Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2021, Az. AnwZ (Brfg) 11/21

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2021, 4197

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Gegenstand

Anwaltgerichtliches Verfahren: Vertretungszwang vor dem Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs; Beiordnung eines Notanwalts


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das am 27. Januar 2021 verkündete Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Zulassung der Klägerin als Rechtsanwältin im Bezirk der Beklagten. Mit Bescheid vom 4. August 2020 versagte die Beklagte der Klägerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.

2

Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Avocat definitiv P.     , Klage zum [X.] erhoben. Der [X.] hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2021, der Klägerin zugestellt am 3. März 2021, als unzulässig abgewiesen. Er hat seine Entscheidung insbesondere damit begründet, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin - wie im Übrigen auch ihr selbst - fehle die erforderliche Postulationsfähigkeit.

3

Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2021, eingegangen beim [X.] am selben Tag, hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten u.a. "sonstige zulässige [X.]" erhoben und beantragt, das Urteil des [X.]s aufzuheben. Insbesondere macht sie geltend, sie sei während offener Statusfragen im Zusammenhang mit ihrer Anwaltszulassung wie eine zugelassene Rechtsanwältin zu behandeln. Die Klägerin rügt darüber hinaus die Beteiligung von [X.] am Verfahren.

4

Mit Verfügung vom 12. April 2020 ist die Klägerin auf Bedenken gegen die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels hingewiesen worden. Es fehle sowohl ihr als auch ihrem Prozessbevollmächtigten die notwendige Postulationsfähigkeit.

5

Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2021 hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten zum Hinweis Stellung genommen. Sie führt aus, ihr Prozessbevollmächtigter sei nach "Grund-, [X.] und Menschenrechten" als gewählter Vertreter der Klägerin zugelassen. Das Gericht, das eine Zwangsvertretung fordere, könne ohne ihr Zutun einen Zwangsanwalt einteilen. Die Befähigung zum Richteramt, die sowohl sie als auch ihr Prozessbevollmächtigter besäßen, schließe nach dem römischrechtlichen Grundsatz "in eo quod plus sit semper inest et minus" die Anwaltsbefähigung ein. Die Klägerin bittet um einen Vorlagebeschluss an das [X.] und den [X.].

II.

6

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig, da er unter Verstoß gegen § 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 67 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1-3 VwGO eingelegt worden ist. Danach müssen sich Beteiligte vor dem Senat für Anwaltssachen des [X.] durch einen Rechtsanwalt oder einen in der Norm näher bezeichneten Rechtslehrer an einer [X.] Hochschule vertreten lassen, wobei das Vertretungserfordernis auch bereits für die Prozesshandlung geboten ist, durch die ein Verfahren vor dem Senat für Anwaltssachen eingeleitet wird. Weder der Prozessbevollmächtigte der Klägerin noch sie selbst erfüllen diese Voraussetzungen.

7

a) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist insbesondere nicht Rechtsanwalt im Sinne der Vorschrift. Rechtsanwalt im Sinne dieser Vorschrift ist grundsätzlich nur der vor einem [X.] Gericht zugelassene Rechtsanwalt (BVerwG, NJW 1998, 2991; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 26. Aufl., § 67 Rn. 7). Die Zulassung vor einem [X.] Gericht hat der Prozessbevollmächtigte nicht behauptet; sie ist auch sonst nicht ersichtlich; so wird er auch nicht im amtlichen Anwaltsverzeichnis (https://www.bea-brak.de/bravsearch/search.brak, abgerufen am 24. Juni 2021) geführt.

8

b) Auch nach [X.] ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kein vertretungsberechtigter Rechtsanwalt. Zwar wird nach §§ 25 ff. [X.] die Vertretungsbefugnis im [X.] Ausland tätiger Rechtsanwälte erweitert. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erfüllt aber die dort aufgestellten Voraussetzungen nicht, weder als niedergelassener (§§ 2 ff. [X.]) noch als dienstleistender [X.] Rechtsanwalt (§§ 25 ff. [X.]).

9

Geht man zugunsten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin davon aus, dass er die - offenbar [X.] - Berufsbezeichnung eines "Avocat definitiv" zu Recht führt, so ist zwar eine Tätigkeit als dienstleistender [X.] Rechtsanwalt denkbar. Jedoch ist dort, wo ein Mandant sich - wie hier - nicht selbst vertreten kann, die Bestellung eines vertretungsberechtigten Einvernehmensanwalts erforderlich (§ 28 Abs. 1, 2 [X.]). Ein solcher hat sich nicht bestellt.

c) Der [X.] als solcher ist verfassungskonform. Der Gesetzgeber darf im Interesse einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung den Anwaltszwang einführen; dies ist bereits durch das [X.] geklärt (NJW 1987, 2569, 2570). Der klägerseits geforderten Vorlage an das [X.] nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedurfte es daher nicht.

Der Situation, dass ein dem [X.] unterliegender Beteiligter keinen Rechtsanwalt findet, der bereit ist, für ihn aufzutreten, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass sich der Beteiligte nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 173 Satz 1 VwGO, § 78b ZPO auf Antrag einen Notanwalt beiordnen lassen kann, wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Dies setzt allerdings voraus, dass der Beteiligte zumutbare eigene Anstrengungen unternommen hat, einen vertretungsbereiten und -berechtigten Prozessbevollmächtigten zu finden (vgl. [X.]/[X.] in [X.] VwGO, 57. Edition, § 67 Rn. 44). Die Klägerin hat aber weder einen solchen Antrag gestellt noch eigene Anstrengungen, einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten zu finden, dargetan.

d) Der [X.] ist auch europarechtskonform. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 47 [X.] vor; dies ist bereits durch den [X.] geklärt ([X.], Beschluss vom 6. April 2017 - [X.]/16 - juris Rn. 22 ff.), weswegen eine Vorlage im Rahmen des [X.] nach Art. 267 AEUV nicht geboten ist.

e) Soweit die Klägerin auf einen römischrechtlichen Grundsatz Bezug nimmt, ist klarzustellen, dass die Befähigung zum Richteramt tatsächlich die Befähigung zum Beruf des Rechtsanwalts einschließt (vgl. § 4 Satz 1 Nr. 1 [X.]). Das Gesetz stellt aber zulässigerweise weitere Anforderungen auf, die über den reinen Befähigungsnachweis hinausgehen und die der spezifischen Ausgestaltung des Anwaltsberufs - insbesondere als unabhängiges Organ der Rechtspflege - Rechnung tragen.

2. Ob das statthafte Rechtsmittel des Antrags auf Zulassung der Berufung im Schriftsatz vom 12. Februar 2021 mit der Wendung "sonstige Rechtsmittel" überhaupt hinreichend bezeichnet worden ist (vgl. hierzu die Rechtsprechung des Senats, wonach eine "Revision" durch einen Rechtsanwalt im Regelfall nicht in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umgedeutet werden kann, Beschluss vom 2. Juni 2017 - [X.] ([X.]) 26/16, [X.], 1115 Rn. 14), kann angesichts der Ausführungen zu 1. dahinstehen.

3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre indes auch unbegründet. Die Klägerin macht der Sache nach den [X.] der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und eines [X.] geltend (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1, 5 VwGO).

a) Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht. Der [X.] hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil die Klage unter Verstoß gegen den auch vor dem [X.] bestehenden [X.] erhoben wurde (§ 112c Abs. 1 Satz 2 [X.], § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter II.1 Bezug genommen.

b) Soweit die Klägerin die Beteiligung von [X.] an der Entscheidung rügt und damit der Sache nach einen Verfahrensmangel geltend macht, geht auch dies fehl. Das Gesetz sieht die Beteiligung der Anwaltsrichter an der Rechtsprechung der [X.] ausdrücklich vor (§ 100 Abs. 3, § 104 [X.]). Zweifel an der Verfassungskonformität der Beteiligung von [X.] an der Anwaltsgerichtsbarkeit bestehen nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s nicht (vgl. nur [X.], NJW 1978, 1795 mwN).

4. [X.] folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung aus § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Limperg     

        

Remmert     

        

Grüneberg

        

Schäfer     

        

Lauer     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 11/21

09.07.2021

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 27. Januar 2021, Az: BayAGH I - 1 - 16/20

§ 112c Abs 1 S 1 BRAO, § 112e S 2 BRAO, § 67 Abs 2 S 1 VwGO, § 67 Abs 4 S 1 VwGO, § 67 Abs 4 S 2 VwGO, § 67 Abs 4 S 3 VwGO, § 125 Abs 1 S 1 VwGO, § 173 S 1 VwGO, § 78b ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2021, Az. AnwZ (Brfg) 11/21 (REWIS RS 2021, 4197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4197

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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