Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2017, Az. VI ZR 562/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 17691

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:100117UVIZR562.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]/15
Verkündet am:

10. Januar 2017

Olovcic

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 [X.]., § 1004 Abs. 1 Satz 2

Zur Erfassung ihres objektiven Sinngehalts muss eine Äußerung in dem Gesamtzu-sammenhang
beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen [X.] von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entklei-den. Mehr noch als beim geschriebenen Wort ist bei dem in einem Fernsehbeitrag gesprochenen Wort angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei dem verständigen und un-voreingenommenen Publikum ankommt.

[X.], Urteil vom 10. Januar 2017 -
VI [X.]/15 -
Hanseatisches OLG

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar
2017
durch [X.], den
Richter
Offenloch und die Richterinnen Dr. [X.], [X.] und [X.]
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.]
wird das Urteil des 7. Zivilse-nats des Hanseatischen
[X.]
vom 8. Sep-tember
2015 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der
[X.] wird
das Urteil des [X.] vom 21. November 2014 im Kostenpunkt und dahingehend
abgeändert, dass die Klage insgesamt abge-wiesen wird.
Der Kläger trägt
insoweit
die
Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

-

3

-

Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der
[X.] die
Unterlassung von [X.].
Der Kläger ist Redakteur in dem Ressort "Politik" bei der Wochenzeitung "[X.]". Die Beklagte strahlte in ihrem Fernsehprogramm am 29. April 2014 das Satireformat "Die Anstalt" aus. Gegenstand der Sendung war unter ande-rem ein Dialog zwischen den Kabarettisten U. und v.[X.], in dem es um die [X.] der Unabhängigkeit von
Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Begleitend zu dem Dialog wurde eine Schautafel eingeblendet. Am unteren Rand der Schautafel fanden sich Bilder von Journalisten, unter anderem
ein Porträt des [X.]. Darüber waren in zwei Reihen die Namen von insgesamt zwölf Organisationen aufgeführt, die sich mit Sicherheitspolitik befassen. Die Bilder der Personen am unteren Rand waren durch teilweise
sich kreuzende Linien mit den in der
unteren Reihe gezeigten Namen der Organisationen [X.]. Vom Porträt des [X.] führten
dahin
insgesamt drei
Linien. Sämtli-che Linien waren zunächst abgedeckt.
In dem Dialog der Kabarettisten wurden die Namen einiger der Organisa-tionen und der
abgebildeten Journalisten erwähnt, zunächst aber nicht der Na-me des [X.]. Als auf
der Schautafel die
Linien aufgedeckt
wurden, lautete
der Dialog wie folgt:
U.: [X.] -
das ist aber ein ganz schön dichtes Netzwerk, sagen Sie mal.
v.[X.]: Ja, ja.
U.: Und, äh, jede dieser Linien steht also für die Verbindung eines Jour-

1
2
3
-

4

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U.: Naja gut, die sind ja nur da, um zu recherchieren.
v.[X.]: Nein, die recherchieren da nicht, die sind da Mitglieder, Beiräte, Vorstände.
Nach einem [X.], der den Kläger nicht betraf, befassten sich die Kabarettisten mit der Rede des Bundespräsidenten [X.] bei der Münche-ner Sicherheitskonferenz
2014, wobei unter anderem das Porträt des [X.] auf der Schautafel eingeblendet
wurde.

U: Wer ist das denn?
v.[X.]: Oh, das ist J.

B.

von der "[X.]".

v.[X.]: Sie wissen noch, die Rede vom [X.] bei der [X.] Sicher-heitskonferenz?
U.: Uh, ja ja, oh Gott, mehr Bundeswehreinsätze im Ausland.
v.[X.]: Ja, ist vorbereitet worden von einem transatlantischen Thinktank,
[X.], und da war zufällig jemand dabei -
J.

B.

von der "[X.]".
U.: [X.], aber er wird doch genügend Anstand besessen haben, sein Schreiben für [X.] zu trennen von seinem Schreiben für "[X.]."
v.[X.]: Aaah, das wär' schön. [X.], er hat, nachdem [X.] seine Rede gehalten hat -
naja positiv über [X.]s Rede berichtet in der "[X.]".
4
-

5

-

U.: Moment mal: Ein Journalist der "[X.]"
arbeitet an einem Strategiepa-pier mit,
v.[X.]: Ja
U.: das
die Außenpolitik [X.] neu ausrichtet
v.[X.]: Ja
U.: und schreibt dann hinterher wohlwollend über diese Strategie
v.[X.]: Ja -
vergisst aber leider nur zu erwähnen, dass er an der Strategie selber mitgebastelt hat.
U.: Sagen Sie mal, ist das denn nicht verboten?
v.[X.]: Ja.
U.: Ach, sehr schön.
v.[X.]: Aber nicht bei uns.
Diesem
[X.] liegt
folgender
Sachverhalt zugrunde: Aufgrund
einer gemeinsamen Initiative des [X.] ([X.]) und der [X.] ([X.]) war von November 2012 bis September 2013 das Projekt "Elemente einer außenpolitischen Strate-gie für [X.]" durchgeführt worden. Zweck des Projekts war es, Einfluss auf außenpolitische Grundsatzentscheidungen [X.] zu nehmen. Zu den 51 Mitgliedern der Expertengruppe zählte auch der Kläger. Ergebnis des Projekts war ein Strategiepapier, das im Oktober 2013 vorgestellt wurde. Der damalige Direktor des [X.] und Mitinitiator des Projekts, Herr
K.-B., wechselte im August 2013 vom [X.] in das Bundespräsidialamt, wo er Leiter der [X.]
-

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-

stelle Planung und Reden wurde und für Reden des Bundespräsidenten ver-antwortlich war. Am 31. Januar 2014 hielt der Bundespräsident eine
Rede vor der [X.] Sicherheitskonferenz, in die Gedanken des Strategiepapiers [X.]. Über diese Rede schrieb
der Kläger in einem gemeinsam mit einem weiteren Autor
verfassten Artikel in "[X.]". Er befasste sich wohlwollend mit der Rede und berichtete zur Vorgeschichte des "[X.]" über die Arbeit der Strategiegruppe und den Wechsel von K.-B.
in das [X.]. Erst in einer Folgeausgabe von "[X.]" wurde die Teilnahme des [X.] an dem Projekt offengelegt, was zu einer Diskussion über journalistische Berufsethik führte.
Der Kläger verlangt, der [X.] die Behauptung und Verbreitung der Äußerung zu untersagen, er sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von drei [X.], die auf der Schautafel genannt sind. Die sich aus der Anzahl der Li-nien ergebende Behauptung von drei Verbindungen sei falsch. Ferner sei der [X.] die Behauptung zu untersagen, "der Kläger habe im Zusammenhang mit der Rede des Bundespräsidenten [X.] vor der [X.] Sicherheitskon-ferenz für den Bundespräsidenten geschrieben."
Das [X.] hat der Klage im Hinblick auf die Äußerung, der Kläger sei Mitglied, Beirat oder Vorstand
von drei Organisationen, stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hin hat das Oberlandesgericht
der Klage insgesamt stattgegeben. Die Berufung der Beklag-ten, gerichtet auf vollständige Klageabweisung, hat es zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt
die Beklagte
ihr Ziel der
vollständi-gen Klageabweisung
weiter.
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7
-

7

-

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] für zulässig und [X.] erachtet. Die Berufungsbegründung erfülle die gesetzlichen Formerfor-dernisse. Sie lasse erkennen, aus welchen Gründen das angefochtene Urteil aus Sicht des [X.] unrichtig sei, auch [X.]n sie sich mit den Ausführungen des [X.]s nicht in allen Einzelheiten auseinandersetze. Dem Kläger [X.] der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §
823 Abs. 1, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG zu. Zwar werde in der Sendung "Die Anstalt" ersichtlich mit den Mitteln der Satire gearbeitet. Voraussetzung dafür, dass eine Äußerung unter dem Gesichtspunkt der Satirefreiheit besonderen Schutz genieße, sei aber, dass der Rezipient die satirische Überzeichnung [X.], so dass er die Veränderung als Teil der für satirische Darstellungen ty-pischen Verfremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Mei-nungsbildung bewertend einordnen könne. Eine unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbil-dung nicht dienen könne, sei auch dann [X.], [X.]n die Information in einem satirischen Kontext erfolge. In dem Beitrag werde
durch die Formulierung "sein Schreiben für [X.]"
und den Vorwurf, dass der Kläger nicht genügend Anstand gehabt habe, "sein Schreiben für [X.] zu trennen von dem Schreiben für '[X.]'
"
dem Zuhörer der Wahrheit zuwider vermit-telt, der Kläger habe bewusst an der Vorbereitung der Rede des [X.] mitgewirkt. Der Zuschauer werde nicht in die Lage versetzt zu erkennen, dass diese Behauptung nicht wörtlich zu verstehen sei. Er gehe nicht davon aus, dass ihm bei der Sachverhaltsschilderung, die Grundlage
der Kritik sei, unzutreffende Fakten mitgeteilt würden.
Die Behauptung werde auch nicht dadurch korrigiert, dass im weiteren Dialog nicht mehr von der Vorbereitung der 8
-

8

-

Rede, sondern von der Mitarbeit an dem Strategiepapier die Rede sei, denn der Dialog enthalte keinerlei Hinweis darauf, dass eine vorherige Äußerung nicht mehr aufrechterhalten werde. Die Behauptung verletze den Kläger in seiner Ehre, da ihm unterstellt werde, über eine von ihm mitvorbereitete Rede in dem Zeitungsartikel
positiv berichtet zu haben.
Die Berufung der [X.] sei unbegründet. Der Rezipient des Beitrags gehe davon aus, dass der Kläger bei
drei
der auf der Schautafel aufgeführten Organisationen in irgendeiner Weise persönlich tätig gewesen sei. Die Behaup-tung sei unwahr, da dem Kläger lediglich
eine Verbindung
zu einer der genann-ten Organisationen, dem
[X.], zuzuordnen sei.
Verbindungen zu Organisatio-nen, die auf der Schautafel nicht genannt
seien, seien nicht mitzuzählen.
Die Behauptung werde nicht dadurch korrigiert, dass in dem
späteren
den Kläger betreffenden Teil des Dialogs die
[X.] Sicherheitskonferenz und der [X.] erwähnt würden; denn in diesem Teil des Dialogs werde über die auf dem Schaubild gezogenen Linien nicht mehr gesprochen.

II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Keinen Erfolg hat allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsge-richt habe die Berufungsbegründung des [X.] zu Unrecht für
ordnungsge-mäß erachtet. Die Berufungsbegründung ist zwar sehr knapp
gehalten. Es wird gerügt,
die Argumentation des [X.]s sei
nicht im Ansatz nachzuvollzie-hen, weil mit den angegriffenen Äußerungen dem Zuhörer der Wahrheit zuwider vermittelt werde, dass der Kläger bewusst an der Vorbereitung der Rede
von 9
10
11
-

9

-

Bundespräsident [X.]
mitgewirkt habe. Damit [X.]det sich die [X.] vor allem gegen die gegenteilige Meinung des [X.]s zum Sinngehalt der Äußerung
und betont, dass eine unwahre, also nicht zu [X.] Tatsachenbehauptung vorliege. Zudem verweist die Berufungsbegründung auf die Begründung des [X.] in einem
zuvor
ergangenen [X.], in welchem der [X.] die streitgegenständliche Behauptung im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt worden war. Damit lässt die [X.] -
wie für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung erfor-derlich
-
erkennen, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der [X.] das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Für die Zulässigkeit der Berufung ist ohne Bedeutung, ob diese Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind
(st. Rspr.: Senatsbeschlüsse
vom 10.
März 2015 -
VI [X.], NJW 2015, 1458 Rn. 8; vom 11. März 2014 -
VI
ZB 22/13, [X.], 895 Rn. 8; [X.],
Beschluss
vom 28. Juli 2016 -
III ZB 127/15, NJW 2016, 2890 Rn. 10; jeweils mwN).
2. Dem
Kläger
steht aber
ein Anspruch auf Unterlassung der streitge-genständlichen Äußerungen
aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG
nicht zu, so dass seine
Berufung unbegründet und die der [X.] begründet ist. Von Seiten der [X.] wurden die Äußerungen, gegen die sich der Kläger [X.]det, bei zutreffender Sinndeutung ihrer Aussagen in dieser Form nicht getätigt.

a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Vo-raussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres [X.]. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenom-12
13
-

10

-

menen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut -
der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann -
und dem allgemeinen Sprachge-brauch sind bei der Deutung der
sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu [X.], soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollstän-digen [X.] muss die beanstandete Äußerung stets in dem [X.] beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung [X.] werden (st. Rspr.; z.B. Senatsurteile vom 27. September 2016 -
VI
ZR 250/13, juris Rn. 12; vom 12. April 2016 -
VI [X.], [X.], 938
Rn.
11;
vom 18. November 2014 -
VI [X.], [X.]Z 203, 239 Rn. 19; vom 27. Mai 2014 -
VI [X.], [X.], 449 Rn. 13 f., jeweils
mwN).

Wird die beanstandete
Äußerung im Rahmen eines
satirischen Beitrags
getätigt, ist sie zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen [X.] von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist,
zu befreien
(vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 -
VI [X.], [X.]Z 143, 199, 209; [X.] 75, 369, 377 f.; [X.] 81, 278, 294; [X.] 86, 1, 12; [X.], NJW 1998, 1386, 1387; [X.], [X.], 171, 172). Aussagekern und Ein-kleidung sind sodann einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zu unterziehen, wobei die Maßstäbe für die Beurteilung
der Einkleidung anders und [X.]iger streng sind als die für die Bewertung des [X.] (Senatsurteil vom 7.
Dezember 1999
-
VI [X.], [X.]Z 143, 199, 209 mwN; [X.] 75, 369, 378; [X.] 81, 278, 294; [X.], NJW 1998, 1386, 1387).
Enthält der satiri-sche Beitrag eine unrichtige Tatsachenbehauptung, so kommt es für die rechtli-che Beurteilung auch darauf an, ob für den Empfänger erkennbar ist, dass es sich dabei um eine für die Satire typische Verfremdung oder Übertreibung han-delt, er sie also für seine Meinungsbildung bewertend einordnen kann, oder ob 14
-

11

-

er zu der irrigen Einschätzung kommen kann, die Aussage sei tatsächlich wahr (vgl. [X.], [X.], 171, 173).
b) Entgegen der Annahme
des Berufungsgerichts
vermittelt der
Dialog
dem Zuhörer
nicht
der Wahrheit zuwider, der Kläger habe bewusst an der [X.] der Rede des Bundespräsidenten mitgewirkt
und in diesem Sinne für den Bundespräsidenten geschrieben. er wird doch genügend Anstand
besessen haben, sein
Schreiben für [X.] zu trennen von seinem Schreiben für '[X.]'
" aus dem Dialog isoliert heraus und würdigt weder hinreichend den
Kontext, in welchem die Äußerung
gefallen ist, noch deren satirisches Gewand.

Mehr noch als beim geschriebenen Wort
ist bei
dem in einem Fernseh-beitrag
gesprochenen Wort angesichts der Vielzahl der auf einen Moment kon-zentrierten Eindrücke
in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei dem ver-ständigen
und unvoreingenommenen Publikum ankommt.
Der hier zu untersu-chende
Dialogauszug beginnt damit, dass eine Verbindung zwischen dem Klä-ger als Journalist
einer bekannten Wochenzeitung, dem [X.] und der Rede des Bundespräsidenten [X.] bei der [X.] Sicherheitskonferenz hergestellt wird. Der Zuschauer erfährt von einer nicht näher erläuterten
"Vorbereitung" der Rede durch den [X.] unter Beteiligung des [X.] und davon, dass
dieser anschließend
über diese Rede positiv in "DIE
[X.]"
berichtet
hat. Der eigentli-che
Sinngehalt der
in diesem Zusammenhang getätigten
Äußerung, der Kläger werde doch wohl genügend Anstand besessen haben, sein Schreiben für [X.] zu trennen von seinem Schreiben für "[X.]", lässt sich zu diesem Zeitpunkt für den Zuschauer
noch
nicht voll erfassen. Nahe liegt
ein [X.] zwischen dem Ausdruck
"Schreiben für [X.]" und der zuvor [X.] "Vorbereitung" der Rede durch den [X.] unter Beteiligung des [X.], die Einzelheiten bleiben aber noch unklar.
Es zeichnet sich
zwar
schon an 15
16
-

12

-

dieser Stelle die
den Tenor des [X.] bildende Kritik an mangelnder Grenzziehung zwischen [X.] und journalistischer Tätigkeit ab, es fehlt aber in Bezug auf den Kläger
noch an einer hinreichend verständlichen
Sachverhaltsschilderung als Grundlage für die
Kritik. Die Erläuterung der
Zu-sammenhänge und die Ergänzung um die noch fehlenden Fakten erfolgt in den sich anschließenden Fragen und Antworten. Eingeleitet mit den Worten "[X.] mal"
macht der Fragende deutlich, dass er wissen will, ob er die Bedeu-tung des bislang Gesagten
richtig verstanden
hat. Er fasst sodann
Schritt für Schritt die von ihm im Laufe des [X.]s gewonnenen Erkenntnisse zusammen und
lässt sich diese
-
ebenfalls Schritt für Schritt
-
bestätigen. Damit wird dieser
Teil des Dialogs als Erklärung und Ergänzung
des vorangegangen Teils sowie
als Quintessenz der "Geschichte" verstanden.
Es stellt sich heraus, dass mit "Vorbereitung" der Rede durch den [X.] die Erarbeitung eines Strate-giepapiers gemeint ist.
Beim Zuschauer kommt im Ergebnis die Botschaft an, dass der Kläger (über den [X.]) an einem Strategiepapier mit außenpoliti-schem Inhalt mitgearbeitet hat, welches
in die Rede des Bundespräsidenten eingeflossen ist
-
diese also objektiv "vorbereitet" hat
-,
und dass der Kläger, ohne seine Mitwirkung zu offenbaren, als Journalist in "[X.]"
positiv über die Rede bzw. das Strategiepapier berichtet hat.
Diese Tatsachenbehauptun-gen
bilden den Aussagekern des Dialogs, sie
sind nach den den Senat binden-den Feststellungen der Vorinstanzen wahr und daher zu Recht
nicht Gegen-stand des Unterlassungsantrags.
Um
den
mit dem
Unterlassungsantrag unterstellten und angegriffenen Vorwurf, der Kläger habe bewusst an der Vorbereitung einer Rede des [X.] mitgewirkt und in diesem Sinne ein "Schreiben" für diesen
ver-fasst, geht es hingegen aus Sicht des unbefangenen Publikums nicht. Es soll nicht die Aussage verbunden mit der Kritik vermittelt werden, der Kläger
habe
bei seiner Mitarbeit an dem Strategiepapier gewusst, dass dieses in eine Rede 17
-

13

-

des Bundespräsidenten einfließen würde.
Vielmehr ist der Dialog nach seinem Gesamtzusammenhang
als Information verbunden mit der Kritik daran zu [X.], dass der Kläger
sich
in einer Organisation politikberatend betätigt und sodann über das von der Politik aufgenommene Arbeitsergebnis dieser [X.] positiv
berichtet hat, ohne seine Vorbefassung zu offenbaren. Zum Ende des
[X.]s stellt sich -
rückblickend
-
der anfangs
in seiner Bedeutung
nur
schwer erfassbare
Satz zum Schreiben für [X.] einerseits und für "[X.]"
andererseits
ohne weiteres erkennbar
als satiretypische
Verkürzung und
Zuspitzung
dar, die deshalb nicht in dem vom Kläger und vom Berufungsgericht angenommenen Sinne missverstanden werden kann, weil eine Erläuterung des Sinngehalts im Laufe des Dialogs erfolgt ist.
c) Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen haben die Kabarettisten in der von der [X.] ausgestrahlten Sendung
ferner nicht die Äußerung getätigt, der Kläger sei Mitglied, Beirat oder Vorstand von drei Organisationen, die auf der Schautafel genannt sind. Eine
ausdrückliche Behauptung dieses
Inhalts wird
in dem Dialog
nicht aufgestellt. Sie lässt sich auch nicht dem Umstand ent-nehmen, dass auf der Schautafel von dem Porträt des [X.] drei Linien zu dem Bereich der Schautafel führen, in dem die Organisationen genannt sind. In
der Sequenz
des Dialogs, in welchem die Schautafel erläutert wird, die Linien aufgedeckt
werden und mitgeteilt
wird, dass jede dieser Linien für die Verbin-dung eines Journalisten zu einer dieser Organisationen stehe, wird der Kläger als einziger der abgebildeten Journalisten nicht
namentlich erwähnt. Die Auf-merksamkeit der Zuschauer wird
in diesem Moment
ausweislich des vom [X.] in Bezug genommenen Mitschnitts der Sendung
noch nicht auf den Kläger gelenkt. Dem unvoreingenommenen Publikum wird an dieser Stelle
allenfalls vermittelt, dass noch ein weiterer
Journalist
in irgendeiner Weise in das angesprochene "dichte Netzwerk" eingebunden ist. Die Botschaft, dass es sich dabei um den Kläger handelt und dass dieser zu genau drei [X.]
-

14

-

nen Verbindungen hat, wird dem Publikum, das sich auf den Dialog,
die Dar-steller und
den Gesamteindruck der Tafel
("dichtes Netzwerk")
konzentriert, nicht vermittelt. In dem anschließenden [X.] von rund eineinhalb Minuten befassen
sich die Darsteller
in drei weiteren Sequenzen
mit anderen
Journalisten und Organisationen. Erst danach
wird mitgeteilt, um [X.] es sich bei dem bislang nicht vorgestellten Journalisten handelt. Es folgt der oben unter b) behandelte [X.] zur Rede des Bundespräsidenten [X.] bei der [X.] Sicherheitskonferenz, wobei begleitend auf die in den Reihen der Organisationen befindlichen Namenszüge der [X.] Sicherheitskonferenz und des [X.] gezeigt wird. In diesem Abschnitt konzentriert sich der Zuschauer auf die
mündliche
Erläuterung, aus welchen Gründen
die Darsteller an der
jour-nalistischen Unabhängigkeit
des [X.]
im Zusammenhang mit seinem Artikel über die Rede des Bundespräsidenten bei der [X.] Sicherheitskonferenz zweifeln. Der verständige
Zuschauer versteht in diesem Zusammenhang
die Botschaft, dass und vor welchem Hintergrund
auch der Kläger in das auf der Schautafel mit den
sich teilweise kreuzenden
Linien dargestellte Gesamtnetz-werk eingebunden sein soll.
Es ist hingegen fernliegend, dass sich das Publikum
an dieser Stelle an die einige Sequenzen zuvor getätigte Äußerung erinnert, dass jede der auf der Schautafel eingezeichneten
Linien für eine
persönliche Verbindung
eines Jour-nalisten
zu einer der Organisationen stehe,
dass es
dies
außerdem
wörtlich nimmt, auch auf den Kläger bezieht, und nachzählt, wie
viele Linien vom Porträt des [X.] wegführen.
Selbst [X.]n einzelne Zuschauer der Schautafel in [X.] mit dieser Äußerung
den Aussagegehalt entnehmen sollten, der Kläger sei Mitglied bei drei der auf der Schautafel genannten Organisationen gewesen, träte dieser Aussagegehalt angesichts der Abfolge der Sequenzen, der Vielzahl der auf einen
Moment konzentrierten Eindrücke
und des
Gesamtzusammen-hangs der Sendung
völlig in den Hintergrund.

19
-

15

-

III.
Aufgrund seines vollständigen Unterliegens hat der Kläger über die ihm durch das [X.] teilweise auferlegten Kosten hinaus die Kosten des ge-samten Rechtsstreits zu tragen.
Galke
Offenloch
[X.]

Roloff
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.11.2014 -
324 [X.]/14 -

O[X.], Entscheidung vom 08.09.2015 -
7 [X.] -

20

Meta

VI ZR 562/15

10.01.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2017, Az. VI ZR 562/15 (REWIS RS 2017, 17691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17691

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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