Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.06.2013, Az. VII ZR 71/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4887

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Gegenstand

Verjährungshemmung für Ansprüche auf Baumängelbeseitigung durch selbständiges Beweisverfahren einer Wohnungseigentümergemeinschaft


Leitsatz

Zur Hemmung der Verjährung durch einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, der von einer Wohnungseigentümergemeinschaft unter Nennung der Namen aller Eigentümer, vertreten durch den Verwalter, im Jahre 2007 eingeleitet worden ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 16. Februar 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als unter Nummer 1 die Klage abgewiesen worden ist.

Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft macht gegen die Beklagte Mängelbeseitigungsansprüche und Minderungsrechte im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum des Anwesens B.-Straße 4 in [X.] geltend. Die Beklagte hat das Gebäude als Bauträger vor der Teilung und Veräußerung umfassend saniert. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgte am 10. April 2002.

2

Dem Rechtsstreit ist ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Amtsgericht [X.] vorausgegangen. Dieses wurde mit [X.] vom 5. April 2007, eingegangen am gleichen Tag, von der "[X.] B.-Straße 4 in [X.] (Namen aller Eigentümer siehe [X.]), vertreten durch den [X.]-Verwalter …" als Antragsteller eingeleitet. Der Antrag wurde der Beklagten formlos mitgeteilt.

3

Dem Verwalter war zuvor unter dem 11. Januar 2007 von den Wohnungseigentümern eine jeweils inhaltlich gleichlautende schriftliche Vollmacht erteilt worden, die zur uneingeschränkten Vertretung und Durchsetzung aller Gewährleistungsansprüche aus der Teilung des Grundstücks berechtigte. Mit Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23. Juni 2007 haben die Eigentümer die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens genehmigt, die Ansprüche auf Mängelbeseitigung hat die Wohnungseigentümergemeinschaft an sich gezogen und die Erhebung der Klage beschlossen. Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens im Juni 2008 hat die Wohnungseigentümergemeinschaft mit der vorliegenden, am 1. Dezember 2008 eingereichten und alsbald zugestellten Klage Mängelbeseitigung und Minderung gefordert. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

4

Das [X.] hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des [X.]s aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

Auf das Schuldverhältnis ist unter Berücksichtigung der für die Verjährung geltenden Überleitungsvorschriften in Art. 229 § 6 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

7

Das Berufungsgericht hat die Klage wegen Eintritts der Verjährung abgewiesen.

8

Hinsichtlich der [X.] der Wohnungseigentümer sei am 10. April 2007 Verjährung eingetreten, weil der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens vom 5. April 2007 die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB mangels materieller Berechtigung der den Antrag stellenden Wohnungseigentümergemeinschaft nicht habe herbeiführen können (Bezug auf [X.], Urteil vom 29. Oktober 2009 - [X.], NJW 2010, 2270).

9

Die Wohnungseigentümerversammlung habe erst am 23. Juni 2007 beschlossen, die das [X.]seigentum betreffenden Gewährleistungsrechte der Eigentümer durch die [X.] geltend zu machen. Damit komme dem Antrag des Verwalters vom 5. April 2007 keine Hemmungswirkung zu, weil er im Namen der [X.] gestellt worden sei und diese damals noch nicht mit der Durchsetzung der Gewährleistungsrechte betraut gewesen sei. Der Beschluss vom 23. Juni 2007 habe Genehmigungswirkung im Hinblick auf die Hemmung der Verjährung allenfalls ex nunc entfalten können (Bezug auf [X.], Urteil vom 9. November 1966 - [X.], [X.]Z 46, 221, 229).

Welche Folgen es habe, dass der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht zugestellt, sondern nur formlos mitgeteilt worden sei, könne daher dahingestellt bleiben.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Noch richtig sieht das Berufungsgericht, dass nur der Antrag eines materiell Berechtigten auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens den Eintritt der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB hemmt ([X.], Urteile vom 4. März 1993 - [X.], [X.], 473 und vom 21. Dezember 2000 - [X.], [X.], 674 = NZBau 2001, 201 Rn. 11 bei juris). Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass die Berechtigten der [X.] die einzelnen Wohnungseigentümer sind. Diese waren befugt, mit verjährungshemmender Wirkung den Beweissicherungsantrag zu stellen ([X.], Urteil vom 11. Oktober 1979 - [X.], [X.], 69, 71; Urteil vom 6. Juni 1991 - [X.], [X.]Z 114, 383, 393). Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die Durchsetzung der Mängelansprüche im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht an sich gezogen, so dass sie die Verjährung auch nicht infolge der aus einem solchen Beschluss hergeleiteten Prozessstandschaft hemmen konnte (vgl. dazu [X.], Urteil vom 12. April 2007 - [X.], [X.]Z 172, 42). Richtig ist auch, dass eine nachträgliche Genehmigung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens durch den Berechtigten die Hemmung der Verjährung nur mit Wirkung ex nunc herbeiführen kann ([X.], Urteile vom 4. März 1993 - [X.], aaO und vom 9. November 1966 - [X.], [X.]Z 46, 221 Rn. 15 bei juris).

2. Das Berufungsgericht hat es indes versäumt, den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens vom 5. April 2007 auszulegen.

a) Wer [X.] eines Zivilrechtsverfahrens ist, ergibt sich aus der in der Klage- oder Antragsschrift gewählten [X.]bezeichnung, die nach der Rechtsprechung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich ist. Maßgebend ist, welcher Sinn dieser prozessualen Erklärung bei objektiver Würdigung des [X.] beizulegen ist. Deshalb ist bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung grundsätzlich diejenige Person als [X.] anzusehen, die erkennbar durch die fehlerhafte [X.]bezeichnung betroffen werden soll. Für die Ermittlung der [X.]en durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klage- oder Antragsschrift enthaltenen Angaben, sondern auch ihr gesamter Inhalt einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung durch die in Wahrheit gemeinte [X.] oder der durch die Antragstellung bezweckte Erfolg nicht an der fehlerhaften Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Er greift auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klage oder der Antragsschrift und den etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche [X.] tatsächlich gemeint ist. Von der fehlerhaften [X.]bezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als [X.]; diese wird [X.], weil es entscheidend auf den Willen des Antragsstellers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (vgl. [X.], Urteile vom 10. März 2011 - [X.], [X.], 1041 = NZBau 2011, 416; vom 27. November 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 582). Entscheidend ist hierbei, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners als Empfänger hat ([X.], Urteil vom 24. Januar 2013 - [X.], [X.], 634 Rn. 14 = NZBau 2013, 221 m.w.N.).

b) Das Berufungsgericht hat die Wohnungseigentümergemeinschaft als Antragstellerin angesehen und nicht in Betracht gezogen, dass auch die einzelnen Eigentümer Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens sein können. Das ist fehlerhaft, da die Bezeichnung der "[X.] B.-Straße 4 in [X.] (Namen aller Eigentümer siehe [X.]), vertreten durch den [X.]-Verwalter…" mehrdeutig ist. Damit können sowohl die Wohnungseigentümergemeinschaft als auch sämtliche in der Liste aufgeführten Eigentümer als Antragsteller bezeichnet sein.

c) Das Revisionsgericht kann die in der Antragsschrift enthaltene [X.]bezeichnung als prozessuale Willenserklärung selbst auslegen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 1952 - [X.], [X.]Z 4, 328, 335), zumal weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind. Dem Antrag war in Anlage [X.] eine Liste aller Wohnungseigentümer beigefügt. Der Antragsschrift war ein Konvolut von Einzelvollmachten der in der Liste benannten Eigentümer für den Verwalter beigefügt. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft Antragstellerin gewesen wäre. In der Antragsschrift ist die [X.] als "Antragsteller" und nicht als "Antragstellerin" bezeichnet worden. Eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung, wonach die Wohnungseigentümergemeinschaft die Durchsetzung der auf ordnungsgemäße Herstellung des [X.]seigentums gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum an sich gezogen hätte, ist nicht vorgetragen und hatte tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden.

Die Formulierung der [X.]bezeichnung im Antrag vom 5. April 2007 entspricht der bis dahin gebräuchlichen [X.]bezeichnung einer Klage oder eines Antrages aller Wohnungseigentümer, vertreten durch den Verwalter der [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 20. Januar 1983 - [X.], [X.], 255 und vom 12. Mai 1977 - [X.], [X.], 341). Die Bezeichnung der Wohnungseigentümergemeinschaft in Schriftsätzen wurde vor dem [X.] als eine kurze zusammenfassende Bezeichnung der Wohnungseigentümer, deren Einzelanführung bei den häufig anzutreffenden großen [X.]en als lästig und unnötig empfunden wurde, angesehen ([X.], Urteil vom 12. Mai 1977 - [X.], aaO, Rn. 10 nach juris). Eine solche Antragstellung ist auch nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft möglich. Jedenfalls solange die [X.] die Durchsetzung nicht an sich gezogen hat, bleiben die einzelnen Eigentümer berechtigt, die Beweissicherung zu beantragen (vgl. [X.], Urteile vom 12. April 2007 - [X.], aaO Rn. 18 und vom 15. April 2004 - [X.], [X.], 1148 = NZBau 2004, 435).

Entsprechend dem Grundsatz, dass eine [X.] mit ihrer Prozesshandlung das bezweckt, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht ([X.], Urteil vom 5. April 2001 - [X.]/00, [X.]Z 147, 220, 224; Urteil vom 19. Januar 2001 - [X.], [X.]Z 146, 298, 310; Beschluss vom 22. Mai 1995 - [X.], NJW-RR 1995, 1183), sind die Eigentümer nach beigefügter Liste Antragsteller des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte gewesen. Der Antrag wurde daher vom Berechtigten des zugrunde liegenden Mängelbeseitigungsanspruchs gestellt und war damit geeignet, die Verjährung der [X.] der Eigentümer zu hemmen.

3. Der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens hat die Hemmung der Verjährung bewirkt, obwohl er entgegen § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nicht förmlich zugestellt, sondern lediglich formlos mitgeteilt wurde. Der [X.] hat bereits entschieden, dass die Verjährung auch dann gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB i.V.m. § 189 ZPO gehemmt wird, wenn der Antragsgegner den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens lediglich aufgrund einer formlosen Übersendung durch das Gericht erhalten hat. Auf den fehlenden Willen des Gerichts, eine förmliche Zustellung vorzunehmen, kommt es nicht an ([X.], Urteil vom 27. Januar 2011 - [X.], [X.]Z 188, 128 Rn. 35-48). Daran hält der [X.] fest.

4. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Klage unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens und der Regelung in § 204 Abs. 2 BGB in [X.] erhoben worden wäre. In der Revisionsinstanz ist davon auszugehen, dass das nicht der Fall ist. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht offengelassen, ob die ab Oktober 2007 von der Beklagten nach Vorliegen des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren durchgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu werten sind. Für die Revision ist daher davon auszugehen, dass die fünfjährige Verjährungsfrist von da an neu zu laufen begonnen hat und durch die Klageerhebung im Dezember 2008 erneut gehemmt wurde.

5. Die Klageabweisung durch das Berufungsgericht wegen Eintritts der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche kann daher keinen Bestand haben. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

[X.]                      [X.]

              [X.]

Meta

VII ZR 71/11

20.06.2013

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 16. Februar 2011, Az: 1 U 1489/10

§ 204 Abs 1 Nr 7 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.06.2013, Az. VII ZR 71/11 (REWIS RS 2013, 4887)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4887

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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