Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 12 KR 17/10 R

12. Senat | REWIS RS 2012, 5201

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung der Landwirte - Nebeneinander der Versicherungs- und Beitragspflicht als Bezieher von Arbeitslosengeld II und als landwirtschaftlicher Unternehmer - keine einschränkende verfassungskonforme Auslegung des Beitragsrechts


Leitsatz

Das in der Krankenversicherung der Landwirte seit 1.4.2007 mögliche Nebeneinander der Versicherungs- und Beitragspflicht als Bezieher von Arbeitslosengeld II zum einen und als landwirtschaftlicher Unternehmer zum anderen gebietet keine einschränkende verfassungskonforme Auslegung des Beitragsrechts.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des [X.] vom 25. März 2010 und das Urteil des [X.] vom 26. November 2008 aufgehoben, soweit es die Beiträge zur Krankenversicherung anbelangt.

Die Klage wird insoweit abgewiesen und die Revision im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/10 der außergerichtlichen Kosten des [X.] in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger für die Dauer des Bezuges von Leistungen nach dem [X.] auch als Landwirt der Beitragspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte ([X.]) unterlag.

2

Der Kläger betreibt seit [X.] ein landwirtschaftliches Unternehmen und war deshalb bei der beklagten [X.] ([X.]) versichert. Seit 18.1.2005 bezog er für sich und seine vierköpfige Familie - bis 31.10.2009 - [X.] ([X.]) sowie Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (zB im Jahr 2007 insgesamt 911,16 Euro monatlich). Mit Beginn des [X.]-Bezuges wurde er von der Beklagten als allein deswegen versicherungspflichtig behandelt; der Grundsicherungsträger führte insoweit - wie auch in der Folgezeit - Beiträge zur Beklagten ab.

3

Nach Inkrafttreten des [X.] ([X.] vom [X.], [X.]) entschied die Beklagte, dass der Kläger aufgrund eingetretener Rechtsänderungen nun neben der aus dem [X.]-Bezug folgenden Versicherungspflicht rückwirkend ab [X.] zusätzlich auch als landwirtschaftlicher Unternehmer in der [X.] (und in der Pflegeversicherung) versicherungs- und beitragspflichtig sei; insoweit müsse er nun 282 Euro monatlich Krankenversicherungsbeiträge und 31,36 [X.] zahlen (Bescheid vom 12.4.2007; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Das [X.] hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben, weil der Kläger zwar auch als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherungspflichtig in der [X.] sei, jedoch Beiträge dafür nicht entrichten müsse, weil seine Versicherungspflicht als [X.]-Bezieher - wie schon vor dem [X.] - vorrangig sei (Urteil vom 26.11.2008).

5

Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass während des [X.]-Bezuges keine Beitragspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer bestanden habe. Zwar habe ab [X.] Versicherungspflicht sowohl wegen des [X.]-Bezuges (§ 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 nF iVm § 5 Abs 1 [X.] [X.]B V) als auch als Landwirt (§ 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989) bestanden; § 3 Abs 2 [X.] [X.] 1989 durchbreche den an sich bestehenden Nachrang der [X.] für [X.]-Bezieher ua, wenn sie bei Arbeitslosmeldung einer [X.] angehörten. Die Versicherungspflicht als Landwirt habe aber keine Beitragspflicht ausgelöst; denn nach § 20 [X.] 1989 nF seien auch für versicherungspflichtige [X.]-Bezieher grundsätzlich die [X.]B V-Vorschriften über Versicherung, Mitgliedschaft, Meldungen und Beiträge entsprechend anzuwenden. Daraus folge bei einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung, dass [X.]-Bezieher mit landwirtschaftlichem Betrieb nur nach den beitragsrechtlichen Vorschriften des [X.]B V behandelt werden dürften und für eine daneben bestehende Beitragspflicht nach dem [X.] 1989 als Landwirt kein Raum sei. Die [X.]-Leistungen müssten dem Kläger zur Gewährleistung seines verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimums verbleiben; die Annahme einer doppelten Beitragspflicht (mit der Folge, dass er die Hälfte seiner Einkünfte für Beiträge aufwenden müsste) sei nicht gewollt, zumal das [X.] keinen Mehrbedarfstatbestand für diese Beitragsbelastung enthalte. Nach dem [X.]B V seien Beiträge für die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer - entsprechend der schon vor dem [X.] bestehenden Rechtslage - nicht zu zahlen (Urteil vom 25.3.2010).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte - die ihre Revision in der mündlichen Verhandlung auf die Beiträge zur Krankenversicherung beschränkt hat - sinngemäß die Verletzung von § 2 Abs 1 [X.] und § 3 Abs 2 [X.] [X.] 1989 in der ab [X.] geltenden Fassung. Das [X.] begründe für den Personenkreis, zu dem der Kläger gehöre, eine Mehrfachversicherung in der [X.] mit gleichzeitiger doppelter Beitragspflicht. Dies folge aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Zweck sowie Gesetzessystematik der Reglungen. Eine Konkurrenzregelung - wie § 3 Abs 1 [X.] [X.] 1989 - existiere nicht. Die Mehrfachversicherung sei aus Gründen der Gleichbehandlung der Mitglieder der [X.] mit den Mitgliedern der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) eingeführt worden, weil zuvor eine klare Vorschrift über die Versicherungspflicht von [X.]- und [X.]I-Leistungsempfängern in der [X.] gefehlt habe. Auch das [X.] und Verbraucherschutz teile die Ansicht des Nebeneinanders der Beitragspflicht. Jeder [X.] löse eine eigene Beitragspflicht aus. Die Beitragspflicht als [X.]-Bezieher führe für die betroffenen Landwirte nicht zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung, weil der Krankenversicherungsbeitrag der [X.]-Bezieher - ebenso wie in der allgemeinen Krankenversicherung - im Rahmen der Grundsicherung übernommen werde und der Betroffene Pflichtbeiträge zur [X.] gemäß § 11 Abs 2 S 1 Nr 2 [X.] vom Einkommen absetzen könne; der Kläger müsse daher im Ergebnis nur den sich aus seiner Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 ergebenden Beitrag zahlen. Darüber hinaus erlangten landwirtschaftliche Unternehmer durch ihre Beitragspflicht Vorteile in Gestalt eines speziellen, insbesondere Betriebshilfe umfassenden Versicherungsschutzes.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 25. März 2010 sowie des [X.] vom 26. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit es die Beiträge zur Krankenversicherung anbelangt.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, festzustellen, dass in der [X.] vom 1. April 2007 bis 31. Oktober 2009 keine Beitragspflicht bei der Beklagten als landwirtschaftlicher Unternehmer bestand.

9

Er hält das L[X.]-Urteil für zutreffend. Aus dem [X.] 1989 in der ab [X.] geltenden Fassung lasse sich eine Mehrfachversicherung für [X.]-Leistungen beziehende Landwirte mit doppelter Beitragspflicht nicht herleiten. Eine zusätzliche Beitragspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer würde bei [X.]-Empfängern zu einem verfassungswidrigen Unterschreiten des Existenzminimums führen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

Die angefochtenen vorinstanzlichen Urteile sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen, weil die Bescheide der beklagten [X.] nicht zu beanstanden sind, soweit es die im Revisionsverfahren nach entsprechender Antragsbeschränkung in der mündlichen Verhandlung nur noch streitigen Beiträge zur Krankenversicherung anbelangt. Der Kläger unterlag für die Dauer seines [X.]-Bezuges vom [X.] bis 31.10.2009 sowohl aus diesem Grunde wie auch als landwirtschaftlicher Unternehmer der Beitragspflicht in der [X.].

1. In der [X.] vom [X.] bis 31.10.2009 erfüllte der Kläger zwei Tatbestände der Versicherungspflicht in der [X.].

a) Die Versicherungspflicht des [X.] - eines Landwirts - unterliegt nach § 5 Abs 1 [X.] der näheren Bestimmung des [X.] über die [X.] ([X.] 1989). Nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 idF des am [X.] in [X.] getretenen Gesetzes zur Stärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.] vom [X.], [X.]) sind ua Unternehmer der Landwirtschaft in der [X.] versicherungspflichtig, deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße iS des § 1 Abs 5 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte erreicht. Wie zwischen den Beteiligten außer Streit ist, erreicht das Unternehmen des [X.] - der auch nach wie vor als Landwirt selbstständig erwerbstätig ist - diese Mindestgröße.

b) Darüber hinaus erfüllte der Kläger ab [X.] den zu diesem [X.]punkt in der [X.] neu eingeführten Tatbestand der Versicherungspflicht als Bezieher von [X.]-Leistungen nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 idF des [X.]. Danach sind ua Personen in der [X.] versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 [X.] (hier anzuwenden idF des [X.], [X.] 2954) erfüllen. Diese Versicherungspflicht besteht wiederum bei Personen in [X.]en, für die sie [X.] nach dem [X.] beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 [X.] bezogen werden. Nach den Feststellungen des [X.] in Verbindung mit dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten im Revisionsverfahren lagen die beschriebenen Voraussetzungen bei dem Kläger in der [X.] vom [X.] bis 31.10.2009 vor.

c) Der Versicherungspflicht des [X.] wegen des Bezuges von [X.] in der [X.] stand der [X.] des Bezuges von [X.] in der allgemeinen [X.] nicht entgegen, weil dieser seit [X.] durch die Versicherungspflicht in der [X.] verdrängt wird.

Zwar bestimmt § 3 Abs 1 [X.] [X.] 1989, dass nach dem [X.] 1989 nicht versichert ist, wer "nach anderen gesetzlichen Vorschriften versicherungspflichtig ist". Der darin ausgesprochene Grundsatz des Nachrangs der [X.] gegenüber anderen Versicherungspflichttatbeständen außerhalb dieses Gesetzes wird allerdings durch § 3 Abs 2 [X.] 1989 in bestimmten, dort näher geregelten Fällen - so auch bei dem Kläger - durchbrochen. Der "Vorrang der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz" (dh nach dem [X.] 1989) besteht danach nämlich seit [X.] - infolge der Änderungen durch das [X.] (aaO) - gemäß § 3 Abs 2 [X.] [X.] nF ua für die in § 5 Abs 1 [X.] genannten Personen, "wenn sie im [X.]punkt der Arbeitslosmeldung oder vor dem Beginn des Bezugs von Unterhaltsgeld einer [X.] angehören oder angehört haben". Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger erfüllt. Er gehörte ab [X.] als landwirtschaftlicher Unternehmer der beklagten [X.] an und war mit Blick auf § 19 Abs 2 S 1 [X.] 1989 aF (in der bis [X.] geltenden Fassung) - von den Beteiligten unbeanstandet - deren Mitglied auch bei "Arbeitslosmeldung"; dieses Merkmal muss für die Versicherungspflicht aufgrund des Bezuges von [X.], für den anders als nach § 118 Abs 1 [X.] 2 [X.]I für den Bezug von [X.] keine Arbeitslosmeldung, sondern ein Antrag (§ 37 Abs 1 S 1 [X.]) notwendig ist, so verstanden werden, dass der [X.]punkt der Antragstellung maßgeblich ist. Auch in der Folgezeit - dh im Zusammenhang mit neuen Bewilligungsabschnitten - gehörte der Kläger durchgehend der Beklagten an.

2. Beide Versicherungspflichttatbestände bestehen nebeneinander, weshalb eine zweifache Versicherungspflicht des [X.] vorliegt. Eine Konkurrenzregelung, wonach einem der beiden unter 1. erörterten Versicherungspflichttatbestände der Vorrang gegenüber dem anderen zukommt, existiert nicht.

a) Die zweifache Versicherungspflicht in der [X.] als landwirtschaftlicher Unternehmer einerseits und wegen des Bezuges von [X.] andererseits ist Folge der Aufnahme der Versicherungspflicht für [X.] beziehende Landwirte als neue [X.] in § 2 Abs 1 [X.] 1989 zum [X.] durch das [X.]. Nach der bis [X.] geltenden Rechtslage trat die Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 in der [X.] aufgrund von § 3 Abs 1 [X.] [X.] 1989 hinter eine Versicherungspflicht nach einer "anderen gesetzlichen Vorschrift" - nämlich derjenigen wegen [X.]-Bezuges in der unmittelbar geltenden allgemeinen krankenversicherungsrechtlichen Regelung des § 5 Abs 1 [X.] - zurück (vgl [X.] in [X.], Handbuch zum Sozialrecht, Gruppe 3a, [X.], Stand der Einzelkommentierung 2/2010). Dass - ohne aktuelle Versicherungspflicht in der [X.] - auch während des [X.]-Bezuges die Mitgliedschaft bei der [X.] nach § 19 Abs 2 [X.] 1989 in der bis zum [X.] geltenden Fassung fortbestand, wenn eine Mitgliedschaft dort schon zuvor bestanden hatte, war für das Entfallen der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer ohne Belang.

Dass die eine Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer in der [X.] verdrängende Wirkung der Versicherungspflicht als [X.]-Bezieher mit Aufnahme der [X.] beziehenden Landwirte in die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 zum [X.] entfiel, beruht nicht etwa auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers, sondern ist dessen bewusste Entscheidung. Dies belegen die Gesetzesmaterialien. So sollten mit den Neuregelungen die schon in der allgemeinen Krankenversicherung getroffenen Maßnahmen "grundsätzlich wirkungsgleich" auf die [X.] übertragen werden (Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum [X.], BT-Drucks 16/3100 [X.] zu Art 15). Speziell mit der Erfassung der [X.]-Leistungsempfänger in der [X.] mittels der Neuregelung in § 2 Abs 1 [X.] wurde nach den Vorstellungen des Gesetzgebers "auch bewirkt, dass eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 [X.] (neu) neben einem anderen [X.] - zB als Landwirt nach Nummer 1 - entstehen kann", was den geltenden Regelungen zur Versicherungspflicht im [X.] entspreche (so ausdrücklich Gesetzentwurf, aaO, [X.] zu Art 15 [X.] a). § 3 [X.] 1989 wurde in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Personengruppe des § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 dahin verstanden, dass er für die betroffenen Personen "die notwendigen Konkurrenzregelungen zur Versicherungspflicht nach dem [X.]" enthalte (Gesetzentwurf, aaO, [X.] zu Art 15 [X.] 3). Die gleiche Auffassung einer "doppelten Versicherungspflicht" hat zB auch das zuständige Fachministerium in einer von der Beklagten zum Verfahren eingereichten schriftlichen Stellungnahme vertreten (Schreiben des [X.] vom 18.7.2007, ergangen auf Anfrage der [X.] [X.]; [X.] in [X.], aaO, Gruppe 3a Rd[X.] 344/1 sowie Rd[X.]30/4).

b) Der Umstand, dass konkurrierende Versicherungspflichttatbestände zu einer mehrfach begründeten Versicherungspflicht führen können, widerspricht auch nicht etwa allgemeinen Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts. Auch in der allgemeinen Krankenversicherung kann - außerhalb der getroffenen Regelungen über die Rangfolge verschiedener gesetzlicher Versicherungspflichttatbestände (zB in § 5 Abs 6 bis 8a [X.]) - durchaus die Situation eintreten, dass mehrfach Versicherungspflicht nebeneinander besteht, mit der Folge, dass dann unterschiedliche Regelungen für Beginn und Ende der Mitgliedschaft, beitragspflichtige Einnahmen sowie Beitragstragung und Beitragszahlung gelten (so zB [X.] in [X.], [X.], § 5 Rd[X.]96, 199, Stand Einzelkommentierung April 2008; [X.] in JurisPK-[X.], 2. Aufl 2012, § 5 Rd[X.]03 [X.]; zu einem Fall der Mehrfachversicherung vgl zB auch [X.]-2600 § 2 [X.]3 Rd[X.]9 mwN).

3. Abweichend von der Ansicht des [X.] hat die zweifache Versicherungspflicht auch eine zweifache Beitragspflicht zur Folge (dazu im Folgenden a). Gegenteiliges kann hier insbesondere nicht mit der Vorinstanz aus § 20 [X.] 1989 hergeleitet werden (dazu b). Auch verfassungsrechtliche Erwägungen gebieten eine solche Auslegung nicht (dazu c).

a) Schon nach der allgemeinen Systematik der Finanzierungsvorschriften im Achten Kapitel des [X.] (dazu allgemein zB [X.] in [X.], aaO, § 226 Rd[X.] 2, Stand Einzelkommentierung April 2010) hat ein bestimmter [X.] (§ 5 [X.]) auch jeweils - nach näherer gesetzlicher Regelung der §§ 226 ff [X.] - die Beitragspflicht von darauf bezogenen Einnahmen zur Folge (vgl zB für Beschäftigte: Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 [X.] [X.], beitragspflichtige Einnahmen nach § 226 [X.]). Auf diese Systematik verweist § 20 [X.] 1989 idF des [X.] (aaO), indem er für Versicherungspflichtige nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 - also [X.]-Bezieher wie den Kläger - bestimmt, dass die Vorschriften des [X.] über die Versicherung, die Mitgliedschaft, die Meldungen und die Beiträge mit Ausnahme des § 173 [X.] entsprechend anzuwenden sind. Demzufolge sind - bezogen auf den vorliegenden Rechtsstreit - die in der [X.] beitragspflichtigen Einnahmen der [X.]-Bezieher in § 232a Abs 1 S 1 [X.] 2 [X.] iVm § 20 [X.] 1989 geregelt; die Beitragsberechnung der nach § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1989 versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer hat demgegenüber in §§ 39 f [X.] 1989 eine gesonderte Regelung erfahren.

b) Aus § 20 [X.] 1989 idF des [X.] lässt sich dagegen nicht mit dem [X.] herleiten, dass die zweifache Versicherungspflicht des [X.] in der [X.] eine Beitragspflicht nur wegen [X.]-Bezuges nach dem [X.] und daher nicht auch als landwirtschaftlicher Unternehmer auslöse. Vielmehr ist - sofern nicht bereichsspezifische Sonderregelungen geschaffen wurden - grundsätzlich davon auszugehen, dass eine zweifach begründete Versicherungspflicht beitragsrechtlich gleichermaßen zu zweifachen - im Einzelnen nicht notwendig gleichen Regelungen unterliegenden - Beitragspflichten führt. Zu Recht hat das [X.] insoweit im Rahmen seiner Erörterungen darauf verwiesen, dass es dem Beitragsrecht der [X.] entspricht, verschiedene Einkommensquellen jeweils für sich genommen als beitragspflichtig anzusehen.

Dem Ergebnis der Auslegung des § 20 [X.] 1989 durch das [X.] steht schon entgegen, dass mit der durch das [X.] geschaffenen Regelung gar keine grundsätzlich neue Rechtslage geschaffen werden sollte, welche die Frage der Beitragspflicht bei zweifach bestehender Versicherungspflicht regelte. Nach der Gesetzesbegründung entspricht die Vorschrift vielmehr "inhaltlich weitgehend dem bisherigen § 19 Abs 2 Satz 2" (so Begründung zum [X.], aaO, BT-Drucks 16/3100 [X.] zu [X.]1); auch dieser bestimmte aber bereits, dass für die Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs 1 [X.] die Vorschriften des [X.] über die Versicherung, die Mitgliedschaft, die Meldungen und die Aufbringung der Mittel mit Ausnahme des § 173 galten. Die darin zum Ausdruck kommende - gewollte - Kontinuität in der Abwicklung der Versicherung der [X.]-Leistungsempfänger nach bestimmten Regelungen des [X.] deutet nicht darauf hin, dass es bei einem Ausschluss der Beitragspflicht für [X.] beziehende Landwirte verbleiben sollte; diese Frage stellte sich nämlich nach dem bis [X.] geltenden Recht gar nicht, weil - wie oben beschrieben - schon die Versicherungspflicht dieses Personenkreises nach dem [X.] 1989 fehlte und sie nur nach dem [X.] bestand. Mit der Verweisung kann daher nur im Wege einer Rechtsfolgenverweisung gemeint sein, dass sich die Abwicklung der nunmehr aufgrund von Versicherungspflicht in der [X.] erfolgenden Versicherung der [X.]-Leistungsbezieher weiterhin inhaltlich an den Regelungen des [X.] ausrichtet.

c) Für die Auslegung des [X.], dass § 20 [X.] 1989 den Kläger als Versicherten beitragsrechtlich insgesamt erfasse, dh auch hinsichtlich der Beitragspflicht und -bemessung als landwirtschaftlicher Unternehmer, und es daher wegen der Geltung der Vorschriften des [X.] über die Beiträge nicht zu gesonderten Beitragspflichten wegen der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer kommen könne, lassen sich schließlich auch verfassungsrechtliche Gründe nicht mit Erfolg anführen.

Das [X.] hat insoweit darauf abgestellt, dass die Auslegung der versicherungs- und beitragsrechtlichen Vorschriften des [X.] 1989 berücksichtigen müsse, dass dem Kläger und seiner Familie als Bezieher von [X.]-Leistungen vor dem Hintergrund des Urteils des [X.] vom [X.] (1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09 - [X.]E 125, 175 = [X.]-4200 § 20 [X.]2) das grundgesetzlich garantierte Existenzminimum verbleiben müsse; dieses sei aber nicht gewährleistet, wenn er gehalten wäre, aus den Grundsicherungsleistungen als Landwirt Beiträge zur [X.] (und Pflegeversicherung) zu entrichten, obwohl das [X.] insoweit keinen Mehrbedarfstatbestand vorsehe, der die Beitragsbelastung in der [X.] berücksichtige.

Einer solchen verfassungskonformen Auslegung des § 20 [X.] 1989 mit der Folge, dass der Kläger als [X.]-Leistungsbezieher trotz angeordneter Versicherungspflicht - wie noch nach der Rechtslage vor dem [X.] - keine Beiträge für seine fortbestehende Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer zu zahlen hätte, bedarf es nicht.

Insoweit ist - abgesehen von dem Umstand, dass die Pflichtbeiträge eines [X.] begehrenden selbstständigen Landwirts zur [X.] gemäß § 11 Abs 2 S 1 [X.] 2 [X.] einkommensmindernd in Abzug zu bringen sind - zu berücksichtigen, dass Bedarfslagen, die sich durch das Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung ergeben, nicht gebieten, dieses spezifische Recht nunmehr einschränkend im Lichte des [X.] auszulegen. So verkennt das [X.], dass eine gesetzlich begründete Versicherungs- und Beitragspflicht nicht etwa deshalb entfällt, weil der Beitragsschuldner zahlungsunfähig ist oder sich (aktuell) nicht oder nur unter Gefährdung seines Existenzminimums in der Lage sieht, seinen beitragsrechtlichen Pflichten nachzukommen. Sofern im Zusammenhang mit beitragsrechtlichen Regelungen im Übrigen Defizitlagen auftreten sollten, wären in erster Linie die Grundsicherungsträger berufen, diese auch unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts in den Blick zu nehmen und ggf das Leistungsrecht des [X.] verfassungskonform auszulegen. So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zB auch das Leistungsrecht der [X.] trotz Geltendmachung der Gefährdung des Existenzminimums nicht zu Gunsten von [X.]-Leistungsempfängern erweiternd ausgelegt, sondern statt dessen auf die in Betracht kommende Zuständigkeit der Grundsicherungsträger verwiesen (vgl zB [X.], 221 = [X.]-2500 § 62 [X.], Rd[X.] 29 f ; [X.] vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - [X.], 218 = [X.]-2500 § 31 [X.] 20 ; Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 24/10 R - [X.]-2500 § 34 [X.] 9, auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen ; vgl auch aus der Rspr der für das [X.] zuständigen Senate [X.], 83 = [X.]-4200 § 20 [X.] ; [X.] 107, 217 = [X.]-4200 § 26 [X.] sowie in Bezug auf das Sozialhilferecht [X.] vom 10.11.2011 - [X.] [X.] 21/10 R - [X.]-3500 § 32 [X.], auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen ).

d) Einwendungen gegen die Höhe der Beitragsforderung bzw insoweit untermauerte [X.] hat der Kläger im Revisionsverfahren nicht erhoben.

4. [X.] beruht auf § 193 SGG. Die Anordnung einer Kostenerstattung von 1/10 der außergerichtlichen Kosten berücksichtigt das Obsiegen des Klägers hinsichtlich der ursprünglich durch die beklagte [X.] ebenfalls festgestellten Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Pflegeversicherung und der diesbezüglichen Beitragsforderung sowie deren Wert im Verhältnis zu den Beiträgen zur [X.].

                 

Meta

B 12 KR 17/10 R

27.06.2012

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Itzehoe, 26. November 2008, Az: S 1 KR 216/07, Urteil

§ 5 Abs 1 Nr 2a SGB 5 vom 24.12.2003, § 226 SGB 5, §§ 226ff SGB 5, § 232a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5, § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989, § 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 vom 26.03.2007, § 3 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989, § 3 Abs 2 Nr 6 KVLG 1989 vom 26.03.2007, § 19 Abs 2 S 1 KVLG 1989 vom 24.12.2003, § 20 KVLG 1989 vom 26.03.2007, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 12 KR 17/10 R (REWIS RS 2012, 5201)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5201

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