Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2022, Az. 3 StR 128/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4471

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Gegenstand

Einziehung von Tatmitteln bei dem Gehilfen: Erkennbarkeit tatrichterlicher Ermessensausübung im Urteil; Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Hilfeleistung zum Betäubungsmittelhandel


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. November 2021 im Ausspruch über die Einziehung des Pkw [X.] nebst [X.] und [X.] und des [X.] ([X.]) aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen vier Fällen der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es die Einziehung der in der Entscheidungsformel

näher bezeichneten Gegenstände als Tatmittel angeordnet. Die Angeklagte macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend. Ihr Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen handelte der Lebensgefährte der Angeklagten regelmäßig mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. In Kenntnis dieses Umstands überbrachte sie ihm anlässlich einer Beschaffungsfahrt sein Encrochat-Handy und 18.800 € Bargeld (Fall [X.] 2. der Urteilsgründe), überließ ihm ihren eingezogenen Pkw [X.] im Wert von 7.500 € für eine solche Fahrt (Fall [X.] 10. der Urteilsgründe) und ermöglichte ihm an zwei weiteren Tagen, nachdem er seinen Führerschein hatte abgeben müssen, den An- und Verkauf sowie den Transport von Betäubungsmitteln, indem sie ihn in dem Pkw [X.] zu Übergaben fuhr (Fälle [X.] 13. und 14. der Urteilsgründe). Für Absprachen mit dem Lebensgefährten nutzte sie das eingezogene [X.] im Wert von 1.000 €. Finanziell profitierte sie nicht von den Taten.

3

2. Während der Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler aufweisen, ist die Einziehung von Fahrzeug und Mobiltelefon der Angeklagten nicht tragfähig begründet und deshalb aufzuheben.

4

Nach § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, als Tatmittel eingezogen werden. Die Anordnung einer solchen Einziehung steht im Ermessen des Tatgerichts. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB). Den Urteilsgründen muss grundsätzlich zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren (s. bereits zur früheren Rechtslage [X.], Beschluss vom 31. März 2016 - 2 [X.], [X.]R StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 2 Rn. 10 mwN; nachfolgend etwa [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 2020 - 2 StR 452/18, juris Rn. 5; vom 9. Juni 2020 - 5 [X.], juris Rn. 4; vom 11. Januar 2022 - 3 StR 415/21, juris Rn. 6).

5

Hieran fehlt es. Weder lässt sich den Urteilsgründen eine Ermessensausübung entnehmen, noch ist mit Blick auf die konkreten Umstände eine nähere Begründung entbehrlich gewesen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2020 - 2 StR 44/20, juris Rn. 11). Es ist auch nicht auszuschließen, dass die [X.] bei einer Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (vgl. zu [X.] etwa [X.], Beschluss vom 4. November 2020 - 6 StR 333/20, juris Rn. 8).

6

3. Die Aufhebung der Einziehung berührt den Strafausspruch nicht. Denn das [X.] hat die Einziehung der Gegenstände zugunsten der Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt (s. etwa [X.], Beschluss vom 3. Mai 2018 - 3 StR 8/18, [X.], 526 mwN). Auf ihre Revision käme selbst bei einem Wegfall der Einziehung eine Erhöhung der Strafe wegen des Verbots der Schlechterstellung nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht.

7

4. Die der [X.] zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); widerspruchsfreie, ergänzende Feststellungen sind möglich.

Schäfer     

        

Anstötz     

        

     Erbguth

                          

Ri[X.] Dr. [X.] befindet sich
im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

        
        

Kreicker     

        

Schäfer

        

Meta

3 StR 128/22

28.06.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aurich, 5. November 2021, Az: 13 KLs 9/21

§ 27 StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 74 Abs 2 StGB, § 74f Abs 1 S 1 StGB, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.06.2022, Az. 3 StR 128/22 (REWIS RS 2022, 4471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4471

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