Bundessozialgericht, Urteil vom 11.09.2018, Az. B 1 KR 10/18 R

1. Senat | REWIS RS 2018, 3957

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Gegenstand

Krankenversicherung - Ende der Mitgliedschaft eines Versicherungspflichtigen nach Ablauf der Mindestbindungsfrist - unmittelbarer Anschluss eines neuen Versicherungspflichttatbestandes - Auslösung eines neuen Krankenkassenwahlrechts


Leitsatz

Versicherungspflichtige dürfen, wenn ihre Mitgliedschaft nach Ablauf der Mindestbindungsfrist kraft Gesetzes endet, ohne Kündigung eine Krankenkasse wählen, auch wenn sich ein neuer Versicherungspflichttatbestand unmittelbar anschließt.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. August 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für alle Instanzen auf 73 167,89 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Der [X.] (im Folgenden: Versicherter) war von Januar 2005 bis 31.1.2010 wegen des Bezugs von [X.] ([X.]) bei der [X.] ([X.]) versichert, anschließend auffangversichert. Er wählte zu Beginn des erneuten Bezugs von [X.] (8.11.2010 bis 30.4.2012) die beklagte [X.] ([X.] vom 15.11.2010). Er gab der Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, bei der Aufnahme an, bei der [X.] versichert zu sein. Die Klägerin behandelte den Versicherten stationär vom 5.10.2012 bis zu seinem Tod am 6.11.2012 und berechnete als Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2012) [X.] (Beatmung > 499 und < 1000 Stunden mit komplexer [X.] oder Polytrauma oder intensivmedizinischer Komplexbehandlung > 3430 / 3220 Aufwandspunkte, ohne hochkomplexen Eingriff, Alter > 15 Jahre; insgesamt 73 167,89 Euro). Die Beklagte lehnte es ab, den Rechnungsbetrag zu begleichen. Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 73 167,89 Euro nebst [X.] Zinsen seit dem 7.9.2016 zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 23.11.2016). Das L[X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen: Die Mitgliedschaft des Versicherten bei der Beigeladenen habe durch den Bezug von [X.] ab 8.11.2010 geendet. Da die bisherige Mitgliedschaft mehr als 18 Monate gedauert habe, habe der Versicherte die Beklagte wirksam gewählt, ohne kündigen zu müssen. [X.] sei, dass zwischen den beiden unterschiedlichen Versicherungspflichttatbeständen kein Zeitraum ohne Mitgliedschaft gelegen habe. Ab Mai 2012 sei der Versicherte im Rahmen einer Auffangversicherung (§ 5 Abs 1 [X.], § 174 Abs 5 [X.]B V) weiterhin bei der [X.] versichert gewesen (Urteil vom [X.]).

3

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren ihr Klagebegehren gegen die Beklagte hinsichtlich der Zinsforderung auf Zahlung ab dem [X.] beschränkt. Der erkennende Senat hat die Beigeladene unter Ersetzung ihrer früheren Stellung als Beklagte beigeladen (§ 168 [X.] Fall 2 [X.]G).

4

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 175 Abs 2 und [X.] bis 4 und § 186 Abs 10 iVm § 190 Abs 13 S 1 Nr 1 [X.]B V. Die Ausübung des Wahlrechts durch den Versicherten habe eine Kündigung der Mitgliedschaft bei der Beigeladenen vorausgesetzt.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 31. August 2017 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 23. November 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise,

        

die Beigeladene zu verurteilen, an die Klägerin 73 167,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von [X.] hierauf seit dem 20. Februar 2013 zu zahlen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Anderenfalls habe die Beigeladene die Behandlungskosten zu tragen.

8

Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.] ist unbegründet. Zu Recht hat das [X.] deren Berufung gegen den Gerichtsbescheid des [X.] zurückgewiesen. Die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig (dazu 1.) und begründet. Die Klägerin hat gegen die [X.], bei der der Versicherte während der Behandlung versichert war, Anspruch auf Vergütung der gewährten Krankenhausbehandlung (dazu 2.). Der Versicherte war während der Behandlung bei der [X.] versichert (dazu 3.). Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen (dazu 4.).

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht ihren Anspruch im hier bestehenden [X.] zu Recht mit der (echten) Leistungsklage geltend (stRspr, vgl zB B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 9; B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 12).

2. Die Klägerin hat gegen die [X.], bei der der Versicherte während der Behandlung versichert war, Anspruch auf Zahlung von 73 167,89 Euro Vergütung aus § 109 Abs 4 [X.] [X.]B V. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer [X.] entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 [X.] [X.]B V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 11; B[X.]E 102, 181 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.]; B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]; B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.]7 Rd[X.] 9). Es steht nach dem Gesamtzusammenhang der [X.], den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) fest und ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Versicherte vom [X.] stationärer Krankenhausbehandlung bedurfte und hierfür ausgehend von der zutreffend kodierten [X.] (2012) [X.] ein Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 73 167,89 Euro entstand.

3. Die Beklagte ist Schuldnerin des Zahlungsanspruchs. Der Versicherte war während der Behandlung vom [X.] ihr Mitglied aufgrund des Eintritts der [X.]spflicht (§ 174 Abs 5 [X.]B V). Danach werden abweichend von § 173 [X.]B V [X.] nach § 5 Abs 1 [X.] [X.]B V Mitglied der [X.] oder des Rechtsnachfolgers der [X.], bei der sie zuletzt versichert waren, andernfalls werden sie Mitglied der von ihnen nach § 173 Abs 1 [X.]B V gewählten [X.]; § 173 gilt. Der Versicherte war in diesem Sinne vor Eintritt der [X.]spflicht zuletzt bei der [X.] versichert.

a) [X.]spflicht des Versicherten bestand nach den [X.], den erkennenden Senat bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] durchgehend ab Mai 2012 bis zu seinem Tod. Nach § 5 Abs 1 [X.] Buchst a [X.]B V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Der Versicherte war bis 30.4.2012 als Bezieher von [X.] gesetzlich krankenversichert. Er hatte ab 1.5.2012 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall.

Der Versicherte unterlag der Versicherungspflicht als Bezieher von [X.] ohne Unterbrechung vom 8.11.2010 bis 30.4.2012 aufgrund der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form von [X.] (§ 19 Abs 1 [X.] und 3 [X.]B II). Nach § 5 Abs 1 [X.]a [X.]B V (eingefügt durch Art 5 [X.] 1 Buchst b Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 2954 mWv 1.1.2005) sind Personen in der [X.], für die sie [X.] nach dem [X.]B II beziehen (zum Begriff des Bezugs von Leistungen vgl B[X.] [X.]-2500 § 192 [X.] Rd[X.] 11), in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) versicherungspflichtig, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 23 Abs 3 [X.] [X.]B II (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung; ab 1.1.2011 § 24 Abs 3 [X.] [X.]B II) bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Nicht nach § 5 Abs 1 [X.]a [X.]B V versicherungspflichtig ist nur, wer unmittelbar vor dem Bezug von [X.] privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und hauptberuflich selbständig erwerbstätig war (vgl § 5 Abs 5 [X.]B V) oder zu den in § 6 Abs 1 oder 2 [X.]B V genannten versicherungsfreien Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte (§ 5 Abs 5a [X.] [X.]B V eingefügt durch Art 1 [X.] Buchst b Gesetz zur Stärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung <[X.]-[X.]stärkungsgesetz - [X.]-W[X.]> vom [X.], [X.] 378 mWv 1.1.2009).

Weder hat das [X.] Ausschlussgründe festgestellt noch sind solche sonst ersichtlich. Der Versicherte war vielmehr von Januar 2005 bis Ende Januar 2010 wegen des Bezugs von [X.] bei der Beigeladenen versichert und bei ihr anschließend auffangversichert.

b) Der Versicherte war bis Ende April 2012 als Bezieher von [X.] bei der [X.] versichert. Denn er wählte formgerecht die Beklagte zu Beginn der Versicherungspflicht als Bezieher von [X.] mit dem 8.11.2010 (vgl zum Beginn vorstehend a) als [X.]. Einer Kündigung der Versicherung bei der Beigeladenen bedurfte es dagegen nicht (dazu c).

Gemäß § 173 Abs 1 [X.]B V (idF durch Art 5 [X.] Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom [X.], [X.] 594) sind [X.] und [X.] Mitglied der von ihnen gewählten [X.] soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei Eintritt der Versicherungspflicht hat der Betroffene grundsätzlich ein Wahlrecht. Nach § 175 Abs 1 [X.] [X.]B V ist die Ausübung des Wahlrechts gegenüber der gewählten [X.] zu erklären. Sie hat nach § 175 Abs 2 [X.]B V nach Ausübung des Wahlrechts - auch bei Eintritt einer Versicherungspflicht - unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Der [X.] hat diese unverzüglich der zur Meldung verpflichteten Stelle vorzulegen (§ 175 Abs 3 [X.] [X.]B V). So lag es hier. Der Versicherte erklärte nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) zu Beginn des [X.]-Bezugs gegenüber der [X.], dass er sie als seine [X.] wähle. Er legte dem Jobcenter als der zur Meldung zuständigen Stelle (vgl § 203a [X.]B V) vor Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht eine Mitgliedsbescheinigung der [X.] vor (vgl § 175 Abs 3 [X.] und 2 [X.]B V). Die Beklagte war als Ortskrankenkasse des Wohnorts des Versicherten für ihn wählbar (§ 173 Abs 2 [X.] [X.] 1 [X.]B V).

c) Der Versicherte musste der Beigeladenen nicht kündigen, um sein Wahlrecht gegenüber der [X.] rechtswirksam auszuüben. Die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen endete kraft Gesetzes mit Ablauf des [X.], dem Tag vor Eintritt des neuen [X.] (dazu [X.]). Die gesetzliche Mindestbindungsfrist (vgl § 175 Abs 4 [X.] [X.]B V) war zu dieser [X.] abgelaufen (dazu [X.]). Einer Kündigung bedarf es zur Ausübung des Kassenwahlrechts [X.]r nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist nur, wenn die bisherige Mitgliedschaft nicht kraft Gesetzes geendet hat (dazu [X.]). Die gesetzlichen Verfahrensanforderungen für die [X.]n-Wahl begründen keine weitergehenden Erfordernisse einer Kündigung (dazu [X.]). Es entspricht auch dem Zweck der Gesamtregelung, dass eine Kündigung zur Ausübung des Kassenwahlrechts [X.]r nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist nur notwendig ist, wenn die bisherige Mitgliedschaft nicht kraft Gesetzes geendet hat (dazu ee).

[X.]) Die Mitgliedschaft der in § 5 Abs 1 [X.] [X.]B V genannten Personen endet grundsätzlich mit Ablauf des Vortages, an dem ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründet wird (vgl § 190 Abs 13 [X.] [X.] 1 [X.]B V). Der Beginn des [X.]-Leistungsbezugs ab 8.11.2010 begründete für den Versicherten einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Ein gesetzlicher [X.] greift nicht ein (vgl zB §§ 192, 193 Abs 2 iVm Abs 3 und 4 [X.]B V).

[X.]) Eine Ausnahme vom Grundsatz des gesetzlichen Beendigungstatbestands wegen Unterschreitung der gesetzlichen Mindestbindungsfrist nach Wahl einer [X.] lag nicht vor. Am 8.11.2010 war für den Versicherten die gesetzliche Mindestbindungsfrist nach getroffener Wahl abgelaufen. [X.] und [X.] sind an die Wahl der [X.] mindestens 18 Monate gebunden (vgl § 175 Abs 4 [X.] [X.]B V). Der Versicherte hatte die Beigeladene bereits im Januar 2005 gewählt. Zu Beginn der [X.] ab 1.2.2010 erfolgte keine Wahl. Der Versicherte war der Beigeladenen als der [X.], bei der er zuletzt versichert war, als Mitglied gesetzlich zugewiesen (§ 174 Abs 5 Halbs 1 [X.]B V idF durch Art 1 [X.]4 Buchst b [X.]-W[X.]). Ein Wahlrecht nach § 173 [X.]B V steht nach § 5 Abs 1 [X.] [X.]B V lediglich [X.]n zu, bei denen ein Versicherungsverhältnis in der [X.] nie bestand; nur auf diesen Personenkreis bezieht sich der Zusatz "§ 173 gilt" (vgl § 174 Abs 5 Halbs 2 [X.]B V und dazu [X.] in [X.] Kommentar, Stand Juni 2018, § 174 [X.]B V Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B V, 3. Aufl 2016, § 174 Rd[X.] 10).

[X.]) Das Gesetz fordert nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist eine Kündigung, um eine Kassenwahl auszuüben lediglich, wenn die bisherige Mitgliedschaft nicht kraft Gesetzes geendet hat. [X.] ein [X.]r bei unverändertem Fortbestehen des schon bisher Versicherungspflicht begründenden Sachverhalts an Stelle der bisherigen einer anderen [X.] beitreten, ist dies nur im Rahmen eines mehrgliedrigen Verfahrens möglich. Es verzahnt die Begründung der neuen Mitgliedschaft mit der Lösung der unmittelbar vorangehenden bei einer anderen [X.] (vgl B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]0 f). § 175 Abs 4 [X.]B V erfordert hierzu zunächst die Kündigung der Mitgliedschaft ([X.]). Daraufhin hat die bisherige [X.] unverzüglich eine Kündigungsbestätigung auszustellen ([X.]). Erst nach deren Vorlage kann die gewählte neue [X.] ihrer Pflicht zur unverzüglichen Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung nachkommen (§ 175 Abs 2 [X.] [X.]B V). Schließlich wird die Kündigung erst dann wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei der neuen [X.] durch diese Mitgliedsbescheinigung nachweist (§ 175 Abs 4 [X.] [X.]B V; vgl B[X.] Urteil vom 9.11.2011 - B 12 KR 3/10 R - USK 2011-161; zum Ganzen B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]0 f).

[X.] der Versicherte nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist die Kasse zeitgleich mit einer abschließenden Beendigung des bisher Versicherungspflicht begründenden Sachverhalts wechseln, ist dagegen kein Raum für eine Kündigung im Rahmen des mehrgliedrigen Verfahrens. Die Mitgliedschaft bei der früheren [X.] endet kraft Gesetzes zum gesetzlich vorgesehenen [X.]punkt, ohne dass eine rechtsgestaltende [X.]enserklärung des Versicherten erforderlich wäre ([X.], [X.]b 2008, 496, 497). Soweit sich Literatur hierfür auf die Trennung zwischen einer "[X.]" nach den §§ 173 ff [X.]B V und einer "versicherungsrechtlichen Mitgliedschaft" nach den §§ 186 ff [X.]B V beruft (vgl [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B V, 3. Aufl 2016, § 175 Rd[X.] 52), könnte dem allenfalls für den [X.] während eines fortdauernden [X.] Bedeutung zukommen. Hierfür regelt § 186 Abs 10 [X.]B V einen nahtlosen [X.] der Mitgliedschaften.

Es ist ohne Belang, ob sich der neue [X.] nahtlos an den vorherigen anschließt oder ob zwischen den beiden Versicherungspflichttatbeständen ein Unterbrechungszeitraum ohne eigene Mitgliedschaft liegt. Auch im Fall der zeitlich unmittelbaren Aufeinanderfolge von jeweils zu Versicherungspflicht führenden Sachverhalten entspricht dem eine gesetzliche Aufeinanderfolge rechtlich getrennter Mitgliedschaften und ist dementsprechend kein Raum für eine Beendigung der zeitlich früheren durch Kündigung (vgl für den Fall von Unterbrechungen bereits B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]5). Der Versicherte kann nach gesetzlicher Beendigung auch die Mitgliedschaft bei seiner bisherigen [X.] etwa bei erneutem Eintritt eines [X.] oder bei Beitritt zur freiwilligen Versicherung (vgl § 9, § 188 Abs 1 bis 3 [X.]B V; vgl jetzt aber zur [X.]versicherung § 188 Abs 4 [X.]B V idF durch Art 1 [X.]b Buchst b Gesetz zur Beseitigung [X.] Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom [X.], [X.] 2423 mWv 1.8.2013) nur neu begründen.

§ 175 Abs 4 [X.]B V regelt daneben nur, wann eine Kündigung der Mitgliedschaft zu einer [X.] - dh eine Beendigung durch rechtsgestaltende [X.]enserklärung - "möglich" (vgl [X.]) ist, dh nach welcher [X.]spanne ([X.]: nach Ablauf von 18 Monaten; zu [X.] vgl [X.] - 7), zu welchem [X.]punkt ([X.]) und unter welchen Voraussetzungen diese wirksam wird ([X.]). Er räumt damit dem Versicherten eine (zusätzliche) Möglichkeit ein, die Mitgliedschaft in einer [X.] zu beenden. Eine Pflicht zur Kündigung, dh eine Regelung dergestalt, dass auch im Falle eines der in § 190 [X.]B V geregelten [X.] die Mitgliedschaft eines [X.]n nur endet, wenn zusätzlich die Kündigung gegenüber der bisherigen [X.] mit Wirkung zum [X.]punkt des Wegfalls des [X.] ausgesprochen wird, enthält § 175 [X.]B V für die Fälle nach Ablauf der Mindestbindungsfrist nicht (vgl auch [X.]).

[X.]) Die gesetzlichen Verfahrensanforderungen für die [X.]n-Wahl begründen keine weitergehenden Erfordernisse einer Kündigung nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist, wenn die bisherige Mitgliedschaft kraft Gesetzes geendet hat. Das gilt in gleicher Weise für das Erfordernis einer Kündigungsbestätigung wie für die Pflicht der bisherigen Mitgliedskasse, eine Mitgliedsbescheinigung zu erstellen.

Das Erfordernis einer Kündigungsbestätigung zielt lediglich auf Absicherung und Klärung der Dauer der gesetzlichen Mindestbindungsfrist (vgl § 175 Abs 2 [X.] [X.]B V hier idF durch Art 1 [X.] 1 Buchst a Doppelbuchst [X.] Gesetz zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte <[X.]> vom 27.7.2001, [X.] 1946 mWv 1.1.2002; vgl auch B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]0; [X.] in [X.], Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand März 2018, § 175 Rd[X.] 16, 18). Die Norm des § 175 Abs 2 [X.] [X.]B V regelt, dass wenn innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung eine Mitgliedschaft bei einer anderen [X.] bestand, die Mitgliedsbescheinigung nur ausgestellt werden kann, wenn die Kündigungsbestätigung nach § 175 Abs 4 [X.] [X.]B V vorgelegt wird. Dies sichert verfahrensrechtlich die gesetzliche Mindestbindungsfrist von 18 Monaten nach getroffener Wahl (vgl oben, § 175 Abs 4 [X.] [X.]B V). Die Norm soll dagegen eine Wahl nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist für eine getroffene Wahl einer [X.] nicht ausschließen oder erschweren. Bestand nicht nur innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung eine Mitgliedschaft bei einer anderen [X.], sondern für einen länger dauernden [X.]raum, die kraft Gesetzes endete, greift die Regelung nicht ein.

Nach den Gesetzesmaterialien sollte die Regelung klarstellen, ob auch nach einem längeren Unterbrechungszeitraum eine Mitgliedschaft wieder bei der früheren [X.] begründet werden müsse, wenn die Mindestbindungsfrist bei dieser [X.] noch nicht erfüllt war. Bei einer Unterbrechungsdauer von mehr als 18 Monaten sei die Wahl einer anderen [X.] unabhängig von der Dauer der Mitgliedschaft bei der bisherigen [X.] möglich. Die Begrenzung des Unterbrechungszeitraums auf 18 Monate solle Ungleichbehandlungen vermeiden, da auch bei ununterbrochener Mitgliedschaft ein [X.] erst nach 18 Monaten möglich wäre (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte, BT-Drucks 14/6568 [X.]).

Würde man die Norm unterschiedslos in allen Fällen anwenden, in denen innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung eine Mitgliedschaft bei einer anderen [X.] bestand, auch wenn sich diese Mitgliedschaft auch zusätzlich auf eine länger zurückliegende [X.] erstreckte, würde das [X.] verfehlt, dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) widersprechende Ungleichbehandlungen zu vermeiden. So könnte, wer - wie der Versicherte - im Rahmen einer [X.] seiner letzten [X.] gesetzlich zugewiesen ist (§ 5 Abs 1 [X.], § 174 Abs 5 [X.]B V) und damit keine Kündigungsmöglichkeit hat, eine Lösung von seiner alten [X.] regelmäßig erst mit mehrmonatiger Verzögerung durchführen, wenn er in einen Status der Pflichtversicherung gewechselt hat, der ihm eine Kündigung zwecks [X.]-Wechsels gestattet.

Dementsprechend geht die Rspr für den Fall einer bis zu 18-monatigen Unterbrechung der Versicherungspflicht davon aus, dass sich aus den hinsichtlich ihres unmittelbaren "verfahrensrechtlichen" [X.] ins Leere gehenden Anordnungen in § 175 Abs 4 [X.] und Abs 2 [X.] [X.]B V keine weitergehenden "materiellen" Schlussfolgerungen hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Versicherungsträgers stützen lassen (vgl B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]5).

Auch die Pflicht der bisherigen Mitgliedskasse, eine Mitgliedsbescheinigung "auch bei Eintritt der Versicherungspflicht" unverzüglich auszustellen, begründet nicht die Notwendigkeit einer Kündigung nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist, wenn die bisherige Mitgliedschaft kraft Gesetzes geendet hat (vgl hierzu § 175 Abs 2 [X.] [X.]B V, eingefügt durch Art 1 [X.] 1 Buchst a Doppelbuchst [X.] [X.] vom 27.7.2001, [X.] 1946 mWv 1.1.2002). Die Norm hat neben der Regelung des § 175 Abs 2 [X.] [X.]B V, der die "gewählte" [X.] nach Ausübung des Wahlrechts zur unverzüglichen Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung verpflichtet, einen eigenständigen Sinngehalt, wenn Versicherungspflicht eintritt, ohne dass dem [X.]n zugleich ein Wahlrecht zusteht. Die Verpflichtung trifft dann die bisherige Mitgliedschaftskasse (vgl auch B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]7). So liegt es etwa bei der gesetzlichen Zuweisung Auffangversicherter, die zuvor gesetzlich krankenversichert waren (vgl § 174 Abs 5 [X.]B V). Gleiches ist zu erwägen, wenn die Mindestbindungsfrist von 18 Monaten für die Mitgliedschaft bei der bisherigen [X.] zum [X.]punkt der Beendigung der Mitgliedschaft noch nicht abgelaufen ist.

ee) Es entspricht dem Zweck der Gesamtregelung, dass eine Kündigung zur Ausübung des Kassenwahlrechts [X.]r nach Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist nur notwendig ist, wenn die bisherige Mitgliedschaft nicht kraft Gesetzes geendet hat. Das [X.] sollte vor allem eine Verstetigung der Mitgliederbewegung im Jahresverlauf und die Gleichbehandlung von [X.]n und [X.]n bewirken sowie den Verwaltungsaufwand für [X.]n und meldepflichtige Stellen eindämmen. Hierzu erhielten auch [X.] eine unterjährige Kündigungsmöglichkeit. [X.] und [X.] wurden gleichermaßen 18 Monate an die Wahlentscheidung gebunden (vgl Entwurf der Fraktionen [X.] und [X.]/[X.] eines [X.], BT-Drucks 14/5957 [X.] A. Allgemeiner Teil I. Ziele und Handlungsbedarf sowie II. Inhalte und Maßnahmen des Gesetzes; vgl auch [X.] B. Besonderer Teil zu Nummer 1 <§ 175> zu Buchstabe b und c). Dem zollt die vorgenommene Gesetzesauslegung Beachtung.

Soweit die Gesetzesmaterialien darüber hinausgehend die Vorstellung anklingen lassen, [X.] und [X.] könnten zukünftig das Wahlrecht zu einer anderen [X.] stets, auch nach Ablauf der Mindestbindungsfrist von 18 Monaten nur dann ausüben, wenn sie die Mitgliedschaft bei der bisherigen [X.] wirksam gekündigt haben, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen. Gesetzesmaterialien sind mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern heranzuziehen, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen und im Gesetzeswortlaut einen Niederschlag gefunden haben. Besteht - wie hier - eine Diskrepanz zwischen Gesetzesmaterialien und dem objektiven Regelungsgehalt des Gesetzes, muss dem Gesetzeswortlaut, dem Regelungssystem und dem [X.] der Vorrang zukommen (stRspr; vgl zB [X.] 62, 1, 45; [X.] 119, 96, 179; B[X.] [X.]-2500 § 62 [X.] 8 Rd[X.]0 f; B[X.] Urteil vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R - Juris Rd[X.]5 mwN, für B[X.]E und [X.] vorgesehen; ebenso zB B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]5). Daran fehlt es, wie dargelegt (ebenso B[X.] [X.]-2500 § 175 [X.] Rd[X.]5 f). Die gesetzgeberische Grundentscheidung für eine Verstetigung der [X.] der Versicherten im Jahresverlauf und die Angleichung der [X.]möglichkeiten der [X.]n und der freiwillig Versicherten wird damit nicht in Frage gestellt (vgl zur Beachtung der Grundentscheidung [X.] Beschluss vom 6.6.2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - Leitsatz 3 und Juris Rd[X.] 73 mwN).

4. Die Klägerin hat ab 8.9.2016 gegen die Beklagte Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von [X.] auf die geschuldete Vergütung nach Maßgabe des § 288 Abs 1 BGB (vgl B[X.] [X.]-2500 § 69 [X.] 7; B[X.] Urteil vom [X.] - B 1 KR 10/15 R - Juris Rd[X.] 18 = [X.] 2015/29) iVm §§ 12, 14 ([X.] nach § 112 [X.]B V Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung. Die Klägerin kann Zinsen nach Ablauf der Zahlungsfrist verlangen (§ 14 [X.] Landesvertrag). Die Zahlungsfrist von 15 Arbeitstagen (vgl § 12 [X.] Landesvertrag) begann am 18.8.2016 zu laufen. Denn die Daten nach § 301 [X.]B V lagen der [X.] nach den vom [X.] in Bezug genommenen Ausführungen des [X.] erst am 17.8.2016 vor. Die Frist endete am 7.9.2016 (vgl § 187 Abs 1, § 188 Abs 1 BGB).

5. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 [X.] Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 [X.], Abs 3 [X.] [X.], § 52 Abs 1 sowie § 47 Abs 1 [X.], Abs 2 [X.] GKG. Nach § 63 Abs 3 [X.] [X.] GKG kann die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz durch das Rechtsmittelgericht ua geändert werden, wenn das Verfahren - wie hier - wegen der Hauptsache in der Rechtsmittelinstanz schwebt.

Meta

B 1 KR 10/18 R

11.09.2018

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 23. November 2016, Az: S 2 KR 524/13, Gerichtsbescheid

§ 5 Abs 1 Nr 2a SGB 5, § 5 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB 5, § 173 Abs 1 SGB 5 vom 24.03.1997, § 174 Abs 5 SGB 5, § 175 SGB 5, § 186 Abs 10 SGB 5, § 190 Abs 13 S 1 Nr 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.09.2018, Az. B 1 KR 10/18 R (REWIS RS 2018, 3957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3957

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Krankenversicherung - Wirksamkeit der Krankenkassenwahl durch Versicherungspflichtigen - zuständige Krankenkasse bei nicht wirksamer Ausübung des …


B 12 KR 17/10 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung der Landwirte - Nebeneinander der Versicherungs- und Beitragspflicht als Bezieher von Arbeitslosengeld II und …


B 12 KR 3/10 R (Bundessozialgericht)

Krankenkassenwahlrecht - Kündigungsrecht bei höherem Beitragssatz nach einer Fusion von Krankenkassen - keine Einhaltung der …


B 12 KR 16/17 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See nach § 177 Abs 2 SGB 5 aF …


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