Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.11.2017, Az. 7 ABR 40/16

7. Senat | REWIS RS 2017, 1916

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Gegenstand

Wahlanfechtung - Gemeinschaftsbetrieb


Leitsatz

Werden in einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen statt eines einheitlichen Betriebsrats für die Belegschaften jedes einzelnen Unternehmens zeitlich versetzt gesonderte Betriebsräte gewählt und soll eine von Arbeitgeberseite betriebene Wahlanfechtung auf die Verkennung des Betriebsbegriffs gestützt werden, müssen nicht sämtliche in dem Gemeinschaftsbetrieb erfolgten Betriebsratswahlen angefochten werden. Die isolierte Anfechtung der Wahl eines Betriebsrats, der nach dem Vorbringen der anfechtenden Arbeitgeber unter Verkennung des Betriebsbegriffs für den Betriebsteil eines Gemeinschaftsbetriebs gewählt wurde, ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass zuvor für einen anderen Betriebsteil ein Betriebsrat gewählt wurde, dessen Wahl nicht angefochten wurde.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des [X.] vom 19. April 2016 - 14 [X.] - teilweise aufgehoben, soweit das [X.] den [X.] abgewiesen hat.

Die Sache wird insoweit zur neuen Anhörung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

[X.]. [X.]ie Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer [X.].

2

[X.]ie zu 1. und 2. beteiligten [X.]ntragstellerinnen ([X.]rbeitgeberinnen) gehören zur [X.] [X.]ie zu 1. beteiligte [X.]rbeitgeberin unterhält in [X.] auf dem [X.] seit März 2013 das L, eine Indoor-Freizeit-Einrichtung. Ebenfalls auf dem [X.] in [X.] betreibt die zu 2. beteiligte [X.]rbeitgeberin den [X.] und auf einem angrenzenden Grundstück das [X.]. [X.]er [X.] ist ein Freizeitpark, das [X.] ist eine [X.]quarium-[X.]ttraktion.

3

[X.]m 5. Mai 2014 wurde für die Belegschaft der zu 2. beteiligten [X.]rbeitgeberin eine [X.] durchgeführt, aus der der zu 4. beteiligte Betriebsrat hervorging. [X.]ie Wahl wurde nicht angefochten.

4

Unter dem 13. [X.]ktober 2014 trafen die [X.]rbeitgeberinnen eine Führungsvereinbarung. [X.]arin heißt es ua.:

        

Präambel

        

…       

        

([X.])     

Bereits in der Vergangenheit waren der [X.], das L und das [X.] auf einem Betriebsgelände, nämlich dem [X.] Gelände in [X.] und dem angrenzenden Grundstück, untergebracht. [X.]ie Betriebsmittel und Räumlichkeiten wurden gesellschaftsübergreifend genutzt und die [X.]rbeitsabläufe waren personell, technisch und organisatorisch miteinander verknüpft. Zudem wurden der Freizeitpark, die [X.] und die [X.]quarium-[X.]ttraktion einheitlich von B als General Manager geleitet.

        

([X.])     

[X.]eit dem 13. [X.]ktober 2014 ist [X.] die neue General Managerin für die alle drei Einrichtungen (Freizeitpark, [X.] und [X.]quarium-[X.]ttraktion). Im Zuge dieser Neubesetzung haben sich die Geschäftsführungen von L und von [X.] nunmehr entschlossen, eine ausdrückliche Führungsvereinbarung für den aus dem Freizeitpark, der [X.] und der [X.]quarium-[X.]ttraktion bestehenden [X.] zu schließen.

        

1.    

[X.]

                 

L und [X.] sind übereinstimmend der [X.]nsicht, dass der [X.], das [X.] und das L einen gemeinsamen Betrieb (‚[X.]‘) bilden.

        

2.    

Gemeinsame Leitung

        

2.1     

L und [X.] leiten den [X.] kooperativ im Interesse ihrer gemeinsamen arbeitstechnischen und unternehmerischen Zielsetzungen.

        

2.2     

[X.]er [X.]rbeitnehmer- und Betriebsmitteleinsatz findet im [X.] unternehmensübergreifend statt.

        

2.3     

[X.]as Eigentum an den eingebrachten Betriebsmitteln sowie die formale [X.]rbeitgeberstellung gegenüber dem im [X.] eingesetzten Personal verbleiben bei der jeweiligen Eigentümer- bzw. Einstellungsgesellschaft.

        

…“    

        

5

Mit [X.]chreiben vom 15. [X.]ktober 2014 forderte die zu 2. beteiligte [X.]rbeitgeberin den zu 4. beteiligten Betriebsrat auf, die notwendigen Vorkehrungen für die Neuwahl eines Betriebsrats für einen von beiden [X.]rbeitgeberinnen geführten [X.] zu treffen.

6

[X.]uf Einladung der Industriegewerkschaft B-[X.]-U fand am 20. November 2014 eine Betriebsversammlung der Belegschaft der zu 1. beteiligten [X.]rbeitgeberin statt, auf der ein Wahlvorstand gewählt wurde. [X.]ieser führte für die Belegschaft der zu 1. beteiligten [X.]rbeitgeberin am 4. Februar 2015 eine [X.] durch, aus der der zu 3. beteiligte, aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsrat hervorging. [X.]as Wahlergebnis wurde am selben Tag bekannt gegeben.

7

Mit der am 18. Februar 2015 beim [X.]rbeitsgericht eingegangenen [X.]ntragsschrift haben die [X.]rbeitgeberinnen die [X.] vom 4. Februar 2015 angefochten. [X.]ie haben die [X.]uffassung vertreten, die Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats sei unter Verkennung des [X.]s erfolgt. Bereits bei der Wahl des zu 4. beteiligten Betriebsrats am 5. Mai 2014, jedenfalls aber nach [X.]bschluss der Führungsvereinbarung vom 13. [X.]ktober 2014 habe ein [X.] bestanden. [X.]aher sei zwar bereits die Wahl des zu 4. beteiligten Betriebsrats anfechtbar gewesen. [X.]ass diese [X.]nfechtung unterblieben sei, hindere die [X.]nfechtung der nachfolgenden Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats jedoch nicht.

8

[X.]ie [X.]rbeitgeberinnen haben beantragt,

        

die [X.] vom 4. Februar 2015 für unwirksam zu erklären.

9

[X.]ie Betriebsräte haben beantragt, den [X.]ntrag abzuweisen. [X.]ie haben die [X.]uffassung vertreten, es seien zu Recht zwei Betriebsräte gewählt worden. [X.]ie [X.]rbeitgeberinnen hätten weder am 5. Mai 2014 noch danach einen gemeinsamen Betrieb unterhalten. Im Übrigen könne die Wahl vom 4. Februar 2015 schon deshalb nicht angefochten werden, weil die Wahl vom 5. Mai 2014 nicht angefochten worden sei.

[X.]as [X.]rbeitsgericht hat den [X.]ntrag der [X.]rbeitgeberinnen abgewiesen. [X.]as [X.] hat deren Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die [X.]rbeitgeberinnen ihren [X.] weiter. [X.]ie zu 3. und 4. beteiligten Betriebsräte beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. [X.]ie Rechtsbeschwerde der [X.]rbeitgeberinnen ist begründet. [X.]ie führt zur teilweisen [X.]ufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der [X.]ache an das [X.], soweit der [X.] abgewiesen wurde. [X.]oweit das [X.] den [X.]ntrag auch als Nichtigkeitsfeststellungsantrag ausgelegt und diesen abgewiesen hat, wird die Entscheidung mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.

I. [X.]as [X.] hat zu Recht nach § 83 [X.]bs. 3 [X.]rbGG neben dem zu 3. beteiligten, für das L gewählten Betriebsrat, dessen Wahl vom 4. Februar 2015 angefochten ist, den am 5. Mai 2014 für das [X.] gewählten Betriebsrat am Verfahren beteiligt, obwohl dessen Wahl nicht angefochten wurde. Würde dem [X.]ntrag, der sich gegen die Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats richtet, mit der Begründung stattgegeben, die [X.]rbeitgeberinnen unterhielten einen gemeinsamen Betrieb, könnte der zu 4. beteiligte Betriebsrat hiervon in seiner Rechtsstellung unmittelbar betroffen sein.

II. [X.]er [X.]enat kann nicht abschließend entscheiden, ob der [X.] Erfolg hat. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann der [X.]ntrag nicht abgewiesen werden.

1. Nach § 19 [X.]bs. 1 [X.] kann eine [X.] angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden. Ein solcher Verstoß liegt ua. vor, wenn bei der Wahl der [X.]e [X.] verkannt wurde (B[X.]G 13. März 2013 - 7 [X.]BR 70/11 - Rn. 26, B[X.]GE 144, 290; 21. [X.]eptember 2011 - 7 [X.]BR 54/10 - Rn. 29, B[X.]GE 139, 197). Zur [X.]nfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene [X.] oder der [X.]rbeitgeber (§ 19 [X.]bs. 2 [X.]atz 1 [X.]). [X.]ie Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zulässig (§ 19 [X.]bs. 2 [X.]atz 2 [X.]).

2. [X.]ie formellen Voraussetzungen der [X.]nfechtung sind erfüllt.

a) [X.]ie [X.]rbeitgeberinnen haben die [X.] vom 4. Februar 2015 rechtzeitig gemäß § 19 [X.]bs. 2 [X.]atz 2 [X.] binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses angefochten. [X.]as Wahlergebnis wurde durch [X.]ushang am 4. Februar 2015 bekannt gemacht. [X.]ie [X.]ntragsschrift ging am 18. Februar 2015 und damit rechtzeitig beim [X.]rbeitsgericht ein.

b) [X.]ie [X.]rbeitgeberinnen sind berechtigt, die Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats vom 4. Februar 2015 anzufechten.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob mehrere [X.]rbeitgeber, die sich auf die Führung eines [X.]s berufen, eine für einen Teil des [X.]s durchgeführte [X.] nur gemeinsam anfechten können. [X.]ie Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats wurde von beiden den behaupteten [X.] führenden [X.]rbeitgeberinnen gemeinsam angefochten.

c) Entgegen der [X.]uffassung des [X.]s steht der [X.]nfechtbarkeit der Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats vom 4. Februar 2015 nicht entgegen, dass die Wahl des zu 4. beteiligten Betriebsrats vom 5. Mai 2014 nicht angefochten wurde.

aa) [X.]as [X.] hat angenommen, wenn die [X.]rbeitgeberinnen in [X.] einen [X.] führen sollten, wäre dies bereits vor der Wahl des zu 4. beteiligten Betriebsrats [X.] im Mai 2014 der Fall gewesen. [X.]er behauptete [X.] sei jedenfalls nicht erst in der [X.] zwischen den beiden [X.]en entstanden. Werde eine für einen Teil eines [X.]s durchgeführte [X.] angefochten mit der Begründung, der [X.] sei verkannt worden und es hätte ein einheitlicher Betriebsrat für den [X.] gewählt werden müssen, müssten alle in dem behaupteten [X.] erfolgten [X.]en angefochten werden, da der betriebsverfassungswidrige Zustand nur durch gerichtliche [X.]nnullierung der Wahl sämtlicher Betriebsräte beseitigt werden könne, damit die Belegschaft des [X.]s einen neuen, einheitlichen Betriebsrat für den [X.] wählen könne. [X.]urch die [X.]nfechtung nur einer der in dem [X.] durchgeführten [X.]en ließe sich eine Korrektur des betriebsverfassungswidrigen Zustands während der Wahlperiode nicht mehr erreichen, wenn die Wahl eines anderen Betriebsrats des [X.]s unanfechtbar geworden sei. [X.]enn der Betriebsrat, dessen Wahl nicht angefochten worden sei, bleibe bis zum [X.]blauf seiner regelmäßigen [X.]mtszeit im [X.]mt und könne deshalb nicht durch einen für den [X.] zu wählenden Betriebsrat ersetzt werden. [X.]a die [X.]rbeitgeberinnen die Wahl des zu 4. beteiligten Betriebsrats [X.] nicht angefochten hätten, könnten sie auch die Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats L nicht anfechten. Es bedürfe daher keiner Entscheidung, ob die [X.]rbeitgeberinnen in [X.] einen [X.] führen.

bb) [X.]iese [X.]usführungen halten der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand. [X.]er [X.]nfechtung der Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats steht nicht entgegen, dass die [X.]rbeitgeberinnen die Wahl des zu 4. beteiligten Betriebsrats nicht angefochten haben. Werden in einem [X.] mehrerer Unternehmen statt eines einheitlichen Betriebsrats zeitlich versetzt für die Belegschaften jedes einzelnen Unternehmens gesonderte Betriebsräte gewählt und soll eine von [X.]rbeitgeberseite betriebene Wahlanfechtung auf die Verkennung des [X.]s gestützt werden, müssen nicht stets sämtliche in dem [X.] erfolgten [X.]en angefochten werden. Es ist vielmehr zulässig, eine zeitlich nachfolgende Wahl anzufechten, auch wenn eine vorangegangene Wahl nicht angefochten wurde. [X.]n der gegenteiligen [X.]uffassung in den Entscheidungen vom 31. Mai 2000 (- 7 [X.]BR 78/98 - zu [X.] 1 a der Gründe, B[X.]GE 95, 15) und vom 7. [X.]ezember 1988 (- 7 [X.]BR 10/88 - juris-Rn. 16, B[X.]GE 60, 276) hält der [X.]enat nicht fest (offengelassen in B[X.]G 21. [X.]eptember 2011 - 7 [X.]BR 54/10 - B[X.]GE 139, 197). [X.]ie isolierte [X.]nfechtung der Wahl eines Betriebsrats, der möglicherweise unter Verkennung des [X.]s zu Unrecht für einen Betriebsteil eines [X.]s gewählt wurde, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass bereits für einen anderen Betriebsteil ein Betriebsrat gewählt wurde, dessen Wahl nicht angefochten wurde.

(1) [X.]ieses Verständnis entspricht insbesondere dem Wortlaut und der [X.]ystematik des gesetzlichen [X.]nfechtungsrechts. § 19 [X.] eröffnet unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich die Möglichkeit zur [X.]nfechtung einer jeden [X.], die unter Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften erfolgt ist. [X.]ie Bestimmung enthält nach ihrem Wortlaut keine Einschränkungen oder Modifikationen des [X.]nfechtungsrechts für [X.]en, die in [X.]en unter Verkennung des [X.]s durchgeführt werden. Nach § 19 [X.]bs. 2 [X.]atz 2 [X.] ist die Wahlanfechtung binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig. Nach § 19 [X.]bs. 2 [X.]atz 1 [X.] sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene [X.] oder der [X.]rbeitgeber zur [X.]nfechtung berechtigt. [X.]amit ist die [X.]nfechtungsfrist als materiell-rechtliche Voraussetzung verfahrensmäßiger [X.]rt ausgestaltet (vgl. [X.] 28. [X.]ufl. § 19 Rn. 36 mwN). § 19 [X.]bs. 2 [X.] gibt den [X.]nfechtungsberechtigten einerseits das Recht, die Wahl innerhalb dieser Frist anzufechten, bestimmt aber andererseits, dass mit dem [X.]blauf der [X.]nfechtungsfrist das [X.]nfechtungsrecht erlischt. [X.]ie Wahl wird nach Fristablauf trotz etwaiger Mängel unanfechtbar. [X.]ie hat nur dann keinen Bestand, wenn ein offensichtlicher und besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften zu deren Nichtigkeit führt (zur Nichtigkeit vgl. B[X.]G 23. Juli 2014 - 7 [X.]BR 23/12 - Rn. 41; 20. [X.]pril 2005 - 7 [X.]BR 44/04 - zu [X.]I 3 a der Gründe, B[X.]GE 114, 228). [X.]ie Verkennung des [X.]s hat grundsätzlich nicht die Nichtigkeit der Wahl zur Folge, sondern berechtigt nur zur [X.]nfechtung. [X.]as Gesetz eröffnet den [X.]nfechtungsberechtigten daher die Möglichkeit, schafft aber keine Verpflichtung, eine unter Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften erfolgte [X.] anzufechten. [X.]em widerspräche es, einen [X.]nfechtungsberechtigten zu verpflichten, eine [X.] anzufechten, um sich bei zeitlich nachfolgenden [X.]en noch auf die Verkennung des [X.]s berufen zu können.

(2) Eine einschränkende [X.]uslegung der Regelung in § 19 [X.] über das [X.]nfechtungsrecht bei Wahlen in [X.]en, die unter Verkennung des [X.]s erfolgt sind, ist nicht deshalb geboten, weil die isolierte [X.]nfechtung einer für einen Teil eines [X.]s durchgeführten [X.] dazu führte, dass die von dem gewählten Betriebsrat repräsentierte Belegschaft ab Rechtskraft des dem [X.] stattgebenden Beschlusses für die restliche [X.]auer der Wahlperiode betriebsratslos bliebe, da der Wahl eines einheitlichen Betriebsrats für den [X.] entgegenstünde, dass die ebenfalls unter Verkennung des [X.]s von einem anderen Teil der Belegschaft des [X.]s durchgeführte [X.] nicht angefochten wurde und dieser Betriebsrat für die restliche [X.]auer der Wahlperiode im [X.]mt bliebe. Vielmehr ermöglicht die isolierte [X.]nfechtung einer in einem [X.] unter Verkennung des [X.]s durchgeführten [X.] für die noch verbleibende [X.]mtszeit die [X.] korrekte Wahl eines einheitlichen Betriebsrats für den [X.] analog § 21a [X.]bs. 2 [X.] auch dann, wenn die zeitlich früher erfolgte Wahl eines anderen in dem [X.] gebildeten Betriebsrats nicht angefochten worden ist.

(a) Nach der Konzeption des [X.]es sollen möglichst alle [X.]rbeitnehmer eines [X.]rbeitgebers von einem Betriebsrat repräsentiert werden (vgl. etwa B[X.]G 9. [X.]ezember 2009 - 7 [X.]BR 38/08 - Rn. 23). [X.]iesem Zweck liefe es zuwider, wenn aufgrund der isolierten [X.]nfechtung einer unter Verkennung des [X.]s erfolgten [X.] für diesen Teil der Belegschaft eines [X.]s während der noch verbleibenden [X.]auer der Wahlperiode kein den Vorschriften des [X.]es entsprechender Betriebsrat gewählt werden könnte, weil die von einem anderen Teil der Belegschaft des [X.]s durchgeführte [X.] nicht angefochten wurde. [X.]as [X.] regelt diesen [X.]achverhalt zwar nicht ausdrücklich. [X.]ies zwingt jedoch nicht zu dem [X.]chluss, dass bei unterbliebener [X.]nfechtung der ersten [X.] auch nachfolgende Wahlen nicht angefochten werden können, um eine möglichst umfassende Repräsentation der gesamten Belegschaft des [X.]s durch - wenn auch unter Verkennung des [X.]s gewählte - Betriebsräte zu gewährleisten. [X.]adurch würde ein betriebsverfassungswidriger Zustand für die gesamte Wahlperiode perpetuiert. Bei einer nach § 13 [X.]bs. 2 [X.] versetzt durchgeführten „unregelmäßigen“ Wahl müsste sich der [X.]rbeitgeber möglicherweise sogar über die Wahlperiode hinaus die unterbliebene [X.]nfechtung der nach § 13 [X.]bs. 1 [X.] „regelmäßigen“ Wahlen in anderen Einheiten entgegengehalten lassen. Gleiches könnte umgekehrt im Falle der [X.]nfechtung der nächsten regelmäßigen Wahl geschehen (vgl. auch B[X.]G 21. [X.]eptember 2011 - 7 [X.]BR 54/10 - Rn. 22, B[X.]GE 139, 197 für die [X.]nfechtung in einem nach § 3 [X.]bs. 1 Nr. 1 Buchst. b, [X.]bs. 5 [X.] durch Tarifvertrag gebildeten Betrieb). Würde die Zulässigkeit einer auf die Verkennung des [X.]s gestützten [X.]nfechtung der [X.] davon abhängig gemacht, dass auch die [X.]en in sämtlichen anderen Betriebsteilen eines behaupteten [X.]s angefochten werden, müsste zudem entweder den nach § 19 [X.]bs. 2 [X.]atz 1 [X.] ebenfalls [X.] oder einer im Betrieb vertretenen [X.] die [X.]bliegenheit und damit die Befugnis zuerkannt werden, auch die Wahlen in - sämtlichen - anderen Einheiten, denen sie nicht angehören oder in denen sie nicht vertreten sind, anzufechten, oder es müsste bei der Zulässigkeit von [X.] je nach [X.]nfechtungsberechtigtem unterschieden werden. Geradezu perplex wäre die [X.]ituation, wenn ein zur [X.]nfechtung der Wahl Berechtigter einen anderen [X.]nfechtungsgrund als die Verkennung des [X.]s geltend machen würde und sich der Betriebsrat zur Verteidigung darauf beriefe, seine Wahl sei isoliert nicht anfechtbar, da auch der [X.] verkannt worden sei (B[X.]G 21. [X.]eptember 2011 - 7 [X.]BR 54/10 - Rn. 21, aa[X.]).

(b) Es liegt deshalb näher, die in einer solchen Fallkonstellation bestehende planwidrige Gesetzeslücke durch eine analoge [X.]nwendung des § 21a [X.]bs. 2 [X.] zu schließen. [X.]ie analoge [X.]nwendung dieser Vorschrift führt dazu, dass nach Rechtskraft einer erfolgreichen [X.]nfechtung nicht nur die Wahl des von der [X.]nfechtung betroffenen Betriebsrats unwirksam ist und die [X.]mtszeit seiner Mitglieder erlischt, sondern zudem der größte der für die anderen Betriebsteile bestandskräftig gewählten Betriebsräte für eine höchstens sechsmonatige Übergangszeit für diejenigen [X.]rbeitnehmer zuständig ist, die infolge der [X.]nfechtung nicht mehr durch einen Betriebsrat repräsentiert sind, und in dieser [X.] eine der zutreffenden Betriebsstruktur entsprechende Wahl einzuleiten hat.

(aa) § 21a [X.]bs. 2 [X.] regelt die Folgen einer Zusammenfassung verschiedener Betriebe oder Betriebsteile. [X.]us dieser Vorschrift ergibt sich, dass in einem neu gebildeten [X.] der Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten [X.]rbeitnehmer größten Betriebs oder Betriebsteils ein Übergangsmandat wahrnimmt. Er hat insbesondere unverzüglich einen Wahlvorstand zur [X.]urchführung der Neuwahl eines Betriebsrats zu bestellen (§ 21a [X.]bs. 2 [X.]atz 2, [X.]bs. 1 [X.]atz 2 [X.]). [X.]as Übergangsmandat stellt sicher, dass bei betrieblichen [X.]rganisationsänderungen in der Übergangsphase keine betriebsratslosen [X.]en entstehen (BT-[X.]rs. 14/5741 [X.]. 39).

(bb) § 21a [X.]bs. 2 [X.] gilt zwar unmittelbar nur für den Fall, dass ein [X.] erst entsteht, nachdem für zuvor selbständige Betriebe Betriebsräte gewählt wurden. Im Unterschied dazu haben sich in Fallkonstellationen der vorliegenden [X.]rt, bei denen in einem [X.] mehrere Betriebsräte für Teile der Belegschaft unter Verkennung des [X.]s gewählt wurden, die tatsächlichen Umstände seit der Wahl der Betriebsräte nicht verändert. [X.]er [X.] bestand bereits im [X.]punkt der Wahl des ersten Betriebsrats, dessen Wahl nicht angefochten wurde. Für die Vertretung der in dem [X.] beschäftigten [X.]rbeitnehmer ergibt sich jedoch durch die Rechtskraft der Entscheidung, mit der wegen Verkennung des [X.]s die Wahl des für einen Betriebsteil gewählten Betriebsrats für unwirksam erklärt wird, eine [X.] vergleichbare [X.]ituation. Ebenso wie bei einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Umstände steht ab Rechtskraft der [X.] fest, dass ab diesem [X.]punkt nicht mehrere Betriebsräte zuständig wären, sondern ein gemeinsamer Betriebsrat für die gesamte [X.]e Einheit. Ebenso wie bei einem erst nach bestandskräftigen Wahlen von [X.] entstandenen [X.] könnte in diesem Fall ohne eine entsprechende gesetzliche [X.]nordnung ein Betriebsrat für den gemeinsamen Betrieb nicht gewählt werden, solange Betriebsräte für einzelne Betriebsteile im [X.]mt sind. Um diese Folge zu vermeiden, regelt § 21a [X.]bs. 2 [X.] nicht nur, dass nach einer Übergangszeit ein der Betriebsstruktur entsprechender Betriebsrat für den [X.] zu wählen ist und somit die Perpetuierung eines betriebsverfassungswidrigen Zustands für die restliche [X.]auer der Wahlperiode vermieden wird. [X.]adurch, dass die von diesem Betriebsrat repräsentierten [X.]rbeitnehmer für die [X.]auer des Übergangsmandats analog § 21a [X.]bs. 2 [X.] von dem bestandskräftig gewählten (größten) Betriebsrat im [X.] vertreten werden, wird zudem eine betriebsratslose [X.] nach einer rechtskräftigen [X.]nfechtungsentscheidung vermieden.

([X.]) [X.]urch die entsprechende [X.]nwendung des § 21a [X.]bs. 2 [X.] auf die vorliegende Fallkonstellation wird schließlich ein systematischer Widerspruch ausgeschlossen, der sich anderenfalls ergeben könnte, wenn bereits vor der nachfolgenden [X.] nach § 18 [X.]bs. 2 [X.] rechtskräftig festgestellt wäre, dass ein gemeinsamer Betrieb die zutreffende [X.]rganisationseinheit für die nächste [X.] ist. Gegenstand und Ziel einer derartigen Entscheidung des [X.]rbeitsgerichts, die nach § 18 [X.]bs. 2 [X.] außerhalb und ohne Zusammenhang mit einer [X.] herbeigeführt werden kann, bestehen ua. darin, [X.]treitigkeiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats zu klären und für den [X.]punkt der letzten mündlichen [X.]nhörung in der Tatsacheninstanz verbindlich festzulegen, welche [X.]rganisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat gewählt wird und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann (vgl. B[X.]G 23. November 2016 - 7 [X.]BR 3/15 - Rn. 57; 24. [X.]pril 2013 - 7 [X.]BR 71/11  - Rn. 22 , B[X.]GE 145, 60 ; 17. [X.]ugust 2005 -  7 [X.]BR 62/04  - zu [X.] 1 der Gründe). [X.]ieses Ziel würde konterkariert, wenn ein Betriebsrat nicht für den festgestellten [X.] gewählt werden könnte, sondern - jedenfalls vorübergehend bis zu den nächsten regelmäßigen Wahlen - entgegen der gerichtlichen Feststellung für einen Betriebsteil gebildet werden müsste.

3. [X.]anach kann der [X.] der [X.]rbeitgeberinnen entgegen der [X.]uffassung des [X.]s nicht unabhängig davon abgewiesen werden, ob sie im [X.]punkt der Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats am 4. Februar 2015 in [X.] einen gemeinsamen Betrieb führten.

III. [X.]er Rechtsfehler führt zur [X.]ufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der [X.]ache an das [X.] (§ 562 [X.]bs. 1, § 563 [X.]bs. 1 [X.]atz 1 ZP[X.]). [X.]er [X.]enat kann nicht abschließend beurteilen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Wahlanfechtung vorliegen. [X.]as [X.] hat keine abschließenden Feststellungen dazu getroffen, ob die [X.]rbeitgeberinnen im [X.]punkt der Wahl des zu 3. beteiligten Betriebsrats einen [X.] führten. [X.]er [X.]enat kann daher nicht abschließend entscheiden, ob die Wahl unter Verkennung des [X.]s erfolgt ist. [X.]ie Begriffe „Betrieb“ und „[X.]“ sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei der Beurteilung, ob Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb führen, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. [X.]ie Würdigung des [X.]s ist in der [X.] nur darauf überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen [X.]enkgesetze, anerkannte [X.]uslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer [X.]cht gelassen hat (vgl. etwa B[X.]G 23. November 2016 - 7 [X.]BR 3/15 - Rn. 35 mwN). [X.]iese rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung erfordert abschließende Tatsachenfeststellungen und eine sich daran anschließende Würdigung des [X.]s. [X.]ies ist vom [X.] nachzuholen.

        

    Gräfl    

        

    Waskow    

        

    [X.]    

        

        

        

    [X.]teininger    

        

    H. Hansen    

                 

Meta

7 ABR 40/16

22.11.2017

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Oberhausen, 21. Mai 2015, Az: 2 BV 2/15, Beschluss

§ 19 Abs 1 BetrVG, § 19 Abs 2 S 2 BetrVG, § 21a Abs 2 BetrVG, § 19 Abs 2 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.11.2017, Az. 7 ABR 40/16 (REWIS RS 2017, 1916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1916

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1 TaBV 18/19

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