Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.11.2017, Az. VI ZR 92/17

6. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2412

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Gegenstand

Schadensersatz bei Verletzung durch einen Verkehrsunfall: Ausgrenzung späterer Schadensfolgen aus dem vom Schädiger zu verantwortenden Gefahrenbereich bei Berufswechsel des Verletzten; Vorliegen einer klaren Zäsur durch eigenverantwortliche Entscheidung des Verletzten; Beweislast für die Voraussetzungen einer Zäsur


Leitsatz

1. Wendet sich der bei einem Unfall Verletzte einem anderen Beruf zu und beeinflusst hierdurch die Schadensentwicklung, so kann eine Ausgrenzung späterer Schadensfolgen aus dem vom Schädiger zu verantwortenden Gefahrenbereich unter der Voraussetzung in Betracht kommen, dass die Änderung des beruflichen Lebensweges von einer eigenständigen Entscheidung des Verletzten derart geprägt war, dass der Unfall für diese Entwicklung nur noch den äußeren Anlass darstellte.

2. An der geforderten klaren Zäsur durch eine eigenverantwortliche Entscheidung des Verletzten fehlt es, wenn der Verletzte eine Aufhebungsvereinbarung schließt, weil ihm die von seinem Arbeitgeber im Rahmen einer betrieblichen Umstrukturierung angebotene neue, vom bisherigen Einsatzort weit entfernte und zudem mit dem Erfordernis internationaler Dienstreisen verbundene Einsatzmöglichkeit unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zumutbar ist, und nach dem Auffinden einer adäquaten anderen Arbeitsstelle auch im Interesse des Schädigers ein ansonsten zu befürchtender Verlust des Arbeitsplatzes durch eine im weiteren Verlauf absehbare betriebsbedingte Kündigung vermieden werden soll.

3. Nach dem Grundprinzip der Beweislastverteilung hat nicht der Geschädigte, sondern der Schädiger darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen einer Zäsur vorliegen, die einen zunächst bestehenden Zurechnungszusammenhang für die Zukunft wieder entfallen lassen.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 10. Zivilsenats des [X.] vom 25. Januar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 104.212,83 €

Gründe

I.

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des [X.] des unstreitig dem Grunde nach voll haftenden Unfallverursachers Ansprüche auf (weiteren) Verdienstausfall aus einem Verkehrsunfall vom 19. November 1992 geltend. Der Kläger hat zwei Kinder, er ist mit einer im [X.] tätigen promovierten Chemikerin verheiratet und lebt mit seiner Familie in A..

2

Im Zeitpunkt des Unfalls arbeitete er als Kommunikationselektroniker im vorbeugenden Brandschutz bei der Werksfeuerwehr der [X.] (im folgenden auch "[X.]"). Er hatte diese Tätigkeit am 1. Dezember 1991 begonnen, und war vor dem Unfall ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Anlage [X.] mit Wirkung zum 1. Juni 1992 zum Oberfeuerwehrmann ernannt worden.

3

Von 1996 bis 1998 absolvierte der Kläger eine Umschulung zum Industriekaufmann, anschließend war er zunächst bei zwei weiteren Unternehmen kurz beschäftigt, bis er im [X.] eine Tätigkeit bei der [X.] aufnahm. Nach der Fusion zwischen dem [X.] war der Kläger bis einschließlich August 2008 bei der [X.] (im Folgenden auch: "[X.]") in [X.] tätig.

4

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte seit dem Unfall bis zum [X.] jeweils die Differenz zwischen dem Einkommen, das der Kläger bei der Werksfeuerwehr von [X.] erzielt hätte, und dem in den entsprechenden Jahren tatsächlich von dem Kläger erzielten Nettoeinkommen, wobei zusätzlich zu dem vom Kläger erzielten Nettoeinkommen jeweils auch die Einkünfte aus einer dem Kläger gewährten Erwerbsminderungsrente berücksichtigt wurden. Ab dem [X.] war das von dem Kläger bei [X.] erzielte Einkommen höher als dasjenige Einkommen, das der Kläger bei [X.] erzielt hätte.

5

[X.] erhielt der Kläger [X.] das Angebot, beruflich nach [X.] zu wechseln und von dem Standort [X.] aus international für das Unternehmen tätig zu sein. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab und schloss stattdessen mit [X.] einen Auflösungsvertrag zum 31. August 2008. In der Aufhebungsvereinbarung heißt es:

"wie mit Ihnen im Vorfeld besprochen, werden Sie unter nachfolgenden Bedingungen zum 31. August 2008 aus der [X.] ausscheiden, da Sie die durch [X.] angebotenen Einsatzmöglichkeiten nicht mit der Betreuung Ihres Kindes vereinbaren können und Sie das Arbeitsverhältnis beenden müssen."

6

Im [X.] an die Tätigkeit bei [X.] war der Kläger in dem Landespolizeidienst des [X.] tätig. Er wurde dort während der Probezeit im März 2009 entlassen. Danach war er arbeitslos, unterbrochen von Kinderbetreuungszeiten.

7

Mit der Klage macht der Kläger die Differenz zwischen dem von ihm tatsächlich erzielten und demjenigen Einkommen geltend, das er in den Jahren 2009 bis 2013 als Feuerwehrmann bei [X.] erhalten hätte. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

8

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht ist unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu der Annahme gelangt, dass der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung den Zurechnungszusammenhang zwischen dem Unfall und dem in den Jahren 2009 bis 2013 entstandenen Verdienstausfall des [X.] entfallen lasse.

9

1. Das Berufungsgericht hat - soweit hier erheblich - ausgeführt, die Entscheidungsgründe des [X.] leugneten sowohl einen Zusammenhang zwischen dem Ausscheiden des [X.] bei [X.] und dem Unfall als auch einen Zusammenhang zwischen dem Ausscheiden und einem ohnehin drohenden oder bevorstehenden Arbeitsplatzverlust. Das Vorbringen des [X.], [X.] sei berechtigt gewesen, aus betriebsbedingten Gründen zu kündigen, und in dieser Situation seien den betroffenen Mitarbeitern Aufhebungsverträge und Abfindungen angeboten worden, stehe daher in einem unvereinbaren Gegensatz zu den tatbestandlichen Feststellungen. Ein notwendiges Tatbestandsberichtigungsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Jedenfalls aber sei der Kläger mit seinem in der Berufung erfolgten Vortrag zu dem drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes sowie ferner dazu, er habe sich wegen seines in Gefahr geratenen Arbeitsplatzes um eine adäquate Arbeitsstelle bemüht und die Aufhebungsvereinbarung erst abgeschlossen, nachdem er eine Zusage von der Landespolizei erhalten habe, präkludiert.

Im Streitfall sei zu Ungunsten des [X.] festzustellen, dass sämtliche entscheidungserheblichen Gesichtspunkte für eine eigenverantwortliche, von den Unfallfolgen unabhängige Entscheidung des [X.] sprächen. Der Kläger habe sich beruflich derart weiterentwickelt, dass sein Einkommen dasjenige vor dem Unfall überstiegen habe. Irgendwelche Umstände, nach denen der Kläger in dieser Erwerbstätigkeit nicht zufrieden, nicht anerkannt oder unterfordert gewesen wäre, oder - auch aus eigener Sicht - unter einem "Minderwert" gelitten hätte, seien weder vorgebracht noch ersichtlich. Gesundheitliche Folgewirkungen des Unfalls hätten für den Auflösungsvertrag - selbst nach dem Vorbringen des [X.] - keine Rolle gespielt, er sei vor die gleiche Wahlentscheidung gestellt wie jeder andere Mitarbeiter, dem ein Umzug nach [X.] vorgeschlagen worden sei. Derartige Entwicklungen des damaligen Arbeitgebers seien weder für den Kläger noch allgemein absehbar gewesen. Zwar wäre der Zurechnungszusammenhang im Falle einer tatsächlichen Kündigung nicht unterbrochen worden und eine Haftung der Beklagten für den Erwerbsschaden hätte weiterbestanden. Der Kläger übersehe jedoch, dass das Gegenteil festgestellt sei; er habe den vorgeschlagenen Arbeitswechsel nach [X.] aus persönlichen und familienbezogenen Gründen nicht mitvollzogen.

Da der Kläger das Beschäftigungsverhältnis mittels Auflösungsvertrag beendet habe, hätte er darlegen und beweisen müssen, dass dies allein deshalb geschehen sei, um einer unvermeidlichen Kündigung zuvor zu kommen. Das sei aber durch die gegenläufigen Feststellungen des [X.]s ausgeschlossen.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht halte sich unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG an die - vermeintliche - tatbestandliche Feststellung (§ 314 ZPO) des [X.]s gebunden, wonach das Ausscheiden des [X.] bei [X.] ausschließlich aus familiären Gründen erfolgt sei und keinen Zusammenhang mit einem drohenden Arbeitsplatzverlust aufweise.

a) Der Kläger hatte - wie die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend aufzeigt - bereits erstinstanzlich vorgetragen, der Verlust des Arbeitsplatzes bei [X.] habe nicht auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung beruht, sondern sei durch eine betriebliche Umstrukturierung, einen Firmensitzwechsel seines Arbeitgebers und Personaleinsparungen veranlasst worden. Er habe die ihm angebotene neue und mit internationalen Dienstreisen verbundene Einsatzmöglichkeit in [X.] angesichts seiner familiären Situation nicht wahrnehmen wollen, so dass eine betriebsbedingte Kündigung [X.] habe. Deshalb habe er sich nach einer Alternative umgesehen und sei auf die Stelle bei der Landespolizei gestoßen.

Das [X.] hat dazu festgestellt, dass der Kläger im Jahr 2008 [X.] das Angebot erhalten hatte, nach [X.] zu wechseln und dort international tätig zu sein, zudem die Unternehmen [X.] und N. beschlossen hatten, ihre Netzwerkaktivitäten in einem Gemeinschaftsunternehmen zu bündeln und mit diesem Gemeinschaftsunternehmen international tätig zu werden, dass dieses Gemeinschaftsunternehmen in [X.] ansässig wurde, und der Kläger in diesem Gemeinschaftsunternehmen daher nur tätig sein konnte, wenn er nach [X.] umzog und von dort internationale Dienstreisen durchführte.

In der Berufung hat der Kläger vorgetragen, er sei nicht zur Landespolizei gewechselt, weil er davon unabhängig die Zielsetzung verfolgt habe, einen Berufswechsel vorzunehmen. Umgekehrt seien die Umstrukturierung, der Umstand, dass sein bisheriger Arbeitsplatz in Gefahr und die Einsatzänderung ihm nicht zumutbar gewesen sei, der Anlass dafür gewesen, dass er eine neue Stelle gesucht und angetreten habe. Für die Abteilung des [X.] sei infolge der Umstrukturierung der einzige Kunde weggefallen. [X.] sei berechtigt gewesen, aus betriebsbedingten Gründen zu kündigen. In dieser Situation seien den betroffenen Mitarbeitern Aufhebungsverträge und Abfindungen angeboten worden. Er habe sich daher nach einer adäquaten anderen Stelle umgesehen und, nachdem er eine solche gefunden habe, die Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen.

b) Vor dem Hintergrund des erstinstanzlichen Vortrags des [X.] und der genannten Feststellungen des [X.]s hätte sich das Berufungsgericht nicht an eine vermeintliche tatbestandliche Feststellung des [X.]s, zwischen dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung und einem drohenden Arbeitsplatzverlust bestehe kein Zusammenhang, gebunden sehen dürfen, § 314 ZPO. Eine solche Feststellung enthält das Urteil des [X.]s schon nicht. Das [X.] hat vielmehr umgekehrt festgestellt, dass der Kläger bei [X.] nur weiter tätig sein konnte, wenn er nach [X.] umzog und von dort aus internationale Dienstreisen durchführte. Dass es sich dabei um das allgemeine Lebensrisiko des [X.] gehandelt habe, das nicht dem Gefahrenbereich des Schädigers zuzurechnen sei, stellt erkennbar lediglich eine rechtliche Wertung des [X.]s dar, die in der Berufung zu überprüfen gewesen wäre. Dadurch, dass das Berufungsgericht sich offenkundig fehlerhaft an eine tatsächlich nicht getroffene tatbestandliche Feststellung des [X.]s gebunden gesehen hat, hat es den genannten Vortrag des [X.] vollständig übergangen, Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Senat, Beschluss vom 3. März 2015 - [X.], [X.], 1313 Rn. 7 mwN zur offenkundig fehlerhaften Anwendung einer Präklusionsvorschrift).

Es hat ferner den in der Berufung erfolgten Vortrag des [X.] dazu, dass eine betriebsbedingte Kündigung [X.] habe und dies der Grund für den Stellenwechsel gewesen sei, zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG. Neues Vorbringen im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus erster Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (Senat, Urteile vom 8. Juni 2004 - [X.], [X.], 245, 251 mwN, und vom 1. Dezember 2009 - [X.], [X.], 642 Rn. 22). Zu Recht rügt die Nichtzulassungsbeschwerde, dass der in der Berufung gehaltene Vortrag des [X.] lediglich eine solche Konkretisierung seines erstinstanzlichen Vorbringens darstellt und mithin nicht im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO als neu angesehen werden kann.

c) Die Gehörsverletzung ist auch erheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn es sowohl die erstinstanzlichen Feststellungen als auch den Vortrag des [X.] zu dem Grund des Stellenwechsels in der gebotenen Weise berücksichtigt hätte.

III.

Bei der Verhandlung und neuen Entscheidung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, auf eine sorgfältige Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Es wird in den Blick zu nehmen haben, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger seinen Verdienstausfall bis zum [X.] ersetzt hat. Es wird ferner folgendes zu berücksichtigen haben:

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 26. Februar 1991 - [X.], NJW-RR 1991, 854 und vom 17. September 1991 - [X.], NJW 1991, 3275) kann es zwar an dem für die Einstandspflicht erforderlichen haftungsrechtlichen Zusammenhang mit dem Gefahrenbereich, den der Schädiger durch die Schutzgutverletzung für den Geschädigten eröffnet hat, fehlen, wenn der Geschädigte aufgrund eines eigenen Willensentschlusses selbst in den Geschehensablauf eingegriffen und dadurch die eigentliche Ursache für die von ihm geltend gemachte [X.] gesetzt hat. Bei einer solchen Fallgestaltung kann eine wertende Betrachtung zu dem Ergebnis führen, dass der hierdurch geprägte Schaden ausschließlich dem eigenen Lebensrisiko des Geschädigten zuzuordnen ist. Mit dieser Begründung hat der Senat für die auch hier zu beurteilende Fallgestaltung, dass sich der bei einem Unfall Verletzte einem anderen Beruf zuwendet und hierdurch die Schadensentwicklung beeinflusst, eine Ausgrenzung späterer [X.]n aus dem vom Schädiger zu verantwortenden Gefahrenbereich unter der Voraussetzung bejaht, dass die Änderung des beruflichen Lebensweges von einer eigenständigen Entscheidung des Verletzten derart geprägt war, dass der Unfall für diese Entwicklung nur noch den äußeren Anlass darstellte (Senatsurteile vom 26. Februar 1991, aaO, unter [X.] und vom 17. September 1991, aaO, unter [X.] a).

Der Senat hat aber ausgesprochen, dass an die Annahme eines solchen Ausnahmefalles strenge Anforderungen zu stellen sind. Der Grundsatz der im Schadensrecht geltenden Totalrestitution gebietet es, eine dahingehende Bewertung nur in außergewöhnlich gelagerten Fällen vorzunehmen. Erforderlich sind klare Zäsuren, die auch nach außen erkennen lassen, dass der Verletzte durch seine Entscheidung für ein geändertes Berufsziel die berufliche Entwicklung eigenverantwortlich zu seinem persönlichen Lebensrisiko hat werden lassen (Senatsurteile, ebenda).

2. Nach diesen Grundsätzen fehlt es an der geforderten klaren Zäsur durch eine eigenverantwortliche Entscheidung des Verletzten, wenn der Verletzte eine Aufhebungsvereinbarung schließt, weil ihm die von seinem Arbeitgeber im Rahmen einer betrieblichen Umstrukturierung angebotene neue, vom bisherigen Einsatzort weit entfernte und zudem mit dem Erfordernis internationaler Dienstreisen verbundene Einsatzmöglichkeit unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zumutbar ist, und nach dem Auffinden einer adäquaten anderen Arbeitsstelle auch im Interesse des Schädigers ein ansonsten zu befürchtender Verlust des Arbeitsplatzes durch eine im weiteren Verlauf absehbare betriebsbedingte Kündigung vermieden werden soll.

So liegt es unter Zugrundelegung des Vortrags des [X.] hier. Für eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs reicht es dagegen nicht aus, dass der Verletzte, der aufgrund der durch den Unfall erlittenen Beeinträchtigungen seine Stellung (hier: als [X.]) nicht mehr ausüben kann und nach einer Umschulung eine (finanziell) gleichwertige Stellung (hier: als Service Ingenieur) wieder erreicht, sodann im weiteren Verlauf dem gleichen Lebensrisiko ausgesetzt ist wie jeder andere am neuen Einsatzort Beschäftigte. Das wird dem Umstand, dass der Verletzte durch den dem Grunde nach voll haftenden Unfallverursacher aus dem von ihm eingeschlagenen Lebens- und Berufsweg herausgerissen worden ist, nicht gerecht.

3. Nach dem Grundprinzip der Beweislastverteilung (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 1998 - [X.], [X.], 351) hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Übrigen nicht der Kläger, sondern die Beklagte darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen einer Zäsur vorliegen, die einen zunächst bestehenden Zurechnungszusammenhang für die Zukunft wieder entfallen lassen. Den Kläger trifft insoweit allenfalls eine sekundäre Darlegungslast (vgl. Senat, Urteil vom 28. Juni 2016 - [X.], [X.], 630 Rn. 18 mwN).

Galke     

       

von [X.]     

       

Oehler

       

Roloff     

       

Klein     

       

Meta

VI ZR 92/17

14.11.2017

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 25. Januar 2017, Az: 10 U 1006/16

Art 103 Abs 1 GG, § 544 Abs 7 ZPO, § 249 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.11.2017, Az. VI ZR 92/17 (REWIS RS 2017, 2412)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 145-146 REWIS RS 2017, 2412


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI ZR 92/17

Bundesgerichtshof, VI ZR 92/17, 14.11.2017.


Az. 10 U 1006/16

OLG München, 10 U 1006/16, 25.01.2017.

OLG München, 10 U 1006/16, 30.11.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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