Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.04.2015, Az. VIII R 1/13

8. Senat | REWIS RS 2015, 12659

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Gegenstand

Geltendmachung eines unheilbaren Beweisverwertungsverbots - Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren nach bereits eingeleitetem Strafverfahren - Beweiskraft eines unangefochtenen Protokolls über die mündliche Verhandlung - Unbegründete Besetzungsrüge bei fehlerhafter Aufnahme des Namens einer Richterin in das FG-Urteil - Tatbestandswirkung und Rechtmäßigkeitsprüfung hinsichtlich einer Durchsuchungsanordnung


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 8. Februar 2012  2 K 1180/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich gegen den aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung ergangenen Einkommensteueränderungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[[X.].]--) für das Streitjahr 2003 mit der Begründung, dieser Bescheid beruhe auf Beweismitteln, für die ein Beweisverwertungsverbot gelte.

2

Der Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und wurde im Streitjahr 2003 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In seiner am 17. Januar 2005 beim [[X.].] eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2003 erklärte er in der Anlage [[X.].] lediglich inländische Kapitalerträge in Höhe von 1.278 €. Das [[X.].] veranlagte mit Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 10. März 2005 erklärungsgemäß, wobei es der Besteuerung unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von 396 € und des [[X.].] in Höhe von 882 € Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 0 € zugrunde legte.

3

Am 6. Februar 2006 begann das örtlich zuständige Finanzamt für [[X.].] und Steuerfahndung beim Kläger mit einer Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 1994 bis 2004. Am gleichen Tag wurde gegen den Kläger wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Jahren 2000 bis 2004 ein Strafverfahren eingeleitet.

4

Anlass für die Steuerfahndungsprüfung war ein vom [[X.].] Finanzministerium im Wege der Amtshilfe zwischen [[X.].] und [[X.].] bzw. des sog. Spontanen Informationsaustauschs an das [[X.].] übermittelter und an das Finanzamt für [[X.].] und Steuerfahndung weitergeleiteter Bericht vom 27. Oktober 2000 mit beigefügten Ausdrucken von [[X.].], wonach eine Vielzahl von [[X.].] Kapitalanlegern bei einer [[X.].] am 31. Januar 1994 Konten unterhalten hatten. Nach den Angaben der Steuerfahnderin waren die Originale der [[X.].] von der [[X.].] Kriminalpolizei im Jahre 1996 im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen die Muttergesellschaft der [[X.].] beschlagnahmt worden. Die [[X.].] Steuerverwaltung habe die erforderliche Genehmigung zur Einsichtnahme in die betreffende Gerichtsakte gehabt.

5

Da der Kläger ausweislich der [[X.].] ebenfalls am 31. Januar 1994 über Konten bei der [[X.].] verfügte, ordnete das zuständige Amtsgericht (AG) auf Antrag des Finanzamts für [[X.].] und Steuerfahndung am 16. März 2006 wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Jahren 2000 bis 2004 die Durchsuchung der Wohnräume und des Arbeitsplatzes des [[X.].] in den Geschäftsräumen der GmbH sowie die Beschlagnahme der Unterlagen über Einkünfte aus ausländischem Kapitalvermögen an. Die Durchsuchungen wurden am 8. August 2006 durchgeführt. Zu Beginn der Durchsuchung wurden dem Kläger jeweils Ausfertigungen der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen vom 16. März 2006 übergeben.

6

Mit Schreiben vom 8. April 2008 wandte sich der Kläger an die Steuerfahnderin u.a. mit dem Einwand, die ihm bei der Durchsuchung übergebenen Ausfertigungen der Durchsuchungsanordnungen vom 16. März 2006 enthielten keine rechtsgültige Unterschrift eines Urkundsbeamten. Die [[X.].] übersandte das Schreiben des [[X.].] daraufhin an das AG.

7

Das AG legte das Schreiben als Beschwerde gemäß § 306 der Strafprozessordnung (StPO) aus und lehnte eine Abhilfe mit Beschluss vom 5. August 2008 ab. Das [[X.].] ([[X.].]) ging dagegen mit Verfügung vom 11. August 2008 davon aus, dass es sich nicht um eine Beschwerde handele.

8

Im Verlauf der Steuerfahndungsprüfung überreichte der Kläger der Steuerfahnderin am 2. Mai 2008 eine Erträgnisaufstellung des Kalenderjahres 2003 zu dem Konto mit der Nr. … bei der [[X.].].

9

Vorausgegangen waren der Übersendung der Erträgnisaufstellung

-

ein an den Kläger persönlich gerichtetes Schreiben der Steuerfahnderin vom 6. Februar 2007 --ohne [[X.].] mit der Bitte, zur Aufklärung des Sachverhalts Erträgnisaufstellungen der Jahre 1994 bis 2004 zu übersenden, sowie

-

weitere schriftliche und mündliche Erinnerungen/Aufforderungen zur Vorlage der Unterlagen.

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Steuerfahndung erließ das [[X.].] unter dem 25. August 2009 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([[X.].]) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2003, in welchem es der Besteuerung des [[X.].] Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 5.241 € (Einnahmen in Höhe von 6.842 € abzgl. Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 51 € und Sparerfreibetrag in Höhe von 1.550 €) zugrunde legte und den es aus unstreitigen Gründen mit Bescheid vom 18. Januar 2011 erneut änderte.

Mit seiner dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kläger geltend, der Änderungsbescheid beruhe auf [[X.].] erlangten Beweismitteln, die einem Beweisverwertungsverbot unterlägen.

Die angeordnete Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des [[X.].] stelle sich als willkürliche Verfahrenshandlung des [[X.].] dar, die zudem in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung in rechtswidriger Weise eindringe.

Gegen die richterlichen Durchsuchungsanordnungen bestünden zwar keine Bedenken. Die Durchsuchungen seien aber erst am 8. August 2006 durchgeführt worden. Auch wenn damit die nach ständiger Rechtsprechung des [[X.].] ([[X.].]) bestehende Frist von sechs Monaten nach Anordnung gewahrt worden sei, sei die Durchführung verspätet, weil die "Halbjahresfrist" nur in äußerst komplexen Verfahren, nicht jedoch unter den Umständen des [[X.].] gerechtfertigt sei.

Außerdem fehle eine ordnungsgemäße Zustellung bzw. Bekanntgabe der Durchsuchungsanordnung. Die dem Kläger überreichte Ausfertigung der Durchsuchungsanordnung sei nicht durch einen zuständigen Urkundsbeamten formgerecht unterzeichnet worden, sondern habe nur eine geschwungene Linie in Form der [[X.].] Ziffer "2" mit beigefügtem Dienstsiegel und der Bezeichnung "Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle" enthalten, die keinen Rückschluss auf den Verfasser des Dokuments zulasse und die zudem unter Verstoß gegen Art. 20 des Grundgesetzes (GG), § 317 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 153 Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes ([[X.].]) durch eine offensichtlich unzuständige Person, nämlich den Direktor der [[X.].], gefertigt worden sei.

Darüber hinaus beruhe die Steuerfahndung auf Daten der [[X.].], die im Jahre 1994 von zwei Direktoren der [[X.].] gestohlen und nach vergeblichen Erpressungsversuchen gegenüber der Bank von den [[X.].] in den Verkehr gebracht worden und sodann in den Besitz des [[X.].] Fiskus gelangt seien.

Der Behauptung der Steuerfahndung, durch einen spontanen Informationsaustausch in den Besitz der Unterlagen gekommen zu sein, schenke der Kläger keinen Glauben, da die Datendiebe am … in der Nachrichtensendung … aufgetreten seien und angekündigt hätten, die Unterlagen an [[X.].] Steuerbehörden verkaufen zu wollen. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung berufe sich die Steuerfahndung deshalb auf selektierte [[X.].]-Microfiche-Daten, die keinen urkundlichen Charakter hätten, nicht die Anschrift oder den Stempel einer Bank erkennen ließen, nicht unterschrieben und zu alledem gestohlen und höchstwahrscheinlich weiterverkauft worden seien.

Hinzu komme, dass die [[X.].] nur durch eine unzulässige intensive Rasterfahndung hätten ermittelt werden können, und zwar im Falle des [[X.].] nur über den Mädchennamen seiner Ehefrau.

Das Finanzgericht ([[X.].]) hat die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[[X.].]) 2013, 574 veröffentlichten Urteil vom 8. Februar 2012  2 K 1180/11 als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 103 der Finanzgerichtsordnung ([[X.].]O) sowie des materiellen Rechts.

Zunächst sei das angefochtene Urteil nicht von [[X.].] an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richtern gefällt worden, weil es als mitwirkende ehrenamtliche Richterin die [X.] ausweise, obwohl an der mündlichen Verhandlung nicht sie, sondern an ihrer Stelle der Beamte [X.] als [[X.].] beteiligt gewesen sei.

Im Streitfall sei die von den [[X.].] Finanzbehörden erteilte [X.] über die Zinserträge des [[X.].] an dem Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie über die gegenseitige Amtspflicht im Bereich der direkten und indirekten Steuern ([X.]) vom 19. Dezember 1985 zu messen und beruhe danach --mangels erkennbarer Steuerpflicht des [[X.].] in [[X.].]-- auf einer fehlerhaften Ermessensausübung.

Des Weiteren hätten sich sowohl diejenigen, die die Bankdaten entwendet, als auch diejenigen, die sie angekauft hätten, strafbar gemacht. Diese mögliche Strafbarkeit dürfe entgegen der Ansicht des [X.] ([X.]) nicht offengelassen werden. Schließlich seien die Durchsuchungen zu spät durchgeführt worden, weil ein Zeitraum von fünf Monaten zwischen Anordnung und Durchführung angesichts des Schwierigkeitsgrades der streitigen Ermittlungen unangemessen gewesen sei.

Im Übrigen seien die Durchsuchungsbeschlüsse nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, weil ihm lediglich eine Ausfertigung --durch den Beamten der [X.] ausgehändigt worden und eine ableitbare Unterschrift des Richters nicht erkennbar gewesen sei. Von dem Beschluss des AG vom 5. August 2008 habe er auch keine Beschlussausfertigung erhalten.

Diese Verfahrensmängel führten zu einem Beweisverwertungsverbot auch hinsichtlich der von ihm vorgelegten Erträgnisaufstellung, weil die Mängel im Kernbereich seine Grundrechte verletzten und damit ein sog. qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot greife.

Von einer freiwilligen Vorlage der durch die Prüferin angeforderten Erträgnisaufstellung könne keine Rede sein. Die Aufforderung habe gegen das Verbot der Selbstbelastung in § 393 Abs. 1 [[X.].] verstoßen. Sie sei nur erfüllt worden, um eine "Mondschätzung" zu vermeiden.

Da die Finanzbehörden schon seit 2000 Kenntnis von den ausländischen Konten des [[X.].] gehabt hätten, sei der angefochtene Bescheid auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen Verwirkung aufzuheben.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben sowie die Einkommensteuer des [[X.].] für 2003 durch Änderung des [X.] für 2003 vom 18. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2011 unter Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 0 € festzusetzen.

Das [[X.].] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil ist weder wegen fehlerhafter Besetzung der Richterbank noch deshalb aufzuheben, weil das [X.] den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr 2003 ungeachtet der Einwendungen des [X.] gegen die Ordnungsmäßigkeit der vom [X.] herangezogenen Beweismittel für rechtmäßig erachtet hat.

1. Entgegen der Auffassung des [X.] kommt eine Aufhebung des [X.]-Urteils wegen fehlerhafter Besetzung der Richterbank nicht in Betracht; das Gericht war nicht i.S. des § 119 Nr. 1 [X.]O unvorschriftsmäßig besetzt. Denn das Urteil ist entsprechend § 103 [X.]O von den Richtern und ehrenamtlichen Richtern gefällt worden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben.

a) Schon nach dem eigenen Vortrag des [X.] wie nach dem unangefochtenen und deshalb als öffentliche Urkunde i.S. des § 418 ZPO bindenden Protokoll der mündlichen Verhandlung gehörte zu diesen an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richtern auch der entsprechend § 94 [X.]O i.V.m. § 160 Abs. 1 Nr. 2 ZPO benannte [X.]; die Unrichtigkeit dieser Feststellung im Protokoll hätte im Übrigen nur durch eine substantiierte Darlegung gerügt werden können, dass das Sitzungsprotokoll berichtigt oder gefälscht worden sei (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 4. November 1993 V R 85/92, [X.] 1994, 722; vgl. zur Beweiskraft unangefochtener Sitzungsprotokolle auch [X.] vom 17. Mai 1999 VII B 44/98, [X.], Finanzgerichtsordnung, § 94, [X.]; vom 21. März 2011 I[X.] 137/10, [X.] 2011, 1369, m.w.N.; [X.], Beschluss vom 20. November 2009  20 W 500/05, [X.] 2011, 48, unter Bezugnahme auf das [X.] vom 18. Juni 1999 V ZR 40/98, [X.], 84).

b) [X.] hat auch im [X.] an die mündliche Verhandlung mit den anderen im Protokoll aufgeführten Richtern das angefochtene Urteil gefällt.

Die im angefochtenen Urteil unzutreffend statt des ehrenamtlichen Richters [X.] als Mitwirkende aufgeführte ehrenamtliche Richterin X war nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden des [X.]-Senats sowie nach dem damit übersandten Aktenvermerk der Geschäftsstelle über die am Vortag der mündlichen Verhandlung eingegangene entsprechende telefonische Mitteilung an einer Teilnahme an der Sitzung verhindert und deshalb nach der für solche kurzfristigen Vertretungsfälle geführten sog. Hilfsliste durch [X.] ersetzt worden.

c) Die fehlerhafte Aufnahme des Namens der ehrenamtlichen Richterin stellt sich damit als offenbare Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung dar, die der Senat als Rechtsmittelinstanz von Amts wegen nach § 107 Abs. 1 [X.]O zu korrigieren hat (vgl. zur Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz für die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten des Rubrums vorinstanzlicher Entscheidungen [X.] vom 20. Januar 1988 IX R 155/83, [X.] 1990, 104; vom 12. März 2004 VII B 239/02, [X.] 2004, 1114; vom 31. Juli 2013 V B 66/12, [X.] 2013, 1933, sowie zur Berichtigung anderer offenbarer Unrichtigkeiten [X.] vom 8. Januar 2014 [X.] 245/12, [X.] 2014, 564).

2. Im Übrigen hat das [X.] zu Recht einen Anspruch des [X.] nach § 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O auf Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids verneint, weil der Bescheid rechtmäßig ist.

a) Rechtsgrundlage des streitigen [X.] für das Streitjahr 2003 ist § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

Danach sind Steuerbescheide zu ändern, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Solche Tatsachen lagen hier vor, weil dem [X.] die im Streitjahr erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen (aufgrund von zuvor nicht erklärten Zinseinnahmen) in Höhe von --unstreitig-- 5.241 € erst durch eine Erträgnisaufstellung des [X.] bekannt wurden, die dieser während einer bei ihm durchgeführten [X.] überreicht hatte.

b) Zu Unrecht macht der Kläger geltend, die Erfassung dieser der Höhe nach nicht bestrittenen und erst nachträglich bekannt gewordenen Einkünfte durch den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid für 2003 sei deshalb rechtswidrig, weil die Feststellung der entsprechenden Besteuerungsgrundlagen auf unzulässigen Beweismitteln beruhe.

Denn die Verwertbarkeit der vom Kläger selbst im Rahmen der Steuerfahndungsprüfung --auf Anforderung der Prüferin-- vorgelegten Erträgnisaufstellung wird nicht dadurch eingeschränkt, dass die im Zusammenhang mit der Steuerfahndungsprüfung ergangene Durchsuchungsanordnung des zuständigen AG

-

durch eine sog. Spontanauskunft der [X.] Finanzverwaltung an die [X.] Finanzverwaltung (Art. 26 Abs. 1 des Abkommens zwischen der [X.] und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern) über nicht erklärte Zinseinnahmen des Klägers aus Geldanlagen bei [X.] Banken veranlasst wurde,

- formelle Mängel aufwies sowie
- erst fünf Monate nach Ergehen des [X.] ausgeführt wurde.

aa) Ein Beweisverwertungsverbot, das auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, kommt als Folge einer fehlerhaften Maßnahme nach ständiger Rechtsprechung nur in Betracht, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 2. Juli 2009  2 BvR 2225/08, [X.], 22; [X.]-Urteile vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, [X.], 12, [X.], 227; vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, [X.], 19, [X.], 220, jeweils m.w.N.).

Fehlt es an einem derart schwerwiegenden Verfahrensmangel, insbesondere an grundrechtsrelevanten Verstößen einer unmittelbaren Ermittlungsmaßnahme, so ist es bei der gebotenen Abwägung zwischen den Individualinteressen von Steuerpflichtigen, nicht aufgrund verfahrensfehlerhafter Ermittlungsmaßnahmen mit einer materiell-rechtlich an sich zutreffenden Steuer belastet zu werden, und der Pflicht des Staates, eine gesetzmäßige und gleichmäßige Steuerfestsetzung zu gewährleisten, gerechtfertigt, eine Fernwirkung eventueller Verwertungsverbote auf spätere, rechtmäßig erlangte Ermittlungsergebnisse zu verneinen ([X.]-Urteil in [X.], 12, [X.], 227).

bb) Nach diesen Grundsätzen fehlen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Verfahrensverstoßes. Denn die vom Kläger vorgetragenen Einwände lassen ein bewusst rechtsstaatswidriges oder willkürliches Verhalten des [X.] im Sinne der vorbezeichneten Rechtsprechung nicht erkennen.

(1) Nach den gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] bestehen weder Anhaltspunkte dafür, dass die [X.]n Steuerbehörden die [X.] in rechtswidriger Weise angekauft haben, noch dass die [X.] Finanzbehörden die [X.] selbst rechtswidrig angekauft haben.

Die vom [X.] für den Fall eines rechtswidrigen Ankaufs angestellten Hilfserwägungen sind danach hier nicht entscheidungserheblich.

(2) Die Einwendungen des [X.] gegen die Durchsuchungsanordnungen im Besteuerungsverfahren sind schon deshalb unbeachtlich, weil die Prüfung, ob die Anordnungen mangels Tatverdachts oder aus sonstigen Gründen rechtswidrig sind, nicht den Finanzbehörden, sondern dem AG und dem im Beschwerdeverfahren nach § 304 StPO zuständigen LG obliegt.

Wird der Beschluss des AG nicht angefochten oder die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen, entfaltet die Durchsuchungsanordnung [X.] mit der Folge, dass den Steuergerichten eine nochmalige Überprüfung des [X.] verwehrt ist und sie für das Steuerfestsetzungsverfahren von der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung auszugehen haben ([X.] vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, [X.] 2002, 749).

(3) Auch die vom Kläger gerügten angeblichen Fehler bei der Durchsuchung selbst führen nicht zu einem Verwertungsverbot, weil diese Fehler jedenfalls nicht schwerwiegend sind.

Dies gilt umso mehr, als der Kläger mit der überreichten Erträgnisaufstellung, deren Verwertbarkeit im Streit steht, im Ergebnis lediglich seine steuerliche Erklärungspflicht als Rechtspflicht (BGH-Beschluss vom 12. Januar 2005  5 StR 191/04, [X.] --[X.]-- 2005, 300; [X.], [X.] 2005, 302) erfüllt hat.

Dies gilt auch deshalb, weil § 393 [X.] nicht die Pflicht des Steuerpflichtigen einschränkt, im Rahmen seines Besteuerungsverfahrens an der Sachaufklärung hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen mitzuwirken (vgl. [X.]-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, [X.], 7, [X.] 2002, 328; [X.] vom 19. Oktober 2005 [X.] 88/05, [X.] 2006, 15; vom 27. Juli 2009 IV B 90/08, [X.] 2010, 4; vom 1. Februar 2012 VII B 234/11, [X.] 2012, 913, betreffend Mitwirkung in der Steuerfahndungsprüfung nach bereits eingeleitetem Strafverfahren --wie im Streitfall--).

(4) Soweit der Kläger unter Rückgriff auf die nordamerikanische "[X.]" ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich seiner selbst vorgelegten Erträgnisaufstellung mit der Begründung geltend macht, die Aufstellung sei mittelbare Folge der rechtswidrig durch die Spontanauskunft der [X.] Finanzbehörden veranlassten Steuerfahndungsprüfung sowie der in diesem Zusammenhang ergangenen rechtswidrigen Durchsuchungsanordnungen der [X.]n Gerichtsbarkeit (vgl. zur Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots [X.] in Beermann/[X.], [X.] § 196 Rz 131; [X.]/ Muuss, Handbuch der steuerlichen Betriebsprüfung, Rechtsschutz und Verwertungsverbote in der Außenprüfung, Fach 8010 C IX; [X.], [X.], 2. Aufl., Erz 154 und 778; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 393 [X.] Erz 124 ff.), ist dies im Streitfall schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil nach den bindenden Feststellungen des [X.] keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die [X.] oder die daraus erstellten Ausdrucke rechtswidrig angekauft worden sind. Im Übrigen hat der [X.] eine Fernwirkung von Verwertungsverboten allenfalls bei qualifizierten, grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen in Betracht gezogen, die hier nicht vorliegen (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 12, [X.], 227).

An dieser Rechtsprechung hat der [X.] in der Folgezeit uneingeschränkt festgehalten (vgl. [X.] vom 6. November 2008 I[X.] 144/08, [X.] 2009, 195; vom 19. Februar 2009 VIII B 164/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, [X.]; vom 25. März 2009 VIII B 210/08, [X.] 2009, 1396; vom 26. Februar 2010 VIII B 239/09, [X.] 2010, 1084).

(5) Schließlich kann sich der Kläger für sein Revisionsbegehren nicht auf eine überlange Verfahrensdauer berufen, weil er selbst durch Verschweigen seiner --unstreitig erzielten-- Zinserträge in seiner Steuererklärung für das Streitjahr zu der Verfahrensdauer beigetragen hat (vgl. [X.] vom 6. August 2002 VIII B 56/02, [X.] 2002, 1605) und des Weiteren eine überlange Verfahrensdauer allein noch nicht zur Rechtswidrigkeit von Bescheiden führt (vgl. [X.] vom 30. August 2012 [X.] 27/11, [X.] 2013, 180, m.w.N.).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 1/13

15.04.2015

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 8. Februar 2012, Az: 2 K 1180/11, Urteil

§ 119 Nr 1 FGO, § 103 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 418 ZPO, § 94 FGO, § 160 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 393 AO, § 107 Abs 1 FGO, § 85 AO, § 88 AO, § 90 AO, § 93 AO, § 92 AO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 96 Abs 1 FGO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.04.2015, Az. VIII R 1/13 (REWIS RS 2015, 12659)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12659

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Entscheidung nach schriftlichem Hinweis des Berichterstatters


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Referenzen
Wird zitiert von

6 K 44/17

Zitiert

5 StR 191/04

Zitieren mit Quelle:
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