Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.09.2010, Az. 1 ABR 32/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 3435

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Gegenstand

Unterlassungsantrag - Bestimmtheit


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 15. Januar 2009 - 5 [X.]/08 - wird als unzulässig verworfen.

Auf die Rechtsbeschwerde der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin wird der vorgenannte Beschluss des [X.] aufgehoben.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 23. April 2008 - 6 BV 1291/07 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

[X.]. Die Beteiligten streiten über die [X.]nwendung von Vertragsklauseln, durch die etwaige Mehrarbeit mit der Vergütung abgegolten werden soll.

2

Die zu 2) beteiligte [X.]rbeitgeberin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit verschiedenen Standorten in [X.]. Die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin betreibt gleichfalls in mehreren Großstädten im [X.] Unternehmensberatung. [X.]ntragsteller ist der für ihren Gemeinschaftsbetrieb am Standort [X.] gewählte Betriebsrat. Vor dessen erstmaliger [X.] war bei der zu 2) beteiligten [X.]rbeitgeberin für ihren Betrieb in [X.] bereits ein örtlicher Betriebsrat errichtet. Für die im [X.] gelegenen Betriebsstätten der zu 3) beteiligten [X.]rbeitgeberin war hingegen ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt worden.

3

Die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin schloss im Jahr 2004 mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über [X.]rbeitszeitfragen ab, in der [X.]. die Einrichtung und Führung eines [X.] geregelt ist. Diese Betriebsvereinbarung ist von ihr vor der Zusammenführung der Einheiten am Standort [X.] gekündigt worden.

4

Bis zum 16. [X.]pril 2008 verwandte die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin bei Neueinstellungen am Standort [X.] zunächst [X.]rbeitsvertragsformulare mit folgender Klausel:

        

„§ 4 Vergütung

        

1. Der Mitarbeiter erhält für seine vertragliche Tätigkeit ein jährliches Gehalt von [X.] [X.]. Das Gehalt wird in zwölf gleichen Raten jeweils am Ende eines Kalendermonats auf ein vom Mitarbeiter angegebenes Konto überwiesen.

        

2. Mit der genannten Vergütung ist eine etwaige Mehrarbeit abgegolten.“

5

Der Betriebsrat hat die [X.]uffassung vertreten, die Verwendung der Vertragsklausel betreffe einen Entlohnungsgrundsatz iSv. § 87 [X.]bs. 1 Nr. 10 [X.] und unterliege seiner Zustimmung.

6

Der Betriebsrat hat beantragt,

        

1.    

der zu 3) beteiligten [X.]rbeitgeberin zu untersagen, in ihren [X.]rbeitsverträgen im Gemeinschaftsbetrieb [X.] Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den [X.]rbeitnehmern iSv. § 5 [X.]bs. 1 [X.] geleisteten [X.] mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind, ohne dass hierfür jeweils die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist,

        

2.    

der zu 3) beteiligten [X.]rbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 10.000,00 Euro anzudrohen.

7

Die [X.]rbeitgeberinnen haben beantragt, die [X.]nträge abzuweisen.

8

Das [X.]rbeitsgericht hat die [X.]nträge abgewiesen. Das [X.] hat ihnen entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde begehren die [X.]rbeitgeberinnen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der zu 2) beteiligten [X.]rbeitgeberin ist unzulässig, während die angefochtene Entscheidung auf die Rechtsbeschwerde der zu 3) beteiligten [X.]rbeitgeberin aufzuheben ist. Das [X.] hat den [X.]nträgen des Betriebsrats zu Unrecht entsprochen. Der [X.]ntrag zu 1 ist wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig, während der [X.]ntrag zu 2 dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen ist.

I. Die Rechtsbeschwerde der von den Vorinstanzen zu 2) beteiligten [X.]rbeitgeberin ist mangels einer sie betreffenden Beschwer unzulässig. Deren betriebsverfassungsrechtliche [X.]rbeitgeberstellung wird durch die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung nicht berührt.

1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und er mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt. Ein Beteiligter ist beschwert, wenn er durch die angegriffene Entscheidung nach ihrem materiellen Inhalt in seiner Rechtsstellung, die seine Beteiligungsbefugnis begründet, unmittelbar betroffen wird ([X.] 8. Dezember 2009 - 1 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.] § 613a Nr. 380 = Ez[X.] [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 20). Nach § 83 [X.]bs. 3 [X.]rbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem [X.]ntragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf [X.]nhörung, die nach dem [X.] im Einzelfall am Verfahren beteiligt sind. Beteiligte in [X.]ngelegenheiten des [X.]es ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist ([X.] 26. Oktober 2004 - 1 [X.] ([X.]) - zu [X.] der Gründe mwN, [X.]E 112, 227). Dies ist von [X.]mts wegen noch in der [X.] zu prüfen.

2. Danach fehlt der von den Vorinstanzen zu 2) beteiligten [X.]rbeitgeberin die [X.]. Sie ist nicht iSd. § 83 [X.]bs. 3 [X.] am Verfahren beteiligt, da sie durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung als (Mit-)Inhaberin der betrieblichen Leitungsmacht des Gemeinschaftsbetriebs betroffen sein kann. Die Unterlassungsverpflichtung im [X.]ntrag zu 1 richtet sich ebenso wie die [X.]ndrohung des Ordnungsgeldes im [X.]ntrag zu 2 nur gegen die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin. Die Handhabung der in der Vergangenheit verwandten Vertragsklausel über die pauschalierte [X.]bgeltung von Mehrarbeit betrifft nur diese in ihrer Stellung als Vertragsarbeitgeberin der bis zum 16. [X.]pril 2008 neu eingestellten [X.]rbeitnehmer. Die vom Betriebsrat angestrebte Entscheidung hat weder [X.]uswirkungen auf [X.], die zwischen der zu 2) beteiligten [X.]rbeitgeberin und ihren [X.]rbeitnehmern gelten, noch ist diese an Maßnahmen der Betriebsführung im Gemeinschaftsbetrieb gehindert.

II. [X.]) beteiligten [X.]rbeitgeberin ist begründet. [X.]llerdings ist der [X.]ntrag zu 1 bereits unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist iSv. § 253 [X.]bs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Nach dem auch im Beschlussverfahren anzuwendenden § 253 [X.]bs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klageschrift [X.]. einen „bestimmten [X.]ntrag“ enthalten. Ein [X.]ntrag im Beschlussverfahren unterliegt insoweit denselben [X.]nforderungen wie im [X.]. Dementsprechend muss der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann ([X.] 18. [X.]ugust 2009 - 1 [X.]BR 43/08 - Rn. 9, [X.]P [X.] 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 16 = Ez[X.] [X.] 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 4). [X.] müssen aus rechtsstaatlichen Gründen für den in [X.]nspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, welcher Handlungen er sich enthalten soll und in welchen Fällen gegen ihn als Sanktion ein Ordnungsgeld verhängt werden kann ([X.] 11. Dezember 2007 - 1 [X.]BR 73/06 - Rn. 12, [X.]P [X.] 1972 § 99 Versetzung Nr. 45 = Ez[X.] [X.] 2001 § 95 Nr. 7). Nur wenn die danach gebotenen Verhaltensweisen hinreichend erkennbar sind, kann eine der materiellen Rechtskraft zugängliche Sachentscheidung ergehen. Eine Entscheidung, die eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht ausspricht, muss grundsätzlich zur Zwangsvollstreckung geeignet sein. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue [X.]ntragsformulierung und einen dem entsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Genügt ein [X.]ntrag - ggf. nach einer vom Gericht vorzunehmenden [X.]uslegung - diesen [X.]nforderungen nicht, ist er als unzulässig abzuweisen ([X.] 9. Dezember 2008 - 1 [X.]BR 75/07 - Rn. 22, [X.]E 128, 358).

2. Danach ist der [X.]ntrag zu 1 nicht hinreichend bestimmt.

a) Nach seinem Wortlaut soll es die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin unterlassen, Vertragsklauseln zu verwenden, nach deren Inhalt die von den [X.]rbeitnehmern geleisteten [X.] mit dem vereinbarten Jahresgehalt pauschal abgegolten sind. Die [X.]rbeitgeberin hat im erstinstanzlichen Verfahren erklärt, sie werde in den ab dem 17. [X.]pril 2008 abgeschlossenen [X.]rbeitsverträgen auf eine Klausel über die pauschale [X.]bgeltung der Mehrarbeit verzichten. Der Betriebsrat hat zum [X.]ntragsverständnis in der [X.]nhörung vor dem [X.]rbeitsgericht angegeben, dass er mit seinem [X.]ntrag der zu 3) beteiligten [X.]rbeitgeberin auch die „[X.]nwendung“ der in § 4 Nr. 2 des Musterarbeitsvertrags enthaltenen Vertragsklausel bei den in [X.] bis zum 16. [X.]pril 2008 begründeten [X.]rbeitsverhältnissen untersagen lassen möchte. Dieses vom [X.]rbeitsgericht angenommene [X.]ntragsverständnis hat der Betriebsrat in seinem Schriftsatz vom 12. Jan[X.]r 2009 ausdrücklich bestätigt und das Beschwerdegericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

b) Danach steht der Gegenstand des mit dem [X.]ntrag zu 1 verfolgten Unterlassungsbegehrens nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit fest. Das im [X.]ntrag enthaltene Verbot, eine im [X.]rbeitsvertrag vereinbarte Vertragsklausel „anzuwenden“, beschreibt die konkrete betriebliche Maßnahme, der sich die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats oder einer diese ersetzenden Entscheidung der Einigungsstelle zukünftig zu enthalten hat, nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit. Der Betriebsrat hat weder im Verfahren noch in der [X.]nhörung vor dem Senat die Befugnis der zu 3) beteiligten [X.]rbeitgeberin zur [X.]nordnung und zur Entgegennahme von Mehrarbeit in Frage gestellt. Es wird aber weder aus dem [X.]ntrag noch aus der zu seiner [X.]uslegung heranzuziehenden Begründung ersichtlich, wie sich die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin verhalten soll, wenn [X.]rbeitnehmer, mit denen sie die beanstandete [X.]bgeltungsklausel vereinbart hat, [X.]rbeitsleistungen erbringen, die entweder über ihre vertragliche oder über die im Gemeinschaftsbetrieb geltende regelmäßige [X.]rbeitszeit hinausgehen. So ist schon fraglich, ob die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin gegen einen Unterlassungsausspruch zuwider handeln würde, wenn sie die geleistete Mehrarbeit lediglich entgegennimmt und im Übrigen untätig bleibt. Der Betriebsrat hat auch im gesamten [X.] nicht angegeben, ob ein mitbestimmungsgerechtes Verhalten der [X.]rbeitgeberin voraussetzt, dass diese geleistete Mehrarbeit in einem bestimmten Zeitraum durch Freizeit ausgleicht oder dafür einen [X.]usgleich in Geld leistet. Das mit dem Unterlassungsantrag verfolgte [X.] hat der Betriebsrat auch in der [X.]nhörung vor dem Senat nicht klarstellen können. Nach seinen [X.]ngaben soll die zu 3) beteiligte [X.]rbeitgeberin die bis zum 16. [X.]pril 2008 eingestellten [X.]rbeitnehmer vertragsgemäß vergüten und ihre über die regelmäßige [X.]rbeitszeit hinaus geleistete [X.]rbeitszeit durch Freizeit ausgleichen. Der Betriebsrat hat aber auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass er für diese [X.]rbeitnehmer keine Betriebsvereinbarung über [X.]rbeitszeitfragen abgeschlossen hat, in der die [X.] [X.]rbeitszeit geregelt und ein [X.]usgleichszeitraum bestimmt ist. Damit steht schon nicht eindeutig fest, wie die auszugleichende [X.]rbeitszeit zu berechnen und bis zu welchem Zeitpunkt von der zu 3) beteiligten [X.]rbeitgeberin durch Freizeit auszugleichen ist. Dies gilt gleichermaßen für die Frage, zu welcher konkreten betrieblichen Maßnahme diese ggf. die Zustimmung des Betriebsrats einholen muss.

III. Der [X.]ntrag zu 2 fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist ersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem [X.]ntrag zu 1 gestellt.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 ABR 32/09

14.09.2010

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Frankfurt, 23. April 2008, Az: 6 BV 1291/07, Beschluss

§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.09.2010, Az. 1 ABR 32/09 (REWIS RS 2010, 3435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3435

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