Bundessozialgericht, Urteil vom 13.07.2022, Az. B 7/14 KG 1/21 R

7. Senat | REWIS RS 2022, 5487

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Kinderzuschlag - Anspruchsvoraussetzung - Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 bzw Nichtbestehen von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 bei Bezug des Kinderzuschlags - Ausschluss vom Kinderzuschlag bei fehlender Leistungsberechtigung nach dem SGB 2 - Erwerbsunfähigkeit der Eltern - Kinder unter 15 Jahren - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Es ist nicht verfassungswidrig, dass ein nicht erwerbsfähiger Elternteil keinen Anspruch auf Kinderzuschlag hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Kinderzuschlag von Februar 2018 bis Dezember 2020.

2

Die 1992 geborene Klägerin ist Mutter von drei Kindern (geboren 2012, 2013 und 2019), die mit ihr und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt leben. Die Kinder verfügen nicht über Einkommen oder Vermögen. Die Klägerin erhält Kindergeld, Elterngeld und Wohngeld.

3

Die Klägerin und ihr Ehemann beziehen (befristete) Renten wegen voller Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von unter drei Stunden. Zuletzt verlängerte der jeweilige Rentenversicherungsträger die Rentenbewilligung für die Klägerin bis zum [X.] und für ihren Ehemann bis zum 31.3.2023.

4

Die beklagte Familienkasse lehnte einen Antrag auf Weiterbewilligung von Kinderzuschlag für die [X.] ab Februar 2018 mit der Begründung ab, durch den Kinderzuschlag werde keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.]B II vermieden (§ 6a Abs 1 [X.] [X.] in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung, im Folgenden "aF"). Kein Familienmitglied sei leistungsberechtigt nach dem [X.] Beide Elternteile seien nicht erwerbsfähig und keines der Kinder habe das 15. Lebensjahr vollendet (Bescheid vom 31.1.2018; Widerspruchsbescheid vom 2.3.2018).

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 10.12.2020). Streitzeitraum sei Februar 2018 bis zur berufungsgerichtlichen Entscheidung. In diesem [X.]raum habe kein Anspruch auf Kinderzuschlag bestanden. Es fehle an der Anspruchsvoraussetzung, dass mit Hilfe des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit nach dem [X.]B II vermieden werde bzw - seit dem 1.1.2020 - bei Bezug des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.]B II nicht bestehe (§ 6a Abs 1 [X.] [X.] idF des [X.] vom [X.], [X.], im Folgenden "nF"). Weder die Klägerin noch ihr Ehemann oder die Kinder seien leistungsberechtigt nach dem [X.] Im Haushalt lebe keine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person, von der die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungsansprüche ableiten könnten. Dies schließe sowohl nach der alten als auch nach der neuen Fassung von § 6a [X.] Leistungen aus. Dieses Ergebnis sei nicht verfassungswidrig. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art 3 Abs 1 GG liege nicht vor. Das Gesetz unterscheide anhand des Kriteriums der Erwerbsfähigkeit von mindestens einem Haushaltsmitglied. Dies sei konsequent, denn der Kinderzuschlag trete an die Stelle eines Anspruchs auf [X.] bzw Sozialgeld, der ebenfalls die Erwerbsfähigkeit mindestens einer haushaltsangehörigen Person voraussetze. Auf diese Weise solle der Kinderzuschlag einen [X.] durch gezielte Förderung einkommensschwacher Familien schaffen.

6

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision. Sie rügt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen Haushalten, in denen jedenfalls ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter lebe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass sie zB dann leistungsberechtigt wäre, wenn sie eine sog Arbeitsmarktrente beziehe oder eine Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze oder sobald eines der Kinder das 15. Lebensjahr vollende (und der durch den Kinderzuschlag gesetzte "[X.]" nicht dazu führe, dass das Kind aufgrund eigenen Einkommens aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheide). Für die Rechtslage seit dem 1.1.2020 stehe der Wortlaut der Regelung einem Anspruch ohnehin nicht entgegen, denn Hilfebedürftigkeit nach dem [X.]B II bestehe auch dann nicht, wenn schon dem Grunde nach kein [X.]B II-Leistungsanspruch bestehe. Seit der Neuregelung sei jedenfalls eine verfassungskonforme Auslegung möglich. Hierfür spreche auch § 6a Abs 1a [X.] nF.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2020 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 6. Februar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr - der Klägerin - für Februar 2018 bis Dezember 2020 Kinderzuschlag zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass die Klägerin im [X.]raum Februar 2018 bis Dezember 2020 keinen Anspruch auf Kinderzuschlag hat.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 31.1.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zahlung von Kinderzuschlag ab Februar 2018 abgelehnt hat, sowie deren Verurteilung zur Zahlung von Kinderzuschlag ab diesem Monat; im Fall der hier vorliegenden vollständigen Ablehnung einer Leistung begrenzt bis zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (BSG vom 14.3.2012 - [X.] KG 1/11 R - [X.] 4-5870 § 6a [X.] Rd[X.] 13).

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Klägerin verfolgt den von ihr geltend gemachten und von der Beklagten abgelehnten Anspruch auf Kinderzuschlag zu Recht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG).

3. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kinderzuschlag ist § 6a [X.] (hier zunächst in der bis zum [X.] geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der [X.] und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20.12.2016, [X.], sowie mit den zum [X.] und zum 1.1.2020 in [X.] getretenen Änderungen durch das [X.] vom [X.], [X.]). Danach erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, dann einen Kinderzuschlag, wenn ua durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] vermieden wird (§ 6a Abs 1 [X.] [X.] in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung) bzw bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] besteht (§ 6a Abs 1 [X.] [X.] in der ab dem 1.1.2020 geltenden Fassung). Diese Voraussetzung ist sowohl nach der bis zum 31.12.2019 (4.) als auch nach der seit dem 1.1.2020 geltenden Regelung (5.) nicht erfüllt, wenn - wie vorliegend - keiner der Haushaltsangehörigen leistungsberechtigt nach dem [X.] ist. Dieses Ergebnis verletzt kein Verfassungsrecht (6.).

4. Für den [X.]raum bis zum 31.12.2019 hat die Klägerin bereits deshalb keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag, weil durch ihn Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] nicht vermieden wird. Soweit der Anspruch auf Kinderzuschlag dies nach § 6a Abs 1 [X.] [X.] aF voraussetzte, war dies einerseits Ausdruck des wechselseitigen Ausschlusses und des [X.], in dem Leistungen nach dem [X.] und nach § 6a [X.] zueinander standen. Andererseits sind beide Leistungssysteme aufeinander bezogen (BSG vom 25.10.2017 - [X.] [X.]/16 R - [X.], 243 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] 82, Rd[X.] 25; zuletzt [X.] [X.] KG 1/19 R - [X.] 4-5870 § 6a [X.] 8 Rd[X.] 16, jeweils mwN). Dies entspricht der gesetzlichen Zielsetzung des Kinderzuschlags: Eltern sollen nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder [X.] und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen und durch den Kinderzuschlag einen Anreiz zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit erhalten. Dementsprechend ist der Kinderzuschlag nur für Familien vorgesehen, die ohne ihn allein wegen des [X.] für ihre Kinder Anspruch auf [X.] und Sozialgeld hätten (zu allem BT-Drucks 15/1516 [X.] f). Daraus folgt, dass Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] dann nicht vermieden wird, wenn keines der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem [X.] erhalten kann (BSG vom 15.12.2010 - [X.] KG 1/09 R - Rd[X.] 13 zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]; BSG vom 19.6.2012 - [X.] KG 2/11 B - Rd[X.] 7).

Die Klägerin und ihre Familie erfüllen nicht die Voraussetzungen für Leistungen nach dem [X.]. Die Klägerin und ihr Ehemann sind nicht erwerbsfähig, weil sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare [X.] außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] 2 iVm § 8 Abs 1 [X.]). Die Kinder der Klägerin haben schon nicht das erforderliche Mindestalter (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.]), um erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu sein und ihren erwerbsunfähigen Eltern einen Sozialgeldanspruch zu vermitteln (vgl § 19 Abs 1 Satz 2 [X.]).

5. Der (mittelbare) Ausschluss vom Kinderzuschlag bei einer fehlenden [X.]-[X.] für den Fall der Nichtgewährung des Kinderzuschlags gilt auch nach § 6a Abs 1 [X.] [X.] nF, wonach der Anspruch ua voraussetzt, dass "bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 des [X.]" besteht ([X.] in jurisPK-[X.], 5. Aufl 2020, § 6a [X.] Rd[X.] 52; Schnell in [X.], [X.], § 6a [X.] Rd[X.] 55 ff, Stand Dezember 2020; [X.] in Eicher/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2021, § 6a [X.] Rd[X.]8 ff; [X.] in [X.], GK-[X.], § 6a [X.] Rd[X.] 145.2 f, Stand August 2021; [X.], [X.] [X.] 2021, 71, 72; [X.]/Bauer, [X.], § 6a [X.] Rd[X.]6, Stand November 2021; [X.]/[X.], [X.] 2022, 109, 118). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelung und ihrer systematischen Stellung sowie ihrem Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte.

Bereits aus dem Wortlaut von § 6a Abs 1 [X.] [X.] nF folgt, dass ein Anspruch auf Kinderzuschlag dann ausscheidet, wenn kein Mitglied des Haushalts ohne den Kinderzuschlag leistungsberechtigt nach dem [X.] ist. Zwar kommt das Erfordernis einer grundsätzlichen [X.]-[X.] nach der Neufassung der Vorschrift nicht mehr so deutlich zum Ausdruck wie zuvor. Dies ändert aber nichts daran, dass bereits nach dem Wortsinn "bei Bezug des Kinderzuschlags" Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] nur dann nicht "besteht", wenn sie jedenfalls hypothetisch bestehen könnte (Schnell in [X.], [X.], § 6a [X.] Rd[X.] 57, Stand Dezember 2020). In dem geänderten Wortlaut kommt sowohl die - grundsätzliche, wenn jetzt auch eingeschränkte - Alternativität als auch das Aufeinander-bezogen-Sein beider Leistungssysteme hinreichend deutlich zum Ausdruck. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt es insbesondere der Wortlaut nicht zu, bei Bezug des Kinderzuschlags das Nichtbestehen von Hilfebedürftigkeit nach einem dem [X.] strukturell gleichwertigen Existenzsicherungssystem genügen zu lassen, denn die gesetzliche Regelung knüpft an "Hilfebedürftigkeit nach § 9 des [X.]" an.

Systematisch spricht für dieses Verständnis, dass § 6a [X.] nF, wie auch die Vorläuferregelung, durchgehend auf das [X.] Bezug nimmt. So bestimmt § 6a Abs 1 [X.] [X.] nF, dass bei der Frage, ob bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] besteht, Bedarfe nach § 28 [X.] außer Betracht bleiben. Ausgangspunkt für die Berechnung des Kinderzuschlags sind zudem das Vorliegen von Einkommen und Vermögen iS der §§ 11 ff [X.].

Hiergegen spricht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht § 6a Abs 1a [X.] [X.] nF, wonach ein Anspruch auf Kinderzuschlag ausnahmsweise auch für bestimmte Schwellenhaushalte besteht, "wenn kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem [X.] oder nach dem [X.] erhält oder beantragt hat". Hieraus kann nicht abgeleitet werden, eine [X.] nach dem [X.] berechtige ebenso wie nach dem [X.] zum Bezug von Kinderzuschlag. Die Regelung ist zudem insoweit nicht neu, sondern geht zurück auf § 6a Abs 1 [X.] Satz 2 [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 24.9.2008 ([X.] 1854), mit dem der Gesetzgeber - insbesondere zugunsten von [X.] - ein sog "kleines Wahlrecht" bei Ansprüchen auf existenzsicherungsrechtliche Mehrbedarfe eingeführt hat (vgl hierzu BT-Drucks 16/9792 [X.]). Zutreffend hat das [X.] hierzu ausgeführt, die Nennung des [X.] bei dieser zunächst bis zum 31.12.2023 befristeten "erweiterten Zugangsmöglichkeit" (vgl § 20 Abs 2 [X.]) beziehe sich auf Fälle einer sog gemischten Bedarfsgemeinschaft (hierzu zuletzt BSG vom 11.11.2021 - [X.] [X.]/20 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.] 6, vorgesehen auch für [X.]). Dies ändert aber nichts daran, dass auch diese Sonderregelung das Nichtbestehen von Hilfebedürftigkeit "nach dem [X.]" bezweckt (so ausdrücklich BT-Drucks 19/7504 [X.]), so wie sie das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft voraussetzt, die das [X.] nicht kennt.

Dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Kinderzuschlag durch die Neuregelung des § 6a Abs 1 [X.] [X.] nF nicht erweitern wollte auf Personen, die nach dem [X.] nicht leistungsberechtigt wären, folgt zudem aus dem Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte. Die Neuregelung dieser [X.] bezweckte allein die Abschaffung einer "Abbruchkante" (BT-Drucks 19/7504 [X.] f), die Folge der strikten Alternativität zwischen Kinderzuschlag und [X.]-Leistungen war, wie sie in der Voraussetzung der Vermeidung von Hilfebedürftigkeit zum Ausdruck kam. Demgegenüber kann nach der Neuregelung ausnahmsweise [X.] bzw Sozialgeld parallel zum Kinderzuschlag bezogen werden (BT-Drucks 19/7504 [X.] f). Das Kinderzuschlagsrecht bestimmt mit der Einführung eines Bemessungszeitraums für die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens (§ 6a Abs 8 Satz 1 [X.]) die "Hilfebedürftigkeit nach § 9 des [X.]" im Vergleich zur originären Anspruchsprüfung nach dem [X.] nunmehr anhand unterschiedlicher [X.]räume, also "ungleichzeitig" (hierzu BT-Drucks 19/7504 [X.]). Dies ändert aber nichts daran, dass auch § 6a [X.] nF (allein) das [X.] ergänzt, indem der Kinderzuschlag dafür sorgen soll, dass Eltern, die ihren Bedarf durch eigenes Einkommen selbst decken können, nicht nur wegen des Bedarfs ihrer Kinder auf Leistungen nach dem [X.] angewiesen sind (so - nach wie vor - BT-Drucks 19/7504 [X.], 32).

6. Der (mittelbare) Ausschluss vom Kinderzuschlag nach § 6a [X.] für Personen, die nach dem [X.] nicht leistungsberechtigt wären, ist verfassungsgemäß (vgl bereits BSG vom 15.12.2010 - [X.] KG 1/09 R - Rd[X.] 14 zum Ausschluss des Anspruchs im Hinblick auf Asylbewerberleistungsberechtigte; BSG vom 19.6.2012 - [X.] KG 2/11 B - Rd[X.] 7 ff zum Ausschluss des Anspruchs für Pflegekinder; vgl auch Schnell in [X.], [X.], § 6a [X.] Rd[X.] 60, Stand Dezember 2020; [X.] in [X.]/[X.], LPK-[X.], 7. Aufl 2021, [X.] § 12a Rd[X.] 22). Hieran hat sich durch die Neuregelungen des [X.]es vom [X.] ([X.]) nichts geändert, die den Zugang zum Kinderzuschlag erweitert haben, wenn auch nicht für den Personenkreis, dem die Klägerin angehört.

Die von der Klägerin gerügte Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots liegt nicht vor. Art 3 Abs 1 GG bestimmt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für Belastungen und Begünstigungen. Art 3 Abs 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Sie bedarf aber stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (stRspr; vgl zuletzt nur [X.] vom [X.] - 1 BvL 3/18 - Rd[X.] 239 mwN). Die Grenzen für den Gesetzgeber reichen dabei vom bloßen Willkürverbot bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen, wobei eine strenge Bindung des Gesetzgebers insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, die für den Einzelnen nicht verfügbar sind oder die sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern. Umgekehrt erweitern sich die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "[X.]" insbesondere im Bereich der leistenden Massenverwaltung (vgl zu allem ausführlich BSG vom [X.] - [X.] 130, 153 = [X.] 4-2600 § 51 [X.], Rd[X.] 51 mwN aus der Rspr des [X.]).

Mit dem [X.] hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, für erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen oder Partner ein erwerbszentriertes Existenzsicherungssystem einzuführen (vgl hierzu nur BSG vom 23.11.2006 - B 11b A[X.]/06 R - [X.] 97, 265 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], Rd[X.]3; vgl auch BSG vom 27.1.2009 - [X.]/11b [X.] - [X.], 578 juris Rd[X.]8), wobei er bestimmte erwerbsfähige Personen - insbesondere aus aufenthaltsrechtlichen Gründen - wieder von Leistungen ausgenommen hat (vgl im Einzelnen zu den differenzierten Leistungsausschlüssen des [X.] BSG vom 3.12.2015 - [X.] A[X.]/15 R - [X.] 120, 149 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]3, Rd[X.]1 ff; BSG vom 20.1.2016 - [X.] A[X.]5/15 R - Rd[X.] 27). Hiermit verbunden war die gesetzgeberische Entscheidung, zeitgleich mit dem [X.] eine [X.] und Sozialgeld vorgelagerte und auf diese abgestimmte familienpolitische Leistung (hierzu zuletzt [X.] - B 7/14 KG 1/20 R - Rd[X.]9 mwN, vorgesehen für [X.] und [X.]) einzuführen, die zusammen mit dem Kindergeld und dem auf Kinder entfallenden Wohngeldanteil den durchschnittlichen [X.]-Bedarf von Kindern abdeckt. Diese Leistung soll zugleich die [X.] des [X.] verstärken, indem sich die Arbeitsaufnahme oder die Fortführung von Erwerbstätigkeit dann lohnt, wenn Eltern ihren eigenen [X.]-Bedarf, wenn auch nicht den der Familie, erwirtschaften (zu allem BT-Drucks 15/1516 [X.], 48). Ausdruck dieses [X.]s ist die Privilegierung von Erwerbseinkommen gegenüber anderem Einkommen im Hinblick auf die Minderung des Kinderzuschlags (vgl hierzu bereits § 6a Abs 4 Satz 5 [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 2954), die zuletzt weiter ausgebaut worden ist (§ 6a Abs 6 Satz 3 [X.] idF des [X.]es vom [X.], [X.]).

Im vorliegenden Fall, in dem die "Systemabgrenzung" anhand des Kriteriums der Erwerbsfähigkeit erfolgt, was der gesetzlichen Typik entspricht, ist die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber Erwerbsfähigen, die gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] jedenfalls dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, gerechtfertigt. Zwar handelt es sich beim Merkmal der Erwerbsfähigkeit grundsätzlich um ein für den Einzelnen nicht verfügbares Persönlichkeitsmerkmal. Dass die Kinderzuschlagsberechtigung (mittelbar) an dieses Merkmal anknüpft, macht die gesetzliche Regelung aber nicht unverhältnismäßig. Die Anknüpfung ist Ausdruck der gesetzgeberischen Grundentscheidung zur Neuordnung der Existenzsicherungssysteme zum 1.1.2005 mit der Einführung eines erwerbszentrierten Leistungssystems für alle Erwerbsfähigen und ihre Angehörigen sowie der Schaffung einer flankierenden Leistung im Kindergeldrecht. Zur Erreichung des (legitimen) gesetzgeberischen Ziels, durch Schaffung eines [X.]s Hilfebedürftigkeit zu vermeiden, ist sie geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig.

Die von der Klägerin ebenfalls gerügte Ungleichbehandlung von Kindern und Jugendlichen in "[X.]-Haushalten" einer- und in "[X.]-Haushalten" andererseits im Hinblick auf die Sicherstellung ihres existenzsichernden Bedarfs liegt schon deshalb nicht vor, weil § 6a [X.] nur Ansprüche des kindergeldberechtigten Elternteils regelt und der existenzsichernde Bedarf von Kindern und Jugendlichen sowohl nach dem [X.] als auch nach dem [X.] sicherzustellen ist (vgl zur grundsätzlichen Gleichrangigkeit beider Existenzsicherungssysteme zuletzt nur BSG vom 11.11.2021 - [X.] [X.]/20 R - [X.] 4-4200 § 5 [X.] 6 Rd[X.] 17 mwN, vorgesehen auch für [X.]).

Soweit die Klägerin Fallgruppen benennt, in denen eine [X.] nach § 6a [X.] ebenfalls bestehe, ohne dass die gesetzgeberische Zielsetzung, die die Ungleichbehandlung typischerweise rechtfertigt, erreicht werden könne, folgt hieraus nichts anderes. Zwar ist es zutreffend, dass nach allgemeiner Ansicht Personen, die zwar selbst nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte iS von § 7 Abs 1 [X.] sind oder die nach § 7 Abs 1, 4 und 4a [X.] vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind, dennoch kinderzuschlagsberechtigt sein können, wenn sie über eine andere Person einer Bedarfsgemeinschaft iS von § 7 Abs 3 [X.] angehören (so ausdrücklich Familienkasse Direktion, Durchführungsanweisung Kinderzuschlag >[X.]<, Ziffer B.1.2. Abs 4 Satz 1, [X.]0 sowie Ziffer D.2., [X.] ff, Stand 1.1.2020; ebenso zB [X.] NRW vom 23.8.2018 - L 7 BK 1/17 - juris Rd[X.]0; [X.] in jurisPK-[X.], 5. Aufl 2020, § 6a [X.] Rd[X.] 54; Schnell in [X.], [X.], § 6a [X.] Rd[X.] 58, Stand Dezember 2020; [X.] in Eicher/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2021, § 6a [X.] Rd[X.] 50). Dies soll nach Ansicht der Beklagten auch für Bezieher einer vorgezogenen Altersrente (Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 Var 2 [X.]) gelten, die nicht mit einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person zusammenleben, weil diese gleichwohl eine Bedarfsgemeinschaft gründen könnten (Ziffer D.2. Abs 2, [X.] f [X.], Stand 1.1.2020; so auch [X.] in jurisPK-[X.], 5. Aufl 2020, § 6a [X.] Rd[X.] 55; vgl aber [X.] in Eicher/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2021, § 7 Rd[X.] 93; [X.] in KKW, 7. Aufl 2021, § 7 [X.] Rd[X.] 29; [X.] in jurisPK-[X.], 5. Aufl 2020, § 7 Rd[X.] 198). Für den vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass es für den Anspruch der Klägerin auf Kinderzuschlag trotz fortbestehender Erwerbsunfähigkeit ausreichen würde, wenn ihr Ehepartner erwerbsfähig wäre oder ein Kind das 15. Lebensjahr vollendet.

In den von der Klägerin geschilderten Ausnahmefällen kann - jedenfalls im Hinblick auf den Kinderzuschlagsberechtigten - das gesetzgeberische Ziel, einen [X.] zu schaffen, nicht erreicht werden. Erkennbar ging der Gesetzgeber bei Einführung des Kinderzuschlags von dem "Normalfall" aus, dass Eltern, die für ihre dem Haushalt angehörenden Kinder Kindergeld beziehen, erwerbsfähig sind. Soweit - über dieses gesetzliche Leitbild hinaus - weitere Personengruppen profitieren, ist dies als zulässige Form einer bevorzugenden Typisierung hinzunehmen (vgl hierzu nur [X.] vom 24.7.1963 - 1 BvL 30/57, 11/61 - [X.]E 17, 1 - juris Rd[X.] 60; [X.] vom 12.2.1964 - 1 BvL 12/62 - [X.]E 17, 210 - juris Rd[X.]4). Sie ist letztlich "der Preis" dafür, den Kinderzuschlag als eine auf das [X.] abgestimmte Leistung einzuführen, was die dem [X.] eigentümliche Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft einschließt. Ohnehin ist es für die Verhältnismäßigkeit einer gesetzlichen Regelung unerheblich, ob der Gesetzgeber die denkbar "beste Lösung" gewählt hat. Auch in den von der Klägerin benannten Fallgruppen kann der Kinderzuschlag zudem seine Funktion, ein gegenüber dem [X.] vorgelagertes Leistungssystem zu sein, erfüllen, weil ein [X.]-Leistungsbezug mit seiner Hilfe verhindert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

[X.]                Siefert                 [X.]

Meta

B 7/14 KG 1/21 R

13.07.2022

Bundessozialgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend SG Duisburg, 6. Februar 2019, Az: S 42 BK 8/18, Gerichtsbescheid

§ 6a Abs 1 Nr 4 BKGG 1996 vom 24.03.2011, § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG 1996 vom 29.04.2019, § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG 1996 vom 29.04.2019, § 6a Abs 1a BKGG 1996, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2, § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 2, § 8 Abs 1 SGB 2, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.07.2022, Az. B 7/14 KG 1/21 R (REWIS RS 2022, 5487)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5487

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