Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.10.2020, Az. B 13 R 59/19 B

13. Senat | REWIS RS 2020, 2549

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Gegenstand des Klageverfahrens - weiterer Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung während des Klage- oder Berufungsverfahrens - erneute Rentenablehnung


Leitsatz

Ein Verwaltungsakt, der während eines Klage- oder Berufungsverfahrens erlassen wird und mit dem der Rentenversicherungsträger auf einen neuerlichen Antrag des Versicherten hin die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung jedenfalls für einen Teil des streitigen Zeitraums erneut ablehnt, wird Gegenstand des Klageverfahrens.

Tenor

Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 22. Januar 2019 ([X.] R 132/16) unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt im zugrunde liegenden Rechtsstreit die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

2

Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte mit Bescheid vom 18.4.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.3.2012 einen ersten Rentenantrag des [X.] ab. Der Kläger erhob dagegen Klage vor dem [X.]. Während des Klageverfahrens beantragte er erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, was die Beklagte als unzulässig ablehnte (Bescheid vom 13.5.2015; Widerspruchsbescheid vom 17.9.2015). Die dagegen erhobene weitere Klage des [X.] ([X.] R 361/15) hat das [X.] wegen mangelnden [X.] als unzulässig abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] Mecklenburg-Vorpommern hat die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung (L 7 R 132/16) zurückgewiesen. In Übereinstimmung mit dem [X.] hat es die Klage als unzulässig erachtet. Der angefochtene Bescheid sei zwar nicht gemäß § 96 Abs 1 [X.]G Gegenstand des ersten Klageverfahrens geworden. Es fehle jedoch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für eine zweite Klage. Über den geltend gemachten Anspruch werde im ersten Klageverfahren auch über das Datum des erneuten [X.] hinaus entschieden, denn diesem komme keine Zäsurwirkung zu. Das L[X.] hat ergänzt, die zweite Klage sei selbst dann unzulässig, wenn man davon ausgehen wollte, der angefochtene Bescheid sei Gegenstand des ersten Klageverfahrens geworden. Dann stehe ihr die anderweitige Rechtshängigkeit entgegen (Beschluss vom 22.1.2019).

3

Das L[X.] hat die Revision gegen seinen Beschluss nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit einer Nichtzulassungsbeschwerde, für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten beantragt. Er macht zunächst den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend. Klärungsbedürftig und klärungsfähig sei folgende Frage:

        

"Wird ein Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers, der auf einen neuen Antrag des Versicherten in einem bereits laufenden Renten(klage)verfahren ergeht, welches bereits einen Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers zum Gegenstand hat, ein Gegenstandsbescheid nach § 96 [X.]G des laufenden Klageverfahrens?"

Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird, formuliert er als zweite Frage:

        

"Tritt durch den neuen Rentenantrag in einer laufenden Rentenstreitigkeit eine zeitliche Zäsur ein mit der Folge, dass im alten Rentenverfahren die Ansprüche nur bis zum [X.] geprüft werden dürfen und/oder besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Rechtsmittel gegen den neuen [X.]?"

4

Der Kläger bringt vor, die erste Frage sei bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Das B[X.] habe lediglich für die - hier nicht gegebene - Fallkonstellation, in der auf einen während des Klageverfahrens gestellten weiteren Rentenantrag hin die begehrte Rente teilweise bewilligt und teilweise abgelehnt werde, entschieden, dass der neue Bescheid Gegenstand des laufenden Klageverfahrens werde. Dazu weist er auf eine Entscheidung vom 17.8.2017 hin (B[X.] Beschluss vom 17.8.2017 - B 5 R 248/16 B - juris). Ungeklärt sei hingegen, ob das auch für einen Bescheid gelte, der während eines laufenden Klageverfahrens ergehe und mit dem wie hier auf einen erneuten Rentenantrag hin die begehrte Rente erneut vollständig abgelehnt werde. In der Rechtsprechung der Landessozialgerichte werde diese Frage unterschiedlich beantwortet. Der Kläger meint, insoweit liegt kein Fall des § 96 Abs 1 [X.]G vor. Bezüglich der weiteren Frage bejaht der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte Klage, denn er sei durch die erneute Rentenablehnung beschwert und mit einer zweiten Klage könne er sein Rechtsschutzziel zumindest für den Zeitraum ab der Stellung des neuerlichen [X.] erreichen.

5

Der Kläger macht zudem den Zulassungsgrund des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend. Insoweit bringt er vor, das [X.] habe statt eines Prozessurteils ein Sachurteil erlassen müssen, eben weil ein Rechtsschutzbedürfnis für seine zweite Klage vorgelegen habe. Dieser Fehler setze sich in der Berufungsentscheidung fort.

6

II. 1. Der [X.]-Antrag des [X.] ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten [X.] bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat [X.] für eine von einer beim B[X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.] beantragt. [X.] Erfolgsaussichten böte diese Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn die Revision zuzulassen wäre, weil einer der in § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.]G genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G vorgeschriebenen Form dargelegt bzw bezeichnet und tatsächlich gegeben wäre. Das ist nicht der Fall, weil die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] jedenfalls unbegründet ist (dazu unter 2.).

7

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von [X.] entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.]G iVm § 121 Abs 1 ZPO).

8

2. Die unbedingt eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Es kann dahin stehen, ob die Beschwerdebegründung des [X.] in jeder Hinsicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Form genügt (vgl Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R 175/18 B - juris Rd[X.] 8, zu der Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenzulassen). Sie ist jedenfalls unbegründet. Die behauptete oder tatsächliche inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl B[X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 36/10 - [X.] 4-1500 § 178a [X.]1 Rd[X.] 28 mwN). Zudem liegt keiner der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe vor.

9

a) Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) ist nicht gegeben.

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ([X.]keit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl etwa Senatsbeschluss vom 29.6.2018 - [X.] R 9/16 B - juris Rd[X.]2 mwN). Regelmäßig nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die bereits höchstrichterlich entschieden ist (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 B - juris Rd[X.] 6 mwN; zu den - hier nicht in Betracht kommenden - Ausnahmen vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 160 Rd[X.] 8b f). Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das [X.] diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160 [X.]; Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R 294/16 B - juris Rd[X.] 4).

Die vom Kläger aufgeworfene erste Frage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Vielmehr lässt sie sich anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung eindeutig beantworten. Nach der Rechtsprechung beider Rentensenate des B[X.] liegen, wenn während eines Klage- oder Berufungsverfahrens auf einen weiteren Antrag hin Rente wegen Erwerbsminderung - wie hier - erneut abgelehnt oder für einen Teil des streitigen Zeitraums bewilligt und im Übrigen weiter abgelehnt wird, iS von § 96 Abs 1 [X.]G die bisherige Ablehnung ersetzende Neuregelungen vor, über die in unmittelbarer Anwendung der Norm zu entscheiden ist (B[X.] Beschluss vom 17.8.2017 - B 5 R 248/16 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Senatsbeschluss vom [X.] R 329/17 B - juris Rd[X.] 8).

Hinsichtlich der zweiten vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Klärungsfähigkeit. Die Frage nach dem Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte Klage gegen die erneute Rentenablehnung stellt sich - auch nach dem Verständnis des [X.] - nur, wenn über die erneute Rentenablehnung nicht im ersten Klageverfahren zu entscheiden ist. Das ist aber wie ausgeführt gerade der Fall.

b) Ebenso wenig liegt der geltend gemachte Zulassungsgrund des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) vor.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug, auf dem die Entscheidung beruhen kann (stRspr; vgl zB B[X.] Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - B[X.]E 2, 81, 82; B[X.] Urteil vom 24.10.1961 - 6 [X.] 19/60 - B[X.]E 15, 169, 172 = [X.] [X.] zu § 52 [X.]G; jüngst B[X.] Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R 340/18 B - juris Rd[X.]2).

Der vom Kläger gerügte Erlass eines Prozessurteils begründet keinen solchen Verstoß. Zwar kann ein fortwirkender Verfahrensmangel vorliegen, wenn anstelle eines erstinstanzlichen Prozessurteils eine Sachentscheidung hätte ergehen müssen und das Berufungsgericht lediglich das erstinstanzliche Prozessurteil bestätigt (B[X.] Beschluss vom 6.2.2017 - B 4 AS 47/16 BH - juris Rd[X.]0; Senatsbeschluss vom 31.7.2017 - [X.] R 140/17 B - juris Rd[X.] 5). Die Klage des [X.] ist jedoch im Ergebnis zutreffend durch Prozessurteil abgewiesen worden. Sie ist wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig und wäre einem Sachurteil nicht zugänglich gewesen, weil der angefochtene Bescheid bereits mit seinem Erlass gemäß § 96 Abs 1 [X.]G Gegenstand des zuvor vom Kläger angestrengten ersten Klageverfahrens geworden ist. Allein der Umstand, dass das [X.] und ihm folgend das L[X.] hier eine unzutreffende Begründung für den Erlass eines Prozessurteils herangezogen haben, begründet keinen Verfahrensmangel.

c) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.]G.

Meta

B 13 R 59/19 B

21.10.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Neubrandenburg, 12. Mai 2016, Az: S 10 R 361/15, Urteil

§ 96 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 43 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.10.2020, Az. B 13 R 59/19 B (REWIS RS 2020, 2549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2549

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