Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.01.2022, Az. 3 StR 415/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5116

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Gegenstand

Strafverfahren: Ermessensentscheidung hinsichtlich der Einziehung von Tatmitteln; Einziehung von Kryptowährungen und Wertersatzeinziehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2021 im Ausspruch über die Einziehung des Pkw [X.] und des Pkw [X.] nebst Fahrzeugschlüsseln, Fahrzeugscheinen und Zulassungsbescheinigungen aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf tateinheitlichen Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von [X.] in Tateinheit mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat die Einziehung eines Pkw [X.] und eines Pkw [X.], jeweils nebst Fahrzeugschlüsseln, Fahrzeugschein und Zulassungsbescheinigung, als Tatmittel, von [X.] in Höhe von insgesamt 80.665 €, näher bezeichneter Kryptowährungen und des Wertes von [X.] in Höhe von 104.202,49 € angeordnet. Der Angeklagte macht mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Mit der Sachrüge hat er den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

2

1. [X.] greift, wie in der Antragsschrift des [X.] zutreffend dargelegt, im Ergebnis nicht durch.

3

2. Auf die materiellrechtliche Prüfung des Urteils ist der Ausspruch über die Einziehung der beiden Pkw aufzuheben. Ansonsten liegt kein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler vor. Insoweit bedürfen allein die angeordneten Einziehungen näherer Erörterung.

4

a) Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte mit Betäubungsmitteln und fuhr zu deren Übergabe an die Abnehmer mit den beiden eingezogenen Autos. Von Mitteln, die aus seinen Geschäften herrührten, investierte er insgesamt 8.500 € in den Erwerb von Kryptowährungen, die er fortan behielt. Von weiter erwirtschafteten Geldern wurden 81.870 € bei dem Angeklagten und zwei Mitangeklagten sichergestellt. Die von ihm durch die Taten erzielten Einnahmen hat die [X.] ermittelt, indem sie - teils aufgrund von Schätzungen - zunächst den Gesamtverkaufswert der vom Angeklagten erworbenen Betäubungsmittel errechnet und davon die Verkaufswerte der sichergestellten sowie der vom Mitangeklagten durch Eigenkonsum verbrauchten Betäubungsmittel abgezogen hat. Zur Berechnung der Höhe des einzuziehenden Wertes der [X.] hat sie von den Einnahmen das aufgefundene, als Tatertrag eingezogene Bargeld subtrahiert.

5

b) Die Einziehung der beiden Pkw ist nicht tragfähig begründet.

6

Nach § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, als Tatmittel eingezogen werden. Die Anordnung einer solchen Einziehung steht, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, im Ermessen des Tatgerichts. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die nicht vorgeschriebene Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB). Den Urteilsgründen muss grundsätzlich zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren (s. bereits zur früheren Rechtslage [X.], Beschluss vom 31. März 2016 - 2 [X.], [X.]R StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 2 Rn. 10 mwN; nachfolgend etwa [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 2020 - 2 StR 452/18, juris Rn. 5; vom 9. Juni 2020 - 5 [X.], juris Rn. 4).

7

Weder zeigen die Urteilsgründe, auch in ihrem Gesamtzusammenhang, eine Ermessensausübung auf, noch ist mit Blick auf die konkreten Umstände eine nähere Begründung entbehrlich gewesen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2020 - 2 StR 44/20, juris Rn. 11).

8

Die Anordnung der Einziehung der beiden Fahrzeuge nebst Zubehör ist aufzuheben, da nicht auszuschließen ist, dass die [X.] bei einer Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre (vgl. zu [X.] etwa [X.], Beschluss vom 4. November 2020 - 6 StR 333/20, juris Rn. 8). Dies berührt den Strafausspruch nicht; denn das [X.] hat die Einziehung der Kraftwagen in einem Gesamtwert von rund 27.000 € bereits - entsprechend der ständigen Rechtsprechung des [X.] (s. etwa [X.], Beschluss vom 3. Mai 2018 - 3 StR 8/18, [X.], 526 mwN) - zugunsten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt. Auf seine Revision käme selbst bei einem Wegfall der Einziehung eine Erhöhung der Strafe wegen des Verbots der Schlechterstellung gemäß § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht.

9

Die der [X.] zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); widerspruchsfreie, ergänzende Feststellungen sind möglich.

c) Im Übrigen enthält die [X.] keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler.

Das [X.] hat zutreffend die Einziehung des sichergestellten Bargeldes als Tatertrag und der Kryptowährungen als dessen Surrogat gemäß § 73 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 Variante 1 StGB angeordnet. Bei der Einziehung des Wertes von [X.] nach § 73c Satz 1 StGB hat es zwar zu Unrecht die Surrogateinziehung nicht bedacht. Dies wirkt sich aber aufgrund anderweitiger Rechenfehler nicht zum Nachteil des Angeklagten aus.

aa) Die Einziehung des Wertes von [X.] setzt nach § 73c Satz 1 StGB voraus, dass die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des [X.] oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist oder von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 3 oder nach § 73b Abs. 3 StGB abgesehen wird. Da das [X.] die Einziehung der mit [X.] erworbenen Kryptowährungen angeordnet hat, steht dies einer Wertersatzeinziehung nach § 73c Satz 1 StGB hinsichtlich eines Betrages von 8.500 € entgegen.

Hierbei kommt es auf den aktuellen Wert der Kryptowährungen nicht an, weil sie lediglich an die Stelle des für ihren Erwerb verwendeten ursprünglichen Tatertrages von 8.500 € getreten sind. Selbst wenn ihr Wert zwischenzeitlich gestiegen wäre, wäre dies für die auf die restlichen [X.] bezogene Wertersatzeinziehung ohne Belang und eine etwaige Wertsteigerung damit nicht zu verrechnen. Für den - hier nach den Umständen fernliegenden - Fall, dass es zwischenzeitlich zu einer Wertminderung gekommen wäre, käme in dieser Höhe zwar gemäß § 73c Satz 2 StGB eine Einziehung des Wertes von [X.] neben der Surrogateinziehung in Betracht (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt [X.], Beschluss vom 21. August 2018 - 2 [X.], [X.], 20 Rn. 9). Allerdings hat das [X.] die Einziehung weder hierauf gestützt noch Feststellungen zum aktuellen Wert der Währungen getroffen.

bb) Die unterbliebene Berücksichtigung der Einziehung der Kryptowährungen reduziert den Betrag der vom [X.] angeordneten Wertersatzeinziehung im Ergebnis nicht. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den erworbenen Betäubungsmitteln und zu deren Mindestverkaufspreisen ergibt sich, dass der Angeklagte - neben anderen Stoffen - insgesamt 10.700 Gramm Marihuana sowie 1.985 Gramm Kokain erlangte und sich deren Verkaufswert auf 74.900 € sowie 129.025 € belief. Demgegenüber hat die [X.] lediglich Beträge von 67.900 € und 122.525 €, also insgesamt 13.500 € weniger, errechnet und in ihre [X.] einbezogen. Unter Anwendung des von ihr rechtsfehlerfrei gewählten Rechenweges und Ansatz der weiteren Erlöse verbleibt somit nach Abzug von 8.500 € jedenfalls ein Wertersatzbetrag in der vom [X.] angeordneten Höhe.

In der gegebenen Konstellation kann der evidente Rechenfehler zur Kompensation des unterbliebenen Abzugs für die Einziehung der Kryptowährungen herangezogen werden. Da es nicht um die Erhöhung eines Einziehungsbetrages für eine einzelne Tat zu Lasten des Angeklagten, sondern Additionsfehler in der Ermittlung des Gesamtbetrages ohne Änderung der ausgeurteilten Rechtsfolge geht, steht das die [X.] umfassende, tatbezogen zu prüfende Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO (s. [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 2020 - 3 StR 82/20, juris Rn. 11; vom 7. Juli 2021 - 2 StR 20/21, juris Rn. 5) dem dargelegten Ergebnis nicht entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 3. November 2021 - 6 StR 448/21, juris Rn. 5).

Schäfer     

        

Ri'in[X.] Wimmer ist erkrankt
und deshalb gehindert zu
unterschreiben.

        

Anstötz

                 

Schäfer

                 
        

Kreicker     

        

     Voigt     

        

Meta

3 StR 415/21

11.01.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 17. Juni 2021, Az: 4 KLs 2090 Js 41044/20

§ 73 Abs 1 StGB, § 73 Abs 3 Nr 1 Alt 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 74 Abs 1 StGB, § 74f Abs 1 S 1 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.01.2022, Az. 3 StR 415/21 (REWIS RS 2022, 5116)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5116

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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