Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.02.2020, Az. IX R 23/19

9. Senat | REWIS RS 2020, 3272

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Gegenstand

Keine Verzinsung eines Erstattungsbetrags nach dem StraBEG


Leitsatz

Ein auf der Grundlage des StraBEG vom 23.12.2003 (BGBl I 2003, 2928) an das FA gezahlter und später teilweise wieder erstatteter Betrag unterliegt nicht der Verzinsung nach § 233a AO.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 3 K 401/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob ein auf der Grundlage des [X.]sgesetzes ([X.]) vom 23.12.2003 ([X.], 2928) an das Finanzamt ([X.]) gezahlter und später wieder erstatteter Betrag nach § 233a der Abgabenordnung ([X.]) zu verzinsen ist.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gab am 23.12.2004 eine strafbefreiende Erklärung nach dem [X.] ab, in der er neben Kapitalerträgen der Jahre 1998 bis 2001 in Höhe von 34.105 € einen Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (Aktien) des Jahres 2001 in Höhe von 2.299.881 € als Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] berücksichtigte. Der Kläger leistete darauf eine Strafbefreiungsabgabe in Höhe von 583.497 € (25 %). Im Rahmen des anschließenden [X.] berief sich der Kläger auf die Verfassungswidrigkeit der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 1 %; dies mache die Strafbefreiungsabgabe rechtswidrig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte ([X.]) half dem Einspruch mit Bescheid vom 19.12.2016 ab und verminderte die Strafbefreiungsabgabe um den auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Betrag von 574.971 €.

3

Mit Schreiben vom 20.12.2016 beantragte der Kläger die Festsetzung von Erstattungszinsen nach § 233a [X.] für den Zeitraum von der Zahlung bis zur Erstattung der Strafbefreiungsabgabe. Denn diese gelte gemäß § 10 Abs. 1 [X.] als Einkommensteuer, so dass der Erstattungsbetrag nach § 233a [X.] für 144 Monate zu verzinsen sei. Dies lehnte das [X.] mit Bescheid vom 16.02.2017 unter Hinweis auf das Urteil des [X.] vom 11.04.2011 - 10 K 3043/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2011, 1500) ab; die Strafbefreiungsabgabe sei nicht vom [X.] des § 233a [X.] umfasst. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16.05.2018).

4

Mit der anschließenden Klage machte der Kläger geltend, dass die in Rede stehende Steuerzahlung keine Strafbefreiungsabgabe darstelle. Die "[X.]" habe keine strafbefreiende Wirkung entfalten können, da die Nichtbeachtung eines verfassungswidrigen Gesetzes --ex tunc-- keine strafbare Handlung darstelle. Die Überzahlung sei der Einkommensteuer zuzuordnen und unterliege damit der sog. Vollverzinsung (§ 233a Abs. 1, 3 [X.]). Im Übrigen gelte der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu entrichtende Betrag nach § 10 Abs. 1 [X.] als Einkommensteuer. Ferner sei die Anwendung des § 233a [X.] in § 10 Abs. 4 [X.] nicht ausgeschlossen worden. Auch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 15/1521) gebe keinen Anlass, an dieser Interpretation zu zweifeln.

5

Mit seinem in [X.], 1358 veröffentlichten Urteil wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage als unbegründet ab. Dagegen richtet sich die Revision des [X.], mit der er eine Verletzung von § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1, 2, 4 [X.] sowie § 233a Abs. 1 [X.] rügt.

6

§ 10 Abs. 1 [X.] fingiere Zahlungen nach dem [X.] als Einkommensteuer, so dass es sich um eine zu verzinsende Steuerart i.S. des § 233a Abs. 1 [X.] handele (ebenso [X.] in [X.], [X.] zur Steueramnestie, § 10 [X.] Rz 79). § 10 Abs. 4 [X.] schließe die Vollverzinsung nach § 233a [X.] nicht aus. Weder der Gesetzeswortlaut noch sonstige Umstände ließen damit die Schlussfolgerung des [X.] zu, dass Zahlungen nach dem [X.] nicht zu verzinsen seien.

7

Die Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 1 [X.] ([X.] 542/03, [X.]7) spreche nicht gegen eine Verzinsung. Die Motivlage des [X.] für die Fiktion von Ansprüchen nach dem [X.] als Einkommensteuer sei unbeachtlich. Zwar erscheine es nicht völlig abwegig, dass der Gesetzgeber mit § 10 Abs. 1 [X.] die Verteilung des Steueraufkommens habe regeln wollen, aus der Gesetzesbegründung ergebe sich dies jedoch nicht. Hingegen spreche die Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 4 [X.] ([X.] 542/03, [X.]7), der die Anwendung des § 233a [X.] nicht ausschließe, für eine Verzinsung. Danach hätten nur solche Vorschriften der [X.] von der Anwendung ausgeschlossen werden sollen, die eine nicht fristgerechte Zahlung hätten ermöglichen können. Dazu gehöre die Verzinsung offensichtlich nicht.

8

Ob es sich bei der Abgabe nach dem [X.] um eine Steuer eigener Art handele, sei allenfalls rechtstheoretisch von Bedeutung, nicht aber rechtspraktisch. Die Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] werde damit nicht überwunden. Diese könnte im Übrigen auch weniger auf Erwägungen zur Verteilung des Steueraufkommens als vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass der Gesetzgeber mit einem Überwiegen angemeldeter Einkommensteuerbeträge gerechnet habe. Dementsprechend habe er Mehreinnahmen aus Einkommensteuern in Höhe von 5 Mrd. € im Jahr 2004 erwartet ([X.] 542/03, [X.]). Zudem dürften Zuständigkeitsfragen eine Rolle gespielt haben (Seipl, Die Steuerberatung --Stbg-- 2003, 357, 364).

9

§ 8 Abs. 1 [X.] sei im Streitfall ohne Bedeutung. Da er, der Kläger, keinen dem [X.] unterliegenden Tatbestand erfüllt habe, sei es insoweit auch nicht zu einer Strafbefreiung gekommen; dementsprechend könnten in diesem Umfang auch keine Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen erloschen sein (vgl. [X.] in [X.], a.a.[X.], § 8 [X.] Rz 36). Aber auch in den Fällen einer Strafbefreiung erscheine die Versagung von Erstattungszinsen für tatsächliche Überzahlungen als teleologisch nicht zu rechtfertigende Überkompensation. Denn der Gesetzgeber habe das Ziel verfolgt, durch eine attraktive Regelung für die Vergangenheit einen Anreiz zu bieten, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren und damit einen Beitrag zum Rechtsfrieden zu leisten ([X.] 542/03, [X.]). Eine gegenläufige Verzinsungsmöglichkeit, wie sie die Vorinstanz als Entscheidungsmaßstab ansehe, habe der Gesetzgeber mit dem [X.] nicht verfolgt. § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] stehe in einem klaren Widerspruch zum Prinzip der Gegenläufigkeit, indem dort zum Anreiz nur einseitig auf steuerliche Nebenleistungen verzichtet werde. Aus dem Merkmal der Attraktivität (vgl. [X.]/Haisch, [X.] Steuer-Zeitung [X.], 215, 226) könne nur abgeleitet werden, dass das Erlöschen der steuerlichen Nebenleistungen nur auf Nachzahlungszinsen zu beziehen sei. Hingegen betreffe § 8 Abs. 1 [X.] Guthabenzinsen nicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene [X.]-Urteil vom [X.] aufzuheben und das [X.] unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 16.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.05.2018 zu verpflichten, Erstattungszinsen in Höhe von 411.089,25 € festzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I[X.]

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Recht hat das [X.] die Verzinsung der erstatteten Pauschalsteuer i.S. des [X.] nach § 233a [X.] abgelehnt.

1. Führt die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 3 [X.], ist dieser gemäß § 233a Abs. 1 [X.] zu verzinsen. Die in § 233a Abs. 1 [X.] enthaltene Aufzählung ist abschließend (Senatsbeschluss vom 23.02.2007 - IX B 242/06, [X.], 1073). Auf andere als die in § 233a Abs. 1 [X.] genannten Steuern ist § 233a [X.] nicht anwendbar, es sei denn, andere Gesetze verweisen auf die Norm ([X.]/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 233a [X.] Rz 6; [X.] zur Abgabenordnung zu § 233a Nr. 2). Der [X.] lässt sich insbesondere kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts entnehmen, dass Ansprüche des Steuerpflichtigen aus dem Steuerschuldverhältnis auch ohne einzelgesetzliche Grundlage stets zu verzinsen sind (BFH-Urteil vom 16.12.2009 - I R 48/09, [X.], 827, Rz 14).

Maßgebend für die Zinsberechnung ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden [X.], um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des [X.] (Unterschiedsbetrag, § 233a Abs. 3 Satz 1 [X.]). Ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur bis zur Höhe des zu erstattenden Betrags zu verzinsen; die Verzinsung beginnt frühestens mit dem [X.] (§ 233a Abs. 3 Satz 3 [X.]).

Der [X.] beginnt gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 [X.] 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3 [X.]). Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Sie sind von dem Tag an, an dem der [X.] beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

2. Wer gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Vermögensteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer oder Abzugsteuern nach dem EStG verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat, wird gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht nach den §§ 370, 370a [X.] oder § 26c des Umsatzsteuergesetzes bestraft, soweit er nach dem 31.12.2003 und vor dem 01.01.2005 die auf Grund seiner unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt (strafbefreiende Erklärung, Nr. 1) und innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 31.12.2004  25 % der Summe der erklärten Beträge entrichtet werden (Nr. 2). Wurde Einkommen- oder Körperschaftsteuer verkürzt, gelten als Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] 60 % der einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen, soweit sie auf Grund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben zu Unrecht bei der Festsetzung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer der Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 nicht berücksichtigt wurden sowie alle Ausgaben, soweit sie auf Grund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben zu Unrecht bei der Festsetzung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer der Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 berücksichtigt wurden (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.]).

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] erstreckt sich die [X.] auf alle Taten i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.], die sich auf nach dem 31.12.1992 und vor dem 01.01.2003 entstandene Ansprüche auf Einkommen- oder Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Vermögensteuer, Gewerbesteuer sowie Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer beziehen, soweit die entsprechenden Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 2 bis 5 [X.] in der strafbefreienden Erklärung berücksichtigt sind.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] erlöschen --soweit nach dem ersten Abschnitt des [X.] Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt-- mit Entrichtung des nach § 1 [X.] zu zahlenden Betrags nach dem 31.12.1992 und vor dem 01.01.2003 entstandene Einkommen- oder Körperschaftsteueransprüche, Umsatzsteueransprüche, [X.], Gewerbesteueransprüche, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteueransprüche sowie alle Ansprüche auf damit zusammenhängende steuerliche Nebenleistungen.

Gemäß § 10 Abs. 1 [X.] gilt der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu entrichtende Betrag --außer für Zwecke der Zuschlagsteuern-- als Einkommensteuer. Die strafbefreiende Erklärung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich und lässt Festsetzungen der in § 8 [X.] genannten [X.] unberührt, soweit diese nicht auf Grund der strafbefreienden Erklärung erloschen sind (§ 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]). Soweit nach dem [X.] keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt, ist die mit Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern (§ 10 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Die §§ 156, 163, 222, 227, 240 und 361 [X.] und § 69 [X.]O sind nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 4 [X.]).

3. Ob die Erstattung von auf der Grundlage des [X.] entrichteten Beträgen gemäß § 233a [X.] zu verzinsen ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Eine Verzinsung der erstatteten [X.] nach § 233a Abs. 1 [X.] scheidet aus (ebenso Hessisches [X.], Urteil in E[X.] 2011, 1500; Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 233a Rz 12; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 233a [X.] Rz 20; wohl auch [X.]/[X.], a.a.[X.], § 233a [X.] Rz 6, unter Hinweis auf das Hessische [X.]; anderer Auffassung [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 79).

a) Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 233a [X.].

aa) In Fallkonstellationen wie der vorliegenden fehlt es an einer "Festsetzung der Einkommensteuer" i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 [X.]. Der Kläger hat mittels der strafbefreienden Erklärung keine Einkommensteuerfestsetzung (für den Veranlagungszeitraum 2001) bewirkt. Zwar gilt der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu entrichtende Betrag gemäß § 10 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] als Einkommensteuer. Zudem steht die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung (ohne Vorbehalt der Nachprüfung) gleich (§ 10 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Bei § 10 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] handelt es sich jedoch um eine gesetzliche Fiktion, die unabhängig davon eingreift, welche der in § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] genannten Steuerarten hinterzogen worden sind ([X.] Hamburg, Urteil vom 12.06.2007 - 5 K 110/06, E[X.] 2007, 1556, unter [X.], Rz 20; [X.] in [X.]/Gast/ [X.], Steuerstrafrecht, 6. Aufl., § 10 [X.] Rz 5 spricht plakativ von der "Etikettierung" als Einkommensteuer). Die Abgeltungsteuer ist abstrahiert von der mit ihr abgegoltenen Steuer ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 4 [ausgesondert]).

Der Fiktion als Einkommensteuer liegen in erster Linie Erwägungen zur Verteilung des Steueraufkommens (Qualifizierung als Gemeinschaftsteuer i.S. des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes) zugrunde (vgl. Hessisches [X.], Urteil in E[X.] 2011, 1500, Rz 19; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 2 [ausgesondert]; [X.] in [X.]/Gast/[X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 3; Schwedhelm/Spatschek, [X.], 109, 115; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 6; Hidien, Betriebs-Berater 2003, 1935; [X.], [X.] 2003, 357, 362). In materieller Hinsicht handelt es sich bei der pauschalen Abgabe allerdings um eine Steuer "sui generis" und nicht um Einkommensteuer ([X.] Hamburg, Urteil in E[X.] 2007, 1556, unter [X.], Rz 20; [X.] Köln, Urteil vom 24.06.2009 - 10 K 965/06, E[X.] 2010, 11, unter 1., Rz 23; Hessisches [X.], Urteil in E[X.] 2011, 1500, Rz 19; [X.] Münster, Urteil vom 26.05.2011 - 5 K 1388/09 U, E[X.] 2011, 1663, Rz 19; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 2, 4, 9 [ausgesondert]; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 5, 35; [X.], [X.] --[X.]-- 2005, 1084, 1086; [X.]/[X.], [X.] 2004, 121, 126).

Zudem erfolgt im Anwendungsbereich des [X.] keine "Festsetzung" von Einkommensteuer. Die Steueranmeldung nach dem [X.] steht verfahrensrechtlich zwar einer Steuerfestsetzung gleich, sie lässt die Einkommensteuer(jahres)festsetzung als solche jedoch unberührt (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Es handelt sich um unterschiedliche Festsetzungsgegenstände ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 9 [ausgesondert]; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 35).

bb) Ebenso wenig ist es möglich, einen Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 3 Satz 1 [X.] --verstanden als die um anzurechnende [X.] und Körperschaftsteuer sowie bis zum Beginn des [X.]s festgesetzte Vorauszahlungen verminderte festgesetzte [X.] zu ermitteln. Wenngleich die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung gleichsteht, kann es anzurechnende [X.] und Körperschaftsteuer sowie Vorauszahlungen im Anwendungsbereich des [X.] nicht geben (vgl. zur Steueranrechnung Bundesministerium der Finanzen, Bundeseinheitliches Merkblatt zur Anwendung des [X.] vom 03.02.2004, [X.], 225, Rz 12.1; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 32; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 10 [X.] Rz 2 [ausgesondert]).

cc) Auch § 233a Abs. 2 Satz 1 [X.] kann im Streitfall nicht sinnvoll zur Anwendung gebracht werden. Wenn der [X.] danach 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Steuer entstanden ist, so passt dies auf die [X.] nach dem [X.] nicht. Auf Grund ihres besonderen Charakters als Selbstberechnungssteuer wird sie mit dem Zugang der strafbefreienden Erklärung beim [X.] festgesetzt (vgl. [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 79, der für die Verzinsung an diesen Zeitpunkt anknüpfen möchte), ein besonderer --auf das Kalenderjahr bezogener-- Entstehungszeitpunkt existiert nicht.

dd) Diesen grammatischen Erwägungen kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass § 10 Abs. 4 [X.] die Anwendung des § 233a [X.] nicht ausdrücklich ausschließe. Daraus kann nicht --e contrario-- geschlossen werden, dass der Erstattungsbetrag nach § 233a [X.] zu verzinsen ist. Die fehlende Anwendbarkeit der §§ 156, 163, 222, 227, 240 und 361 [X.] bzw. § 69 [X.]O dient ersichtlich allein dazu, die Zahlung des Betrags i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] als [X.]svoraussetzung nicht zu konterkarieren. Denn die Anwendung der genannten Vorschriften würde dem Zweck des Gesetzes zuwiderlaufen, da der fristgerechte Zahlungseingang (Kern-)Voraussetzung für den Eintritt der [X.] ist (BTDrucks 15/1309, S. 11). Eine Reduzierung oder Verzögerung der Zahlung der pauschalen Abgabe sollte ausgeschlossen werden (vgl. auch [X.] in [X.], a.a.[X.], § 10 Rz 88). Für [X.] nach § 233a [X.] gilt dies aber nicht, so dass eine Aufnahme des § 233a [X.] in den Katalog des § 10 Abs. 4 [X.] nicht geboten war.

b) Diese wortlautbasierte Auslegung wird durch Systematik sowie Sinn und Zweck des § 233a [X.] bestätigt.

aa) § 233a [X.] will einen Ausgleich für [X.] herstellen, die dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen. Dies rechtfertigt es, den sachlichen Anwendungsbereich des § 233a Abs. 1 Satz 1 [X.] mit der Vorinstanz auf [X.] bzw. laufend veranlagte Steuern zu beschränken (vgl. [X.] vom 18.09.2007 - I R 15/05, [X.], 1, [X.], 332, unter II[X.]1.b, Rz 15; Hessisches [X.], Urteil in E[X.] 2011, 1500, Rz 19). Bei diesen liegt regelmäßig ein längerer Zeitraum zwischen der Entstehung der Steuerschuld bzw. des [X.] und dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheids ([X.] in [X.], § 233a [X.] Rz 17). Vor allem für diese traten vor Einführung der begrenzten Vollverzinsung bis zum erstmaligen Erlass eines Steuerbescheids erhebliche Verzinsungslücken auf, die einerseits bei Nachzahlungen auf die festgesetzte Steuerschuld zu [X.] für den Fiskus und andererseits in [X.] zu [X.] für den Steuerpflichtigen führten (Koenig/Koenig, a.a.[X.], § 233a Rz 6).

Eine Veranlagung (zur Einkommensteuer) ist im Anwendungsbereich des [X.] jedoch gerade nicht vorgesehen. (Einkommensteuer-)Veranlagung in diesem Sinne ist die Festsetzung der Einkommensteuer nach dem Einkommen, das nach den Regeln des EStG zu bestimmen ist (§ 25 Abs. 1 EStG). Eine derartige Einkommensermittlung findet im Rahmen der strafbefreienden Erklärung nicht statt. Vielmehr wird eine "überperiodische Amnestiesteuer" ([X.], [X.] 2005, 1084, 1086) bzw. "spezialgesetzlich vorgesehene Pauschalsteuer" ([X.] Köln, Urteil in E[X.] 2010, 11, unter 1., Rz 25) nach eigener Bemessungsgrundlage (§ 1 [X.]) berechnet. Die nach Maßgabe des [X.] versteuerten Einnahmen werden nicht (i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG) bei der Einkommensteuerveranlagung erfasst, sondern anderweitig einer pauschalen Besteuerung zugeführt ([X.] vom 18.02.2009 - VII B 161/08, juris, Rz 8). Auch das für [X.] typische zeitliche Auseinanderfallen von der Entstehung der Steuerschuld und der Bekanntgabe des Steuerbescheids ist nicht zu verzeichnen.

bb) Das Hessische [X.] (Urteil in E[X.] 2011, 1500, Rz 21) und die Vorinstanz haben in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass § 233a Abs. 1 [X.] darauf abzielt, Zinsvor- und -nachteile im Verhältnis von [X.] und Steuerschuldner auszugleichen ([X.], Beschluss vom 03.09.2009 - 1 BvR 2539/07, [X.], 2115, unter II[X.]1.a bb (2) a, Rz 21; [X.] in [X.], § 233a [X.] Rz 5). Die Norm geht von einer gegenläufigen Verzinsungsmöglichkeit aus, d.h. Zinsvorteile können sich gleichermaßen zugunsten des [X.]s wie auch zugunsten des Steuerschuldners ergeben; für [X.] gilt naturgemäß Entsprechendes.

Eine derartige gegenläufige Verzinsungsmöglichkeit fehlt jedoch im Anwendungsbereich des [X.]. Die Erhebung von Nachzahlungszinsen nach § 233a [X.] als steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 Nr. 4 [X.]) scheidet gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] aus (vgl. auch [X.] in [X.]/Gast/[X.], a.a.[X.], § 8 [X.] Rz 3). Gerade in dieser begünstigenden Wirkung besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der Amnestieerklärung und der Selbstanzeige nach § 371 [X.] (vgl. [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 8 [X.] Rz 6 [ausgesondert]; [X.], [X.], 179, 184; [X.]/Haisch, [X.], 215, 226). Vor diesem Hintergrund erscheint es aus systematischen Gründen ausgeschlossen, eine einseitige Verzinsung der erstatteten [X.] nach dem [X.] zuzulassen. Dass es im Streitfall tatsächlich nicht zu einem Erlöschen von steuerlichen Nebenleistungen gekommen ist, da im Hinblick auf die erklärten Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften --mangels steuerbarer [X.] keine Straf- und Bußgeldfreiheit eintreten konnte, ist entgegen der Ansicht des [X.] ohne Bedeutung.

cc) Schließlich haben das Hessische [X.] (Urteil in E[X.] 2011, 1500, Rz 22) und die Vorinstanz zutreffend geltend gemacht, dass eine Verzinsung der erstatteten [X.] nach dem [X.] zu einem Wertungswiderspruch führen würde, soweit eine Verkürzung von Erbschaft- oder Schenkungsteuer in Rede steht. Denn § 233a Abs. 1 [X.] sieht eine Verzinsung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht vor. Wäre der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zu entrichtende Betrag, den § 10 Abs. 1 [X.] als Einkommensteuer fingiert, im Fall der Erstattung zu verzinsen, würde der eindeutige [X.] des § 233a [X.] unterlaufen. Zudem teilt der Senat das von der Vorinstanz herangezogene Argument, dass die Verzinsung eines auf der Grundlage des [X.] gezahlten und später wieder erstatteten Betrags nicht davon abhängen kann, ob sich die strafbefreiende Erklärung nur auf die Einkommensteuer oder auch auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer bezieht.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 23/19

04.02.2020

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 21. Februar 2019, Az: 3 K 401/18, Urteil

§ 233a Abs 1 AO, § 10 Abs 1 StraBEG, § 10 Abs 4 StraBEG, § 1 Abs 1 StraBEG, § 8 StraBEG, § 233a Abs 2 AO, § 233a Abs 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 04.02.2020, Az. IX R 23/19 (REWIS RS 2020, 3272)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3272

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