Bundessozialgericht, Urteil vom 05.12.2017, Az. B 12 R 10/15 R

12. Senat | REWIS RS 2017, 1279

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Gegenstand

Betriebsprüfung - Sozialversicherungspflicht- bzw -freiheit - zeitgeringfügige Beschäftigung - Gegenüberstellung des monatlich erzielten Arbeitsentgelts mit dem Betrag der monatlichen und nicht auf Tage umgerechneten anteiligen Entgeltgrenze - berufsmäßige Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit


Leitsatz

Bei der Prüfung zeitgeringfügiger Beschäftigung ist das im Monat erzielte Arbeitsentgelt dem Betrag der monatlichen und nicht dem auf Tage umgerechneten Betrag einer anteiligen Entgeltgrenze gegenüberzustellen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird auf 74,53 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladenen zu 1. und 3. wegen einer Beschäftigung für den Kläger im Jahr 2006 in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung und der [X.] Pflegeversicherung versicherungspflichtig waren.

2

Der Kläger betreibt ein Unternehmen im Sicherheitsgewerbe und erledigt Sicherheitsdienstleistungen sowie den Auf- und Abbau bei Veranstaltungen. Er beschäftigte im Jahr 2006 18 Arbeitnehmer in Vollzeit; darüber hinaus waren Personen als Aushilfskräfte, teilweise nur tageweise für spezielle Großveranstaltungen für ihn tätig. Die Beigeladenen zu 1. und 3. waren mit dem einmaligen Auf- bzw Abbau der Veranstaltung "[X.]" befasst; weitere Arbeitsaufträge hatte der Kläger ihnen nicht in Aussicht gestellt. Sie hatten keinen Rahmenvertrag mit dem Kläger geschlossen. Der Beigeladene zu 1. arbeitete an drei Arbeitstagen in der [X.] vom 1.1.2006 bis [X.] und erhielt ein Entgelt in Höhe von 135 Euro, der Beigeladene zu 3. arbeitete am 19.12.2006 und erhielt ein Entgelt in Höhe von 65 Euro. Der Beigeladene zu 1. bezog von Januar bis Juli 2006 Arbeitslosengeld und anschließend Krankengeld. Der Beigeladene zu 3. erhielt von Oktober bis Dezember 2006 [X.] Die beiden Beschäftigten übten keine weiteren (geringfügigen) Beschäftigungen im streitigen [X.]raum aus.

3

Die Beklagte führte für den [X.]raum vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch und errechnete eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 15 316,74 Euro, welche sich aus Sozialversicherungsbeiträgen, pauschalen Beiträgen für geringfügig entlohnte Beschäftigung und Umlagen zusammensetzt (Bescheid vom [X.]). Der für den Beigeladenen zu 1. nachgeforderte Beitrag beläuft sich auf 24,44 Euro, derjenige für den Beigeladenen zu 3. auf 50,09 Euro. Die Beklagte begründete die Feststellung von Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung damit, dass eine kurzfristige Beschäftigung nicht vorgelegen habe, weil die Beschäftigten ihre tageweise Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt hätten; denn sie seien arbeitslos gemeldet gewesen. Des Weiteren gelte eine anteilige Entgeltgeringfügigkeitsgrenze bei Beschäftigungen, die nicht zumindest einen Monat andauern; diese hätten die Beigeladenen zu 1. und 3. überschritten. Auf den vom Kläger eingelegten Widerspruch reduzierte die Beklagte die Gesamtforderung auf 12 823,20 Euro (Teilabhilfebescheid vom 5.7.2012) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.10.2012).

4

Das [X.] hat den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des [X.] vom 5.7.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012 aufgehoben (Urteil vom [X.]). Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Klage bezüglich eines der Beschäftigten zurückgenommen, die Beklagte hat die Berufung bezüglich aller übrigen Beschäftigten mit Ausnahme der Beigeladenen zu 1. und 3. zurückgenommen. Das L[X.] hat die Berufung, soweit das erstinstanzliche Urteil diese Beigeladenen betrifft, zurückgewiesen (Urteil vom 21.10.2015). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1. und 3. seien gemäß § 8 Abs 1 Nr 2 [X.]B IV versicherungsfrei gewesen, sodass Beiträge nicht nachzufordern seien. Diese hätten zwar eine Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 [X.]B IV ausgeübt. Die Beschäftigungen seien jedoch nicht regelmäßig ausgeübt worden und vertraglich auf wenige Tage beschränkt gewesen. Damit sei der Tatbestand der Versicherungsfreiheit wegen Kurzfristigkeit erfüllt; denn die negativen Tatbestandsvoraussetzungen lägen nicht vor. Es sei schon zweifelhaft, ob allein wegen des Vorliegens von Arbeitslosigkeit Berufsmäßigkeit bejaht werden könne. Jedoch komme es hierauf nicht an; denn die Beigeladenen zu 1. und 3. überschritten die Entgeltgrenze in Höhe von 400 Euro im Monat nicht. Bei einer kürzeren als einen Monat dauernden Beschäftigung müsse eine tageweise anteilige Entgeltgrenze angewendet werden.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 8 Abs 1 Nr 2 [X.]B IV. Es sei im Rahmen dieser Regelung von einer anteiligen monatlichen (tageweisen) Entgeltgrenze auszugehen. Die Anwendung des vollen Monatswerts führe dazu, dass auch tageweise Beschäftigungen mit hohem Verdienst als versicherungsfrei angesehen werden müssten, wenngleich sie nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung für den Beschäftigten seien. Damit werde der Gesetzeszweck vereitelt, dass eine berufsmäßige Beschäftigung nicht versicherungsfrei sein soll.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2015 aufzuheben und das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2013 bezüglich der Beigeladenen zu 1. und 3. aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

1. Einer notwendigen Beiladung der [X.] bedarf es nicht (vgl zur Funktion und Stellung des Rentenversicherungsträgers, der Einzugsstellen und der [X.] im Betriebsprüfungsverfahren Urteil des Senats vom [X.] R 16/13 R - [X.] 4-2400 § 28p [X.]; ferner B[X.] Urteil vom 15.9.2016 - [X.] R 2/15 R - [X.] 4-2400 § 22 [X.]).

2. Das [X.] hat zu Recht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom [X.] und 5.7.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012, die sie nach § 28p Abs 1 S 5 [X.]B IV sachlich zuständig erlassen hat, sind - soweit sie nicht zwischen den Beteiligten bestandskräftig geworden sind - rechtswidrig; denn die Beigeladenen zu 1. und 3. übten im streitigen Zeitraum kurzfristige versicherungsfreie Beschäftigungen aus, sodass der [X.]läger keine Beiträge nachzuzahlen hat.

Gemäß § 5 Abs 1 [X.] [X.]B V, § 1 S 1 [X.] [X.]B VI und § 20 Abs 1 S 2 [X.] [X.]B XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen [X.]ranken-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 [X.]B IV. Die Beigeladenen zu 1. und 3. übten entsprechend den Feststellungen des [X.] [X.] Tätigkeiten nach Weisung für den [X.]läger aus und waren bei ihren jeweiligen Arbeitseinsätzen vollständig in seine Betriebsorganisation eingebunden.

Diese Beschäftigungen waren jedoch versicherungsfrei gemäß § 5 Abs 2 S 1 [X.] [X.]B VI (idF des [X.] der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21.7.2004, [X.] 1791), § 7 Abs 1 S 1 Halbs 1 [X.]B V und § 20 Abs 1 S 1 [X.]B XI, weil es sich um zeitgeringfügige Beschäftigungen gehandelt hat; die aus ihnen erzielten Einnahmen waren damit beitragsfrei.

Eine geringfügige Beschäftigung liegt gemäß § 8 Abs 1 [X.]B IV in der maßgebenden Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.] 4621) vor, wenn

1.    

das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt,

2.    

die Beschäftigung innerhalb eines [X.]alenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 Euro im Monat übersteigt.

Die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV liegen vor; denn die Beschäftigungen wurden von den Beigeladenen zu 1. und 3. nicht regelmäßig ausgeübt (a) und sie waren im Voraus vertraglich auf weniger als 50 Arbeitstage im Jahr begrenzt (b). Unabhängig davon, ob die Beigeladenen zu 1. und 3. diese berufsmäßig ausübten, überstieg jedenfalls das erzielte Entgelt die maßgebende [X.] nicht (c).

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist es geboten, bei (geringfügigen) Beschäftigungen eine Zuordnung zu einer der beiden Fallgruppen des § 8 [X.]B IV vorzunehmen (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - 12 R[X.] 23/91 - [X.] 3-2400 § 8 [X.] und Urteil vom 23.5.1995 - 12 R[X.] 60/93 - [X.] 3-2400 § 8 [X.]). Danach unterscheidet sich die Geringfügigkeit nach [X.] des § 8 Abs 1 [X.]B IV von derjenigen nach [X.] dieser Vorschrift dadurch, dass die Beschäftigung bei [X.] regelmäßig und bei [X.] nur gelegentlich ausgeübt wird (B[X.] Urteil vom [X.] R 5/12 R - [X.] 4-2400 § 8 [X.] Rd[X.]9). Die Bestimmung, ob die Variante der [X.] vorliegt, setzt eine Prognose voraus; es findet keine rückschauende Betrachtung statt. Wird nur gelegentlich gearbeitet, kommt [X.] nicht in Betracht (vgl [X.] in [X.] [X.]omm, § 8 [X.]B IV Rd[X.]4, Stand Einzelkommentierung September 2013). Regelmäßig ist nach der Rechtsprechung des B[X.] eine Beschäftigung, die bei vorausschauender Betrachtung (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs <[X.]B> - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - BT-Drucks 7/4122 [X.] zu 1.) von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist (vgl zB B[X.] Urteil vom [X.] - 12 R[X.] 23/91 - [X.] 3-2400 § 8 [X.] S 11 f; Urteil vom 28.4.1982 - 12 R[X.] 1/80 - [X.] 2200 § 168 [X.] S 10 f mwN); nicht erforderlich ist, dass sie über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll (vgl B[X.] Urteil vom heutigen Tage - [X.] [X.]R 16/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in [X.]). Hiervon ausgehend hat das [X.] zu Recht angenommen, dass die Beigeladenen zu 1. und 3. nur gelegentlich und nicht regelmäßig bei dem [X.]läger beschäftigt waren. Dies folgt bei vorausschauender Betrachtung bereits daraus, dass die Arbeitsvertragsparteien nach den Feststellungen des [X.] jeweils lediglich nur den einen streitigen Arbeitseinsatz vereinbart hatten und den Beigeladenen zu 1. und 3. keine weiteren Arbeitseinsätze in Aussicht gestellt worden waren.

b) Weil nach den Feststellungen des [X.] den beigeladenen Aushilfskräften, die allein für die Veranstaltung "[X.]" benötigt wurden, weitere Einsätze nicht in Aussicht gestellt worden waren und weitere Einsätze auch tatsächlich nicht stattfanden, waren die Beschäftigungen der Beigeladenen zu 1. und 3. in jedem Fall im Voraus vertraglich auf weniger als 50 Arbeitstage begrenzt. Zudem hat das [X.] festgestellt, dass die Beigeladenen zu 1. und 3. keine weiteren geringfügigen Beschäftigungen im streitigen Zeitraum ausgeübt haben.

c) Die negativen, eine Ausnahme von den Rechtsfolgen kurzfristiger Beschäftigung begründenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV liegen nicht vor. Hiernach sind kurzfristige Beschäftigungen dann nicht (zeit)geringfügig, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 Euro (seit 1.1.2013 450 Euro) im Monat übersteigt. Dieser Regelung liegt die Erwägung zugrunde, dass Personen, die eine Beschäftigung berufsmäßig ausüben, in der Regel auf den Schutz der Sozialversicherung angewiesen sind, wenn der Verdienst die Grenze der [X.] überschreitet (vgl [X.] in [X.] [X.]omm, § 8 [X.]B IV Rd[X.]7, Stand Einzelkommentierung September 2013). Eine Beschäftigung oder Tätigkeit wird dann berufsmäßig ausgeübt, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und der Beschäftigte damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht (B[X.] Urteil vom 28.10.1960 - 3 R[X.] 31/56 - [X.] [X.] zu § 166 RVO; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]1 zu § 1228 RVO; B[X.] Urteil vom 25.4.1991 - 12 R[X.] 14/89 - [X.] 3-2400 § 8 [X.]; [X.]/[X.] in juris-P[X.] [X.]B IV, 3. Aufl 2016, § 8 [X.]B IV Rd[X.]8; ähnlich [X.]/[X.]/von [X.]/Merten, G[X.]-[X.]B IV 1992, § 8 Rd[X.]4).

Der Senat kann die Frage nach der Berufsmäßigkeit der [X.] ausgeübten Beschäftigungen unbeantwortet lassen; denn jedenfalls überschritten die Beigeladenen zu 1. und 3. in diesen Beschäftigungen die [X.] in Höhe von 400 Euro im Monat nicht.

Die Beklagte kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die zwischen den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger vereinbarten "Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen" ([X.] in den [X.] gültigen Fassungen vom 25.2.2003 und [X.]) berufen. Diese Richtlinien binden die Sozialgerichte nicht (vgl B[X.] Urteil vom [X.] R 5/12 R - [X.] 4-2400 § 8 [X.] Rd[X.]5).

Der Senat hat zur unständigen Beschäftigung durch Urteil vom [X.] (12 R[X.] 23/91 - [X.] 3-2400 § 8 [X.] S 15 f) entschieden, dass bei der Prüfung der absoluten [X.] das im jeweiligen Monat insgesamt erzielte Entgelt dem jeweiligen monatlichen Grenzbetrag gegenüberzustellen ist; denn eine Umrechnung auf Tage sei mit den übrigen, für diese Art der Beschäftigung geltenden Vorschriften nicht vereinbar. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob das Monatsprinzip nicht nur auf unständige Beschäftigungen, sondern auf alle gelegentlichen Beschäftigungen iS des § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV anzuwenden ist. Der Senat knüpft hieran an und bejaht nunmehr die aufgeworfene Frage: das Monatsprinzip gilt für alle gelegentlichen Beschäftigungen iS der [X.] des § 8 Abs 1 [X.]B IV; eine Umrechnung auf Tage kommt in allen Fällen einer zeitgeringfügigen Beschäftigung nicht in Betracht.

Dies gebieten vor allem Sinn und Zweck der Regelung. Das Sozialversicherungsrecht bezieht Beschäftigte im Sinne individueller Vorsorge einerseits und zum Schutz der Allgemeinheit vor mangelnder Eigenvorsoge des Einzelnen andererseits in die einzelnen Zweige der Sozialversicherung ein und ordnet dazu Versicherungs- und Beitragspflicht an (vgl allgemein B[X.] Urteil vom 10.8.2000 - [X.] [X.]R 21/98 R - B[X.]E 87, 53 = [X.] 3-2400 § 7 [X.]5; B[X.] Urteil vom 18.12.2001 - [X.] [X.]R 8/01 R - [X.] 3-2400 § 7 [X.]9; siehe auch B[X.] Urteil vom 23.7.2015 - B 5 RE 17/14 R - [X.] 4-2600 § 2 [X.]2; [X.] NZS 2000, 421, 427 f). Die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfolgt nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse (vgl etwa für die gesetzliche RV: B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]R 20/04 R - [X.] 4-2600 § 157 [X.] und [X.] Beschluss vom 14.10.1970 - 1 BvR 753/68 ua - [X.] [X.] 8 zu Art 2 GG; für das Recht der Arbeitsförderung: [X.] <[X.]ammer> Beschluss vom 3.7.1989 - 1 BvR 1487/88 - [X.] 4100 § 168 [X.]1 und B[X.] Urteil vom 29.7.2003 - [X.] [X.]R 15/02 R - [X.] 4-4100 § 169 [X.]). Der Gesetzgeber darf dabei die Sozialversicherung primär an der Schutzbedürftigkeit der (abhängig) Beschäftigten ausrichten ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 564/84 ua - [X.]E 75, 78, 103 = [X.] 2200 § 1246 [X.]42), ist aber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums durch Art 3 Abs 1 GG gleichwohl nicht gehalten, jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen (vgl allgemein [X.] Urteil vom 1.7.1998 - 2 BvR 441/90 ua - [X.]E 98, 169). Das Versicherungsverhältnis ist als Gegenseitigkeitsverhältnis des Beschäftigten auf der einen Seite und der Solidargemeinschaft aller Versicherten eines Zweiges auf der anderen Seite angelegt und erfordert, dass aus der Beschäftigung Erwerbseinkommen erzielt wird, aus dem sozial angemessene Beiträge zur Finanzierung des jeweiligen Systems geleistet werden können. Der gesetzlich angeordneten Versicherungsfreiheit geringfügig Versicherter liegt die Wertung zugrunde, dass geringfügige Beschäftigungen mangels ausreichender wirtschaftlicher Bedeutung in aller Regel keinen ausreichenden Anlass für eine zwangsweise öffentlich-rechtliche Sicherung des Arbeitnehmers im [X.]rankheitsfall und gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit und für eine eigenständige Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) darstellen. Mit einer Herausnahme geringfügiger Beschäftigungen bietet das Gesetz im Ergebnis einen sachlich eng begrenzten und hinsichtlich der Rechtsfolgen eingeschränkten Raum freier ökonomischer Entfaltung zum Zweck des Erwerbs von Einkommen, das nicht Hauptquelle des Lebensunterhaltes ist (so Fichte in [X.]/[X.], [X.]B VI, [X.] § 5 Rd[X.]7, Stand Einzelkommentierung Mai 2017).

Wird jeweils nur an einzelnen Tagen gearbeitet, darf der Gesetzgeber typisierend unterstellen, dass eine solche Tätigkeit wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung für den Beschäftigten ist, es sei denn, die Tätigkeit wird berufsmäßig ausgeübt und das Arbeitsentgelt überschreitet die normierte Grenze. Diese Typisierung der Schutzzwecke würde verfehlt, wenn keine monatliche Grenze zur Anwendung gelangen würde, weil dann die [X.] keine eigenständige Bedeutung mehr hätte. Auch würde dem Aspekt der Gegenseitigkeit der [X.] in der Sozialversicherung keine Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang sind die Auswirkungen im Leistungsrecht zu beachten, die eintreten würden, wenn der Ansicht der Beklagten gefolgt wird.

Im Bereich der gesetzlichen [X.]rankenversicherung würden sich Beschäftigte mit gelegentlichen eintägigen Beschäftigungseinsätzen in gewissen Abständen einen Versicherungsschutz für das gesamte Jahr unter Berücksichtigung des nachgehenden Versicherungsschutzes gemäß § 19 Abs 2 [X.]B V bei minimalen Beiträgen erwirtschaften können. In der [X.] hätte das gleiche zu gelten, wenn Beschäftigte jedenfalls jeden Monat an einem Tag arbeiten würden (siehe hierzu § 122 Abs 1 [X.]B VI; vgl insoweit allgemein [X.] in juris-P[X.] [X.]B VI, 2. Aufl 2013, § 122 [X.]B VI Rd[X.]3). Es würden hierdurch zwar nur niedrige Anwartschaften erworben, jedoch führt die Versicherungspflicht zur Belegung der [X.]alendermonate mit Versicherungspflichtzeiten, mit denen zB die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente erfüllt werden können.

Hiermit zusammenhängend ist schließlich die Wertung des Gesetzgebers, die zum Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse (BeschNeuRG) vom 24.3.1999 ([X.] 388) führte, zu berücksichtigen. Denn mit der Einführung von pauschalen Beiträgen zur [X.] war die Idee verbunden, dass Pflichtbeitragszeiten durch eine regelmäßige entgeltgeringfügige Beschäftigung erwirtschaftet werden können, wenn auf die Versicherungsfreiheit verzichtet wird (BT-Drucks 14/280 S 10). Diese gesetzgeberische Motivation erscheint wenig nachvollziehbar, wenn aufgrund der von der Beklagten befürworteten Interpretation des § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV ein Versicherungsschutz erreicht werden könnte. Die fehlende Einbeziehung der zeitgeringfügigen Beschäftigungen hinsichtlich dieser benannten Neuregelungen beruhte auf der sozialpolitischen Überlegung, dass bei diesen Beschäftigungen durch [X.] kein sinnvoller Grundstein für eine Alterssicherung gelegt werden kann und die Aufrechterhaltung einer bestehenden Sicherung wie bei [X.] aufgrund der [X.]urzfristigkeit wenig sinnvoll ist ([X.]nopse in [X.]/[X.], [X.]B IV, [X.] § 8 Rd[X.]6, Stand Einzelkommentierung März 2014).

Gegen die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV sprechen auch Wortlaut und Änderungshistorie des § 8 [X.]B IV. Ursprünglich war die [X.] in § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV nicht nominell bestimmt, sondern der Gesetzestext nahm Bezug auf die [X.] in [X.]. Erst durch das BeschNeuRG vom 24.3.1999 ([X.] 388) wurde - mit Wirkung vom 1.4.1999 - die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen grundlegend neu geregelt; in § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV wurde ebenfalls eine [X.] aufgenommen. Auch unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/280) zu dieser Änderung bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber jemals eine abweichende Anwendung der [X.]n in [X.] und 2 des § 8 Abs 1 [X.]B IV beabsichtigte. Zu diesem Ergebnis würde jedoch die von der Beklagten vertretene Ansicht führen. Eine anteilige Arbeitsentgeltgrenze in Form eines anteiligen Monatswerts ist im Übrigen dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen, der in anderen Zusammenhängen systematisch (explizit) zwischen [X.]alenderjahr, Monat(en) und Arbeitstagen differenziert.

Letztlich spricht ein weiteres systematisches Argument gegen die von der Beklagten vertretene Ansicht, und zwar der Aspekt der Verteilung der [X.]. Bei Anwendung einer anteiligen [X.] im Rahmen des § 8 Abs 1 [X.] [X.]B IV besteht unter Umständen - wie auch in den zu entscheidenden Fällen der Beigeladenen zu 1. und 3. - eine volle [X.] für den betroffenen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer schon vor Erreichen des Grenzwertes, der das Ende der Gleitzone markiert. Die [X.] des Beschäftigten soll aber gerade erst innerhalb der Gleitzone auf die volle [X.] ansteigen. Die Anwendung einer anteiligen [X.] würde das gestufte Beitragssystem konterkarieren und letztlich bezogen auf die ungleiche beitragsrechtliche Behandlung der tatsächlich erzielten monatlichen Arbeitsentgelte zu systemwidrigen Ergebnissen führen.

3. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 G[X.]G in Höhe des Betrags der noch streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

Meta

B 12 R 10/15 R

05.12.2017

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Nürnberg, 25. Juni 2013, Az: S 3 R 1342/12, Urteil

§ 7 Abs 1 SGB 4, § 8 Abs 1 Nr 2 SGB 4, § 28p Abs 1 SGB 4, § 7 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB 5, § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 6 vom 23.12.2002, § 20 Abs 1 S 1 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.12.2017, Az. B 12 R 10/15 R (REWIS RS 2017, 1279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1279

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