Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.09.2020, Az. 5 AZR 168/19

5. Senat | REWIS RS 2020, 467

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Gegenstand

Vergütung nach einem Entgeltband


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 15. März 2019 - 2 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütung für die Monate Januar bis März 2018 und dabei über die Auslegung einer tarifvertraglichen Vergütungsregelung.

2

Die Klägerin wurde zum 1. November 2014 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin Kundenbetreuung ([X.]) neu eingestellt und ist seitdem im [X.] beschäftigt. Nach ihrem Arbeitsvertrag leistet sie eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden [X.] der Rahmentarifvertrag Telekommunikation, zuletzt idF des Tarifvertrags vom 21. Juni 2016 (im Folgenden [X.]), und der [X.] für den Geschäftsbereich [X.] der Beklagten vom 25. Oktober 2013 (im Folgenden [X.]) Anwendung. In dem [X.] heißt es ua.:

        

„Dieser Tarifvertrag gilt für die Beschäftigten des Geschäftsbereichs [X.] mit den als Anlage 1 beigefügten Funktionsbereichen, die dem zwischen den Parteien geschlossenen Rahmentarifvertrag Telekommunikation (im Folgenden [X.]) unterfallen.

        
        

Dieser Tarifvertrag ergänzt für die vorgenannten Beschäftigten den [X.] und geht bei gleichen Regelungsgegenständen diesem als speziellere Regelung vor.

        
        

…       

        
        

§ 2 Einführung eines neuen Entgeltsystems im Geschäftsbereich [X.]

        
        

a)    

Die Entgeltgruppen [X.] 1 bis [X.] 6a/b des [X.] sowie die Tabelle nach § 1 a) dieses [X.] werden mit Wirkung ab 01.04.2014 durch folgende Regelungen zu Entgeltbändern abgelöst:

        
        

-       

Die [X.] sowie der [X.] ergeben sich aus nachstehender Tabelle der [X.]e, der die 38,5 Stundenwoche zu Grunde liegt:

        
                 

Banduntergrenze

[X.]

Bandobergrenze

        

Band 1

22.000 Euro

23.000 Euro

24.000 Euro

        

Band 2

23.100 Euro

25.410 Euro

27.720 Euro

        

…       

                          
                                            
        

-       

Die vorgenannten Entgeltwerte sind in Anwendung des § 17.2 [X.] tarifdynamisch.

                 
        

-       

Der [X.] muss spätestens nach Ablauf von drei Jahren unveränderter Tätigkeit in dem Band erreicht sein, die vorherige Vergütungsregelung gem. § 2 b2) für Beschäftigte im Band 2 bleibt unberührt.

                 
        

-       

…       

                 
        

b)    

Die Tarifvertragsparteien werden bis zum 31.01.2014 auf Vorschlag der Betriebsparteien eine verbindliche Zuordnung der Tätigkeiten der Beschäftigten des Bereichs zu den Entgeltbändern vornehmen.

                 
                 

Verbindliche Eckpunkte hierfür sind:

                 
                 

b1)     

Die vorgesehene Zuordnung der Tätigkeiten/Bestandbeschäftigten zu den Bändern orientiert sich grundsätzlich an der Verteilung der Anlage 2 dieses [X.],

                 
                 

b2)     

[X.] Beschäftigte des [X.] 2 können bis zur Dauer von zwei Jahren nach dem [X.] 1 vergütet werden.

                 
        

c)    

Die Bestandsbeschäftigten werden zum [X.] entsprechend ihrer ausgeübten Arbeitsaufgabe den Entgeltbändern zugeordnet.

                 
                 

…       

                 
        

§ 3 Tariferhöhungen ab 2014

                 
        

Die Tariferhöhung des [X.] zum 01.06.2014 kommt nicht zur Anwendung und erhöht die Entgelte der Beschäftigten und die in diesem Tarifvertrag festgelegten Tabellen nicht.

                 
        

…       

                 
        

§ 5 Standort- und Beschäftigungssicherung

                 
        

Die bestehenden [X.]-Standorte in B … bleiben mindestens bis zum 31.10.2017 erhalten.

                 
        

Gegenüber Beschäftigten, die gem. § 2 c) neu zugeordnet werden, dürfen keine betriebsbedingten Beendigungskündigungen vor dem 31.10.2017 ausgesprochen werden, es sei denn, der Betriebsrat stimmt einer solchen Kündigung ausdrücklich zu …“

                 

3

Aus der seit dem 1. Mai 2017 gültigen [X.] des [X.] ergibt sich auf der Basis einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden im Band 2 eine Steigerung der Banduntergrenze auf 25.046,00 Euro und des [X.]s auf 27.550,00 Euro.

4

Die Tätigkeit der Klägerin wurde mit Beginn ihrer Beschäftigung nach § 2 Buchst. a erster Spiegelstrich [X.] dem [X.] 2 zugeordnet. Die Beklagte zahlte der Klägerin vereinbarungsgemäß für die Dauer von zwei Jahren Vergütung nach dem [X.]. Seit dem 1. November 2016 und auch noch im Streitzeitraum leistete sie Entgelt auf Basis der Banduntergrenze des [X.] 2.

5

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung verlangt die Klägerin mit ihrer Klage für die Monate Januar bis März 2018 Vergütung in Höhe der Differenz zwischen der Banduntergrenze und dem [X.] des [X.] 2 entsprechend der seit Mai 2017 gültigen [X.]. Sie hat gemeint, aufgrund dreijähriger Tätigkeit im [X.] 2 stehe ihr bereits seit November 2017 aus § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich [X.] ein [X.] in Höhe des [X.]s zu.

6

Die Klägerin hat, soweit noch von Bedeutung, beantragt,

        

an sie 612,39 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 204,13 Euro brutto seit 16. Februar, 16. März und 16. April 2018 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin erreiche den [X.] erst nach Ablauf von fünf Jahren seit [X.], weil sie als neu eingestellte Beschäftigte für die Dauer von zwei Jahren Vergütung lediglich nach dem [X.] habe beanspruchen können. Solche Zeiten seien nach § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] nicht auf die in Halbsatz 1 der Regelung für das Erreichen des [X.]s bestimmte Wartezeit anzurechnen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin, soweit noch entscheidungserheblich, die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen.

I. Die Klägerin hat für Januar bis März 2018 aus § 2 Buchst. a [X.] keinen Anspruch auf Vergütung nach dem [X.] des [X.] 2.

1. Nach den Feststellungen des [X.]s fanden im Streitzeitraum auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der [X.] und der [X.] Anwendung. Die Bestimmungen des [X.] gehen, wie in der [X.] festgehalten, für Arbeitnehmer des Geschäftsbereichs [X.] mit den in der Anlage 1 zum [X.] aufgeführten Funktionsbereichen bei gleichen Regelungsgegenständen den Normen des [X.] als speziellere vor.

2. Die Klägerin unterfällt dem betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich des [X.], da sie im Geschäftsbereich [X.] in einem Call-Center beschäftigt wurde, das zu den Funktionsbereichen gem. Anlage 1 zum [X.] gehört. Für ihre Vergütung sind demnach die Bestimmungen des [X.] maßgeblich, der hinsichtlich der Eingruppierung und Vergütung der Arbeitnehmer in §§ 2 ff. [X.] ein von den Regelungen des [X.] abweichendes Entgeltsystem normiert.

3. Nach § 2 [X.] haben Arbeitnehmer wie die Klägerin Anspruch auf ein [X.], das sich aus fixen und variablen Bestandteilen zusammensetzt und das nach § 2 Buchst. a [X.] zu bestimmten Anteilen als laufendes Monatsentgelt zu leisten ist. Die Höhe des [X.]s richtet sich gem. § 2 Buchst. a erster Spiegelstrich [X.] danach, welchem [X.] der Arbeitnehmer zugeordnet ist und wo er innerhalb des Bandes ([X.], [X.] oder [X.]) eingereiht ist. Die konkreten [X.]e ergeben sich wegen § 3 [X.], wonach die Tariferhöhungen des [X.] keine Anwendung finden, allein aus der in § 2 Buchst. a erster Spiegelstrich [X.] enthaltenen Tabelle, die mit Wirkung zum 1. Mai 2017 durch eine seitdem gültige Tabelle ersetzt wurde.

4. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte - insoweit unstreitig - der Klägerin für Januar bis März 2018 das sich nach der [X.] des [X.] 2 bemessende laufende monatliche Entgelt gezahlt. Ein Anspruch auf Zahlung eines - höheren - [X.]s nach dem [X.] des [X.] 2 folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.].

a) Nach § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.] muss der [X.] spätestens nach Ablauf von drei Jahren unveränderter Tätigkeit „in dem Band“ erreicht sein. Dieser Zeitraum war im Fall der Klägerin im ersten Quartal 2018 noch nicht verstrichen, weil nach § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] die vorherige Vergütungsregelung in § 2 Buchst. b2 [X.] unberührt bleibt. Diese Regelung schränkt die in Halbsatz 1 der Tarifbestimmung enthaltene Regel für das Erreichen des [X.]s ein. Sie bewirkt, dass Zeiten, in denen ein neu eingestellter, dem [X.] 2 zugeordneter Arbeitnehmer Vergütung nach dem [X.] 1 bezieht, nicht in die Berechnung des [X.] iSv. § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.] (Wartezeit) einfließen. Das ergibt, wie das [X.] richtig gesehen hat, die Auslegung (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. [X.] 19. Februar 2020 - 5 [X.] - Rn. 16; 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 35 mwN, [X.]E 164, 326).

aa) Der Wortlaut von § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] gibt nicht eindeutig vor, dass Zeiten, in denen ein dem [X.] 2 zugeordneter Arbeitnehmer gem. § 2 Buchst. b2 [X.] Vergütung nach dem [X.] 1 bezieht, bei der in § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.] bestimmten Wartezeit keine Berücksichtigung finden. Der Formulierung, wonach die Vergütungsregelung über die Möglichkeit einer Absenkung der Vergütung „unberührt bleibt“, ist als solche eine Einschränkung der in § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.] enthaltenen Wartezeitregelung nicht zu entnehmen. Im juristischen Sprachgebrauch wird durch die Worte „unberührt bleiben“ typischerweise ausgedrückt, dass bestimmte Regelungen nebeneinander Gültigkeit haben und sich in ihren Wirkungen nicht beschneiden sollen (zB [X.] 7. Mai 2019 - 1 [X.] - Rn. 27, [X.]E 166, 309). Isoliert betrachtet könnte dies das Verständnis zulassen, die Regelung in § 2 Buchst. b2 [X.] solle auf den Lauf der Wartezeit keine Auswirkung haben. Zwingend ist das indes nicht.

bb) [X.]. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] erschließt sich jedoch daraus, dass die Tarifregelung die Vergütungsregelung in § 2 Buchst. b2 [X.] als „die vorherige“ benennt. Das Adjektiv „vorherig“ steht für „vorhergehend“, „vorher stattfindend“ bzw. „früher“ (vgl. [X.] [X.] [X.] 3. Aufl.; [X.] Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.) und kennzeichnet insoweit eine zeitliche Abfolge. Auf dieses allgemeine Begriffsverständnis haben die Tarifvertragsparteien auch ersichtlich abgestellt. Eine Anknüpfung an die Verortung im Text des Tarifvertrags scheidet aus, weil § 2 Buchst. b2 [X.] der Bestimmung des § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich [X.] nachsteht. Bezugspunkt der durch das Wort „vorherig“ gekennzeichneten zeitlichen Abfolge ist, wie sich aus dem Kontext mit § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.] ergibt, der für das Erreichen des [X.]s festgelegte [X.]. Vor diesem Hintergrund kann die Formulierung, wonach die „vorherige“ Vergütungsregelung in § 2 Buchst. b2 [X.] „unberührt bleibt“, nur bedeuten, dass nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien Zeiten, in denen ein dem [X.] 2 zugeordneter Arbeitnehmer gem. § 2 Buchst. b2 [X.] Vergütung nach dem [X.] 1 bezieht, dem in § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.] geregelten [X.] vorgeschaltet sind und infolgedessen solche Arbeitnehmer die Wartezeit bis zum Erreichen des [X.]s nur durch Zeiten einer Tätigkeit mit Vergütung im [X.] 2 erfüllen können.

cc) Für diese Auslegung spricht auch, dass § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] nur dann einen sinnvollen Regelungsgehalt hat, wenn die Bestimmung als Einschränkung hinsichtlich des Laufs der Wartezeit verstanden wird. Demgegenüber wäre die Regelung in der von der Klägerin favorisierten Auslegung einer bloßen Klarstellung schlicht überflüssig. Ohne § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] stünde nämlich aufgrund der Regelung in Halbsatz 1 und der dortigen Anknüpfung an die Zeit einer „unveränderten Tätigkeit im Band“ außer Frage, dass es bei Arbeitnehmern im [X.] 2 für das Verstreichen der Wartezeit auf § 2 Buchst. b2 [X.] nicht ankommen könnte, weil diese Tarifregelung zwar eine Herabsetzung der Vergütung auf das Niveau des [X.] 1 ermöglicht, an der Zuordnung der Tätigkeit zum [X.] 2 und an deren Inhalt aber nichts ändert. Allgemein ist aber anzunehmen, dass Tarifvertragsparteien keine überflüssigen, weil inhaltsleeren Regelungen treffen wollen. Vielmehr ist von ihrem Willen auszugehen, Mindestarbeitsbedingungen zu setzen ([X.] 24. Oktober 2001 - 10 [X.] - zu II 2 c der Gründe; 4. April 1990 - 4 [X.] - jeweils mwN).

dd) Auf die Entstehungsgeschichte von § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] kommt es nicht an. Nach Auslegung der Tarifnorm anhand der weiteren Kriterien verbleiben keine vernünftigen Zweifel an deren Inhalt.

b) § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] ist in der vorgenommenen Auslegung nicht wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam.

aa) Die Tarifvertragsparteien als Normgeber sind bei der tariflichen Normsetzung zwar nicht unmittelbar, jedoch mittelbar grundrechtsgebunden (ausführlich [X.] 19. Dezember 2019 - 6 [X.] - Rn. 19 ff.). Der Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die staatlichen Arbeitsgerichte dazu, die Grundrechtsausübung durch die Tarifvertragsparteien zu beschränken, wenn diese mit den Freiheits- oder Gleichheitsrechten oder anderen Rechten mit Verfassungsrang der [X.] kollidiert. Sie müssen insoweit praktische Konkordanz herstellen (vgl. [X.] 19. Dezember 2019 - 6 [X.] - Rn. 21 ff.). Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte auch dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Tarifnormen sind deshalb im Ausgangspunkt uneingeschränkt auch am Gleichheitssatz zu messen ([X.] 27. Mai 2020 - 5 [X.] - Rn. 37; 19. Dezember 2019 - 6 [X.] - Rn. 25 mwN).

bb) Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags haben die Gerichte jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine besondere Form der Grundrechtskollision bewältigt und die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit den betroffenen [X.] in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden muss ([X.] 19. Dezember 2019 - 6 [X.] - Rn. 26). Als selbständigen Grundrechtsträgern steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maß verfügen. Ihnen kommt eine [X.] zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Sie verfügen über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung und sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (vgl. [X.] 27. Mai 2020 - 5 [X.] - Rn. 38; 19. Dezember 2019 - 6 [X.] - aaO mwN).

cc) Gemessen daran liegt ein Verstoß von § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 2 [X.] gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht vor. Die Regelung bewirkt zwar, dass neu eingestellte Arbeitnehmer im [X.] 2 den [X.] erst spätestens nach Ablauf von fünf Jahren Tätigkeit in dem Band erreichen, während dies bei [X.] spätestens nach drei Jahren der Fall ist. Es kommt hinzu, dass neu eingestellte Arbeitnehmer in den Entgeltbändern 3 bis 6 eine vergleichbare Verlängerung der entsprechenden Wartezeit nicht erfahren. Für die Differenzierungen besteht jedoch ein sachlich vertretbarer Grund.

(1) Im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von im [X.] 2 neu eingestellten Arbeitnehmern und [X.] konnten die Tarifvertragsparteien berücksichtigen, dass Arbeitnehmer durch Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern, und dass Erfahrungswissen auch nach längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses noch wachsen kann ([X.] 21. Mai 2008 - 5 [X.] - Rn. 25, [X.]E 126, 375). Diese Annahme einer Produktivitätssteigerung durch [X.] entspricht der Lebenserfahrung (vgl. [X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 26 mwN; 4. Mai 2010 - 9 [X.]/09 - Rn. 45, [X.]E 134, 202) und steht im Übrigen im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.], wonach Berufserfahrung Arbeitnehmer befähigt, ihre Arbeit besser zu verrichten ([X.] 10. Oktober 2019 - [X.]/17 - [[X.]] Rn. 58; 3. Oktober 2006 - [X.]/05 - [[X.]] Rn. 34 f.). Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass die Tarifvertragsparteien, soweit [X.] im [X.] 2 den [X.] früher erreichen als neu eingestellte Arbeitnehmer, den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten hätten.

(2) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist ebenso wenig erkennbar, soweit nur die im [X.] 2 neu eingestellten Arbeitnehmer ggf. eine Verlängerung der Wartezeit bis zum Erreichen des [X.]s hinnehmen müssen, nicht aber neue Beschäftigte mit Zuordnung zum [X.] 3 und aufwärts. Insoweit ist jedenfalls zu beachten, dass die Tätigkeit von Arbeitnehmern in einer niedrigeren [X.] erfahrungsgemäß geringere Anforderungen an die bei Eintritt in das Arbeitsverhältnis vorhandene Qualifikation stellt als dies bei Arbeitnehmern in höheren [X.]n der Fall ist. Entsprechend ist es auch vornehmlich der Zugewinn von Erfahrungswissen, der im Bereich weniger qualifizierter Arbeitnehmer den Wert ihrer Arbeitsleistung kontinuierlich steigert. Dies konnten die Tarifvertragsparteien des [X.] im Rahmen ihrer [X.] bei den Regelungen in § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich, § 2 Buchst. b2 [X.] ebenso berücksichtigen wie die mit dem [X.] verfolgten Ziele der Standortsicherung.

c) Danach erfüllte die Klägerin im Streitzeitraum nicht die Voraussetzungen für die Zahlung eines [X.]s nach dem [X.] des [X.] 2. Sie war zwar seit dem 1. November 2014 dem [X.] 2 zugeordnet. Als neu eingestellte Arbeitnehmerin bezog sie jedoch gem. § 2 Buchst. b2 [X.] bis zum 30. Oktober 2016 - unstreitig tarifgerecht - Vergütung nach dem [X.] 1. Mit Vergütung im [X.] 2 wurde sie erst seit 1. November 2016 beschäftigt. Da nur solche Zeiten in die Berechnung des [X.] nach § 2 Buchst. a dritter Spiegelstrich Halbs. 1 [X.] einfließen, war dieser in den streitgegenständlichen Klagemonaten Januar bis März 2018 noch nicht abgelaufen.

II. Mangels Begründetheit der Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die beantragten Zinsen.

III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    [X.]    

        

    Volk    

        

    Berger    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    Zorn    

                 

Meta

5 AZR 168/19

02.09.2020

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bautzen, 2. August 2018, Az: 4 Ca 4115/18, Urteil

§ 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.09.2020, Az. 5 AZR 168/19 (REWIS RS 2020, 467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 467

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