Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.04.2020, Az. B 12 R 45/19 B

12. Senat | REWIS RS 2020, 2379

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Revisionszulassung - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - Verfassungsmäßigkeit einer Regelung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 15. November 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe des Abzugs der Beiträge zur [X.] Pflegeversicherung von der Regelaltersrente des [X.].

2

Der Kläger bezieht seit 1.1.2017 eine Regelaltersrente, welche die beklagte [X.] unter Abzug der monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und [X.] Pflegeversicherung auszahlt. Gegen die Höhe des einbehaltenen Beitrags zur [X.] Pflegeversicherung wendet der Kläger ein, die alljährlich steigenden Belastungen führten zur Aushöhlung seiner Rente in einem die Grenzen der Verhältnis- und Verfassungsmäßigkeit übersteigenden Maße. Er ist mit seinem Anliegen bei der Beklagten (Bescheid vom 8.12.2016, Widerspruchsbescheid vom 19.6.2017) sowie in den Vorinstanzen (Urteil des [X.] vom 14.3.2018, Urteil des [X.] vom [X.]) erfolglos geblieben. Das [X.] hat ausgeführt, die Einbehaltung der Beiträge von der Rente durch die Beklagte sowie der dem festgesetzten Beitrag zugrunde liegende Beitragssatz seien gesetzlich geregelt. Die Beklagte habe den Bescheid vom 7.11.2016, dem noch ein niedrigerer Beitragssatz zugrunde gelegen habe, nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X wegen Änderung der Verhältnisse mit dem angefochtenen Bescheid vom 8.12.2016 rechtmäßig für die [X.] ab 1.1.2017 aufgehoben, weil der Beitragssatz ab diesem [X.]punkt gestiegen sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzlich angeordnete Anhebung des [X.] zur [X.] Pflegeversicherung beständen nicht. Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsgarantie aus Art 14 GG liege nicht vor, weil die Bruttorente des [X.] unverändert geblieben sei. Selbst wenn die Beitragserhöhung in den Schutzbereich von Art 14 Abs 1 GG eingreifen sollte, wäre dieser Eingriff aus Gründen des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit der Pflegekassen und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

3

Mit der hiergegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

4

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des [X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) nicht hinreichend dargelegt.

5

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf und fähig ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] RdNr 17 mwN).

6

Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Verstößt Art. 2 Nr. 32 des 2. Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (2. Pflegestärkungsgesetz - [X.] vom 21.12.2015 ([X.] I, [X.]) mit dem der Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung auf 2,55 % angehoben wurde, gegen Art. 14 GG und gegen das [X.] im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne?"

7

Es fehlt allerdings an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des [X.], aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll ([X.] vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]; ferner zB [X.] vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen ([X.] vom [X.] [X.] B - juris Rd[X.] mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

8

Das Vorbringen des [X.] erschöpft sich darin, einen Verstoß gegen das Eigentumsrecht aus Art 14 GG im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des [X.] zu behaupten und das Umlagesystem zu kritisieren. Er setzt sich aber nicht mit dem Inhalt der Entscheidungen des BSG und des [X.] auseinander, in denen bereits über die verfassungsrechtlichen Grundlagen und Grenzen der Beitragserhebung - auch betreffend die Beitragspflicht der Rentner - entschieden wurde (vgl zB [X.], Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2008 - 1 BvR 2995/06 - juris - zur Verfassungsmäßigkeit der vollen Beitragspflicht von Rentnern zur [X.] Pflegeversicherung; vgl auch [X.] Beschluss vom 23.5.2018 - 1 BvR 97/14 - [X.]E 149, 86 RdNr 69 ff; [X.] vom [X.] - [X.] 4-2500 § 241a [X.] RdNr 18). Insoweit genügt auch der Hinweis auf die ständigen Beitragssteigerungen im Wege der sog "Salamischeibentaktik" nicht, denn es fehlt auch jede Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, in der gerade auch solche kumulativen Effekte besonders berücksichtigt werden (vgl zum Begriff des additiven Grundrechtseingriffs [X.] Urteil vom 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - [X.]E 112, 304; [X.] Beschluss vom 13.9.2005 - 2 [X.] - [X.]E 114, 196 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] sowie auch [X.] vom [X.] R 11/06 R - [X.] 4-2500 § 241a [X.] RdNr 18).

9

Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ([X.] vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - [X.] 4-1500 § 183 [X.] RdNr 7 mwN). Der Kläger hätte daher unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vortragen müssen, weshalb das [X.] noch keine einschlägigen Entscheidungen getroffen hat oder durch schon vorliegende Rechtsprechung die für klärungsbedürftig erachtete Frage nicht oder nicht umfassend beantwortet sein soll (vgl [X.] vom 19.4.2012 - B 2 U 348/11 B - juris Rd[X.]9).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 12 R 45/19 B

08.04.2020

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 14. März 2018, Az: S 3 R 2704/17, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 55 Abs 1 S 1 SGB 11 vom 21.12.2015, Art 14 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.04.2020, Az. B 12 R 45/19 B (REWIS RS 2020, 2379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2379

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 581/01

2 BvF 2/03

2 U 40/16

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