Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.06.2014, Az. VIII B 75/13

8. Senat | REWIS RS 2014, 4691

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Gegenstand

(Keine Verzinsung von an den Steuerpflichtigen erstatteten Nachzahlungszinsen nach §§ 233a oder 236 AO)


Leitsatz

NV: Nachzahlungszinsen, die an den Steuerpflichtigen zu erstatten sind, sind nicht zu verzinsen. Dies ergibt sich aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes (hier: §§ 233, 233a und 236 AO) und hat daher keine grundsätzliche Bedeutung.

Tatbestand

1

I. Im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 19. Februar 2004 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung ([X.]) in Höhe von 58.742 € fest, die die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am 12. August 2004 bezahlten. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2012 änderte das [X.] die Einkommensteuerfestsetzung 1998 und setzte nunmehr Zinsen nach § 233a [X.] in Höhe von ./. 115.801 € fest. Der Betrag setzte sich aus dem Saldo von Erstattungszinsen in Höhe von 119.550 € und verbleibenden Nachzahlungszinsen in Höhe von 3.749 € zusammen. Die von den Klägern im Jahr 2004 geleisteten Nachzahlungszinsen in Höhe von 58.742 € wurden diesen am 17. Dezember 2012 erstattet.

2

Die Kläger begehrten mit ihrer --vom Finanzgericht (FG) abgewiesenen-- Klage die Festsetzung weiterer Zinsen zu ihren Gunsten auf die von ihnen zu viel gezahlten Nachzahlungszinsen in Höhe von 54.993 € (58.742 € ./. 3.749 €), und zwar für den Zeitraum vom 12. August 2004 bis zum 17. Dezember 2012 in Höhe von 0,5 % pro Monat (27.496,50 €).

3

Zur Begründung trugen sie vor, bei verfassungskonformer Auslegung der Bestimmungen in §§ 233 ff. [X.], die eine Verzinsung von steuerlichen Nebenleistungen ausschließen, bestehe eine Pflicht des Staates, einen ungerechtfertigt erhaltenen Betrag zu verzinsen.

4

Die Kläger stützen ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet und führt nicht zur Zulassung der Revision.

6

1. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob Nachzahlungszinsen bei ihrer Rückerstattung wiederum nach § 233a [X.] oder § 236 [X.] zu verzinsen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O).

7

Eine Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, wenn sie sich ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantworten lässt, oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu entscheiden ist, wie es das [X.] getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist. [X.] ist eine Rechtsfrage daher nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 19. Februar 2014 II B 106/13, [X.], 901, und vom 26. Februar 2014 III B 123/13, [X.], 824, jeweils m.w.N.).

8

Der Ausschluss der Verzinsung von an den Steuerpflichtigen wieder zu erstattenden Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a [X.] ergibt sich --wie auch das [X.] entschieden hat-- aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist demnach nicht klärungsbedürftig.

9

a) Nach § 233 Satz 1 [X.] werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 [X.]) nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. § 233 Satz 2 [X.] ordnet an, dass Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 [X.]) und die entsprechenden Erstattungsansprüche nicht verzinst werden. Nach der in Bezug genommenen Legaldefinition des § 3 Abs. 4 [X.] sind "Zinsen (§§ 233 bis 237 [X.])" --und damit auch Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a [X.]-- steuerliche Nebenleistungen.

Auch § 233a Abs. 1 Satz 1 [X.] steht der Entstehung von Erstattungszinsen auf zu Unrecht vom [X.] erhobene Nachzahlungszinsen entgegen. Danach ist nur ein Unterschiedsbetrag bei der Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer zu verzinsen.

Die Aufzählung der dort genannten Steuerarten ist abschließend. Wie die Kläger selbst in der Beschwerdeschrift anführen, hat der [X.] bereits mehrfach entschieden, dass kein Anspruch auf Verzinsung sämtlicher Steuererstattungsbeträge besteht ([X.]-Urteile vom 17. November 2010 I R 68/10, [X.] 2011, 737 zu [X.]; vom 23. Februar 2006 III R 66/03, [X.]E 212, 386, [X.], 741 zum Anspruch auf Investitionszulage; vom 20. April 2006 III R 64/04, [X.]E 212, 416, [X.], 240 zum Anspruch auf Kindergeld; vom 26. April 2006 I R 122/04, [X.]E 212, 426, [X.], 737 zu § 11 Abs. 2 des Außensteuergesetzes a.F.).

b) § 236 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründet ebenfalls keinen Anspruch auf (Prozess-)Zinsen im Fall der Erstattung von Nachzahlungszinsen.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag zu verzinsen, wenn durch eine oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt wird.

Bei Nachzahlungs- und Erstattungszinsen i.S. des § 233a [X.] handelt es sich weder um Steuern (§ 3 Abs. 1 [X.]) noch um Steuervergütungen, sondern um steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 [X.]), sodass diese nicht nach § 236 [X.] zu verzinsen sind.

Auch von § 236 [X.] sind nur die ausdrücklich genannten Beträge erfasst, da es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz auf Verzinsung rückständiger Staatsleistungen nicht gibt (vgl. [X.]-Urteil vom 6. Mai 2008 VII R 10/07, [X.] 2008, 1714, m.w.N. der Rechtsprechung; Loose in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 236 [X.] Rz 4; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], § 236 [X.] Rz 10; [X.] in [X.], [X.] § 236 Rz 12).

2. Die grundsätzliche Bedeutung der von den Klägern weiter aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die Nichtverzinsung zurückerstatteter Nachzahlungszinsen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ([X.]) verstößt, haben die Kläger nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entsprechend dargelegt.

Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm gerügt, muss nicht nur angegeben werden, mit welcher Norm des [X.] die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Norm unvereinbar sei, sondern dies auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) und des [X.] schlüssig begründet werden (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 34, m.w.N. der Rechtsprechung).

a) Die Kläger haben bereits nicht schlüssig dargelegt, warum Art. 3 Abs. 1 [X.] eine Ausweitung der Verzinsungspflicht auf steuerliche Nebenleistungen gebietet, bzw. inwieweit § 233 Satz 2 [X.] gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] verstoßen könnte.

So ist nicht nachvollziehbar erläutert, inwieweit die Nichtverzinsung von Nachzahlungszinsen zu einer Ungleichbehandlung der Kläger im Vergleich zum Fiskus i.S. von Art. 3 Abs. 1 [X.] führen soll. Denn nach § 233 Satz 2 [X.] sind sämtliche steuerlichen Nebenleistungen und damit auch deren Erstattungen von der Verzinsung ausgenommen. Weder die Steuerpflichtigen noch der Fiskus haben einen Anspruch auf Verzinsung für zu Unrecht von ihnen an den jeweils anderen geleistete Zinsen oder andere Nebenleistungen. Es besteht --entgegen der Meinung der [X.] keine einseitige Verzinsungspflicht zugunsten des Staates.

Soweit die Kläger auf die "Ausführung und Überlegung des [X.] zur [X.]" rekurrieren, die offenbar dem Beschluss des [X.] vom 3. September 2009  1 BvR 2539/07 ([X.] 2009, 2115) entnommen wurde, haben sie nicht dargelegt, inwieweit dies übertragen auf den Streitfall eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung begründen könnte, insbesondere da das [X.] einen Verstoß von § 233a [X.] gegen Art. 3 Abs. 1 [X.] gerade nicht festgestellt hat.

b) Eine Auseinandersetzung mit der unter [X.] und 1.b dargestellten --und von den Klägern zum Teil selbst angeführten-- Rechtsprechung des [X.], wonach auch unter Beachtung von Art. 3 Abs. 1 [X.] keine Pflicht zur Verzinsung sämtlicher Steuerarten bzw. rückständiger Staatsleistungen allgemein besteht, ist in der Beschwerdebegründungsschrift ebenfalls nicht erfolgt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 75/13

23.06.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 13. Juni 2013, Az: 10 K 44/13, Urteil

§ 233 AO, § 233a Abs 1 AO, § 236 Abs 1 AO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.06.2014, Az. VIII B 75/13 (REWIS RS 2014, 4691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4691

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

2 BvR 737/20

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