Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.03.2020, Az. IV ZR 62/19

4. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1187

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Gegenstand

Kfz-Unfall in Deutschland: Anwendbares Recht für Regressanspruch des litauischen Kfz-Haftpflichtversicherers; hinreichende Ermittlung des ausländischen Rechts


Leitsatz

1. Zur Anwendung litauischen Rechts auf den Regressanspruch des litauischen Kfz-Haftpflichtversicherers eines in Litauen zugelassenen Kraftfahrzeugs gegen eine Fahrzeugführerin, die mit dem Fahrzeug in Deutschland unter Alkoholeinfluss einen Unfall verursacht hat.

2. Zur ermessensfehlerhaften Ermittlung ausländischen Rechts durch den deutschen Tatrichter.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 18. Februar 2019 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein in [X.] ansässiger Haftpflichtversicherer, macht gegen die Beklagte als mitversicherte Fahrzeugführerin einen Regressanspruch nach einem Verkehrsunfall geltend.

2

Die Beklagte fuhr in [X.] unter Alkoholeinfluss mit einem in [X.] zugelassenen PKW, der bei der Klägerin nach einem Versicherungsvertrag mit der in [X.] wohnhaften Fahrzeughalterin haftpflichtversichert ist, und kollidierte dort mit einem anderen Fahrzeug. Eine der Beklagten zwei Stunden nach dem Unfall entnommene Blutprobe wies eine mittlere Blutalkoholkonzentration von 1,91 ‰ auf. Die Klägerin ließ den Schaden des Unfallgegners regulieren.

3

Sie meint, die Beklagte sei verpflichtet, ihr den an den Unfallgegner geleisteten Schadensersatz sowie die entstandenen Abwicklungskosten in voller Höhe zu erstatten. Das ergebe sich aus dem [X.] Recht, das im Streitfall anzuwenden sei.

4

Das [X.] hat die auf Zahlung von 6.306,30 € und Verzugszinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr überwiegend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 5.558,76 € nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

I. Das Berufungsgericht ([X.], 748) hat - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ausgleich der von ihr aufgewandten Schadensersatzleistung gemäß Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 des [X.] Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (im Folgenden lit. [X.]) zu.

7

Die Anwendung des [X.] Rechts ergebe sich aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("[X.]"; [X.]. [X.] Nr. L 177 S. 6, nachfolgend "[X.]-VO"), wonach der gewöhnliche Aufenthalt bzw. Sitz des Versicherers maßgeblich sei. Die Bestimmung des Begriffs der "vertraglichen Schuldverhältnisse" im Sinne der [X.]-VO ermittle sich in erster Linie aus der Abgrenzung zu den in der Verordnung ([X.]) Nr. 864/2007 des [X.] und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("[X.]I"; [X.]. [X.] Nr. L 199 S. 40, nachfolgend "[X.]I-VO") geregelten "außervertraglichen Schuldverhältnissen". Dabei sei von einem weiten Vertragsbegriff auszugehen. Das Verhältnis des [X.] zum Vertragspartner eines Vertrages zu Gunsten Dritter sei den vertraglichen Schuldverhältnissen zuzuordnen. Der [X.] begründe eigene Ansprüche des mitversicherten Fahrers und stelle einen Sonderfall eines Vertrages zu Gunsten Dritter dar. Dem entspreche es, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] auch der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer vertraglich einzuordnen sei.

8

Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. [X.] laute sinngemäß, dass ein Versicherer, der Schadensersatz gezahlt habe, berechtigt sei, die Schadensersatzzahlungen von dem für den Schaden Verantwortlichen zurückzufordern, wenn letzterer das Fahrzeug unter Einfluss von Alkohol gefahren habe. Die Voraussetzungen des aus dieser Bestimmung folgenden Regressanspruches seien gegeben und inhaltlich nicht streitig.

9

Ein Verstoß gegen den "ordre public" liege nicht vor, auch wenn das [X.] Recht für den Fahrer - anders als für den Halter - keine (abgestufte) Begrenzung des Rückgriffs kenne.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Allerdings hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Berechtigung des von der Klägerin erhobenen Anspruchs maßgeblich nach [X.]m Recht zu beurteilen ist; soweit sie davon abhängt, ob und in welchem Umfang die Beklagte nach dem insofern gemäß Art. 4 Abs. 1 [X.]I-VO anwendbaren [X.] Recht (vgl. [X.], 797 Rn. 51 ff. m.w.N.) gegenüber dem Unfallgegner haftet, steht ihre Einstandspflicht (§ 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB) außer Streit. Die Anwendbarkeit des [X.] Rechts auf das Schuldverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ergibt sich aus Art. 46d [X.]BGB (vormals Art. [X.] [X.]BGB), der in Ausübung der Ermächtigung in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) [X.]-VO erlassen worden ist.

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist im Hinblick auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien der Anwendungsbereich der [X.]-VO, die im Unterschied zur [X.]I-VO vertragliche Schuldverhältnisse betrifft (vgl. hierzu allgemein [X.], 797 Rn. 43 ff. m.w.N.), eröffnet. Dabei kann im Streitfall offenbleiben, ob Grundlage des von der Klägerin erhobenen Anspruchs ein gesetzlicher Übergang der Forderung des Unfallgegners gegen die Beklagte oder eine originär eigene Forderung der Klägerin ist.

Im ersten Fall folgt die Anwendbarkeit der [X.]-VO aus Art. 19 [X.]I-VO, der in Abgrenzung zu Art. 15 [X.]-VO aufgrund des außervertraglichen Charakters der Forderung des Unfallgegners gegen die Beklagte einschlägig ist. Die Vorschrift sieht vor, dass das für die Schadensersatzpflicht des [X.], d. h. des [X.], gegenüber dem Geschädigten maßgebende Recht regelt, ob und in welchem Umfang ein Eintritt in die Rechte dieses Geschädigten möglich ist (vgl. [X.], 797 Rn. 57); das von der Revision angeführte, das Verhältnis zwischen dem Unfallgegner und der Beklagten regelnde Recht (Recht des [X.]), ist insoweit nicht maßgeblich. Die genannte Verpflichtung der Klägerin hat ihren Ursprung in dem zwischen ihr und der Fahrzeughalterin abgeschlossenen Versicherungsvertrag und ist deshalb als vertraglich im Sinne der [X.]-VO zu qualifizieren (vgl. [X.] aaO Rn. 54 ff.).

Nichts anderes ergibt sich im zweiten Fall. Zwar richtet sich ein originär eigener Regressanspruch des [X.] nach verbreiteter Auffassung nicht nach Art. 19 [X.]I-VO (oder nach Art. 15 [X.]-VO), sondern nach dem Statut, welches das Verhältnis zwischen dem [X.] und dem [X.] beherrscht (vgl. [X.]/[X.], [X.]I-VO Art. 19 Rn. 36 f. [Stand: 1. Juli 2019]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. [X.]-VO Art. 15 Rn. 5; Freitag in [X.], [X.] und Kollisionsrecht 4. Aufl. Mehrfache Haftung Rn. 22; [X.]/[X.], (2016) [X.]-VO Art. 15 Rn. 18; siehe auch [X.]/[X.], [X.]. [X.] Nr. C 282 vom 31. Oktober 1980 S. 1, [X.]). Aber das [X.] zwischen der Klägerin und der Beklagten ist - anders als die Revisionserwiderung meint - ebenfalls als vertraglich zu qualifizieren. Wie die Verpflichtung der Klägerin, den Unfallgegner der Beklagten zu befriedigen, hat es seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag (vgl. Generalanwalt beim [X.], [X.] vom 24. September 2015 - [X.], BeckRS 2016, 80140 Rn. 62).

b) [X.] die vertragliche Qualifizierung des Verhältnisses der Parteien danach an den Umstand an, dass es seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag hat, richtet sich das anwendbare Recht nach Art. 7 [X.]-VO (vgl. [X.], 797 Rn. 58, 62). Gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) [X.]-VO, Art. 46d [X.]BGB unterliegt es [X.]m Recht.

aa) Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) [X.]-VO eröffnet den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, die Möglichkeit zu bestimmen, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden ist (vgl. zum Charakter der Bestimmung [X.]/[X.], [X.]-VO Art. 7 Rn. 148 [Stand: 1. Februar 2020]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 52; [X.]/[X.], 3. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 61; [X.]/Armbrüster, (2016) [X.]-VO Art. 7 Rn. 27). Von dieser Ermächtigung ist in [X.] durch Art. 46d [X.]BGB (vormals Art. [X.] [X.]BGB) Gebrauch gemacht worden (vgl. BT-Drucks. 16/12104 S. 6, [X.]; 18/10822 [X.], [X.]). Nach Art. 46d Abs. 1 [X.]BGB unterliegt ein Versicherungsvertrag über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, dem Recht dieses Staates, sofern dieser dessen Anwendung vorschreibt. Art. 46d Abs. 2 [X.]BGB bestimmt, dass ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag [X.] Recht unterliegt, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf [X.] Recht beruht.

[X.]) Für das im Streitfall betroffene Risiko einer durch den Gebrauch eines in [X.] zugelassenen Fahrzeugs eintretenden Haftpflicht schreibt - worauf der Senat die Parteien vorab hingewiesen hat - das [X.] Recht eine Versicherungspflicht vor und ordnet in Fällen mit [X.] auch seine Anwendung an (vgl. OGH [X.], Beschluss vom 6. Mai 2016 - 3K-3-187-701/2016, BeckRS 2016, 17751 Rn. 36 ff.); dies kann der Senat aufgrund der insofern fehlenden Berücksichtigung des ausländischen Rechts durch das Berufungsgericht selbst ermitteln und der Entscheidung zugrunde legen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 - [X.], [X.] 2015, 163 Rn. 24; [X.], Urteile vom 12. November 2009 - [X.], NJW 2010, 1070 Rn. 21; vom 12. November 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 308 unter II 1 a [X.] [juris Rn. 13]). Zugleich besteht nach [X.] Recht (abhängig von dem regelmäßigen Standort des Kraftfahrzeugs) gemäß § 1 [X.] oder § 1 Abs. 1 PflVAuslG eine Versicherungspflicht im Sinne von Art. 46d [X.]BGB (vgl. [X.]/[X.], [X.]BGB Art. 46d Rn. 26 [Stand: 1. Februar 2020]; [X.]/[X.], [X.]BGB Art. 46d Rn. 24 [Stand: 9. Mai 2018]; [X.]/[X.]y, 7. Aufl. [X.]BGB Art. 46d Rn. 11 f.; [X.] in Beckmann/[X.], [X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 100).

In einem solchen Fall, in dem zwei Mitgliedstaaten dasselbe, gemäß Art. 7 Abs. 6 [X.]-VO in Verbindung mit Art. 13 Nr. 13 Buchst. b), Art. 310 und Anhang VII der Richtlinie 2009/138/[X.] des [X.] und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der [X.] ("Solvabilität II"; [X.]. [X.] Nr. L 335 S. 1, nachfolgend "[X.]") nur in einem Mitgliedstaat belegene Risiko einer Versicherungspflicht unterwerfen, ist gemäß Art. 46d [X.]BGB jedenfalls auf den Rückgriffsanspruch des Versicherers nach dem Rechtsgedanken des Art. 4 Abs. 4 [X.]-VO das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 54; [X.] in [X.], [X.]. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 134; [X.]/[X.]y, 7. Aufl. [X.]BGB Art. 46d Rn. 7; [X.]/[X.], 2. Aufl. Internationales Versicherungsvertragsrecht Rn. 118; [X.]/[X.], 3. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 63; [X.]/Armbrüster, (2016) Art. [X.] [X.]BGB Rn. 9). Eine kumulative Anwendung der konkurrierenden Rechtsordnungen, die teilweise zur Bestimmung des Umfangs der Versicherungspflicht angenommen wird und zu dem Ergebnis führen soll, dass die Versicherungsdeckung den strengsten Anforderungen genügen muss (vgl. [X.] in [X.], [X.]. Art. [X.] [X.]BGB Rn. 14; [X.] in Beckmann/[X.], [X.] 3. Aufl. § 4 Rn. 103), scheidet für den Rückgriffsanspruch aus. Gestalten die konkurrierenden Rechtsordnungen diesen Anspruch - etwa über verschuldensabhängige Abstufungen oder Höchstgrenzen - unterschiedlich aus, können sie nicht kumulativ angewendet werden; und für die Heranziehung des "strengsten" [X.] fehlt es an einer normativen Grundlage.

Der Versicherungsvertrag ist regelmäßig am engsten mit dem Staat verbunden, in dem das durch ihn gedeckte Risiko belegen ist (vgl. [X.]/[X.]y, 7. Aufl. [X.]BGB Art. 46d Rn. 7; [X.]/Armbrüster, (2016) Art. [X.] [X.]BGB Rn. 9). Das ist im Streitfall [X.] als [X.] im Sinne von Art. 13 Nr. 13 Buchst. b) [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.]-VO Art. 7 Rn. 57 [Stand: 1. Februar 2020]; [X.] in [X.], [X.]. Art. 7 [X.]-VO Rn. 31; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 64; [X.]/[X.]y, 7. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 50; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.]. Erläuterungen zu Art. 1 ff. [X.]-VO Rn. 17).

c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ist im Streitfall nicht veranlasst. Dass im Hinblick auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien der Anwendungsbereich der [X.]-VO eröffnet ist, ist aufgrund des Urteils des Gerichtshofs der [X.] vom 21. Januar 2016 ([X.], 797) derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. [X.] GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 m.w.N.); die - durch Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) [X.]-VO ermöglichte - Anwendung von Art. 46d [X.]BGB betrifft eine Vorschrift des nationalen Rechts.

Anders als die Revision meint, kommt die Anwendung von Art. 7 Abs. 5 [X.]-VO im Streitfall nicht in Betracht. Die Vorschrift setzt ihrem Wortlaut nach voraus, dass der [X.] als einem Mitgliedstaat belegene Risiken deckt. Das ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht der Fall. Nach der gemäß Art. 7 Abs. 6 [X.]-VO i.V.m. Art. 310 und Anhang VII [X.] hier maßgeblichen Begriffsbestimmung in Art. 13 Nr. 13 Buchst. b) [X.] bezeichnet der Ausdruck "Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist" bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art den [X.]. Nur in diesem ist das hier in Rede stehende Risiko danach - wie oben unter b) [X.]) bereits gesagt - belegen (vgl. [X.]/[X.], [X.]-VO Art. 7 Rn. 57 [Stand: 1. Februar 2020]; [X.] in [X.], [X.]. Art. 7 [X.]-VO Rn. 31; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 64; [X.]/[X.]y, 7. Aufl. [X.]-VO Art. 7 Rn. 50; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.]. Erläuterungen zu Art. 1 ff. [X.]-VO Rn. 17).

2. Zu Recht beanstandet die Revision mit der Verfahrensrüge jedoch, dass das Berufungsgericht das [X.] Recht unzureichend ermittelt hat.

a) Der Tatrichter hat das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 293 ZPO). Dabei hat der [X.] [X.] das ausländische Recht so anzuwenden, wie es der [X.] des betreffenden [X.] auslegt und anwendet. Wie der Tatrichter sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vom Revisionsgericht wird insoweit lediglich überprüft, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Mai 2018 - [X.], [X.], 1316 Rn. 12 m.w.N.).

Im Allgemeinen werden die Grenzen der Ermessensausübung des Tatrichters durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalles gezogen. An die Ermittlungspflicht werden umso höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist. Von Einfluss auf das Ermittlungsermessen können auch Vortrag und sonstige Beiträge - etwa Privatgutachten - der Parteien sein. Tragen die Parteien eine bestimmte ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vor, wird der [X.] regelmäßig umfassendere Ausführungen zur Rechtslage zu machen - gegebenenfalls sämtliche ihm zugänglichen [X.] zu erschöpfen - haben, als wenn der Vortrag der Parteien zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt oder sie zu dem Inhalt dieses Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen. Auch dies hängt jedoch stets von den Besonderheiten des einzelnen Falles ab (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 1992 - [X.], [X.]Z 118, 151 unter [X.] b [X.] [juris Rn. 28 f.] m.w.N.).

b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht sein Ermessen im Streitfall nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Revision beanstandet zu Recht, die angefochtene Entscheidung ziehe nur eine Rechtsvorschrift des [X.] Rechts heran, die das Berufungsgericht - teilweise abweichend von der von der Klägerin vorgelegten Übersetzung - eigenständig und lediglich "sinngemäß" in die [X.] Sprache übertragen hat. Schon das genügt den Anforderungen des § 293 ZPO nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Mai 2018 - [X.], [X.], 1316 Rn. 12 ff. m.w.N.). Es kann insofern offenbleiben, ob das Berufungsgericht in Anbetracht des Vortrags der Parteien darüber hinaus hätte prüfen müssen, ob nach [X.]m Recht die in Art. 22 Abs. 2 lit. Kfz[X.] für den Kfz-Halter vorgesehenen oder anderweitige Regressbeschränkungen auch dem Fahrer zugutekommen können - sei es aufgrund der Auslegung des Art. 22 Abs. 2 lit. Kfz[X.] durch die [X.] Gerichte, sei es infolge weiterer, vom Berufungsgericht nicht ermittelter [X.]r Rechtsvorschriften.

III. Das Berufungsurteil ist deshalb im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

[X.]     

        

Felsch      

        

        

        

Dr. Brockmöller      

        

Dr. Götz      

        

Meta

IV ZR 62/19

18.03.2020

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 18. Februar 2019, Az: 22 U 138/17, Urteil

Art 4 Abs 4 EGV 593/2008, Art 7 Abs 2 EGV 593/2008, Art 7 Abs 4 Buchst b EGV 593/2008, Art 7 Abs 5 EGV 593/2008, Art 7 Abs 6 EGV 593/2008, Art 15 EGV 593/2008, Art 4 Abs 1 EGV 864/2007, Art 19 EGV 864/2007, Art 13 Nr 13 Buchst b EGRL 138/2009, Art 310 Anh 7 EGRL 138/2009, Art 46d BGBEG, § 823 Abs 1 BGB, § 18 Abs 1 StVG, § 293 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.03.2020, Az. IV ZR 62/19 (REWIS RS 2020, 1187)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 601-602 WM2020,2043 REWIS RS 2020, 1187

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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