Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2016, Az. B 5 AL 1/15 R

5. Senat | REWIS RS 2016, 13386

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosenversicherung - Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag - unmittelbare Aufnahme der selbständigen Tätigkeit - Bezug von Entgeltersatzleistung - Bestehen eines Stammrechts - Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs wegen Sperrzeit - Rechtsauslegung - Verfassungsmäßigkeit


Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 29. Januar 2015 und des [X.] vom 25. Mai 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Pflichtversicherung des [X.] in der Arbeitslosenversicherung ab dem 5.12.2008.

2

Der Kläger war in der [X.] vom [X.] bzw 1.5.2001 bis 31.10.2008 als Entwicklungsingenieur versicherungspflichtig beschäftigt. Am 30.7.2008 meldete er sich mit Wirkung zum 1.11.2008 bei der [X.] arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Am [X.] stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung eines [X.]. Zur Begründung gab er an, dass er am 5.12.2008 eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit als Geschäftsführer und Gesellschafter aufnehmen werde.

3

Mit Bescheid vom 4.11.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 1.11.2008. Gleichzeitig stellte sie den Leistungsbetrag für die [X.] vom 1.11.2008 bis [X.] auf täglich 0,00 Euro wegen einer Sperrzeit von 12 Wochen aufgrund Arbeitsaufgabe fest.

4

Am 9.12.2008 gab der Kläger bei der [X.] an, die selbständige Tätigkeit am 5.12.2008 aufgenommen zu haben. Mit Bescheid vom 10.12.2008 hob die Beklagte "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld" ab 5.12.2008 wegen Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auf und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom [X.] einen Gründungszuschuss für die [X.] vom 24.1.2009 bis 23.10.2009. Mit Bescheid vom 24.4.2009 lehnte die Beklagte den "Antrag des [X.] auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a [X.]" ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des [X.] blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

5

Mit Urteil vom 25.5.2011 hat das [X.] die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom "[X.]" und [X.] verurteilt, den Kläger ab dem 5.12.2008 freiwillig arbeitslos gemäß § 28a [X.] zu versichern. Die hiergegen gerichtete Berufung der [X.] hat das [X.] mit Urteil vom 29.1.2015 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt werde, dass der Kläger ab dem 5.12.2008 antragspflichtversichert sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Senat habe unter Berücksichtigung des [X.] des [X.] seine Klage als Anfechtungsklage, verbunden mit einer Klage auf Feststellung, dass Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe, ausgelegt. Da die Versicherungspflicht nach § 28a Abs 1 S 1 [X.] [X.] auf einen Antrag hin kraft Gesetzes eintrete, wenn deren Voraussetzungen erfüllt seien, habe es der Erhebung einer Verpflichtungsklage nicht bedurft. Für die begehrte Feststellung bestehe das gemäß § 55 Abs 1 [X.] SGG erforderliche Feststellungsinteresse. Der Kläger sei zur Weiterversicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung berechtigt. Die Voraussetzungen des § 28a [X.] lägen vor. Dies gelte auch für die Anforderungen des [X.] [X.] der Norm. Der Kläger habe unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 5.12.2008 eine Entgeltersatzleistung nach dem [X.] in Gestalt von Arbeitslosengeld bezogen. Der Kläger habe in Folge seiner Arbeitslosigkeit ab dem 1.11.2008 ein Stammrecht auf Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen erworben. Zwar habe der monatliche Auszahlungsanspruch wegen des bestandskräftig festgestellten Eintritts einer Sperrzeit für die [X.] vom 1.11.2008 bis zum [X.] geruht. Dies sei jedoch unschädlich. Der Begriff des "Bezugs" von Entgeltersatzleistungen sei auslegungsbedürftig. Bei der Auslegung sei grundsätzlich am Wortlaut der Vorschrift anzusetzen. Dabei müssten aber auch Sinn und Zweck der Norm sowie die entsprechenden systematischen Zusammenhänge der Vorschrift in die insoweit erforderliche Auslegung einbezogen werden. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien genüge für den Bezug von Entgeltersatzleistungen iS des § 28a [X.] das Bestehen eines Stammrechts auf Arbeitslosengeld. Zwar habe das BSG im Urteil vom [X.] ([X.] AL 11/09 R - [X.] 4-4300 § 57 [X.] Rd[X.]6) "im Rahmen des [X.] nach § 57 [X.] a.F. entschieden, dass 'für den Anspruch auf Arbeitslosengeld als Anspruch auf Entgeltersatzleistung i.S. des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst a [X.] davon auszugehen ist, dass mit 'Anspruch' nicht lediglich ein nach § 118 Abs. 1 [X.] entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist'." Diese Auffassung sei aber nicht auf § 28a [X.] [X.] [X.] übertragbar, weil § 57 [X.] aF und § 93 [X.] in der ab dem 1.4.2012 geltenden Fassung eine stärkere Bindung zum bisherigen Bezug von Entgeltersatzleistungen voraussetzten als dies bei § 28a [X.] der Fall sei. Hinzu komme, dass Antragsteller im Rahmen von § 28a [X.] günstiger gestellt würden, wenn sie zu Beginn des Anspruchs auf Arbeitslosengeld die verhängte Sperrzeit abwarteten, danach Arbeitslosengeld bezögen und schließlich im Rahmen der immer noch offenen Rahmen- und Antragsfrist erfolgreich ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag begründen könnten. Stünde im Unterschied hierzu demjenigen Antragsteller, der sich während eines [X.] ruhenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld selbständig mache, diese Möglichkeit nicht zu, werde entgegen den in der BT-Drucks 15/1515 [X.] zum Ausdruck kommenden Motiven die rasche Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht angereizt. Dass Arbeitslosigkeit erst unter einer vom Gesetz missbilligten Aufgabe der versicherungspflichtigen Beschäftigung zustande gekommen sei, könne dem Betroffenen im Fall des § 28a [X.] nicht entgegengehalten werden. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom [X.] - [X.] AL 1/08 R - Juris) bedürfe es des Schutzes der Weiterversicherung nach § 28a Abs 1 S 1 [X.] [X.] bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit insbesondere dann, wenn die Tätigkeit das Bestehen von Arbeitslosigkeit mit den daran anknüpfenden Rechtsfolgen ausschließe.

6

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 28a [X.] in der vom [X.] bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aF). Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Das [X.] sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Rahmen des § 28a [X.] aF für den Bezug von Entgeltersatzleistungen das Bestehen des Stammrechts ausreiche. Dies ergebe sich insbesondere auch nicht aus einem Vergleich mit § 57 [X.] aF. Vielmehr gebiete die ratio legis des § 28a [X.] aF das gegenteilige Ergebnis. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 5.12.2014 ([X.] AL 1/14 R - [X.] 4-4300 § 28a [X.]) ausgeführt habe, sei Zweck der freiwilligen Weiterversicherung bzw Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a [X.], ua dem Personenkreis der Existenzgründer - ausnahmsweise - den Verbleib in der Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, indem ihnen die Option geboten werde, ihren Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten. Dabei sollten gerade die geforderten Vorversicherungszeiten und Anknüpfungstatbestände gewährleisten, dass von dem Privileg der Versicherungsberechtigung nur Personen profitierten, die der Versichertengemeinschaft bereits in der Vergangenheit angehört hätten. Der Kreis der durch die Antragspflichtversicherung nach § 28a [X.] begünstigten Personen sei danach eng zu ziehen. Dann sei es aber nicht einzusehen, weshalb der Kläger von der Antragspflichtversicherung profitieren sollte, obwohl er sich durch die freiwillige Aufgabe der abhängigen Beschäftigung und die hieraus resultierende Sperrzeit von der Versichertengemeinschaft entfernt habe. Aus dem Urteil des BSG vom [X.] ([X.] AL 1/08 R - Juris) ergebe sich entgegen der Auffassung des [X.] nichts anderes. Die zitierten gerichtlichen Ausführungen gäben letztlich nur die ratio legis des § 28a [X.] wieder.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des [X.] vom 29. Januar 2015 und des Sozialgerichts München vom 25. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht haben [X.] und SG die Berechtigung des Klägers, sich in der Arbeitslosenversicherung weiterzuversichern, bejaht. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 28a [X.] in der hier maßgeblichen vom [X.] bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aF) liegen nicht vor.

9

Nach § 28a [X.] [X.] [X.] aF können Personen - unter den in [X.] näher umschriebenen Voraussetzungen - auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, wenn sie eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben. Neben einer fristgebundenen Antragstellung (§ 28a Abs 1 S 3 [X.] aF) ist Voraussetzung für die Feststellung der Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a Abs 1 [X.] [X.] aF, dass der Antragsteller "innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit … mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat" ([X.]), dass er "unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit …, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts gestanden, eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat" ([X.]) und dass "Versicherungspflicht (§§ 26, 27) anderweitig nicht besteht" ([X.] 3).

Von den kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen des § 28a Abs 1 [X.] [X.] bis 3 [X.] aF liegen jedenfalls die der [X.], deren Alternative 3 von vornherein ausscheidet, nicht vor.

1. Der Kläger hat nicht unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in einem Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts des [X.] gestanden (Alternative 1).

Zwar war der Kläger bis zum 31.10.2008 versicherungspflichtig beschäftigt, so dass er bis zu diesem Zeitpunkt in einem Versicherungspflichtverhältnis gemäß § 24 Abs 1, Abs 4, § 25 [X.] [X.] gestanden hat. Dieses dauerte aber nicht unmittelbar bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit an. Wie der 12. Senat des [X.] und ihm folgend der erkennende Senat (Urteile vom [X.] [X.] 2/10 R - [X.] 4-4300 § 28a [X.] 4 Rd[X.]2 und vom 4.12.2014 - [X.] [X.] 1/14 R - [X.] 4-4300 § 28a [X.] 9 Rd[X.]9) bereits entschieden haben, ist ein unmittelbarer [X.] iS von § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.] aF nur gegeben, wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat beträgt. Das hiesige Revisionsverfahren gibt keinen Anlass zur Änderung dieser Rechtsprechung.

Der Kreis der durch die Antragspflichtversicherung nach § 28a [X.] aF begünstigten Personen ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift eng zu ziehen (vgl auch [X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] 4 Rd[X.]8). Die Berechtigung zur freiwilligen Weiterversicherung sollen nur Personen mit einer besonders engen Beziehung zur Arbeitslosenversicherung erhalten. Dies zeigt sich in der vom Gesetz geforderten längeren Zugehörigkeit zum System der Arbeitslosenversicherung vor Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und der Manifestation dieser Beziehung durch das Bestehen eines [X.], die Ausübung einer als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ausgeübten Beschäftigung oder den Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem [X.] unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Dem Erfordernis einer engen Beziehung konkretisierend Ausdruck verleihend heißt es zwar nicht im Gesetzestext, wohl aber in den für die Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien ausdrücklich, dass ein unmittelbarer [X.] iS der Regelung nur vorliegt, "wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat beträgt" (BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0 Abs 1).

Dieser Zeitraum, der die "Unmittelbarkeit" sachgerecht von relevanten Unterbrechungen abgrenzt ([X.] aaO Rd[X.]2 mwN), ist hier - wenngleich nur um einige Tage - überschritten. Der Kläger hat die selbständige Tätigkeit nach den Feststellungen des [X.], die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), erst am 5.12.2008 aufgenommen.

2. Der Kläger hat auch nicht unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eine Entgeltersatzleistung nach dem [X.] in der Gestalt von Arbeitslosengeld (§ 116 [X.] [X.] in der bis [X.] geltenden Fassung) bezogen (Alternative 2).

Das dem Kläger ab dem 1.11.2008 bewilligte Arbeitslosengeld ist nicht ausgezahlt worden, weil der Anspruch hierauf aufgrund einer Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 [X.] [X.] [X.] (in der bis [X.] geltenden Fassung) ruhte (bestandskräftiger Bescheid vom 4.11.2008).

Wie der Senat ebenfalls bereits mit Urteil vom 4.12.2014 ([X.] [X.] 1/14 R - [X.] 4-4300 § 28a [X.] 9) entschieden hat, setzt § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.] aF voraus, dass der Antragsteller eine Entgeltersatzleistung nach dem [X.] tatsächlich erhalten hat. Auch hieran hält der Senat fest.

a) Dieses Ergebnis ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm.

Der 11. Senat des [X.] hat in seiner Entscheidung vom 29.10.2008 ([X.] [X.] 13/07 R - [X.] 4-4300 § 124 [X.] 5 Rd[X.]5) zu § 124 Abs 3 S 1 [X.] [X.] (in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung) ausgeführt, der Begriff "Bezug" der Leistung erfordere einen tatsächlichen Bezug (so auch Urteil des 11a. Senats vom 21.3.2007 - [X.]a [X.] 11/06 R - [X.] 4-4300 § 57 [X.] Rd[X.]2 und 13 zu § 57 [X.]). Der Wortlaut des Gesetzes sei insoweit eindeutig und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Dies gilt gleichermaßen für § 28a [X.], die Nachfolgeregelung von § 124 Abs 3 [X.] (vgl BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0).

Der Begriff "Bezug" einer Leistung ist nach seinem allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig und bedeutet, eine Leistung erhalten (vgl [X.], 4. Aufl 2010, [X.]19 Begriff "beziehen" [X.]).

Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Begriff "Bezug" in § 28a [X.] aF in einem anderen Sinn verwandt haben könnte. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Sprachgebrauch des bis zum [X.] geltenden § 57 [X.] aF bzw seiner Nachfolgerregelung, des § 93 [X.] in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung.

§ 57 Abs 2 S 1 [X.] Buchst a [X.] aF setzte für die Leistung eines Gründungszuschusses voraus, dass der Arbeitnehmer "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch" hat. Hiermit vergleichbar verlangt § 93 Abs 2 S 1 [X.] [X.] in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung für die Gewährung eines Gründungszuschusses, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat". Die Verwendung des Begriffs "Bezug einer Leistung" in § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.] aF einerseits und des Begriffs "Anspruch" in § 57 Abs 2 S 1 [X.] Buchst a [X.] aF bzw § 93 Abs 2 S 1 [X.] [X.] andererseits zeigt, dass das Gesetz zwischen dem Zufluss einer Leistung und dem (bloßen) Anspruch hierauf unterscheidet.

Wenn dabei im Übrigen selbst für einen "Anspruch" iS von § 57 Abs 2 S 1 [X.] Buchst a [X.] aF nicht das Bestehen des Stammrechts ausreicht, sondern ein Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung (wie zB Arbeitslosengeld) iS der Norm nur vorliegt, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind (vgl hierzu Urteil des 11. Senats des [X.] vom 5.5.2010 - [X.] [X.] 11/09 R - [X.] 4-4300 § 57 [X.] 6 Rd[X.]6), kann ein lediglich vorhandenes Stammrecht erst recht nicht genügen, wenn das Gesetz den Bezug einer Entgeltersatzleistung fordert. Das gegenteilige Verständnis des [X.] ist für den Senat angesichts des Wortlauts der Normen schlechthin nicht nachvollziehbar.

Ebenso wenig spricht für einen anderen Wortsinn, dass die Rechtsprechung des [X.] zu anderen, gleichfalls auf den Leistungsbezug abstellenden Vorschriften einen realisierbaren Anspruch (vgl zu § 105b [X.] [X.] [X.] 4100 § 105b [X.] [X.] 3 und 6; [X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 59/01 R - Juris und zu § 126 [X.] [X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 28/01 R - Juris) oder sogar ruhenden Anspruch ([X.] [X.] 3-4100 § 55a [X.] zu § 55a [X.]) als ausreichend angesehen hat. § 28a [X.] ist mit Wirkung vom [X.] durch Art 1 [X.]0 und Art 124 Abs 4 des [X.] ([X.]) vom 23.12.2003 ([X.] 2848) eingefügt und seitdem mehrfach, zuletzt durch Art 2 des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vom 23.10.2012 ([X.] 2246) geändert worden. Bereits im [X.] hatte der 11. Senat des [X.] (Urteil vom 29.10.2008 - [X.] [X.] 13/07 R - [X.] 4-4300 § 124 [X.] 5) zu § 124 Abs 3 [X.], der Vorgängerregelung des § 28a [X.], klargestellt, dass der Begriff "Bezug" einen tatsächlichen Zufluss der Leistung erfordere und der Wortlaut des Gesetzes insoweit eindeutig sei. Hätte der Gesetzgeber § 28a [X.] einen anderen Sinngehalt beilegen wollen, wäre davon auszugehen, dass er die Vorschrift entsprechend geändert hätte.

b) Auch Sinn und Zweck der Norm sprechen für das hier vertretene Auslegungsergebnis.

Wie unter 1. dargestellt ist der Kreis der durch die Antragspflichtversicherung nach § 28a [X.] begünstigten Personen eng zu ziehen. Zweck der freiwilligen Weiterversicherung bzw Versicherungspflicht auf Antrag nach dieser Vorschrift ist es, ua dem Personenkreis der Existenzgründer - ausnahmsweise - den Verbleib in der Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, indem ihnen die Option geboten wird, ihren Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten ([X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] 4 Rd[X.]8 mit Verweis auf BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0). Dabei sollten gerade die "geforderten Vorversicherungszeiten und Anknüpfungstatbestände gewährleisten, dass von dem Privileg der [X.] nur Personen profitieren, die der Versichertengemeinschaft bereits in der Vergangenheit angehört haben" (BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0 Abs 1). Dies zeigt, dass nur Personen mit einer besonders engen Beziehung zur Arbeitslosenversicherung in der dargestellten Weise begünstigt werden sollten ([X.] aaO Rd[X.]8).

Eine enge Beziehung im hier maßgeblichen Zusammenhang kann aber gerade nicht angenommen werden, wenn sich ein Arbeitnehmer durch die freiwillige Aufgabe der Beschäftigung und die daraus resultierende Sperrzeit von der Versichertengemeinschaft entfernt hat, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat.

Dem hier vertretenen Verständnis steht schließlich entgegen der Annahme des [X.] nicht das Urteil des [X.] des [X.] vom 3.6.2009 ([X.] [X.] 1/08 R - Juris) entgegen. Zwar hat der 12. Senat in diesem - wie vom [X.] wiedergegeben - ausgeführt (aaO Rd[X.]5), dass es des Schutzes der Weiterversicherung nach § 28a [X.] [X.] [X.] bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit insbesondere dann bedürfe, wenn die Tätigkeit das Bestehen von Arbeitslosigkeit mit den daran anknüpfenden Rechtsfolgen ausschließe. Hiermit hat der 12. Senat aber nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass der Begriff "Bezug … einer Entgeltersatzleistung" iS von § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.] aF in einem erweiternden Sinne verstanden werden müsste.

Die Ausführungen des [X.] sind vielmehr anlässlich der Bestimmung des Begriffs der selbständigen Tätigkeit iS von § 28a [X.] [X.] [X.] unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der mit dieser Norm eingeführten [X.] erfolgt. Die [X.] solle einen Ausgleich für den zeitgleichen Wegfall der den Personenkreis der selbständig Tätigen begünstigenden Regelung des § 124 Abs 3 S 1 [X.] 3 [X.] schaffen, die für einen gewissen Zeitraum den Schutz der Arbeitslosenversicherung trotz Ausübung einer selbständigen Tätigkeit aufrechterhalten habe. In diesem Zusammenhang hat der 12. Senat darauf hingewiesen, dass die während mindestens 15 Wochenstunden ausgeübte selbständige Tätigkeit gemäß § 119 Abs 3 [X.] (in der Fassung des [X.] vom 23.12.2003, [X.] 2848) grundsätzlich das Bestehen von Arbeitslosigkeit und die daran anknüpfenden Rechtsfolgen - wie zB einen Anspruch auf Arbeitslosengeld - ausschließe, weshalb es des Schutzes der Weiterversicherung nach § 28a [X.] [X.] [X.], der die [X.] an das Ausüben einer selbständigen Tätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden knüpft, insbesondere in diesem Fall bedürfe. Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der selbständig Tätige die [X.] in Anspruch nehmen kann, beschäftigt sich der 12. Senat hingegen nicht. Gerade diese sind aber in dem hier maßgeblichen § 28a Abs 1 [X.] [X.] aF geregelt.

c) Die hier vertretene Auslegung des § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.] aF verstößt schließlich nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (so schon Urteil des Senats vom 4.12.2014 - [X.] [X.] 1/14 R - [X.] 4-4300 § 28a [X.] 9 Rd[X.]8 f).

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl [X.] 1, 14, 52; 98, 365, 385; 113, 167, 214 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 83 - stRspr). Art 3 Abs 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder ein sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl [X.] 1, 14, 52; 113, 167, 214 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 83 - stRspr). Dabei ist im Bereich der Sozialversicherung einerseits die hohe Bedeutung ihrer Funktionsfähigkeit sowie ihrer finanziellen Stabilität für das gemeine Wohl und andererseits die diesbezüglich gegebene weitgehende sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu beachten (vgl [X.] 113, 167, 215 = [X.] 4-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 84).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben lässt sich ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz durch die Begrenzung der [X.] auf unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit im Leistungsbezug stehende Personen nicht feststellen. Dem geltenden Recht ist eine allgemeine [X.] aller Selbständigen in der Arbeitslosenversicherung fremd (vgl [X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] Rd[X.]2) und die Einbeziehung dieses Personenkreises mit Risiken für die Arbeitslosenversicherung verbunden (vgl BT-Drucks 15/1515 [X.] zu [X.]0 Abs 2). Dass der in der sozialpolitischen Gestaltung weitgehend freie Gesetzgeber vor diesem Hintergrund nur Personen mit einer besonders engen Beziehung zur Arbeitslosenversicherung, manifestiert durch den Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem [X.] unmittelbar vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (vgl auch [X.] [X.] 4-4300 § 28a [X.] 4 Rd[X.]8), das Privileg einer [X.] gewährt hat, ist sachlich einleuchtend und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

d) Ohne Bedeutung für die Auslegung des § 28a Abs 1 [X.] [X.] [X.] aF ist, ob dieses Ergebnis, das nach Ansicht des [X.] keinen Anreiz für eine schnelle Beendigung der Arbeitslosigkeit setzt, sondern vielmehr Anlass dafür bietet, eine verhängte Sperrfrist abzuwarten, danach Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen und erst dann eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, um so in den Genuss der Weiterversicherungsberechtigung zu gelangen, sozialpolitisch überzeugend ist. Zwar gehört es zu den Aufgaben der [X.], das Recht fortzuentwickeln. Dieser Befugnis sind jedoch mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs 3 GG) Grenzen gesetzt. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des [X.], keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein ([X.] NJW 2011, 836 Textziffer 53 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Meta

B 5 AL 1/15 R

07.04.2016

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG München, 25. Mai 2011, Az: S 37 AL 878/09, Urteil

§ 28a Abs 1 S 2 Nr 2 Alt 1 SGB 3 vom 28.05.2008, § 28a Abs 1 S 2 Nr 2 Alt 2 SGB 3 vom 28.05.2008, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2016, Az. B 5 AL 1/15 R (REWIS RS 2016, 13386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13386

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