Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 12 KR 28/10 R

12. Senat | REWIS RS 2012, 5263

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Rentenversicherungspflicht - Betreuung psychisch Kranker in einer Einrichtung "Betreutes Wohnen" - Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber - einheitliche Beschäftigung


Leitsatz

Auch nach der Neuregelung der Versicherungsfreiheit von geringfügigen Beschäftigungen zum 1.4.2003 gelten alle von einem Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen als einheitliche Beschäftigung iS von § 8 SGB 4, sodass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber keine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung besteht.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 3. wird das Urteil des [X.] vom 9. September 2010 aufgehoben, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. Oktober 2008 wird insoweit zurückgewiesen.

Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2285,37 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Betreuerin psychisch erkrankter Menschen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigte unterlag.

2

Die Beigeladene zu 1. war seit Januar 1990 bei dem klagenden Verein als Verwaltungsangestellte - seit 2005 wegen eines Studiums der Sozialarbeit im Umfang von 24 Wochenstunden - beschäftigt. Daneben unterstützte sie ab 1.9.2006 auf der Grundlage jeweils gesonderter Verträge mit dem Kläger "über die Übernahme einer eigenverantwortlichen Betreuung im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Vertragsverhältnisses" psychisch kranke Menschen, die in einer betreuten Wohneinrichtung des [X.] lebten; die Vergütung hierfür überstieg regelmäßig nicht 400 Euro im Monat.

3

Auf Anfrage des [X.] stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle mit Bescheid vom [X.] fest, dass die Beigeladene zu 1. auch in ihrer Tätigkeit als Betreuerin der Sozialversicherungspflicht als Beschäftigte des [X.] unterliege. Den Widerspruch des [X.] wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.1.2007 zurück.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer weiteren Tätigkeit für den Kläger seit 1.9.2006 als Beschäftigte in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei (Urteil vom 14.10.2008). Nach Einlegung der Berufung durch den Kläger hat die Beklagte mit Bescheid vom [X.] unter Änderung des [X.] insoweit ergänzend die Feststellung der Versicherungspflicht in Bezug auf die Zweige der gesetzlichen Kranken-, [X.] Pflege-, gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung und deren Beginn ab 1.9.2006 konkretisiert. Das L[X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und unter Aufhebung der ergangenen Bescheide festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in der [X.] von September 2006 bis November 2009 in ihrer weiteren Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei: Zwar sei die Beigeladene zu 1. in ihrer betreuenden Tätigkeit nicht selbstständig tätig, sondern beschäftigt gewesen; sie habe jedoch in dieser Beschäftigung nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen, weil sie als Betreuerin beim Kläger nur geringfügig iS von § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV beschäftigt und damit versicherungsfrei gewesen sei. Eine Zusammenrechnung der Entgelte aus beiden Beschäftigungen habe hier nicht gemäß § 8 [X.] [X.]B IV zu erfolgen. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der älteren Rechtsprechung des B[X.] (B[X.]E 55, 1 = [X.] 2200 § 168 [X.]) sei eine weitere geringfügige Nebenbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber wegen des eindeutigen, deutlich von dem Wortlaut der bis zum 30.6.1977 geltenden Regelung des § 168 Abs 1 [X.] RVO abweichenden Wortlauts des § 8 [X.] [X.]B IV und der seit 1998 bestehenden Regelung über das Teilarbeitslosengeld sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung (B[X.]E 88, 180 = [X.] 3-4300 § 150 [X.]) nicht als einheitliche Beschäftigung anzusehen (Urteil vom 9.9.2010).

5

Mit seiner auf die Entscheidung des L[X.] zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung der Beigeladenen zu 1. beschränkten Revision rügt der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger die Verletzung von § 1 S 1 [X.], § 5 [X.] [X.] [X.]B VI iVm § 8 Abs 1 [X.] und [X.] [X.]B IV. Zwar sei das L[X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1. in allen Tätigkeiten beim Kläger beschäftigt gewesen sei, alle bei demselben Arbeitgeber ausgeübten Beschäftigungen seien jedoch entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des B[X.] ohne Rücksicht auf ihre arbeitsvertragliche Gestaltung als eine einheitliche (versicherungspflichtige) Beschäftigung anzusehen. B[X.]-Rechtsprechung zum Teilarbeitslosengeld stehe dem nicht entgegen, weil der Begriff "Beschäftigung" dort einen abweichenden leistungsrechtlichen Inhalt habe.

6

Die Beigeladene zu 3. beantragt,
das Urteil des [X.] vom 9. September 2010 aufzuheben, soweit es die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft, und insoweit die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. Oktober 2008 zurückzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 3. zurückzuweisen.

8

Er hält das Urteil des L[X.] für zutreffend. Zu Recht habe das L[X.] angenommen, dass neben der Hauptbeschäftigung eine versicherungsfreie geringfügige Nebenbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber vorgelegen habe.

9

Die Beklagte, die Beigeladene zu 1., die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene [X.] haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 4. schließt sich der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 3. an.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 3. (= Träger der gesetzlichen [X.]) ist begründet und führt zur Aufhebung des [X.], soweit es die [X.]spflicht der Beigeladenen zu 1. betrifft, sowie insoweit zur Zurückweisung der Berufung des [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil.

Das [X.] hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des [X.] sowie die Bescheide der beklagten [X.]rankenkasse als Einzugsstelle (Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.1.2007 und des ergänzenden Bescheides vom [X.]) in vollem Umfang aufgehoben und das Nichtbestehen von [X.]spflicht festgestellt.

Die Bescheide der Beklagten sind hinsichtlich der im Revisionsverfahren allein (noch) streitigen Feststellung der [X.]spflicht rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1. war im streitigen [X.]raum von September 2006 bis November 2009 in ihrer für den [X.]läger ausgeübten weiteren Tätigkeit als Betreuerin nicht wegen Geringfügigkeit dieser Beschäftigung versicherungsfrei, sondern unterlag auch insoweit der Versicherungspflicht als Beschäftigte.

1. Gegenstand der Revision der Beigeladenen zu 3. ist entsprechend dem von ihr gestellten, auf die [X.]spflicht beschränkten Antrag die Aufhebung des Urteils des [X.], soweit es das Urteil des [X.] und die Bescheide der Beklagten hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen [X.] aufgehoben hat. Der während des Berufungsverfahrens erlassene Bescheid vom [X.] hat den Bescheid vom [X.] um die Feststellungen des Bestehens von Versicherungspflicht in den im Einzelnen konkretisierend genannten [X.] sowie hinsichtlich deren Beginn in der weiteren Beschäftigung iS von § 96 Abs 1 [X.]G iVm § 153 Abs 1 [X.]G ergänzt und insoweit ersetzt (vgl allgemein B[X.] Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - US[X.] 2011-125, Juris Rd[X.]3). Zwar hat das [X.] den Bescheid vom [X.] im Tenor seines Urteils nicht ausdrücklich benannt, aus dessen Hervorhebung in den Entscheidungsgründen als vom [X.] geprüfter Bescheid ergibt sich jedoch, dass es über beide Bescheide entschieden und diese vollständig aufgehoben hat.

2. Die Revision der Beigeladenen zu 3. ist zulässig. Die Beigeladene zu 3. war als [X.]sträger befugt, gegen das Urteil des [X.] - soweit es die ihren Aufgabenbereich berührende [X.]spflicht betrifft - Revision einzulegen, weil die Entscheidung des [X.] sie insoweit beschwert (vgl B[X.]E 17, 1, 2 = [X.] zu § 165 [X.]; B[X.]E 84, 136, 139 = [X.] 3-2400 § 28h [X.]). Die Revision hat auch in der Sache Erfolg (dazu im Folgenden 3. bis 5.).

3. Zutreffend hat das [X.] die Beklagte als die für die Durchführung der [X.]rankenversicherung der Beigeladenen zu 1. zuständige [X.]rankenkasse und damit als Einzugsstelle angesehen, die gemäß § 28h Abs 2 [X.]B IV (in der hier anwendbaren, bis zur Änderung durch das [X.] und anderer Gesetze vom 5.8.2010 <[X.] 1127> geltenden Fassung) iVm § 28i S 1 [X.]B IV für die Entscheidung über das Bestehen von Versicherungspflicht in der weiteren Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. für den [X.]läger zuständig war. Zwar ist die [X.] gemäß § 28i S 5 [X.]B IV (idF des [X.] in der gesetzlichen [X.] vom 9.12.2004, [X.]) bei geringfügigen Beschäftigungen die zuständige Einzugsstelle; für die vom Arbeitgeber beantragte Feststellung, ob ein bei ihm versicherungspflichtig Beschäftigter auch in einer weiteren Tätigkeit bei ihm der Versicherungspflicht unterliegt, verblieb es jedoch bei der Zuständigkeit der für den versicherungspflichtig Beschäftigten bisher zuständigen [X.]rankenkasse.

4. Die Beklagte hat in ihren Bescheiden ausgehend von den dafür maßgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend angenommen, dass die Beigeladene zu 1. von September 2006 bis November 2009 auch in ihrer weiteren Tätigkeit als Betreuerin beschäftigt war und deshalb der Versicherungspflicht in der gesetzlichen [X.] unterlag.

a. In den Jahren 2006 bis 2009, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der gesetzlichen [X.] gemäß § 1 S 1 [X.] [X.]B VI der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 [X.]B IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 [X.]B IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem [X.], Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr, vgl zum Ganzen zB B[X.] Urteil vom 25.4.2012 - B 12 [X.]R 24/10 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen - Juris Rd[X.]6).

b. Im vorliegenden Rechtsstreit ist das [X.] für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung und aufgrund einer Gesamtwürdigung der von ihm ermittelten, als [X.]riterien für eine selbstständige Tätigkeit oder eine Beschäftigung in Betracht kommenden tatsächlichen Umstände nach seinen nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen (vgl § 163 [X.]G) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Betreuerin von September 2006 bis November 2009 beschäftigt war. Hiervon gehen gleichermaßen die Beteiligten aus. Die vom Berufungsgericht hierbei zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend, auch die von ihm vorgenommene Gesamtwürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl zu den Prüfungsmaßstäben B[X.] aaO Juris Rd[X.] 22 ff).

5. Zu Unrecht ist das [X.] allerdings zu der Einschätzung gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer weiteren für den [X.]läger ausgeübten Beschäftigung wegen Geringfügigkeit in der gesetzlichen [X.] ausnahmsweise nicht versicherungspflichtig, sondern versicherungsfrei war. Die Voraussetzungen des § 5 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B VI lagen darauf bezogen nicht vor.

a. Gemäß § 5 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B VI in der hier anzuwendenden ab [X.] geltenden Fassung (des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.]) sind in der gesetzlichen [X.] Personen in einer geringfügigen Beschäftigung iS von § 8 Abs 1 und § 8a [X.]B IV versicherungsfrei. Gemäß § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV (idF dieses Gesetzes, aaO) liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus ihr regelmäßig 400 Euro im Monat nicht übersteigt. Aus § 5 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.]B VI (in der ab [X.] geltenden Fassung dieses Gesetzes, aaO) iVm § 8 Abs 2 [X.]B IV folgt, dass - mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung - eine geringfügige Beschäftigung mit einer nicht geringfügigen, in der gesetzlichen [X.] versicherungspflichtigen Beschäftigung zusammenzurechnen ist. Zu Unrecht hat das [X.] angenommen, dass die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. als Betreuerin eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung iS dieser Vorschriften war, die nicht mit ihrer beim [X.]läger darüber hinaus ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung als Verwaltungsangestellte zusammenzurechnen war.

b. Zwar hat das [X.] festgestellt, dass das aus der weiteren Beschäftigung erzielte Entgelt der Beigeladenen zu 1. in der streitigen [X.] von September 2006 bis November 2009 in der Regel 400 Euro monatlich nicht überstieg. Eine daran anknüpfende geringfügige Beschäftigung iS von § 5 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B VI, § 8 Abs 1 [X.], Abs 2 [X.]B IV lag bereits deshalb nicht vor, weil die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Betreuerin bei demselben Arbeitgeber verrichtet wurde. Infolgedessen ist von einer (einzigen) einheitlichen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im Sinne dieser Vorschriften mit einem Gesamtentgelt auszugehen, das die für die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit geltende Entgeltgrenze überstieg.

c. Dem [X.] kann nicht darin gefolgt werden, dass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung auch dann vorliegen kann, wenn letztere bei demselben Arbeitgeber verrichtet wird.

Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 16.2.1983 (12 R[X.] 26/81 - B[X.]E 55, 1 = [X.] 2200 § 168 [X.]) entschieden, dass Beschäftigungen unabhängig von deren arbeitsvertraglicher Gestaltung bei demselben Arbeitgeber sozialversicherungsrechtlich für die Beurteilung der Geringfügigkeit als Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit nicht nur nach § 168 Abs 1 [X.] [X.] und § 1228 [X.] [X.] in den bis zum 30.6.1977 geltenden Fassungen (aF), sondern auch in den ab 1.7.1977 geltenden Fassungen als einheitliche Beschäftigung zu werten waren. Er hat dies unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften damit begründet, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass mit der Neufassung dieser Vorschriften eine weitreichende Rechtsänderung dahin erfolgen sollte, dass eine Nebenbeschäftigung, die ausdrücklich nach § 168 Abs 1 [X.] [X.] aF und § 1228 [X.] [X.] aF neben einer Hauptbeschäftigung nur versicherungsfrei sein konnte, wenn sie nicht bei demselben Arbeitgeber ausgeübt wurde, nach der damaligen Rechtsänderung nicht mehr der Versicherungspflicht unterliegen sollte, obwohl sie bei demselben Arbeitgeber verrichtet wurde. Durch die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung in § 8 [X.]B IV und die Angleichung der § 168 Abs 1 [X.] [X.] aF und § 1228 [X.] [X.] aF wurden seinerzeit die bis dahin sowohl im [X.]rankenversicherungs- als auch [X.]srecht geregelten Voraussetzungen der versicherungsfreien Nebenbeschäftigung überarbeitet, zusammengefasst, im Wortlaut geändert und der Begriff der Nebenbeschäftigung durch den Begriff der geringfügigen Beschäftigung ersetzt. Der Senat hat in seinem Urteil darauf abgestellt, dass im Hinblick auf die durch eine solche Rechtsänderung entstehenden erheblichen Manipulationsmöglichkeiten eine beabsichtigte Änderung der Versicherungspflicht von Nebenbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber in irgendeiner Form in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck hätte kommen müssen, was jedoch nicht der Fall war.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Prüfung auch bezogen auf die vorliegend anzuwendenden Vorschriften - insbesondere des § 5 Abs 2 [X.]B VI - fest. Die Auffassung des [X.], die Grenze jeder Auslegung sei der Wortlaut einer Vorschrift, der hier die vom B[X.] angenommene Einschränkung nicht explizit enthalte, berücksichtigt nicht hinreichend, dass dann, wenn - wie auch hier - der Wortlaut einer gesetzlichen Regelung jedenfalls nicht eindeutig, sondern offen ist, durch weitere Auslegungsmethoden der Inhalt ermittelt werden muss. Entgegen der Auffassung des [X.] war dem Wortlaut der genannten Vorschriften nicht eindeutig zu entnehmen und ist dem Wortlaut der aktuell heranzuziehenden Regelungen ebenfalls nicht zu entnehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen mehrere verschiedene, für einen Arbeitgeber verrichtete Beschäftigungen als eine oder mehrere Beschäftigungen im Rechtssinne anzusehen sind.

d. Nach Ergehen des [X.] vom 16.2.1983 (aaO), dem die Sozialversicherungsträger und - soweit ersichtlich - bis auf das nunmehr angefochtene Urteil auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung gefolgt sind, haben auch spätere Änderungen von § 8 [X.]B IV, § 1228 [X.] und § 5 [X.]B VI die Versicherungspflicht einer geringfügigen Beschäftigung, die neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beim selben Arbeitgeber ausgeübt wird, nicht beseitigt. Hätte die über fast drei Jahrzehnte hinweg bekannte B[X.]-Rechtsprechung, wonach bei der hier gegebenen [X.]onstellation nicht mehrere Beschäftigungen vorliegen, sondern eine einheitliche Beschäftigung im Sinne der Vorschriften über die Geringfügigkeit besteht, nicht den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen, wäre es naheliegend gewesen, die Rechtslage im Zuge einer der zahlreichen anderen Gesetzesneuregelungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts zu revidieren. Das ist jedoch nicht geschehen (der B[X.]-Rspr weiter folgend auch zB: [X.]nospe in [X.]/[X.], [X.]B IV, [X.] § 8 Rd[X.] 28, Stand [X.]/2007; Fichte in [X.]/[X.], [X.]B VI, [X.] § 1 Rd[X.] 21, Stand Einzelkommentierung XII/2006; [X.] in [X.]reikebohm, [X.]B IV, 2008, § 8 Rd[X.]4; [X.] in [X.]ass[X.]omm, § 8 [X.]B IV Rd[X.] 29, Stand Einzelkommentierung Oktober 2011; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B I/IV/X, 2012, § 8 [X.]B IV Rd[X.] 54; kritisch: [X.] in [X.]reikebohm/Spellbrink/Waltermann, [X.]ommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 8 [X.]B IV Rd[X.]4).

§ 1228 [X.] [X.], § 4 [X.] 5 AVG und § 30 [X.] R[X.]G wurden vielmehr durch das Rentenreformgesetz vom 18.12.1989 ([X.] 2261, 1990 I 1337) mit Wirkung zum [X.] durch § 5 Abs 2 S 1 [X.] 2 [X.]B VI weitgehend wortgleich ersetzt, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Änderungen der Rechtslage im Hinblick auf die Versicherungspflicht einer neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübten weiteren geringfügigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber erfolgen sollten. Auch die Änderungen des § 8 [X.]B IV und § 5 [X.]B VI zum 1.4.1999 (durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.3.1999, [X.] 388) enthielten keine Einschränkung der Versicherungspflicht von Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber, sondern erweiterten ua die Versicherungspflicht geringfügiger Beschäftigungen. § 8 Abs 2 S 1 [X.]B IV ordnete nunmehr die Zusammenrechnung geringfügiger Beschäftigungen auch mit einer nicht geringfügigen Beschäftigung - in der [X.] allerdings gemäß § 5 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.]B VI beschränkt auf eine in der [X.] versicherungspflichtige Beschäftigung - an. Aus dem in den Gesetzesmaterialien (vgl Gesetzesentwurf der Fraktionen [X.] und [X.]/[X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, BT-Drucks 14/280 S 10) angegebenen Grund für die Änderung, das weitere Aufsplitten von Arbeitsverhältnissen zu verhindern, kann kein Rückschluss auf die bisherige Rechtslage in Bezug auf mehrere Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber gezogen werden. Denn das "Aufsplitten" konnte sich auf mehrere geringfügige Beschäftigungen verschiedener Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber, aber gleichermaßen auf mehrere Beschäftigungen eines Arbeitnehmers bei verschiedenen Arbeitgebern beziehen und musste nicht mehrere Beschäftigungen eines Arbeitnehmers bei einem Arbeitgeber mit umfassen. Auch der Änderung des § 8 Abs 2 [X.]B IV mit Wirkung zum [X.] (durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.]) ist nicht zu entnehmen, dass abweichend von der bis dahin geltenden Rechtslage nunmehr mehrere Tätigkeiten desselben Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber als mehrere Beschäftigungen iS von § 8 Abs 1 und Abs 2 [X.]B IV sowie § 5 Abs 2 [X.]B VI gelten sollten. Zwar sehen die Vorschriften seither wieder die Versicherungsfreiheit einer geringfügigen Beschäftigung neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vor; es fehlen jedoch Hinweise darauf, dass über die insoweit bereits vor dem 1.4.1999 bestehende Rechtslage hinaus damit erstmals auch eine weitere Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber versicherungsfrei sein sollte. Anhaltspunkte hierfür sind weder der aufgrund des Vorschlages des Vermittlungsausschusses (vgl Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/202 S 3) Gesetz gewordenen Fassung noch sonstigen Umständen zu entnehmen.

e. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Recht der Arbeitsförderung vorgenommene Auslegung des Begriffs der Beschäftigung spricht ebenfalls nicht für die vom [X.] vertretene Auslegung.

Im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld sah auch der 7. Senat des B[X.] in seinem Urteil vom [X.] ([X.] 3-1500 § 54 [X.] S 24) für die Beurteilung, ob eine kurzzeitige Beschäftigung iS von § 102 [X.] vorliegt, unter Bezugnahme auf das Urteil des 12. Senats vom 16.2.1983 (aaO) Tätigkeiten aufgrund verschiedener Lehraufträge desselben Arbeitgebers ohne Rücksicht auf die vertragliche Gestaltung als einheitliche Beschäftigung an. Soweit der 7. Senat für die Prüfung eines Anspruchs auf [X.] nach § 150 [X.]B III unter Bezugnahme auf die zu dieser Vorschrift vorliegende Gesetzesbegründung annahm, dass prinzipiell bei einem Arbeitgeber zwei anspruchsbegründende Teilzeitbeschäftigungen iS von § 150 Abs 1 [X.] iVm § 150 Abs 2 [X.] [X.]B III bestehen können (vgl B[X.]E 88, 180, 186 = [X.] 3-4300 § 150 [X.] S 8 und B[X.]E 90, 270, 271 = [X.] 4-4300 § 150 [X.] Rd[X.]), hat er schon selbst darauf hingewiesen, dass die in den Entscheidungen des 12. Senats vom 16.2.1983 und des 7. Senats vom [X.] enthaltenen Grundsätze nicht ohne Weiteres auf die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung iS von § 150 [X.]B III übertragbar sind (vgl B[X.]E 88, 180, 186 = [X.] 3-4300 § 150 [X.] S 8). Da die Auslegung des Begriffs der "Beschäftigung" in der Sozialversicherung sowohl nach der Rechtsprechung der für die Leistungen als auch für das Beitragsrecht zuständigen Senate "funktionsdifferent" zu erfolgen hat (vgl B[X.] [X.] 4-2400 § 7 [X.] Rd[X.] 21 mwN), kann von der Möglichkeit des Vorliegens mehrerer Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber im leistungsrechtlichen Sinne nicht ohne Weiteres auf eine identische Rechtslage auch im [X.] geschlossen werden. Daher ist die Folgerung, dass neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine wegen Geringfügigkeit versicherungsfreie Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber bestehen kann, weder zwingend noch gerechtfertigt.

6. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1 und 2, § 162 Abs 3 VwGO. Der Senat war dabei nicht gehindert, die die Beklagte belastende [X.]ostenentscheidung des [X.] zu deren Gunsten zu ändern und dem [X.]läger einen Teil der [X.]osten des [X.]lage- und Berufungsverfahrens aufzuerlegen, obwohl beide Beteiligten keine Rechtsmittel eingelegt haben. Denn insoweit gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl B[X.] [X.] 4-2400 § 7 [X.] 6 Rd[X.] 22 mwN). Im Hinblick auf das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens des [X.] und der Beklagten im [X.]lage- und Berufungsverfahren erscheint es angemessen, ihnen unter Änderung der [X.]ostenentscheidung des [X.] entsprechend dem Verhältnis der Höhe der [X.]sbeiträge zur Höhe der [X.] jeweils die Hälfte der [X.]osten des [X.]lage- und Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Da die Beigeladene zu 3. im Revisionsverfahren in vollem Umfang obsiegt hat und der [X.]läger insoweit unterlegen ist, sind dem [X.]läger die [X.]osten des Revisionsverfahrens einschließlich der [X.]osten der Beigeladenen zu 3. aufzuerlegen. Da sich die übrigen Beigeladenen im Revisionsverfahren nicht beteiligt haben, sind deren außergerichtlichen [X.]osten nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 G[X.]G in Höhe der zusätzlich vom [X.]läger als Arbeitgeber zu zahlenden [X.]sbeiträge festzusetzen.

Meta

B 12 KR 28/10 R

27.06.2012

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Dortmund, 14. Oktober 2008, Az: S 44 KR 17/07, Urteil

§ 7 Abs 1 SGB 4, § 8 Abs 1 Nr 1 SGB 4, § 8 Abs 2 S 1 SGB 4, § 28h Abs 2 SGB 4 vom 05.08.2010, § 28i S 1 SGB 4, § 1 S 1 Nr 1 SGB 6, § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 6 vom 23.12.2002

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 12 KR 28/10 R (REWIS RS 2012, 5263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5263

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