Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.07.2023, Az. IV ZR 375/21

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4115

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Gegenstand

Verkehrsunfall eines rumänischen Gespanns in Deutschland: Anwendbares Recht auf den Innenausgleich zwischen den rumänischen Haftpflichtversicherern einer in Rumänien zugelassenen Zugmaschine und eines in Rumänien zugelassenen Aufliegers; Überprüfbarkeit des auf die Entscheidung des Rechtsstreits anzuwendenden ausländischen Rechts durch das Revisionsgericht


Leitsatz

1. Zum anwendbaren Recht auf den Innenausgleich zwischen den rumänischen Haftpflichtversicherern einer in Rumänien zugelassenen Zugmaschine und eines in Rumänien zugelassenen Aufliegers nach einem Unfall des Gespanns im März 2017 in Deutschland.

2. Zur Überprüfbarkeit des auf die Entscheidung des Rechtsstreits anzuwendenden ausländischen Rechts durch das Revisionsgericht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] - 1. Zivilkammer - vom 13. Oktober 2021 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2.089,08 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien, zwei Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer mit Sitz in [X.], streiten über Rückgriffsansprüche der Klägerin nach Regulierung eines Verkehrsunfallschadens.

2

Die Klägerin behauptet, im März 2017 habe ein Gespann bestehend aus einer in [X.] zugelassenen, bei der Klägerin haftpflichtver-sicherten Zugmaschine und einem in [X.] zugelassenen, bei der [X.] haftpflichtversicherten Auflieger auf einem Betriebsgelände in [X.] eine Edelstahlsäule beschädigt. Sie habe den Schaden gegenüber der Geschädigten reguliert. Die Hälfte der an die Geschädigte geleisteten Zahlungen, einen Betrag von 2.089,08 €, verlangt die Klägerin nebst Zinsen von der [X.] erstattet. Sie meint, auf ihren Rückgriffsanspruch sei [X.] Recht anwendbar und die Beklagte sei ihr nach § 78 Abs. 2 [X.] in der bis zum 16. Juli 2020 geltenden Fassung (im Folgenden: [X.] a.F.) zum hälftigen Schadensausgleich verpflichtet. Die Beklagte hält demgegenüber [X.] Sachrecht für anwendbar, das den geltend gemachten Ausgleichsanspruch nicht vorsehe.

3

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

5

I. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, auf den Rückgriffsanspruch finde [X.] Recht Anwendung.

6

In Fällen wie dem vorliegenden könne der Leistende gemäß Art. 19 der Verordnung ([X.]) Nr. 864/2007 des [X.] und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ([X.]. [X.] Nr. L 199 S. 40, im Folgenden: [X.]) einen Rückgriffsanspruch gegen den [X.] geltend machen, soweit das nach Art. 7 der Verordnung ([X.]) Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ([X.]. [X.] Nr. L 177 S. 6, im Folgenden: [X.]) auf den Versicherungsvertrag des zuerst leistenden Versicherers anzuwendende Recht einen Eintritt des Versicherers in die Rechte des Geschädigten vorsehe. Entscheidend sei, welches Recht auf das Versicherungsverhältnis zwischen dem klagenden Versicherer und ihrem Versicherten, dem Halter der Zugmaschine, Anwendung finde. Nach Art. 7 Abs. 3 [X.] sei dies grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Risiko belegen sei. Dies sei der Staat, in dem das Fahrzeug zugelassen sei, also [X.].

7

Vorliegend seien jedoch die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] in Verbindung mit Art. 46d [X.][X.] gegeben. Gemäß Art. [X.] Abs. 2 [X.][X.] in der bis zum 30. Juni 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: [X.][X.] a.F.), dessen Inhalt sich nunmehr wortlautidentisch in Art. 46d Abs. 2 [X.][X.] finde, unterliege der Versicherungsvertrag [X.] Recht, da § 1 [X.] den Halter eines ausländischen Anhängers verpflichte, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. In [X.] sei dieses Risiko dagegen keiner Versicherungspflicht unterworfen, da das [X.] Recht abweichend vom [X.] Recht weder eine Halterhaftung des [X.] gegenüber dem Geschädigten noch einen Direktanspruch des Geschädigten gegen den [X.] vorsehe.

8

Etwas anderes gelte nicht deshalb, weil der Versicherungsschutz der nach [X.]m Recht abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsverträge auch den Direktanspruch eines Geschädigten gegen den [X.] und dessen Versicherung umfasse, wenn das versicherte Fahrzeug in [X.] bewegt werde. Zwar regele Art. 10 Abs. 2 [X.]. b der [X.]n [X.] vom 31. Mai 2017 ([X.] vom 12. Juni 2017, im Folgenden: [X.]), dass die Haftpflichtversicherung im Außenverhältnis die nach dem Recht des Unfalllandes bestehenden Schadensersatzansprüche des Geschädigten abdecke. Eine hieraus abgeleitete Versicherungspflicht genüge aber nicht, da gerade keine genuine, originäre Versicherungspflicht [X.]n Rechts bestehe. Die [X.] Regelung verweise hinsichtlich Umfang und Ausgestaltung der Einstandspflicht lediglich auf die Vorschriften des Unfalllandes. Anders wäre es nur, wenn das [X.] Recht unabhängig von den [X.] Vorgaben selbständig, also originär, und nicht nur im [X.] an eine in einem anderen Land bestehende Versicherungspflicht einen solchen Versicherungsschutz vorsähe. Art. [X.] [X.][X.] a.F. erfasse gerade den Fall, dass ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibe, die in dem Staat, in dem das Risiko belegen sei, nicht bestehe. Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] liefe leer, wenn darauf abgestellt werde, dass das Recht des Staates, in dem das Risiko belegen sei, den Versicherungsschutz erweitere, wenn das Fahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat bewegt werde.

9

Nach der [X.] Rechtslage zum Unfallzeitpunkt bestehe der Regressanspruch in Höhe der Hälfte der von der Klägerin geleisteten Zahlung. Die gesetzliche Regelung des § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. sei auch nicht abbedungen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende ([X.]surteile vom 1. Juni 2016 - [X.]/15, [X.], 277 Rn. 13; vom 11. Juli 2012 - [X.], juris Rn. 18) internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ist gegeben. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind die [X.] Gerichte jedenfalls gemäß Art. 26 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.]. [X.] Nr. L 351 S. 1) international zuständig, weil sich die Beklagte auf das vorliegende Verfahren eingelassen hat, ohne einen Mangel der Zuständigkeit zu rügen.

2. Mit der gegebenen Begründung hat das Berufungsgericht nicht annehmen dürfen, der von der Klägerin erhobene Anspruch beurteile sich nach [X.] Recht und sei nach § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. begründet.

Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass sich das auf den Rückgriffsanspruch der Klägerin anwendbare Recht, soweit der Innenausgleich der beteiligten Versicherer in den Anwendungsbereich von Art. 19 [X.] fällt (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2016, [X.] und Gjensidige Baltic, [X.]/14 und [X.]/14, [X.]:[X.] = VersR 2016, 797 Rn. 56 ff.), nach dem auf den Versicherungsvertrag des klagenden Versicherers anwendbaren Sachrecht richtet, das nach Art. 7 [X.] zu bestimmen ist ([X.], Urteil vom 21. Januar 2016 aaO Rn. 62; [X.]surteil vom 3. März 2021 - [X.], [X.], 572 Rn. 29).

Nicht frei von [X.] ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] in Verbindung mit Art. [X.] [X.][X.] a.F. seien gegeben und dies führe zur Anwendung [X.] Rechts auf den Rückgriffsanspruch. Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] eröffnet den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, die Möglichkeit zu bestimmen, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden ist. Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht im Rahmen der Ermittlung des gemäß Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] anwendbaren Rechts auf das Versicherungsverhältnis zwischen dem Halter des Aufliegers und dessen Haftpflichtversicherer, der [X.], ab. Es bleibt vielmehr dabei, dass im Anwendungsbereich von Art. 19 [X.] das auf den Versicherungsvertrag zwischen dem klagenden Versicherer und seinem Versicherten anzuwendende Recht zu bestimmen ist, um festzustellen, ob und in welchem Umfang er aus abgeleitetem Recht die Ansprüche des Geschädigten gegen den jeweils anderen Versicherer geltend machen kann ([X.], Urteil vom 21. Januar 2016, [X.] und Gjensidige Baltic, [X.]/14 und [X.]/14, [X.]:[X.] = VersR 2016, 797 Rn. 62; [X.]surteil vom 3. März 2021 - [X.], [X.], 572 Rn. 29). Das ist hier der Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der Halterin der Zugmaschine. Maßgebend ist demnach unter Anwendung von Art. 19 [X.] i.V.m. Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.], Art. 46d [X.][X.] vorliegend, ob ein Mitgliedstaat für auf dem Betrieb der Zugmaschine beruhende Risiken eine Versicherungspflicht vorsieht und insoweit die Anwendung seines Rechts anordnet.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht gemäß § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig dar.

a) Die Anwendbarkeit [X.] Sachrechts auf den Rückgriffsanspruch der Klägerin lässt sich nicht auf die Feststellungen stützen, die das Berufungsgericht zu demjenigen Recht getroffen hat, das auf den Versicherungsvertrag betreffend den Auflieger anwendbar ist. Zwar kann das auf den Rückgriffsanspruch anzuwendende Recht nach der Rechtsprechung des [X.]s allein nach Art. 7 [X.] ohne Rückgriff auf Art. 19 [X.] bestimmt werden. Dies führt zur Anwendung des auf den Versicherungsvertrag des beklagten Versicherers anwendbaren Rechts auf den Rückgriffsanspruch unter den Versicherern. Insoweit ist im Rahmen des Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] zu prüfen, inwieweit die beteiligten Mitgliedstaaten den Halter des Anhängers zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichten und insoweit die Geltung ihres Sachrechts anordnen (vgl. [X.]surteil vom 3. März 2021 - [X.], [X.], 572 Rn. 30 ff.). Dass der Versicherungsvertrag betreffend den Auflieger [X.] Sachrecht unterliegt, hat das Berufungsgericht aber mit einer nicht tragfähigen Begründung bejaht.

aa) Wie das Berufungsgericht im Ergebnis richtig erkannt hat, ergibt sich aus Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] in Verbindung mit dem - hier mit Blick auf Art. 229 § 42 [X.][X.] anwendbaren - Art. 46d [X.][X.] eine Anknüpfung für die Anwendung [X.] Sachrechts auf den Versicherungsvertrag zwischen der [X.] und dem Halter des Aufliegers. Ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag unterliegt [X.] Recht, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf [X.] Recht beruht. Das ist hier der Fall. Abhängig vom regelmäßigen Standort des in [X.] zugelassenen Aufliegers besteht gemäß § 1 Satz 1 PflVG oder gemäß § 1 Abs. 1 [X.] eine Versicherungspflicht im Sinne von Art. 46d [X.][X.] (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 5. Mai 2021 - [X.], [X.] 2021, 630 Rn. 16; [X.], r+s 2021, 684 Rn. 15; [X.]surteile vom 3. März 2021 - [X.], [X.], 572 Rn. 33; vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 17).

bb) Dabei hat das Berufungsgericht es aber nicht bewenden lassen dürfen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] in Verbindung mit Art. 46d Abs. 1 [X.][X.] zugleich eine Anknüpfung für die Anwendbarkeit [X.]n Sachrechts auf den Versicherungsvertrag zwischen der [X.] und dem Halter des Aufliegers ergibt. In diesem Fall wäre auf den Versicherungsvertrag [X.]s Recht anwendbar, so dass sich der Rückgriffsanspruch - soweit das auf ihn anwendbare Recht ohne Rückgriff auf Art. 19 [X.] allein gemäß Art. 7 [X.] ermittelt wird - nach [X.]m Sachrecht richtete.

(1) Unterwerfen zwei Mitgliedstaaten dasselbe, gemäß Art. 7 Abs. 6 [X.] in Verbindung mit Art. 13 Nr. 13 [X.]. b, Art. 310 und Anhang VII der Richtlinie 2009/138/[X.] des [X.] und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit ([X.]) nur in einem Mitgliedstaat belegene Risiko einer Versicherungspflicht, ist gemäß Art. 46d [X.][X.] auf den Rückgriffs-anspruch des Versicherers nach dem Rechtsgedanken des Art. 4 Abs. 4 [X.] das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist (vgl. [X.] in [X.], Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. [X.] Art. 7 Rn. 54; [X.] in [X.], [X.]. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 134; [X.]/[X.]y, 8. Aufl. [X.][X.] Art. 46d Rn. 7; [X.]/[X.], 2. Aufl. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 118; [X.]/[X.], 3. Aufl. [X.] Art. 7 Rn. 63; [X.] in [X.], [X.] (2021) [X.][X.] Art. 46d Rn. 9). Der Versicherungsvertrag ist regelmäßig am engsten mit dem Staat verbunden, in dem das durch ihn gedeckte Risiko belegen ist. Das ist der [X.] im Sinne von Art. 13 Nr. 13 [X.]. b [X.], hier also [X.]. Der [X.] hat dies bereits im Zusammenhang mit einem Rückgriffsanspruch des Versicherers gegen seinen Versicherten entschieden und näher begründet ([X.]surteil vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 18 f.). Die dortigen Erwägungen sind auf die Anknüpfung des [X.] zweier beteiligter Versicherer untereinander übertragbar.

(2) Auf der Grundlage seiner Feststellungen zum [X.]n Recht hat das Berufungsgericht nicht ausschließen dürfen, dass Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] und Art. 46d Abs. 1 [X.][X.] zur Anwendung [X.]n Rechts auf den Versicherungsvertrag zwischen der [X.] und dem Halter des Aufliegers führen.

Allerdings ist der [X.] grundsätzlich gemäß § 560 ZPO in Verbindung mit § 545 ZPO an die Feststellungen des Berufungsgerichts über den Inhalt ausländischen Rechts gebunden ([X.]sbeschluss vom 3. Dezember 2014 - [X.], [X.] 2015, 163 Rn. 24; [X.], Urteil vom 14. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1244 Rn. 14; [X.]/[X.], 6. Aufl. § 545 Rn. 11; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 15. Juni 2021 - [X.], [X.], 1440 Rn. 24; vom 4. Juli 2013 - [X.] 197/12, [X.]Z 198, 14 Rn. 13 ff. jeweils zu § 72 Abs. 3 FamFG). Eine auf nicht revisiblem Recht beruhende Berufungsentscheidung ist revisionsrechtlich aber insoweit nachprüfbar, als es auf eine nach revisiblem Recht beruhende Vorfrage ankommt (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juni 1992 - [X.], [X.], 2769 [juris Rn. 12]). So liegt es hier.

Für die Feststellung, dass nicht auch das [X.] Recht die Haftpflicht des Aufliegers zum Unfallzeitpunkt im Sinne von Art. 46d Abs. 1 [X.][X.] einer Versicherungspflicht unterworfen und in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung angeordnet hat, genügt hier - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht allein die Feststellung, das [X.] Sachrecht sehe abweichend von der [X.] Rechtslage weder eine Haftung des [X.] gegenüber dem Geschädigten noch einen Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer des Aufliegers vor. Art. 46d Abs. 1 [X.][X.] setzt voraus, dass das Recht eines anderen Mitgliedstaats zum einen das im Streitfall betroffene Risiko, hier also die durch den Gebrauch eines im Ausland zugelassenen Fahrzeugs eintretende Haftpflicht (vgl. [X.]surteil vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 17), einer Versicherungspflicht unterwirft und zum anderen in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung anordnet ([X.]surteil vom 18. März 2020 aaO; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. Erläuterungen zu Art. 1 ff. [X.] Rn. 55; [X.] in [X.], [X.] (2021) [X.][X.] Art. 46d Rn. 8; [X.] in [X.], [X.]. Art. [X.] Pflichtversicherungsverträge Rn. 10; [X.]/[X.]y, 8. Aufl. [X.][X.] Art. 46d Rn. 5; [X.] in Beckmann/[X.], [X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 101 f.; HK-[X.]/[X.], 11. Aufl. [X.][X.] Art. 46d Rn. 1). Dabei ist - worauf die Revision zu Recht hinweist - die Frage, ob eine Versicherungspflicht für dasselbe Risiko besteht, von der Ausgestaltung der jeweiligen nationalen Haftungsregime zu trennen (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2022, 588, 592; [X.], [X.], 314, 315).

Zwar kann die Feststellung, dass eine Rechtsordnung das nach [X.] Recht einer Versicherungspflicht unterliegende Haftpflichtrisiko eines im Ausland zugelassenen Fahrzeugs nach ausländischem Recht keiner Versicherungspflicht unterwirft, im Einzelfall auf die sachverständige Feststellung gestützt werden, dass nach ausländischem Recht weder eine Halterhaftung noch ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer besteht ([X.]surteil vom 3. März 2021 - [X.], [X.], 572 Rn. 34). Die Revision beanstandet mit ihrer Verfahrensrüge aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den Inhalt des [X.]n Rechts unzureichend ermittelt hat. Der Tatrichter hat das ausländische Recht gemäß § 293 ZPO von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu ermitteln. Vom Revisionsgericht wird aber überprüft, ob er sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat ([X.]surteil vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 23; [X.], Beschluss vom 17. Mai 2018 - [X.], [X.], 1316 Rn. 12). Gemessen daran hat das Berufungsgericht sein Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Trotz entsprechenden Vorbringens der [X.] hat es die Bestimmungen der [X.]n [X.] unberücksichtigt gelassen, obwohl Art. 3 [X.] eine Versicherungspflicht für in [X.] zugelassene Fahrzeuge für jegliche zivilrechtliche Haftpflicht für Unfallschäden vorsieht. Diese Versicherungspflicht umfasst gemäß Art. 2 Nr. 27 [X.] den Gebrauch von Anhängern und erstreckt sich gemäß Art. 2 Nr. 18 [X.]. b [X.] auf das Gebiet der [X.]-Mitgliedstaaten. Daran ändert der Einwand der Revisionserwiderung nichts, dass die Vorschriften der [X.] auf den Unfall vom März 2017 zeitlich nicht anwendbar seien. Mit der zeitlichen Anwendbarkeit der [X.] hat sich das Berufungsgericht ebenso wenig befasst wie mit etwa anzuwendenden Vorgängervorschriften.

Die erforderlichen Feststellungen, ob auch das [X.] Recht die Haftpflicht des Aufliegers zum Unfallzeitpunkt einer Versicherungspflicht unterworfen und in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung angeordnet hat, lassen sich in der Revisionsinstanz nicht nachholen. Ausländisches Recht ist so anzuwenden, wie es [X.] des betreffenden [X.] auslegt und anwendet ([X.]surteil vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 23; [X.], Beschluss vom 17. Mai 2018 - [X.], [X.], 1316 Rn. 12). Aus den ihm zugänglichen Erkenntnisquellen kann der [X.] weder feststellen, ob die [X.] in zeitlicher Hinsicht auf den vorliegenden Unfall anwendbar ist, noch, welche Vorschriften möglicherweise anstelle der [X.] zum Unfallzeitpunkt gegolten haben. Ebensowenig kann der [X.] feststellen, inwieweit das [X.] Recht für einen über eine Pflichtversicherung abgeschlossenen Vertrag seine Anwendbarkeit vorgeschrieben hat.

b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen auch nicht, gemäß Art. 19 [X.] [X.] Recht auf den Rückgriffsanspruch anzuwenden. Zwar kann der Rückgriffsanspruch der Klägerin [X.] Recht unterliegen, wenn gemäß Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] in Verbindung mit Art. 46d [X.][X.] auf den - gemäß Art. 19 [X.] maßgebenden - Versicherungsvertrag betreffend die Zugmaschine [X.] Recht Anwendung findet. Das lässt sich aber auf der Grundlage des Berufungsurteils nicht feststellen.

aa) Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] und Art. 46d [X.][X.] ordnen für den Versicherungsvertrag betreffend die Zugmaschine im Ausgangspunkt zwar die Anwendung [X.] Sachrechts an. Nach [X.] Recht besteht auch für die in [X.] zugelassene Zugmaschine eine Versicherungspflicht im Sinne von Art. 46d [X.][X.] abhängig vom regelmäßigen Standort entweder gemäß § 1 Satz 1 PflVG oder gemäß § 1 Abs. 1 [X.].

bb) Nicht ausgeschlossen ist aber, dass über Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] und Art. 46d Abs. 1 [X.][X.] [X.]s Sachrecht auf den Versicherungsvertrag betreffend die Zugmaschine anwendbar ist, weil das [X.] Recht zum Unfallzeitpunkt ebenfalls eine Versicherungspflicht vorgeschrieben und seine Anwendung angeordnet hat. Das Berufungsgericht hat weder Feststellungen dazu getroffen, ob das [X.] Recht für das Risiko einer durch den Gebrauch der Zugmaschine eintretenden Haftpflicht eine Versicherungspflicht vorschreibt, noch geprüft, ob es in Fällen mit Auslandsberührung seine Anwendung anordnet. Diese Feststellungen lassen sich in der Revisionsinstanz nicht nachholen. Zwar kann der [X.] aufgrund der fehlenden Berücksichtigung des ausländischen Rechts durch das Berufungsgericht grundsätzlich den Inhalt dieses Rechts selbst ermitteln und der Entscheidung zugrunde legen ([X.]surteil vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 17; [X.]sbeschluss vom 3. Dezember 2014 - [X.], [X.] 2015, 163 Rn. 24; [X.], Urteile vom 12. November 2009 - [X.], NJW 2010, 1070 Rn. 21; vom 12. November 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 308 [juris Rn. 13]). Wie hinsichtlich des Versicherungsverhältnisses betreffend den Auflieger kann der [X.] die erforderlichen Feststellungen aber weder anhand der möglicherweise einschlägigen Bestimmungen der [X.] noch aus den sonstigen ihm zugänglichen Erkenntnisquellen abschließend treffen.

c) Die Anwendbarkeit [X.]n Rechts auf die Versicherungsverträge betreffend die Zugmaschine oder den Auflieger lässt sich auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts verneinen, eine Versicherungspflicht nach [X.]m Recht genüge dann nicht, wenn sie sich allein aus Art. 10 Abs. 2 [X.]. b (richtig: [X.]. a) [X.] ableite, wonach die Haftpflichtversicherung im Außenverhältnis in jedem Fall die nach dem Recht des Unfalllandes bestehenden Schadensersatzansprüche des Geschädigten abdecke.

Die Anwendbarkeit der Bestimmungen der [X.] auf den Unfall vom März 2017 in zeitlicher Hinsicht unterstellt, deckt die sich daraus ergebende Versicherungspflicht auch dann kein geringeres Risiko ab als die Versicherungspflicht nach [X.] Recht, wenn sich der in Art. 10 Abs. 2 [X.]. a [X.] geregelte Leistungsumfang der Pflichtversicherung nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats richtet, in dem der Unfall stattgefunden hat. Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - wiederum nicht darauf an, ob der jeweilige Halter oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten nach [X.]m Recht auf Schadensersatz haften. Das stattdessen maßgebliche Risiko, die durch den Gebrauch eines im Ausland zugelassenen Fahrzeugs eintretende Haftpflicht (vgl. [X.]surteil vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 614 Rn. 17), ist von der gemäß Art. 3 [X.] verpflichtenden Haftpflichtversicherung für in [X.] zugelassene Fahrzeuge gemäß Art. 2 Nr. 18 [X.]. b [X.] im Gebiet aller Mitgliedstaaten der [X.] umfasst. Dies ist - wie die Revision zutreffend sieht - eine Folge der unionsrechtlichen Harmonisierung des Deckungsumfangs der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung gemäß Art. 3 Abs. 3 [X.]. a der Richtlinie 2009/103/[X.] des [X.] und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ([X.]. [X.] Nr. L 263 S. 11).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läuft bei einem anderen Verständnis die in Art. 7 Abs. 4 [X.]. b [X.] geschaffene Möglichkeit der Sonderanknüpfung nicht leer. Die unionsrechtliche Harmonisierung des Deckungsumfangs widerspricht dem Zweck der Sonderanknüpfung auch dann nicht, wenn sie zur Anwendbarkeit des Rechts des [X.]s führt. Weder muss sich das die Versicherung verpflichtend vorschreibende Recht im Schutzinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der Geschädigten ([X.] in [X.], [X.] (2021) [X.][X.] Art. 46d Rn. 4; [X.] in [X.], [X.]. Art. [X.] Rn. 2; BeckOGK/[X.], [X.][X.] Art. 46d Rn. 3 [Stand: 1. Dezember 2021]; [X.]/[X.]y, 8. Aufl. [X.][X.] Art. 46d Rn. 2), gegenüber dem Recht des [X.]es durchsetzen, noch muss einer territorialen Verbundenheit zum die Versicherungspflicht vorschreibenden Staat ([X.] in [X.], [X.] (2021) Art. 46d Rn. 4; HK-[X.]/[X.], Art. 46d Rn. 1) Rechnung getragen werden.

4. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] hinsichtlich der Frage, ob der im [X.] Recht den Regeln der Mehrfachversicherung unterliegende Innenausgleich der beteiligten Versicherer der Regelung des Art. 19 [X.] unterfällt oder ob sich das auf den Innenausgleich anzuwendende Vertragsrecht allein nach Art. 7 [X.] bestimmt (vgl. [X.]surteil vom 3. März 2021 - [X.], [X.], 572 Rn. 30), ist nicht veranlasst. Jedenfalls weil sich - wie hier nach beiden Lösungswegen - die Notwendigkeit einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ergibt, ist eine Vorlage nicht sachgerecht (vgl. [X.]/[X.]/Marsch, Verwaltungsrecht A[X.]V Art. 267 Rn. 38 [Stand: August 2022]). Aus prozessökonomischen Gründen sollten zum Zeitpunkt einer Vorlage der Sachverhalt und die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilenden Fragen geklärt sein, so dass der Gerichtshof der [X.] sich über alle Tatsachen- und Rechtsfragen unterrichten kann, auf die es bei der von ihm vorzunehmenden Auslegung des Unionsrechts möglicherweise ankommt (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 1992, [X.]/ADV/[X.], [X.]/91, Slg. 1992 [X.] Rn. 26; [X.]/Ehricke, [X.]V/A[X.]V 3. Aufl. A[X.]V Art. 267 Rn. 38). Ergibt die Nachholung der gebotenen Feststellungen, dass auf beide Versicherungsverträge entweder einheitlich [X.]s oder einheitlich [X.] Recht anwendbar ist, fehlt es zudem an der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage.

III. Gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen zum Inhalt des [X.]n Rechts treffen kann.

Prof. Dr. Karczewski     

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann

      

Rust     

      

[X.]     

      

Meta

IV ZR 375/21

05.07.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Rottweil, 13. Oktober 2021, Az: 1 S 13/21

Art 4 Abs 4 EGV 593/2008, Art 7 Abs 4 Buchst b EGV 593/2008, Art 19 EGV 864/2007, Art 46d BGBEG, § 93 ZPO, § 545 Abs 1 ZPO, § 560 ZPO, § 78 Abs 2 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.07.2023, Az. IV ZR 375/21 (REWIS RS 2023, 4115)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4115

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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25 C 77/19 (Amtsgericht Mettmann)


IV ZR 228/20 (Bundesgerichtshof)

Kfz-Haftpflichtversicherung: Anwendbares Recht für Innenausgleich zwischen 2 Haftpflichtversicherungen bei Gespannschaden


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