Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.07.2021, Az. B 9 SB 5/21 B

9. Senat | REWIS RS 2021, 4428

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - beabsichtigte Zurückweisung einer unzulässigen Berufung im vereinfachten Beschlussverfahren - vorherige Anhörung nach § 153 Abs 4 S 2 SGG - keine Einholung der Ansicht des gesamten Senats erforderlich - Mitteilung des Berichterstatters über den Vorschlag an den Senat ausreichend)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 14. Dezember 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 80 und des Merkzeichens G.

2

Das [X.] hat die Berufung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 14.12.2020 zurückgewiesen. Es hat wie vor ihm die Beklagte und das [X.] den geltend gemachten Anspruch der Klägerin verneint und sich zur Begründung auf die Urteilsgründe des [X.] gestützt, da die Klägerin ihre Berufung nicht begründet habe.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Der Beschluss des [X.] sei eine Überraschungsentscheidung; sie sei vorher nur durch den Berichterstatter auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung und damit nicht ordnungsgemäß angehört worden.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil sie weder den behaupteten Verfahrensmangel, noch die angebliche grundsätzliche Bedeutung ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

5

1. Die Klägerin hat diesen Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G nicht ausreichend bezeichnet.

6

Sie rügt, die Anhörungsmitteilung an ihren Prozessbevollmächtigten genüge nicht den Anforderungen des § 153 Abs 4 Satz 2 [X.]G. Der Berichterstatter habe lediglich mitgeteilt, er beabsichtige, dem Senat eine Entscheidung durch Beschluss nach dieser Vorschrift vorzuschlagen. Die Rechtsansicht des Berichterstatters könne aber nicht von vornherein dem gesamten Senat unterstellt werden. Die Klägerin habe daher vergeblich auf eine Mitteilung des [X.] über die Ansicht des gesamten Senats gewartet, um sodann ggf die Berufung zu begründen. Der stattdessen übersandte Beschluss sei eine Überraschungsentscheidung.

7

Mit diesem Vortrag hat die Klägerin keinen Verstoß gegen § 153 Abs 4 Satz 2 [X.]G hinreichend substantiiert bezeichnet. Nach dieser Vorschrift sind die Beteiligten vor einer Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss der Berufsrichter ohne mündliche Verhandlung zu hören. Die Regelung ist ein besonderer Ausdruck des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG). Das Gericht muss dem Beteiligten persönlich oder wenn er - wie hier - einen Prozessbevollmächtigten hat, diesem unmissverständlich mitteilen, es erwäge, im Beschlussverfahren zu seinen Ungunsten zu entscheiden (Senatsbeschluss vom 16.3.1994 - 9 BV 151/93 - juris Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 25.11.1999 - B 13 RJ 25/99 R - [X.] 3-1500 § 153 [X.] = juris RdNr 12; B[X.] Beschluss vom 22.5.2018 - B 5 R 51/18 B - juris RdNr 12). Die Mitteilung kann bereits vor der Meinungsbildung des Senats über die Erfolgsaussichten der Berufung übersandt werden. Sie darf selbst dann erfolgen, wenn sich das Berufungsgericht über seine Verfahrensweise noch nicht schlüssig ist und es ihm zweckmäßig erscheint, die äußeren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss erst noch zu schaffen. Für eine wirksame Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 [X.]G ist es daher unschädlich, wenn der Berichterstatter - und nicht bereits der gesamte Senat - die Sache für ein Verfahren nach § 153 Abs 4 [X.]G als geeignet ansieht und die Beteiligten dahingehend anhört (Senatsurteil vom 20.10.1999 - B 9 SB 4/98 R - [X.] 3-1500 § 153 [X.] = juris RdNr 14; B[X.] Urteil vom [X.] [X.] 94/00 R - [X.] 3-1500 § 153 [X.] 43 f = juris RdNr 17 mwN).

8

Genügt demnach nach der Rechtsprechung des B[X.] zur Wahrung rechtlichen Gehörs eine Anhörung allein durch den Berichterstatter auf der Grundlage seiner Rechtsansicht, hätte die Klägerin näher darlegen müssen, warum demgegenüber die in ihrem Fall erfolgte Anhörungsmitteilung des Berichterstatters nicht ausreichte und der Beschluss des [X.] deshalb eine unzulässige Überraschungsentscheidung darstellte. Substantiierte Darlegungen in diese Richtung enthält die Beschwerdebegründung nicht. Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung reicht der Hinweis des Prozessbevollmächtigten auf sein eigenes Rechtsverständnis insoweit nicht aus.

9

2. Auch die Grundsatzrüge iS des § 160 Abs 2 Nr 1 [X.]G ist nicht ausreichend dargelegt. Denn es fehlt bereits an der Bezeichnung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Eine Rechtsfrage ist ua dann nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich tragend entschieden oder präjudiziert ist. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher auch mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN). Das hat die Klägerin in Bezug auf eine Anhörungsmitteilung durch den Berichterstatter gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 [X.]G jedoch versäumt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 [X.]G).

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 9 SB 5/21 B

01.07.2021

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Bremen, 12. November 2019, Az: S 19 SB 265/16, Urteil

§ 153 Abs 4 S 2 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 62 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.07.2021, Az. B 9 SB 5/21 B (REWIS RS 2021, 4428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4428

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