Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2010, Az. B 14 KG 1/09 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 384

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Kinderzuschlag - Mindesteinkommensgrenze - Ausschluss - Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG - Verfassungsmäßigkeit


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 2. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Kinderzuschlags nach § 6a Bundeskindergeldgesetz ([[X.]]) für Juli 2007.

2

Der 1978 geborene Kläger besaß die Staatsangehörigkeit [[X.]]. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern (geboren 1998, 2000, 2002, 2005), für die er Kindergeld erhält. Im streitigen Zeitraum - wie auch zuvor - hielten er und seine Familie sich auf Grundlage einer Duldung nach § 60a [[X.]] ([X.]) in [[X.]] auf. Seit dem 11.9.2008 haben er und seine Familie eine Aufenthaltserlaubnis. Er ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt und erzielte im Juli 2007 ein Bruttoeinkommen von 1712,18 Euro, auf das Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 340,95 Euro zu entrichten waren. Er war Eigentümer eines Kfz, für das er eine Kfz-Versicherung in Höhe von 23,75 Euro monatlich zahlte. Für die Fahrten zur Arbeitsstätte (35 km einfacher Weg) wechselte er sich bei der Nutzung des Fahrzeugs wochenweise in Fahrgemeinschaft mit seinem Bruder ab.

3

Bis zum Juni 2007 hat der Kläger regelmäßig von der Beklagten einen Kinderzuschlag nach § 6a [[X.]] erhalten bzw nur deshalb nicht erhalten, weil sein Einkommen die Mindesteinkommensgrenze nicht erreichte.

4

Auf seinen Folgeantrag hin lehnte die Beklagte die Gewährung eines Kinderzuschlags für Juli 2007 mit der Begründung ab, das bereinigte Erwerbseinkommen erreiche die Mindesteinkommensgrenze von 978,35 Euro nicht (Bescheid vom 20.7.2007; Widerspruchsbescheid vom 26.2.2008).

5

Die Klage zum Sozialgericht ([[X.]]) Münster und die Berufung zum [[X.]] ([[X.]]) [[X.]] hiergegen blieben ohne Erfolg. Das [[X.]] hat - wie bereits das [[X.]] - zur Begründung ausgeführt, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 6a [[X.]] nicht, auch wenn er im streitigen Zeitraum Anspruch auf Kindergeld als Erwerbstätiger nach dem [X.] Abschnitt Einkommensteuergesetz (EStG) gehabt habe, weil er nicht zu den grundsätzlich Leistungsberechtigten nach dem [X.] ([[X.]]B II) zähle. Er habe sich im Juli 2007 aufgrund einer Duldung nach § 60a [X.] in der Bundesrepublik [[X.]] aufgehalten und damit zu den Berechtigten des § 1 Abs 1 [X.] (AsylbLG) gehört. Damit habe er nach § 7 Abs 1 Satz 2 [[X.]]B II Leistungen nach dem [[X.]]B II nicht beanspruchen können und § 6a [[X.]] finde keine Anwendung. Ohnehin werde die Mindesteinkommensgrenze vom Kläger nicht erreicht, denn ua die Fahrkosten seien nach der § 3 Abs 1 [X.] b Arbeitslosengeld II/[X.] zu bestimmen und abzusetzen. Es seien nicht nur die Kosten anzusetzen, die in den Wochen entstünden, in denen die Fahrgemeinschaft das Kfz des [X.] genutzt habe.

6

Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Revision und macht geltend, unerheblich für die Gewährung eines [X.] sei, dass er nach § 7 Abs 1 Satz 2 [[X.]]B II von Leistungen des [[X.]]B II dem Grunde nach ausgeschlossen sei. Entscheidend für die Auslegung von § 6a [[X.]] müsse sein, dass sein Einkommen die Mindesteinkommensgrenze erreiche, aber zur Deckung der Bedarfe der gesamten Familie nicht ausreiche. Eine andere Auslegung führe zu verfassungswidrigen Ergebnissen, denn der Gesetzgeber habe mit der Einführung des [X.] die Armut von Kindern bekämpfen und einen Arbeitsanreiz im Niedriglohnbereich erreichen wollen. Der Kinderzuschlag habe damit den Charakter einer allgemeinen Sozialleistung. Eine Differenzierung nach Inländern und Ausländern habe der Gesetzgeber nicht vornehmen wollen. Eine Ungleichbehandlung verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz, denn eine Differenzierung danach, ob die Eltern eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis haben, finde keine sachliche Rechtfertigung. Sie würde solche Ausländer benachteiligen, die legal in [[X.]] leben und bereits in den [X.] Arbeitsmarkt integriert sind. Die Mindesteinkommensgrenze erreiche der Kläger. Wegen der Fahrkosten seien nämlich nur diejenigen Kosten abzusetzen, die für Fahrten mit dem eigenen Kfz anfielen. In den anderen Wochen habe der Kläger entsprechende Kosten nicht, sodass weitergehende Absetzungen nicht vorzunehmen seien.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [[X.]]s [[X.]] vom 2. Februar 2009 und das Urteil des [X.] vom 16. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für Juli 2007 einen Kinderzuschlag zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen in allen Punkten für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass dem Kläger ein Zuschlag nach § 6a [X.] nicht zusteht.

Kinderzuschlag erhalten nach § 6a [X.] 1 [X.] in der insoweit hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.] ([X.], 558), die bis zum [X.] gegolten hat (aF), Personen für in ihrem Haushalt lebende Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wenn 1. sie für diese Kinder nach dem [X.] oder dem X. [X.]chnitt des EStG Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 [X.] haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11, 12 [X.] mindestens in Höhe des nach [X.] 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrags und höchstens in Höhe der Summe aus diesem Betrag und dem Gesamtkinderzuschlag nach [X.] 2 verfügen und 3. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] vermieden wird.

Der Kläger hat einen Anspruch auf einen Kinderzuschlag nicht, weil durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 [X.] nicht vermieden wird. Der Kläger und seine Familie sind nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] vom Bezug nach dem [X.] ausgeschlossen, weil die beiden erwerbsfähigen hilfebedürftigen Mitglieder der Familie Berechtige nach § 1 [X.] 1 [X.] [X.] sind. Damit können weder sie noch ihre nicht erwerbsfähigen Kinder Leistungsberechtigte nach dem [X.] sein (vgl § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.], [X.] 558).

Entgegen der Auffassung des [X.] ist anspruchsberechtigt nicht schon derjenige, der ein Einkommen erzielt, das nach Berücksichtigung entsprechend den Regelungen in §§ 9 ff [X.] zwar zur Deckung des eigenen Bedarfs nach § 19 Satz 1 [X.] [X.] einschließlich der Kosten der Unterkunft iS des § 6a [X.] 4 Satz 2 [X.] ausreicht, nicht aber zur Deckung der Bedarfe der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder (zur Berechnung im Einzelnen vgl [X.]-5870 § 6a [X.]). Der Sinn und Zweck der Vorschrift liegt vielmehr darin, dass Eltern nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder auf [X.] und Sozialgeld angewiesen sein sollen (vgl BT-Drucks 15/1516 [X.]). Es soll Hilfebedürftigkeit als Anspruchsvoraussetzung nach dem [X.] und mithin der Bezug von Leistungen nach dem [X.] vermieden werden. Soweit wegen der Ausschlussregelung in § 7 [X.] 1 Satz 2 [X.] keines der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem [X.] erhalten kann, scheidet damit auch ein Anspruch nach § 6a [X.] aus.

Dieser (mittelbare) Ausschluss vom Kinderzuschlag nach § 6a [X.] für Berechtigte nach dem [X.] ist ebenso wie der Ausschluss des betroffenen Personenkreises unmittelbar von Leistungen nach dem [X.] verfassungsgemäß. Es lassen sich die Überlegungen übertragen, die den Entscheidungen des [X.] ([X.], 60 = [X.]-4200 § 7 [X.]0, jeweils Rd[X.]9 ff) und vom [X.] ([X.]-4200 § 7 [X.]4 Rd[X.]8) sowie des 4. Senats des [X.] (vom 16.12.2008 - [X.] AS 40/07 R - Rd[X.]6) zugrunde liegen. Die Intention des [X.] einerseits, die Eingliederung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in den Arbeitsmarkt, und der Zweck des [X.] andererseits, keine leistungsrechtlichen Anreize zur Einreise und zum Verbleib von Ausländern zu bieten, rechtfertigt die Differenzierung der [X.] im [X.] danach, ob ein Ausländer dem [X.] unterfällt. Es ergibt sich kein Unterschied daraus, dass der Personenkreis, der die Mindesteinkommensgrenze des § 6a [X.] erreicht, regelmäßig tatsächlich in den Arbeitsmarkt integriert sein wird. Wegen der Deckung der Bedarfe zum Lebensunterhalt wird in diesen Fällen regelmäßig § 2 [X.] 1 [X.] zur Anwendung kommen und also das [X.] ([X.]) entsprechend anzuwenden sein. In ihrer materiellen [X.]icherung ist dieser Personenkreis durch die entsprechende Anwendung des [X.] damit nicht schlechter gestellt als nach dem [X.] leistungsberechtigte erwerbsfähige Hilfebedürftige. Von den Leistungen der Arbeitsförderung ist der Kläger schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil er als Beschäftigter iS des § [X.] ([X.]I) Zugang zu den Leistungen des [X.]I hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Meta

B 14 KG 1/09 R

15.12.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: KG

vorgehend SG Münster, 16. Juli 2008, Az: S 3 KG 10/08, Urteil

§ 6a Abs 1 BKGG 1996 vom 24.03.2006, § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 24.03.2006, § 9 SGB 2, § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG, GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2010, Az. B 14 KG 1/09 R (REWIS RS 2010, 384)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 384

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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