Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.04.2019, Az. B 12 R 56/18 B

12. Senat | REWIS RS 2019, 8684

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Revisionszulassung - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - Verfassungsmäßigkeit einer Regelung - Erhebung eines Zusatzbeitrags zur KVdR


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 16. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Erhebung eines [X.] zur Krankenversicherung der Rentner ([X.]) ab 1.3.2016. Die beklagte [X.] änderte ab diesem Zeitpunkt den Auszahlungsbetrag der Rente von 816,91 Euro auf 816,00 Euro monatlich ab, weil sich der Zusatzbeitrag zur [X.] geändert habe (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die dagegen gerichtete Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des [X.] vom 27.2.2017; Urteil des [X.] vom 16.10.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, für die Vorgängerregelung sei bereits durch [X.] und [X.] geklärt, dass die Erhebung des [X.] keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. [X.] gelte auch für die aktuelle Regelung nicht. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

2

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des [X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 S[X.]). Der Kläger hat weder den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) hinreichend dargelegt noch den gerügten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.]) den gesetzlichen Anforderungen entsprechend bezeichnet.

3

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur [X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] Rd[X.]7 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl [X.] Beschluss vom 25.7.2011 - [X.] KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

4

Der Kläger misst folgender Frage eine grundsätzliche Bedeutung bei:

        

"Verstößt § 242 [X.] in seinen Absätzen 1 und 2 gegen Art. 14 Abs. 1 [X.] und gegen Art. 19 Abs. 4 [X.]?"

5

Damit ist schon keine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 S[X.]) mit höherrangigem Recht ([X.] Beschluss vom 23.12.2015 - [X.] KR 51/15 B - Juris Rd[X.]1 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ([X.] Beschluss vom 10.9.2014 - [X.] ÜG 3/14 B - Juris Rd[X.]1 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in [X.]/Voelzke, [X.], 1. Aufl 2017, § 160a S[X.] Rd[X.]7). Wird ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, genügt es nicht, nach der Vereinbarkeit einer Vorschrift des Bundesrechts an sich zu fragen. Die Rechtsfrage muss vielmehr derart klar formuliert sein, dass deutlich wird, welche konkrete Regelung des einfachen Rechts als mit der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird. Daran fehlt es hier.

6

Unabhängig davon ist auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Wird mit der Beschwerde die Frage nach einem Grundrechtsverstoß aufgeworfen, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des [X.], aber auch des [X.] - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des [X.] zu benennen ([X.] Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - [X.]E 40, 158, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 65/08 B - Juris Rd[X.] mwN; [X.] Beschluss vom 30.4.2015 - [X.] [X.] B - Juris Rd[X.] mwN; [X.] Beschluss vom [X.] KR 79/16 B - Juris RdNr 7 mwN).

7

Der Kläger rügt die Verletzung des Art 14 Abs 1 [X.], ohne sich mit der vom [X.] in Bezug genommenen Rechtsprechung des [X.] auseinanderzusetzen. Der Senat hat mit Urteilen vom [X.] ([X.] R 1/07 R - Juris) und 18.7.2007 ([X.] R 21/06 R - [X.]E 99, 19 = [X.] 4-2500 § 241a [X.]) ausgeführt, dass Versicherte durch die alleinige Tragung des zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrags nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt sind, weil für die Inhalts- und Schrankenbestimmung legitimierende Gründe bestehen. Die gegen die zuerst genannte Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das [X.] nicht zur Entscheidung angenommen ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 79/09 ua - [X.] 4-2600 § 68 [X.]). Die Urteile betrafen zwar die bis zum 31.12.2008 geltende Regelung des § 241a [X.], wonach für Mitglieder ein zusätzlicher Beitragssatz in Höhe von [X.] galt. Eine Rechtsfrage ist aber auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ([X.] Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - [X.] 4-1500 § 183 [X.]2 RdNr 7 mwN). Dass sich die zu Art 14 Abs 1 [X.] aufgeworfene Frage nicht anhand der genannten Urteile beantworten lässt, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Abgesehen davon setzt sich der Kläger auch nicht mit der Ausprägung der Eigentumsgarantie an sich durch das [X.] auseinander. Der Hinweis darauf, dass diese - auch vom [X.] zitierten - Entscheidungen "nicht unbedingt auf diese Sache anzuwenden" seien, genügt insoweit nicht.

8

Auch soweit der Kläger einen Verstoß gegen Art 19 Abs 4 [X.] darin sieht, dass die Rechtsweggarantie (Art 19 Abs 4 [X.]) verletzt sei, weil die Krankenkassen die Befugnis hätten, aufgrund einer Prognose die Beiträge zu erhöhen, legt der Kläger nicht dar, dass es Rechtsprechung des Senats zu dieser Frage noch nicht gebe. Er rügt insoweit die Beitragsfestsetzung im [X.] und macht geltend, es fehle an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage, ohne sich mit der umfangreichen Rechtsprechung des [X.] zur Festsetzung der Höhe von Beiträgen durch Satzung auseinanderzusetzen, die die Beitragsfestsetzung als Ausfluss des Rechts auf Selbstverwaltung einer Krankenkasse qualifiziert (vgl [X.] Beschluss vom [X.] SF 1/10 R - [X.] 4-1500 § 51 [X.] Rd[X.]9 zu § 242 [X.] in der ebenfalls die Festsetzung im [X.] statuierenden Fassung vom [X.], [X.]) und im Grundsatz auch verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat (vgl zB [X.] Urteil vom [X.] - B 1 A 1/09 R - [X.]E 106, 199 = [X.] 4-2500 § 53 [X.], RdNr 26; vgl auch [X.] Beschluss vom 28.5.2008 - 1 BvR 2257/06 - [X.] 4-2500 § 240 [X.]1 - zur Festsetzung von Beiträgen im [X.] bei freiwillig Versicherten nach § 240 [X.]). Die Behauptung, dass es nach § 242 [X.] nunmehr in der Hand der Krankenkassen liege, die Beitragshöhe festzulegen und hierdurch der Willkür und der Selbstbedienung der Krankenkassen Tür und [X.] geöffnet worden sei, ersetzt die erforderliche Auseinandersetzung nicht. Aus ihr ergibt sich nicht, weshalb hier andere (verfassungsrechtliche) Maßstäbe gelten sollen.

9

Soweit der Kläger mit seinem Vortrag, "der erkennende Senat hat im vorliegenden Fall beide Verstöße sowohl gegen Art. 14 [X.] wie auch gegen Art. 19 Abs. 4 [X.] nicht ausreichend gewürdigt und dem Kläger nicht 'zugehört' und somit eine Verletzung rechtlichen Gehörs begangen, was im Weiteren unten noch erörtert werden soll", einen Verfahrensfehler rügt, bezeichnet er nicht, wodurch im Einzelnen eine Gehörsverletzung bedingt sein soll. Der insoweit angekündigte Punkt d) ist in dem vorgelegten Schriftsatz nicht enthalten.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 S[X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 S[X.].

Meta

B 12 R 56/18 B

01.04.2019

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 27. Februar 2017, Az: S 16 R 3163/16, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 242 Abs 1 SGB 5, § 242 Abs 2 SGB 5, Art 14 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.04.2019, Az. B 12 R 56/18 B (REWIS RS 2019, 8684)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8684

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 U 40/16

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