AG Wiesbaden, Teilurteil vom 26.04.2021, Az. 93 C 2338/20

93. Abteilung | REWIS RS 2021, 6543

MIETWOHNUNG MIET- UND WEG-RECHT AUSKUNFT DSGVO AUSKUNFTSANSPRUCH

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Gegenstand

Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO gegen privaten Vermieter.


Leitsatz

1. Eine Sammlung mehrerer Mietverträge eines Vermieters stellt ein Dateisystem gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6 der Datenschutz-Grundverordnung dar. Der Mieter hat in diesem Fall grundsätzlich einen Anspruch auf Datenauskunft gegen den Vermieter nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung.

2. Die Speicherung von Namen und Telefonnummer eines Mieters im Mobiltelefon des Vermieters stellt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 2 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung dar. Gleiches gilt für die Speicherung der Daten durch ein Serviceunternehmen, die im Rahmen der Betriebskostenabrechnung tätig werden. Diese sind Auftragsverarbeiter gemäß Art. 28, Art. 4 Nr. 8 der Datenschutz-Grundverordnung. Der Anspruch auf Datenauskunft richtet sich in diesem Fall gegen den Vermieter.

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 14.10.2020 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger eine vollständige Datenauskunft über die bei der Beklagten zur Person des Klägers gespeicherten Daten im Sinne des Art. 15 der [X.] ([X.]) zu erteilen, und zwar auch über die Verarbeitungszwecke; die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden; die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in [X.] oder bei internationalen Organisationen; falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer; das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung und Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung; das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde; wenn die personenbezogenen Daten nicht beim Kläger erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten; sowie das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 [X.] und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für den Kläger.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 €.

Tatbestand

Der Kläger als Mieter hatte mit der [X.]n als Vermieterin einen Mietvertrag über die Wohnung 9B (1. OG) in [X.], dessen Eigentümerin die [X.] ist, abgeschlossen. Mietbeginn war der 1.8.2017. Die übrigen Einheiten in dem Haus wurden von der [X.]n zu Wohn- und teilweise zu gewerblichen Zwecken vermietet.

Mit der Erstellung der Betriebskostenabrechnung hatte die [X.] die [X.] beauftragt. Diese erstellte am [X.] in [X.] unter anderem die Betriebskostenabrechnung für den Kläger, die mit einer Nachzahlung von 720,80 € endete. Der Ehemann der [X.]n kommunizierte in Angelegenheiten des Mietvertrags mit dem Kläger per [X.], unter anderem zu der Frage der Installation eines Rauchmelders im Wohnzimmer.

Mit Schriftsatz vom 29.1.2020 in dem Räumungsrechtsstreit vor dem [X.] mit umgekehrten Parteirollen (Aktenzeichen: 92 C 4102/19 (13)) forderte der Klägervertreter im Namen des hiesigen [X.] die [X.] dazu auf, ihm eine umfassende Auskunft über seine personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 [X.] zu erteilen. Der [X.]nvertreter antwortete für die [X.] im hiesigen Verfahren mit Schriftsatz vom [X.], diese sei keine institutionelle Vermieterin, sie speichere deshalb keine Daten ab; als private Vermieterin [X.] sie den Mietvertrag ab, sonst nichts.

Der Kläger ist der Ansicht, es liege eine Datenverarbeitung durch die [X.] vor. In dem Umstand, dass seine Telefonnummer und sein Name auf dem Mobiltelefon des Ehemanns der [X.]n zum Zwecke der Kommunikation per [X.] gespeichert seien, liege eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten. Dies gelte ebenso für die Speicherung der Daten im System der A zum Zwecke der Erstellung der Betriebskostenabrechnungen. Hierfür sei die [X.] verantwortlich, da die [X.] gemäß Art. 28 [X.] sei. Außerdem stelle die Sammlung der verschiedenen Mietverträge für das [X.] ein Dateisystem dar.

Die Auskunft vom [X.] reiche nicht aus und sei unzutreffend, da tatsächlich eine Verarbeitung der persönlichen Daten des [X.] durch die [X.] vorliege.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die [X.] zu verurteilen, ihm eine vollständige [X.] über die bei der [X.]n zur Person des [X.] gespeicherten Daten im Sinne des Art. 15 der [X.] ([X.]) zu erteilen. Außerdem hat er beantragt, die [X.] zu verurteilen, Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer bislang erteilten [X.] entsprechend § 259 Abs. 2, § 260 Abs. 2 BGB an Eides statt zu versichern.

Da die [X.] im schriftlichen Vorverfahren säumig geblieben ist, hat das Gericht der Klage mit Versäumnisurteil vom 14.10.2020 in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses hat die [X.] mit am [X.] eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil vom 14.10.2020 aufrechtzuerhalten.

Die [X.] beantragt,

  1. unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abzuweisen,
  2. widerklagend, den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie 720,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gewaltigen Basiszinssatz seit Zustellung des [X.] zu zahlen.


Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die [X.] behauptet, sie habe keine persönlichen Daten des [X.] gespeichert, sondern nur die betreffenden Mietverträge in einem Ordner abge[X.]t. Sie benutze auch keine Hausverwaltungssoftware. Dies sei dem Kläger bekannt, weshalb es seiner Klage am Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Entscheidungsgründe

1

Der fristgerecht und auch ansonsten zulässig eingelegte Einspruch hat zur Folge, dass das Versäumnisurteil im Hinblick auf die Verurteilung zur eidesstattlichen Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der bisher durch die Beklagte erteilten [X.] aufzuheben, im Übrigen aber aufrechtzuerhalten ist, mit [X.]usnahme der Kostenentscheidung, die erst mit dem Schlussurteil erfolgen kann, in dem über die Widerklage zu entscheiden ist.

2

Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des [X.] ergibt sich aus [X.]rt. 79 [X.]bs. 2 S. 1 [X.] i.V.m. § 44 [X.]bs. 1 S. 2 BDSG, da der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt in [X.] hatte.

3

Die Klage ist insoweit begründet, als der Kläger gegen die Beklagte einen [X.]nspruch auf eine [X.] gemäß [X.]rt. 15 [X.] in dem aus dem Tenor hervorgehenden Umfang hat.

4

Der [X.]nwendungsbereich der [X.] ist insofern eröffnet. Es liegt gemäß [X.]rt. 2 [X.]bs. 1 [X.] sowohl eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten des [X.] durch die Beklagte, ihren Ehemann und die Firma [X.] vor als auch eine Verarbeitung von Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind.

5

Zu den personenbezogenen Daten im Sinne von [X.]rt. 4 Nr. 1 [X.] gehört insbesondere der Name des [X.], unter anderem aber auch seine [X.]nschrift und seine Telefonnummer. Eine Verarbeitung liegt gemäß [X.]rt. 4 Nr. 2 [X.] unter anderem im Erheben, Erfassen, Speichern, Verwenden und Offenlegen durch Übermittlung.

6

Dies ist bereits durch die Speicherung von Namen und Telefonnummer in einem Mobiltelefon erfüllt, außerdem durch die Übermittlung an die Firma [X.] und die automatisierte Verwendung der Daten durch diese zum Zwecke der Erstellung der Betriebskostenabrechnung. Die Firma [X.] wurde insofern als [X.]uftragsverarbeiter gemäß [X.]rt. 4 Nr. 8, [X.]rt. 28 [X.] tätig, Verantwortliche im Sinne der Datenschutz Grundverordnung bleibt gemäß [X.]rt. 4 Nr. 7 [X.] die Beklagte, da diese gegenüber der Firma [X.] über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung entschied.

7

Darüber hinaus liegt in der Sammlung der Mietverträge, u.a. auch dem Mietvertrag des Beklagten, ein Dateisystem gemäß [X.]rt. 2 [X.]bs. 1 [X.]. Dabei handelt es sich gemäß [X.]rt. 4 Nr. 6 [X.] um jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind. Der Begriff entspricht weitgehend demjenigen der „Datei“ in der unionsrechtlichen Vorgängervorschrift, der Datenschutzrichtlinie 95/46. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist für die Strukturierung nach bestimmten Kriterien ausreichend, dass die Daten über eine bestimmte Person zur späteren Verwendung leicht wieder auffindbar sind. Dafür ist nicht erforderlich, dass die Daten in spezifischen Verzeichnissen oder einem anderen Recherchesystem enthalten sind; sogar eine Sammlung von [X.] genügt hierfür (vgl. [X.], Urteil vom [X.] - [X.]/17 -, NZ[X.] 2018, 991 Rn. 57 ff.). Dem genügt die Sammlung der abgehefteten Mietverträge jedenfalls, da diese auch nach unterschiedlichen Kriterien strukturiert werden kann, z.B. nach den Namen der Mieter oder nach den Wohnungsnummern.

8

[X.]uch soweit die Daten durch die Firma [X.] als [X.]uftragsverwalterin verarbeitet werden, richtet sich der [X.]nspruch auf [X.] gegen die Beklagte als Verantwortliche. Die Firma [X.] ist gemäß [X.]rt. 28 [X.]bs. 3 S. 2 lit. e [X.] lediglich verpflichtet, angesichts der [X.]rt der Verarbeitung die Beklagte als Verantwortliche nach Möglichkeit mit geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen dabei zu unterstützen, ihrer Pflicht zur Beantwortung von [X.]nträgen auf Wahrnehmung der Rechte der betroffenen Person auf [X.] etc. nachzukommen.

9

Ein [X.]usnahmetatbestand von den Verpflichtungen gemäß der [X.] besteht nicht. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Datenverarbeitung durch eine natürliche Person zur [X.]usübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten ([X.]rt. 2 [X.]bs. 2 lit. c [X.]).

10

Die mit Schriftsatz vom [X.] erteilte [X.]uskunft genügt nicht den [X.]nforderungen an eine [X.] gemäß [X.]rt. 15 [X.]. Eine solche „[X.]“ würde nur genügen, wenn tatsächlich keine Datenverarbeitung durch die Beklagte vorliegt, was hier aber gerade doch der Fall ist. Da gerade im Hinblick auf die Verarbeitung durch die Firma [X.] der Kläger keine Kenntnis darüber hat, welche Daten wie verarbeitet werden, was im Übrigen auch im Hinblick auf eine eventuelle weitere Verarbeitung durch die Bekalgte oder ihren Ehemann gilt, fehlt der Klage auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Recht auf [X.]uskunft ist, soweit eine Datenverarbeitung vorliegt, nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft. Ein Weigerungsrecht der Beklagten aufgrund offenkundig unbegründeter oder exzessiver [X.]nträge gemäß [X.]rt. 12 [X.]bs. 5 [X.] ist nicht ersichtlich.

11

Dagegen hat der Kläger gegen die Beklagte keinen [X.]nspruch auf eine eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit der vor Klageerhebung erteilten [X.] gemäß § 259 [X.]bs. 2, § 260 [X.]bs. 2 BGB. Insofern fehlt es der Klage zum einen bereits am Rechtsschutzbedürfnis, zum anderen sind auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende eidesstattliche Versicherung nicht gegeben. Der entsprechende Klageantrag bezieht sich nicht auf die von der Beklagten noch zu erteilende [X.], die ebenfalls mit der Klage (erfolgreich) geltend gemacht wird. Vielmehr soll ausdrücklich die Vollständigkeit und Richtigkeit der bislang erteilten [X.], also derjenigen aus dem Schriftsatz vom [X.], versichert werden. Insofern machte der Kläger aber mit seinem Klageantrag auf [X.]uskunft gleichzeitig erfolgreich geltend, dass diese eben gerade nicht vollständig und richtig war. Ein [X.]nspruch auf Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen unvollständigen bzw. unrichtigen [X.]uskunft kann aber nicht verlangt werden. Etwas anderes könnte gegebenenfalls im Hinblick auf die noch zu erteilende [X.]uskunft gelten. Hierauf bezieht sich der [X.]ntrag aber gerade nicht.

12

Im Hinblick auf die Widerklage ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, da insofern noch entsprechende Hinweise an die Parteien zu erteilen waren und jedenfalls dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom [X.] zu geben war. [X.]uch eine Kostenentscheidung kann deshalb erst im Schlussurteil erfolgen.

13

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Zur besseren Lesbarkeit wurden ggf. Tippfehler entfernt oder Formatierungen angepasst.

Meta

93 C 2338/20

26.04.2021

AG Wiesbaden 93. Abteilung

Teilurteil

Sachgebiet: C

Art. 15 DSGVO

Zitier­vorschlag: AG Wiesbaden, Teilurteil vom 26.04.2021, Az. 93 C 2338/20 (REWIS RS 2021, 6543)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6543


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 93 C 2338/20

AG Wiesbaden, 93 C 2338/20, 26.04.2021.


Az. 3 S 50/21

LG Wiesbaden, 3 S 50/21, 30.09.2021.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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