Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2021, Az. IV ZR 147/20

4. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 6167

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Innenausgleich einer deutschen Kfz-Haftpflichtversicherung und einer dänischen Kfz-Haftpflichtversicherung bei Lkw-Gespannunfall in Deutschland


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 14. Mai 2020 gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Beklagten zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Streitwert: 5.681,75 €

Gründe

1

I. Die Parteien, zwei Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, streiten um Regressansprüche der Klägerin, nachdem diese einen Verkehrsunfallschaden durch Zahlung an die Geschädigte reguliert hat.

2

Am 25. September 2015 beschädigte ein Gespann, bestehend aus einer in [X.] zugelassenen, bei der Klägerin haftpflichtversicherten Zugmaschine und einem bei der [X.], einem [X.] Versicherer, haftpflichtversicherten Sattelauflieger, beim Rückwärtsfahren auf einer in [X.] belegenen [X.] ein Baustellenfahrzeug. Die Klägerin regulierte den Schaden von 11.363,51 € vollständig. Sie verlangt von der [X.] hälftigen Ersatz nach den Regeln über die Mehrfachversicherung (§ 78 [X.]).

3

Der [X.] Versicherungsvertrag für den Sattelauflieger sieht lediglich eine subsidiäre Eintrittspflicht des Versicherers vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts soll das dann der Fall sein, wenn die Zugmaschine nicht auffindbar ist oder der Sattelauflieger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht an eine Zugmaschine gekoppelt war. Aus dem Revisionsverfahren IV ZR 228/20 ist dem [X.] demgegenüber bekannt, dass die Verträge der [X.] ihre subsidiäre Eintrittspflicht nur für den Fall vorsehen, dass die Zugmaschine nicht auffindbar oder nachgewiesen ist, dass der Geschädigte den Versicherer der Zugmaschine erfolglos in Anspruch genommen hat.

4

Die Beklagte meint, eine Doppelversicherung liege nicht vor, da ihre in dem [X.] Versicherungsvertrag vereinbarte nur subsidiäre Eintrittspflicht nach [X.]m Recht zulässig sei. Der [X.] Gesetzgeber und die [X.] Justiz hätten kein Recht, in ausländische Versicherungsverträge einzugreifen.

5

Das [X.] hat der auf Zahlung von 5.681,75 € nebst Zinsen gerichteten Klage stattgegeben, das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

6

II. Das Berufungsgericht (Schleswig-Holsteinisches [X.], Urteil vom 14. Mai 2020 - 7 U 181/19, juris) hat ausgeführt, nach den Grundsätzen des [X.] vom 27. Oktober 2010 ([X.], [X.], 211) hätten bei Unfällen eines Fahrzeuggespanns die beiden Versicherer den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen. Demgemäß könne hier der vorleistende Versicherer nach § 78 Abs. 2 [X.] hälftigen Regress verlangen. Des Weiteren könne nach den Grundsätzen des [X.] vom 4. Juli 2018 ([X.], NJW 2018, 2958) dieser Innenausgleich nach [X.]m Recht nicht durch eine Subsidiaritätsvereinbarung des einen Haftpflichtversicherers mit seinem Versicherungsnehmer ausgeschlossen werden. Das gelte auch dann, wenn ein [X.]r Versicherer mit seinem Versicherungsnehmer hinsichtlich des einen [X.] eine nach [X.]m Recht wirksame Subsidiaritätsklausel vereinbart habe. Denn der Versicherungspflicht nach [X.]m Recht komme bei einem Unfall in [X.] Vorrang zu.

7

Die Haftung sowohl des Halters der Zugmaschine als auch des Halters des Aufliegers richte sich gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 864/2007 des [X.] und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("[X.]", [X.]. [X.] Nr. L 199 S. 40, nachfolgend [X.]-VO) nach [X.]m Recht; die [X.]-VO werde, auch wenn sie gemäß Art. 1 Abs. 4 [X.]-VO nicht in [X.] gelte, gemäß Art. 3 [X.]-VO von allen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu [X.] angewandt. Welches Recht im Verhältnis zwischen den Versicherern angewendet werde, bestimme Art. 19 [X.]-VO; danach sei maßgeblich, welches Recht im Verhältnis zwischen der [X.] und der Geschädigten angewendet werde. Dies regele Art. 7 der Verordnung ([X.]) Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("[X.] I"; [X.]. [X.] Nr. L 177 S. 6, nachfolgend [X.] I-VO). Grundsätzlich wäre zwar gemäß Art. 7 Abs. 2 [X.] I-VO insoweit [X.]s Recht anzuwenden, doch räume Art. 7 Abs. 4 Buchst. a [X.] I-VO dem Recht desjenigen Mitgliedstaates den Vorrang ein, welcher eine Versicherungspflicht vorschreibe, soweit es um die Frage gehe, ob der Versicherungsvertrag der Versicherungspflicht genüge. Deshalb habe [X.]s Recht Vorrang, das zum einen eine Versicherungspflicht für Anhänger und ferner vorsehe, dass der Versicherer eines [X.], welcher den Geschädigten bereits befriedigt habe, hälftigen Regress bei dem Versicherer des anderen [X.] nehmen könne, wobei eine Subsidiaritätsklausel nach [X.]m Recht unwirksam sei. Der ausländische Versicherungsvertrag werde so auf den Versicherungsumfang erweitert, den der [X.]-Staat, in dem das Fahrzeug genutzt werde, zwingend vorschreibe. Art. 7 Abs. 4 Buchst. b [X.] I-VO ermögliche insoweit den Vorrang für weitergehende Versicherungspflichten nach [X.]m Recht.

8

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die Frage, ob im Regelfall ein hälftiger Regress nach [X.] in [X.] auch in jenen Fällen möglich sei, bei denen ein ausländischer Versicherer für den Anhänger nur eine subsidiäre Haftung vorsehe, sei höchstrichterlich noch nicht geklärt.

9

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

1. Die Zulassung der Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich. Insbesondere der vom Berufungsgericht angeführte [X.] ist nicht mehr gegeben, nachdem der [X.] mit seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 3. März 2021 ([X.], juris) die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage für Unfälle geklärt hat, die sich vor dem Inkrafttreten des [X.] im Straßenverkehr vom 10. Juli 2020 ereigneten. Steht danach für den Streitfall die Anwendbarkeit [X.]n Rechts auf den Innenausgleich fest, sind im Übrigen auch die Auswirkungen einer Subsidiaritätsklausel auf diesen Innenausgleich der Versicherer durch das [X.]surteil vom 4. Juli 2018 ([X.], NJW 2018, 2958) hinreichend geklärt. [X.] kann insoweit, wie die Subsidiaritätsregelung in den Versicherungsbedingungen der [X.] lautet (vgl. oben unter I.).

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hält das Berufungsgericht die Beklagte für verpflichtet, der Klägerin hälftigen Regress zu leisten.

a) Der von der Klägerin erhobene Ausgleichsanspruch unterliegt dem Recht der [X.] [X.].

aa) Die [X.]-VO und die [X.] I-VO sind auch im Streitfall von den [X.]n Gerichten anzuwenden, obwohl [X.] gemäß Art. 1 Abs. 4 [X.]-VO grundsätzlich nicht Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung ist (vgl. insoweit zur Anwendung der [X.]-VO: Saarländisches [X.] Saarbrücken, Urteil vom 14. Januar 2021 - 4 U 14/20, juris Rn. 54; [X.]/Spickhoff, VO ([X.]) 864/2007 Art. 1 Rn. 20 [Stand: 1. November 2020]; Stürner in [X.], [X.]. Art. 1 [X.]-VO Rn. 14; zur Anwendung der [X.] I-VO: vgl. [X.]/[X.], [X.] (2016) Einleitung zur [X.] I-VO Rn. 49, 51 sowie Art. 1 [X.] I-VO Rn. 40 f.).

bb) Sowohl auf die Schadensersatzpflicht des bei der Klägerin versicherten Halters der Zugmaschine als auch auf die Schadensersatzpflicht des bei der [X.] versicherten Halters des Anhängers ist gemäß Art. 4 Abs. 1 [X.]-VO [X.]s Recht anzuwenden, da der Unfallschaden in [X.] eingetreten ist. Dass nach [X.]m Recht sowohl der Halter der Zugmaschine als auch der Halter des Anhängers gegenüber der Geschädigten schadensersatzpflichtig ist, steht auch nicht im Streit.

cc) Der mit der Klage verfolgte Ausgleichsanspruch nach Regulierung des Unfallschadens ist ebenfalls nach [X.]m Recht zu beurteilen, unabhängig davon, ob der Innenausgleich der beteiligten Versicherer der Regelung des Art. 19 [X.]-VO unterfällt (vgl. [X.], Urteil vom 21. Januar 2016, [X.] und Gjensidige Baltic, [X.]/14, [X.]/14, [X.]:[X.] = VersR 2016, 797 Rn. 56 ff.; vgl. weiter [X.]surteile vom 3. März 2021 aaO Rn. 25 ff.; vom 18. März 2020 - [X.]/19, [X.], 333 Rn. 12 ff. m.w.N.) oder sich das auf den Innenausgleich anzuwendende Vertragsrecht allein nach Art. 7 [X.] I-VO bestimmt (vgl. insoweit bereits [X.]surteil vom 3. März 2021 aaO Rn. 30).

Denn jedenfalls unterliegt nach dem auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 4 Buchst. b [X.] I-VO erlassenen (vgl. [X.]surteil vom 3. März 2021 aaO Rn. 32 m.w.N.) Art. 46d Abs. 2 [X.][X.] (vormals Art. 46c Abs. 2 [X.][X.]) ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag [X.]m Recht, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf [X.]m Recht beruht (vgl. zum Ganzen bereits [X.]surteil vom 3. März 2021 aaO Rn. 32). Gemäß § 1 Abs. 1 [X.] dürfen ausländische Kraftfahrzeuganhänger in [X.] auf öffentlichen Straßen und Plätzen nur gebraucht werden, wenn der Halter für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung nimmt. Nach der aufgrund von § 4 [X.] erlassenen Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung ([X.]) muss die Versicherung Schadensersatzansprüche umfassen, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer und mitversicherte Personen erhoben werden (§ 2 Abs. 1 [X.]). Als mitversicherte Person bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 3 [X.] auch den Fahrer, wobei die Vorschrift nicht zwischen motorisierten Fahrzeugen und Anhängern unterscheidet (vgl. [X.]surteil vom 3. März 2021 aaO Rn. 33 m.w.N.). Das gilt gemäß § 4 [X.] entsprechend auch für ausländische Fahrzeuge und Anhänger. Der Versicherungsvertrag muss den für die Versicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit regelmäßigem Standort im Inland geltenden gesetzlichen Bestimmungen über Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes sowie über die Mindestversicherungssummen entsprechen ([X.]surteil vom 3. März 2021 aaO m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Revision kann zugrunde gelegt werden, dass der bei der [X.] versicherte Sattelauflieger in [X.] auf öffentlichen Straßen oder Plätzen gebraucht wurde und schon deshalb der Versicherungspflicht nach § 1 [X.] unterlag. Insoweit kann dahinstehen, ob auch die [X.], auf der sich der Unfall ereignete, als öffentliche Straße oder öffentlicher Platz im Sinne von § 1 [X.] anzusehen ist. Denn dafür, dass der Sattelauflieger wie ein Baustellenfahrzeug ausschließlich auf der Baustelle bewegt worden und dorthin seinerseits mittels irgendwelcher Transportmittel verbracht worden wäre, ohne selbst auf öffentlichen Straßen gefahren zu sein, ist nichts ersichtlich.

b) Nach allem steht der Klägerin nach § 78 [X.] ein hälftiger Innenausgleich gegen die Beklagte zu (vgl. dazu die [X.]surteile vom 3. März 2021 aaO Rn. 37; vom 27. Oktober 2010 - [X.], [X.], 211 Rn. 8 ff.). Das [X.] gibt zu einer Änderung dieser [X.]srechtsprechung keinen Anlass.

c) Dieser Innenausgleich kann - wie der [X.] ebenfalls bereits geklärt hat - nicht durch eine Subsidiaritätsvereinbarung eines der beiden Versicherungsunternehmen - hier der [X.] - mit dem jeweiligen Versicherungsnehmer ausgeschlossen werden (vgl. [X.]surteil vom 4. Juli 2018 - [X.], NJW 2018, 2958 Rn. 14 ff.).

[X.]     

      

Felsch     

      

Prof. [X.]

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Götz     

      

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurücknahme der Revision erledigt worden.

Meta

IV ZR 147/20

05.05.2021

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 14. Mai 2020, Az: 7 U 181/19, Urteil

§ 78 Abs 2 VVG, § 115 Abs 1 S 1 VVG, Art 7 Abs 4 Buchst b EGV 593/2008, Art 1 Abs 4 EGV 864/2007, Art 19 EGV 864/2007, § 7 Abs 1 StVG, § 18 Abs 1 StVG, § 4 AuslPflVG, § 426 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2021, Az. IV ZR 147/20 (REWIS RS 2021, 6167)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6167


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 147/20

Bundesgerichtshof, IV ZR 147/20, 05.05.2021.


Az. 7 U 181/19

Oberlandesgericht Köln, 7 U 181/19, 05.12.2019.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 228/20 (Bundesgerichtshof)

Kfz-Haftpflichtversicherung: Anwendbares Recht für Innenausgleich zwischen 2 Haftpflichtversicherungen bei Gespannschaden


IV ZR 312/19 (Bundesgerichtshof)

Verkehrsunfall mit Auslandsberührung: Anwendung deutschen Rechts auf den Innenausgleich eines deutschen und eines tschechischen Haftpflichtversicherers


IV ZR 375/21 (Bundesgerichtshof)

Verkehrsunfall eines rumänischen Gespanns in Deutschland: Anwendbares Recht auf den Innenausgleich zwischen den rumänischen Haftpflichtversicherern …


24 O 411/19 (Landgericht Köln)


9 U 230/20 (Oberlandesgericht Köln)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.