ausgeschlossen ist (§ 206 [X.]), setzt sie entweder eine Rechtsanwaltszulassung nach § 6 Abs 1 [X.], §§ 11, 13 oder 16 Abs 1 [X.] oder eine Aufnahme in die für den Ort der Niederlassung zuständige Rechtsanwaltskammer nach § 2 Abs 1 [X.] oder die Zusammenarbeit mit einem in [X.] zugelassenen Rechtsanwalt nach § 28 Abs 1 [X.] voraus. Nur unter diesen Voraussetzungen hat ein Bevollmächtigter das Recht, vor einem [X.] [X.]ericht als oder wie ein Rechtsanwalt aufzutreten (B[X.] vom [X.] - B 5 R 46/09 B, juris RdNr 2).

7

Der Bevollmächtigte der Klägerin ist in [X.] nicht als Rechtsanwalt zugelassen und auch in keine [X.] Rechtsanwaltskammer aufgenommen. Auch die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit in der [X.] berechtigen den Bevollmächtigten der Klägerin nicht, wie ein Rechtsanwalt im hier anhängig gemachten Beschwerdeverfahren vor dem B[X.] aufzutreten.

8

Zwar darf ein [X.] Rechtsanwalt gemäß § 25 Abs 1 [X.], worunter nach § 1 [X.] iVm der Anlage zu dieser Vorschrift auch der [X.] avocat fällt, vorübergehend in [X.] die Tätigkeit eines Rechtsanwalts nach den §§ 25 ff [X.] ausüben, sofern er Dienstleistungen iS des Art 50 [X.] (jetzt Art 57 AEUV) erbringt. Es bestehen bereits Zweifel daran, ob die vom Bevollmächtigten der Klägerin in [X.] ausgeübte Tätigkeit eine vorübergehende Dienstleistung im vorstehenden Sinne ist.

9

Der vorübergehende Charakter von unter die Dienstleistungsfreiheit fallenden Tätigkeiten (Art 50 Abs 3 [X.] Art 57 Abs 3 AEUV>) beurteilt sich unter Berücksichtigung von Dauer, Häufigkeit, regelmäßiger Wiederkehr und Kontinuität der Tätigkeit. Soweit es sich um eine stabile und kontinuierliche Berufstätigkeit handelt, die ein Rechtsanwalt in dem Aufnahmemitgliedstaat von einem festen Berufsdomizil aus ausübt, ist diese nicht als vorübergehende Dienstleistung anzusehen, sondern fällt unter die Vorschriften des Niederlassungsrechts ([X.] vom [X.] - 2 [X.] - unter Hinweis auf [X.] Urteil vom 30.11.1995 - [X.], NJW 1996, 579). Zwar spricht hier Vieles dafür, dass der Bevollmächtigte der Klägerin zumindest über ein zweites Berufsdomizil in [X.] verfügt. Dies brauchte der erkennende Senat jedoch nicht abschließend festzustellen, denn selbst wenn der Bevollmächtigte der Klägerin vorübergehend iS des [X.] in [X.] tätig geworden ist, wäre die Beschwerde nicht formgerecht erhoben. Es fehlt an dem nach § 29 Abs 1 [X.] zwingenden schriftlichen Nachweis des Einvernehmens mit einem in [X.] tätigen Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der ersten Handlung gegenüber dem B[X.].

Ein Bevollmächtigter, der als dienstleistender [X.] Rechtsanwalt iS des § 25 Abs 1 [X.] tätig wird, kann in gerichtlichen Verfahren, in denen der Mandant nicht selbst den Rechtsstreit führen kann, als Vertreter eines Mandanten nur im Einvernehmen mit einem in [X.] zugelassenen Rechtsanwalt handeln (§ 28 Abs 1 [X.]). Das Einvernehmen ist (spätestens) zusammen mit der ersten Handlung gegenüber dem [X.]ericht schriftlich nachzuweisen (§ 29 Abs 1 [X.]; [X.], [X.], 3. Aufl 2010, § 29 [X.] RdNr 1; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl 2012, § 29 [X.] RdNr 1). Ohne zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde vorliegenden Nachweis ist die Beschwerdeeinlegung unwirksam (§ 29 Abs 3 [X.]; B[X.] vom [X.] R 172/10 B, mit Anm von [X.], jurisPR-sozR 23/2010; ebenso [X.] vom 11.1.2006 - 7 [X.]/05, juris RdNr 2; [X.] vom 30.12.2004 - II R 2.04, [X.]/NV 2005, 718 mwN, juris RdNr 9; [X.], [X.], 3. Aufl 2010, § 29 [X.] RdNr 1; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl 2012, § 29 [X.] RdNr 1).

Der Hinweis in der Adresszeile der Schriftsätze des Bevollmächtigten im vorinstanzlichen Verfahren: "In Einvernehmen/Kooperation mit Rechtsanwältin [X.]" genügt bereits aus formellen [X.]ründen nicht als [X.] iS des § 29 Abs 1 [X.]. Er beinhaltet keine Erklärung der benannten Rechtsanwältin, sondern umfasst - allenfalls - die Behauptung des Bevollmächtigten, dass er in ihrem Einvernehmen handele. Im Übrigen scheint dieses Einvernehmen zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde auch hinfällig geworden zu sein, denn der Bevollmächtigte hat im Beschwerdeverfahren vor dem B[X.] eine [X.] vorgelegt, die vom [X.] datiert. Diese - nicht unterschriebene - Erklärung hat jedoch bei der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde am 25.11.2014 nicht vorgelegen. Sie ist erst mit dem am 18.12.2014 eingegangenen Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 17.12.2014 - also nach Ablauf der am 25.11.2014 endenden Beschwerdefrist und damit auf jeden Fall verspätet - beim B[X.] eingegangen.

Die Unwirksamkeit der Beschwerde ist auch nicht durch die spätere Vorlage der [X.] geheilt worden. Anders als bei einem zunächst vollmachtlosen Vertreter ist eine vor der Vorlage der [X.] vorgenommene Prozesshandlung auf Dauer gemäß § 29 Abs 3 [X.] unwirksam. Dem Bevollmächtigten der Klägerin fehlte bei Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde die Postulationsfähigkeit. Einem zunächst ohne Vollmacht auftretenden (inländischen) Rechtsanwalt fehlt es hingegen nicht an der Postulationsfähigkeit, sondern an der Rechtsmacht, Prozesshandlungen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Vollmachtgeber vorzunehmen. Entsprechend bestimmt § 29 Abs 3 [X.] ausdrücklich, dass Handlungen, für die der Nachweis zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, unwirksam "sind". Daneben sehen weder das [X.][X.] noch das [X.] - anders als § 73 Abs 6 S 2 [X.][X.] für die Vollmacht - vor, dass der Nachweis nachgeholt werden kann ([X.], [X.], 3. Aufl 2010, § 29 [X.] RdNr 3; vgl [X.] Beschluss vom 28.7.1999 - [X.]/99, [X.]E 189, 42, juris RdNr 8).

Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.][X.] ohne Zuziehung [X.] durch Beschluss zu verwerfen.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH und die Beiordnung des Bevollmächtigten der Klägerin sind nicht erfüllt. Es mangelt aus den zuvor dargelegten [X.]ründen an dem Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung iS des § 73a [X.][X.] iVm § 114 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.][X.].

Meta

B 4 AS 322/14 B

14.01.2015

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Stuttgart, 24. Oktober 2013, Az: S 14 AS 2988/13, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 1 S 2 SGG, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 73 Abs 4 S 2 SGG, § 73 Abs 2 S 1 SGG, § 4 BRAO, § 6 Abs 1 BRAO, § 206 BRAO, § 1 EuRAG, § 2 Abs 1 EuRAG, § 11 EuRAG, § 13 EuRAG, § 16 Abs 1 EuRAG, § 25 Abs 1 EuRAG, § 28 Abs 1 EuRAG, § 29 Abs 1 EuRAG, § 29 Abs 3 EuRAG, Art 57 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.01.2015, Az. B 4 AS 322/14 B (REWIS RS 2015, 17230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17230

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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