Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2012, Az. VII ZR 155/10

7. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3680

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Gegenstand

Hemmung der Verjährung durch Anerkenntnis bei Mängelbeseitigung


Leitsatz

Ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegt nicht vor, wenn ein Unternehmer auf Aufforderung des Bestellers eine Mängelbeseitigung vornimmt, dabei jedoch deutlich zum Ausdruck bringt, dass er nach seiner Auffassung nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist.

Tenor

Der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.

Das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 4. August 2010 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Kläger auf die Widerklage zur Zahlung von 9.520 € nebst Zinsen sowie zur Freistellung von Forderungen der Frau      M.     und des Herrn      D.   wegen Kosten der Mängelbeseitigung verurteilt worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Beschwerde des [X.] wird zurückgewiesen. Von einer Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

Streitwert (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG): bis zu 25.000 € (bezifferte Widerklage 20.739,20 €; Freistellung: 2.000 €; Feststellung: 2.000 €)

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die vom Kläger verlangte Herausgabe einer Originalbürgschaftsurkunde über eine Gewährleistungsbürgschaft sowie mit der Widerklage erhobene Gewährleistungsansprüche der Beklagten und einen Schadensersatzanspruch des Beklagten zu 2 wegen Kostenschäden aus einem Vorprozess.

2

Der Kläger nahm im Auftrag der in einer Projektgemeinschaft verbundenen Beklagten 1999 Rohbauarbeiten für ein Doppelhaus in [X.]     vor. Die Beklagten entrichteten die letzte Zahlung an ihn am 3. Dezember 1999.

3

In einem Rechtsstreit der Bauherren gegen den Beklagten zu 2 wurde später festgestellt, dass die Abdichtung des [X.] an dem Bauvorhaben mangelhaft ausgeführt und die sogenannte [X.] über den Schlafzimmerfenstern zu erneuern war (Urteil des [X.] vom 15. Ok-tober 2002 - 3 O 167/00). Im Februar 2003 nahm der Kläger auf Aufforderung der Beklagten Abdichtungsarbeiten vor.

4

Die Bauherren machten im Rahmen eines zweiten Rechtsstreits erfolgreich weitere Gewährleistungsansprüche gegen den Beklagten zu 2 geltend (3 [X.]/06 [X.] - 7 U 132/08 [X.]). Der Kostenschaden des Beklagten zu 2 ist unter anderem Gegenstand der Widerklage.

5

Der Kläger hat Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt. Er hat die Meinung vertreten, dass gegen ihn gerichtete Gewährleistungsansprüche mit Ablauf des 3. Dezember 2004 verjährt seien. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg; die Widerklage der Beklagten hat das [X.] abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten, die den [X.] im zweiten Rechtszug erweitert haben, hatte überwiegend Erfolg.

II.

6

Der Beschwerde ist stattzugeben, soweit der Kläger auf die Widerklage zur Zahlung von 9.520 € nebst Zinsen und Freistellung von Mängelbeseitigungskosten verurteilt worden ist. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung des Rechts des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Es ist deshalb insoweit aufzuheben. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).

7

1. Das Berufungsgericht hat Gewährleistungsansprüche, die sich im Streitfall nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts richten, als unverjährt angesehen. Die fünfjährige Verjährungsfrist habe zwar am 3. Dezember 1999 begonnen. [X.] sei mit Ablauf des 3. Dezember 2004 nicht eingetreten, denn die Abdichtungsarbeiten des [X.] im Februar 2003 seien als verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB a.F. zu werten.

8

2. Damit hat sich das Berufungsgericht über entscheidungserheblichen Vortrag des [X.] hinweggesetzt.

9

a) Da der (vermeintliche) [X.] nach dem 1. Januar 2002 eingetreten ist, ist - der gegenüber § 208 BGB a.F. inhaltlich unveränderte - § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anwendbar. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB gelangen grundsätzlich die neuen Verjährungsregeln zur Anwendung. Das [X.] gilt in [X.] nicht nur für den Verjährungsbeginn, sondern auch für die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist ([X.], Urteil vom 5. April 2011 - [X.], [X.]Z 189, 104 Rn. 17; [X.]/[X.], BGB, 71. Aufl., Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 7).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, da dort lediglich geregelt ist, dass sich die Hemmung der Verjährung für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmt. Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. Diese Bestimmung betrifft lediglich die Fortgeltung von Regelungen, nach denen eine vor dem 1. Januar 2002 eintretende Unterbrechung als erfolgt oder nicht erfolgt gilt (dazu [X.]/[X.], Bauvertragsrecht, 2012, § 634a BGB Rn. 359).

b) Die Verjährung ist gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt, wenn der Verpflichtete dem Berechtigten gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Anerkenntnis im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor, wenn sich aus dem tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger klar und unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewusst ist und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird. Der Schuldner muss dabei sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck bringen, wobei allerdings auch ein eindeutiges schlüssiges Verhalten genügen kann ([X.], Urteile vom 24. Mai 2012 - [X.], BeckRS 2012, 12770 Rn. 29; vom 9. Dezember 2011 - [X.], [X.], 1293 Rn. 10). Das entspricht der Rechtsprechung zu § 208 BGB a.F. ([X.], Urteile vom 3. Dezember 1987 - [X.], [X.], 465 = NJW 1988, 1259, unter [X.]; vom 13. Januar 2005 - [X.], [X.], 710 = NZBau 2005, 282 = [X.] 2005, 363, unter [X.]).

Ob in der Vornahme von nicht nur unwesentlichen Nachbesserungsarbeiten ein Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht des [X.] liegt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob der Auftragnehmer aus der Sicht des Auftraggebers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein (vgl. [X.], Urteile vom 5. Oktober 2005 - [X.], [X.]Z 164, 196, 205; vom 2. Juni 1999 - [X.], NJW 1999, 2961, unter [X.] und 3).

c) Das Berufungsgericht hat für die Beurteilung, ob ein Anerkenntnis vorliegt, entscheidungserheblichen Vortrag übergangen. Der Kläger hat, wie die Beschwerde zutreffend rügt, nach seinem, vom Senat zugrunde zu legenden Vortrag, behauptet, dass er dem Beklagten zu 2 im Februar 2003 unmittelbar vor der Veränderung der [X.] erklärt habe, fachgerecht und mangelfrei gearbeitet zu haben. Er habe die [X.] auf Bitte des Beklagten zu 2 verändert, da die [X.] noch nicht wieder angebracht gewesen seien. Das Berufungsgericht hat diesen maßgeblichen Gesichtspunkt nicht in seine Erwägungen einbezogen.

d) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht kein verjährungshemmendes Anerkenntnis feststellt. Denn nach dem Vortrag des [X.] liegt ein Anerkenntnis des Anspruchs der Beklagten auf Mängelbeseitigung nicht vor. Er hat vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nach seiner Auffassung nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist, so dass die gleichwohl auf Bitte des Beklagten zu 2 vorgenommene, nach Darstellung des [X.] mit wenig Aufwand verbundene Veränderung der Folie, nicht als eine Maßnahme beurteilt werden kann, die der Kläger im Bewusstsein seiner Nachbesserungspflicht vorgenommen hat. Unerheblich ist, dass die Arbeiten nicht in Rechnung gestellt worden sind. Das würde für eine Kulanz des [X.] sprechen. Unerheblich ist auch, dass der Kläger im Prozess die offenbar unzutreffende Auffassung vertreten hat, er habe die Arbeiten aufgrund eines gesonderten Auftrags erledigt. Diese fehlerhafte Würdigung ändert nichts daran, dass der Kläger auf der Grundlage seines Vorbringens durch die vorgenommenen Maßnahmen den Anspruch des Beklagten nicht anerkannt hat.

e) Der Senat weist darauf hin, dass die Beweislast für das Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Beklagten tragen.

3. Der Streitwert der Klage (2.416,88 €) und der Streitwert der Widerklage werden nicht addiert, weil sie denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 1, 3 GKG). Die Zuerkennung des einen Anspruchs ist mit der Aberkennung des anderen verbunden (vgl. [X.], Urteil vom 5. Mai 2010 - [X.], [X.]Z 185, 310 Rn. 26; Beschluss vom 6. Oktober 2004 - [X.], NJW-RR 2005, 506, unter I[X.]).

[X.]                                                 Halfmeier                             Leupertz                                             

                Kosziol                                  [X.]

Meta

VII ZR 155/10

23.08.2012

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 4. August 2010, Az: 7 U 225/08

§ 212 Abs 1 Nr 1 BGB, § 634a BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2012, Az. VII ZR 155/10 (REWIS RS 2012, 3680)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3680

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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