Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2007, Az. XI ZR 144/06

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 2680

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[X.] Beschluss [X.] ZR 144/06 Verkündet am: 24. Juli 2007 [X.] Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 26. Juni 2007 durch [X.] und [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] beschlossen: An den [X.] des [X.] wird ge-mäß § 132 Abs. 3 [X.] folgende Anfrage gerichtet: Wird an der im Urteil vom 21. Dezember 2005 ([X.], [X.], 401, 404) geäußerten Rechtsauf-fassung festgehalten, dass die erstmals im [X.] erhobene [X.] auch dann nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen ist, wenn die Erhe-bung der [X.] und die den Verjäh-rungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind.
- 3 - Gründe: [X.] 1 Die Klägerin, eine Bank, begehrt vom [X.]n, einem Rechtsan-walt, Zahlung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft. Die Klägerin gewährte der Hauptschuldnerin, der [X.]

, mit [X.] vom 13. Juni/9. August 1995 einen bis zum 30. März 1996 befristeten [X.] in Höhe von 1,4 Millionen DM, der u.a. durch eine Grundschuld in gleicher Höhe am Objekt [X.] in [X.]gesichert war. Mit Bürgschaftserklärung vom 13. Juni 1995, die die Klägerin am 9. August 1995 annahm, verbürgte sich der [X.] für die Forderung der Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin bis zu einem Höchstbetrag von 37.500 DM. Der Sollsaldo auf dem [X.] belief sich zum 30. Oktober 1996 auf 1.138.859,27 DM. 2 Unter dem 26. November 1996 kündigte die Klägerin den Kredit. Mit Schreiben vom 27. November 1996 wurde der [X.] über die Kündigung informiert und zur Zahlung der Bürgschaftssumme bis [X.] 19. Dezember 1996 aufgefordert. Da der [X.] nicht zahlte, [X.] die Klägerin weitere Versuche, die [X.] zu [X.]. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 15. September 2000 angekündigt hatte, die Angelegenheit unverzüglich ihrem Rechtsanwalt zur weiteren Beitreibung zu übergeben, hat sie am 28. Dezember 2004 Klage auf Zahlung von 19.173,44 Euro zuzüglich Zinsen eingereicht. 3 - 4 - 4 Das [X.] hat den [X.]n antragsgemäß verurteilt. Die Berufung, mit der der [X.] erstmals auch die Verjährung der [X.] geltend gemacht hat, hat das [X.] zurückgewiesen. Die [X.], bei der es sich nicht nur um neuen Sachvortrag, sondern um eine rechtsgestaltende Handlung handele, sei als neues Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Mit der - vom Berufungsgericht —soweit Leistungsverweigerungsrechte des [X.]n nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO als neue Verteidigungsmittel nicht berücksichtigt wurdenfi zugelassenen - Revision verfolgt der [X.] sein Klageabweisungsbegehren weiter.
I[X.] 1. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zwar ist die Beschränkung der Revisionszulassung auf das vom [X.]n geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht im [X.] zulässig (vgl. [X.], 287, 289; [X.]/[X.]. § 543 Rdn. 34; [X.], ZPO 21. Aufl. § 546 Rdn. 29 m.w.Nachw.). Die vom Berufungsgericht vorge-nommene Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage der Verjährung ist nach der Rechtsprechung des [X.] dage-gen unwirksam ([X.], Urteile vom 27. September 1995 - [X.], [X.], 2107, 2108 und vom 21. September 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 182, 184 [X.]. 19; a.[X.]/[X.]. § 543 Rdn. 35; [X.], ZPO 21. Aufl. § 546 Rdn. 29). Das hat zur Folge, dass die Revision unbeschränkt 5 - 5 - zugelassen ist ([X.], Urteil vom 5. April 2005 - [X.] ZR 167/04, [X.], 1076, 1077 und vom 4. April 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 1098, 1099 [X.]. 8 m.w.Nachw.). 6 2. Das Berufungsgericht ist zu Recht von einer wirksamen Bürg-schaftsverpflichtung des [X.]n ausgegangen; der Anspruch der Klä-gerin ist auch nicht verwirkt.
a) Es hat die nach § 9 [X.] unwirksame weite Bürgschaftsver-pflichtung zu Recht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in dem Umfang für wirksam gehalten, in dem sie sich auf den Kredit bezogen hat, der Anlass für die Abgabe der Bürgschaftserklärung war (vgl. [X.]Z 143, 95, 102 m.w.Nachw.). Das war, wie das Berufungsgericht mit Tat-bestandswirkung (§ 314, § 559 Abs. 2 ZPO) festgestellt hat, nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin der Barkredit in Höhe von 1,4 Mio. DM. 7 b) Es hat auch rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Klägerin die Höhe der Hauptforderung durch Mitteilung des [X.], den die Hauptschuldnerin anerkannt hatte, hinreichend dargelegt hat und dass Höhe und Bestand der Hauptforderung unstreitig sind, weil sie der [X.] erstinstanzlich nicht bestritten hat. [X.] hat es das erstmalige Bestreiten der [X.] und der Höhe der [X.] durch den [X.]n in der Berufungsinstanz als neues [X.] nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht gegeben sind. 8 - 6 - c) Dass das Berufungsgericht eine Verwirkung des [X.] verneint hat, weil der [X.] wegen der seit 1996 in größeren zeitlichen Abständen vorgenommenen Versuche der Klägerin, die Bürg-schaftssumme zu realisieren, nicht darauf vertrauen konnte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, ist ebenfalls rechtlich nicht zu [X.]. Die Klägerin hat dem [X.]n im September 2000 damit [X.], die Angelegenheit zur Beitreibung einem Rechtsanwalt zu überge-ben. Der [X.] durfte danach nicht darauf vertrauen, die Klägerin [X.] die Bürgschaftsforderung nicht mehr geltend machen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie sich mit der gerichtli-chen Geltendmachung der Forderung etwa vier [X.] gelassen hat. Als Rechtsanwalt musste sich der [X.] darauf einstellen, dass die Klägerin die erst am 31. Dezember 2004 ablaufende Verjährungsfrist voll ausschöpft. 9 3. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt danach von der Zu-lassung der erstmals in zweiter Instanz erhobenen [X.] ab. 10 a) Ließe man die [X.] zu, so müsste der Revision stattgegeben werden. Die Hauptforderung ist seit dem 31. Dezember 2004 verjährt (§ 195 BGB a.F., Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB), weil die Klägerin nach der Kündigung des Kreditvertrages am 26. November 1996, durch die ihr Darlehensrückzahlungsanspruch fällig wurde, [X.] oder -hemmende Maßnahmen gegen die Hauptschuldnerin ergriffen hat. 11 - 7 - Die Tatsache, dass die Hauptforderung erst nach Erhebung der [X.] verjährt ist, steht der Erhebung der [X.] durch den [X.]n gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entgegen (vgl. [X.]Z 139, 214, 216 ff.). Da die Bürgschaftsforderung sich bei Er-hebung der [X.] auch nicht wegen Wegfalls der [X.]nerin verselbständigt hatte, konnte die Erhebung der Bürgschafts-klage den [X.] nicht hemmen (vgl. dazu Senat [X.]Z 153, 337, 342 f.). Die Löschung einer der beiden Gesellschafterinnen der Hauptschuldnerin führte nicht zum Wegfall der Hauptforderung. Inhaberin aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin ist die verbliebene Gesellschafterin geworden, gegen die die Klägerin verjäh-rungshemmende Maßnahmen hätte ergreifen müssen. 12 b) Die Frage der Zulassung der [X.] ist gegenüber dem vom [X.]n ebenfalls geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB vorrangig zu beantworten. Während das [X.] im Erfolgsfall lediglich zu einer eingeschränkten Verurteilung Zug um Zug führt (§ 274 BGB), führt die Zulassung der [X.] zur Klageabweisung. 13 II[X.] Der [X.] des [X.] vertritt in seiner Ent-scheidung vom 21. Dezember 2005 ([X.], [X.], 401, 404 [X.]. 26 f.) die Auffassung, die erstmals im [X.] erhobene [X.] sei nur zuzulassen, wenn einer der Ausnahmetatbe-stände des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vorliege. Die Verjäh-14 - 8 - rungseinrede gehöre zu den [X.], deren rechtzeitige Geltendmachung durch § 531 Abs. 2 ZPO sichergestellt werden solle. Habe sich der Schuldner nicht bereits außergerichtlich auf Verjährung berufen, müsse dem Umstand, dass bereits vor dem Schluss der mündli-chen Verhandlung erster Instanz Verjährung eingetreten sei, deshalb grundsätzlich durch Erhebung der Einrede in dieser Instanz Rechnung getragen werden.
Der [X.]. Zivilsenat, der diese Frage bisher offen gelassen hat (Urteil vom 27. Februar 2007 - [X.] ZR 56/06, [X.], 731, 732 [X.]. 19), möch-te dieser Rechtsprechung nicht folgen und § 531 Abs. 2 ZPO nicht auf die [X.] anwenden, wenn sie zwar erstmals in zweiter Instanz im Prozess erhoben wird, jedoch zwischen den [X.]en sowohl die Erhebung der Einrede als auch die sie begründenden tatsächlichen Umstände unstreitig sind. Dies ist der Grund für die auf § 132 Abs. 3 [X.] beruhende Anfrage. 15 1. Nach der Grundsatzentscheidung des [X.]. Zivilsenats vom 18. November 2004 ([X.]Z 161, 138, 141 ff.) kann neuer unstreitiger Tatsachenvortrag nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden. Das Berufungsgericht hat solches Vorbringen gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen. 16 Dieser Entscheidung haben sich der I[X.] Zivilsenat (Urteil vom 6. Dezember 2004 - [X.], [X.], 295, 296), der II[X.] Zivilsenat (Urteil vom 19. Januar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 29, 31 [X.]. 6), der [X.] (Urteile vom 13. Juli 2005 - [X.], [X.], 1555, 1557 und vom 19. Oktober 2005 - [X.], [X.], 298, 17 - 9 - 299) und der VII[X.] Zivilsenat (Beschluss vom 21. Februar 2006 - [X.], [X.], 1115 [X.]. 5) angeschlossen. 18 Dem entspricht auch die überwiegende instanzgerichtliche Recht-sprechung ([X.], 2325 f. zu vorprozessual erklärter Aufrechnung; [X.] OLGR 2003, 351; [X.] OLGR 2004, 54, 55; [X.] MDR 2004, 1020; OLG Schleswig OLGR 2005, 120, 121; [X.], 558, 560; [X.], 916, 917; KG, Urteil vom 26. Januar 2007 - 6 U 128/06, juris [X.]. 36; a.A. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2006 - 19 U 2327/06, juris [X.]. 43 ff., insoweit in [X.], 2122 ff. und [X.], 356 f. nicht abgedruckt) und die herrschende Meinung in der Lite-ratur ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO 65. Aufl. § 531 Rdn. 13; [X.]Rimmelspacher, 2. Aufl. § 531 Rdn. 14, 33; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 531 Rdn. 16; [X.], in: [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 531 Rdn. 1; [X.]/[X.], ZPO 2. Aufl. § 531 Rdn. 5; [X.], ZPO 7. Aufl. § 531 Rdn. 6; [X.]/[X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 21; Schultz, [X.]Report 2005, 320; s. auch [X.]/[X.], [X.] 2002, § 531 Rdn. 8 [X.]). 2. Nicht einheitlich wird die Frage beantwortet, ob diese Recht-sprechung auch auf Einreden, die eine [X.] materiell-rechtlich geltend machen muss, übertragen werden kann. 19 a) Im [X.] an die Grundsatzentscheidung des [X.]. Zivilsenats ([X.]Z 161, 138, 141 ff.) hat der [X.] (Urteil vom 19. Oktober 2005 - [X.], [X.], 298, 299 [X.]. 19) entschieden, dass die 20 - 10 - erstmalige Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Klagefrist nach § 12 Abs. 3 [X.] in der zweiten Instanz nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zu-rückgewiesen werden kann, wenn der Ablauf der Ausschlussfrist unstrei-tig ist. 21 Speziell für die Einrede der Verjährung hat der II[X.] Zivilsenat in [X.] Entscheidung vom 19. Januar 2006 ([X.]Z 166, 29, 31 [X.]. 6) in ei-nem obiter dictum ausgeführt, auch eine erstmals in zweiter Instanz er-hobene [X.] dürfe nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurück-gewiesen werden, wenn die den [X.] begründenden Um-stände zwischen den [X.]en unstreitig seien.
b) In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist die Meinung, die eine Zulassung der [X.] auf der Basis unstreitigen [X.] befürwortet, nach Erlass des Urteils des [X.]. Zivilsenats ([X.]Z 161, 138, 141 ff.) im Vordringen ([X.], 141 f.; [X.] [X.], 526, 528; [X.], Urteil vom 23. [X.] 2006 - 28 U 217/04, juris [X.]. 41 ff. unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung; OLG Stuttgart BKR 2006, 280, 285; [X.] NJW-RR 2006, 1530, 1531; [X.], Urteil vom 20. Dezember 2006 - 17 U 103/04, juris [X.]. 38 ff.; bereits vorher [X.] MDR 2005, 412 f. und [X.] Grundeigentum 2004, 690 f.). 22 Diese Ansicht wird mit steigender Tendenz auch in der Literatur vertreten (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO 65. Aufl. § 531 Rdn. 13; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 214 Rdn. 3 - a.A. noch 65. Aufl.; [X.], ZPO 7. Aufl. § 531 Rdn. 10, 13 Nr. 3; v. [X.] 2007, 165; [X.] JuS 2007, 528, 530; Meller-[X.] [X.], 23 - 11 - 3385, 3386 ff. sowie [X.], 656, 664 f.; [X.] 2006, 1024, 1026 f.; [X.], 705, 707; [X.] BauR 2003, 1933 ff.; im Er-gebnis auch [X.]/[X.], BGB Neubearbeitung 2004 § 214 Rdn. 11 - grundsätzlich gilt § 531 Abs. 2 ZPO, es sei denn, die Einrede beschleunigt - wie meist - die Erledigung des Rechtsstreits).
c) Demgegenüber wird die Auffassung des [X.] überwie-gend in älteren, vor dem Grundsatzurteil des [X.]. Zivilsenats ([X.]Z 161, 138, 141 ff.) ergangenen instanzgerichtlichen Entscheidungen geteilt ([X.] 2003, 392, 394; [X.], 1256, 1257; [X.] MDR 2004, 292; [X.] FamRZ 2004, 1222 - Einrede beschränkter Erbenhaftung; [X.], 249; [X.] Grundeigentum 2004, 625; [X.] BauR 2004, 1982), aber auch in einigen neueren Entscheidungen vertre-ten ([X.] MDR 2006, 695 - Einrede beschränkter Erbenhaftung; [X.], Urteil vom 24. November 2005 - 6 U 5627/04, juris [X.]. 60, insoweit in [X.], 139 nicht abgedruckt; [X.], Urteil vom 17. April 2007 - 4 U 431/06, juris [X.]. 34 ff. - Erlass eines Überleitungsbescheids). 24 In der Literatur haben sich gegen die Zulassung der erstmaligen [X.] in der zweiten Instanz ausgesprochen: ([X.]/[X.], 5. Aufl. § 214 Rdn. 4; [X.]/[X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 531 Rdn. 22; [X.] [X.] 2004, 4, 7 f.; [X.] 2003, 170; [X.] [X.] 2004, 35, 37; [X.] [X.], 174, 176 und [X.], 9, 15; [X.] 2005, 726 ff.; [X.] BauR 2003, 291 f.; wohl auch [X.]/[X.]/[X.], [X.]. § 214 Rdn. 2; [X.]/Schmidt-Räntsch, [X.]. § 214 Rdn. 3; [X.] 25 - 12 - NJW 2007, 9, 10; im Ergebnis auch [X.], in: [X.]/Schütze, Zi-vilprozessordnung und Nebengesetze, 3. Aufl. § 531 Rdn. 23 - grund-sätzlich gilt § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, es sei denn, unabhängig von der [X.] müsste eine Zurückverweisung erfolgen, so dass der [X.] die Einrede im ersten Rechtszug wiederholen könnte).
3. Nach Auffassung des [X.]. Zivilsenats kann ausgehend von der Grundsatzentscheidung des [X.]. Zivilsenats ([X.]Z 161, 138, 141 ff.) zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die erstmalige Erhebung der [X.] in der zweiten Instanz, deren Tatsachengrundlage unstreitig ist, nicht anders behandelt werden als sonstiger unstreitiger Tatsachenvortrag, der nach nahezu einhelliger Meinung nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden darf. Dafür sprechen folgende Gründe: 26 a) Nach der Grundsatzentscheidung des [X.]. Zivilsenats ([X.]Z 161, 138, 142) wird vom Begriff des neuen Angriffs- und Verteidi-gungsmittels in § 531 Abs. 2 ZPO jedes unstreitige Vorbringen nicht er-fasst, wobei die rechtliche Einordnung des Vorbringens keine Rolle spielt. Daraus folgt für die [X.]: Wenn der [X.] in der zweiten Instanz erstmals unbestritten vorträgt, er habe sich [X.] oder während des erstinstanzlichen Verfahrens außergerichtlich auf Verjährung berufen und die verjährungsbegründenden Umstände eben-falls unstreitig sind, so ist dieses Vorbringen nach der vorgenannten Grundsatzentscheidung zu berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn der [X.] die [X.] während des zweitinstanzlichen Verfah-rens außergerichtlich erhebt und diese neue Tatsache unbestritten in den Prozess einführt. Vor diesem Hintergrund ist kein stichhaltiger Grund 27 - 13 - ersichtlich, warum eine während des zweitinstanzlichen Verfahrens im Prozess erhobene [X.], deren Tatsachengrundlage eben-falls unstreitig ist, vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt werden soll. 28 b) Eine Differenzierung anhand des materiell-rechtlichen Einrede-begriffs, wie sie der [X.] vornimmt, ist nicht geeignet, den oben dargestellten Wertungswiderspruch zu beseitigen. § 531 Abs. 2 ZPO un-terscheidet nicht zwischen Einreden und Einwendungen. Hinsichtlich bei-der ist der Tatsachenstoff von den Prozessparteien in den Prozess ein-zuführen. So gehört beispielsweise zum Vortrag der Einwendung —[X.] auch Vortrag zur Rücktrittserklärung. Ein erst während des [X.] erklärter Rücktritt ist, wenn die ihn begründende [X.] unstreitig ist, nach § 529 Abs. 1 ZPO zu [X.]. Es überzeugt nicht, dass bei unstreitiger Tatsachengrundlage die Erhebung einer Einrede in zweiter Instanz ausgeschlossen sein soll, während die Ausübung eines Gestaltungsrechts Berücksichtigung findet. In beiden Fällen verändert eine [X.] die Entscheidungsbasis des [X.] durch willentliche Ausübung eines Rechts, auf das sie sich in [X.] Instanz nicht gestützt hat, obwohl es ihr möglich gewesen wäre.

c) Auch aus der Regelung des § 533 ZPO lässt sich entgegen der Ansicht des [X.] nichts gegen die Zulassung einer erstmals zweitinstanzlich erhobenen [X.] herleiten. Wenn nach § 533 ZPO bei unstreitigem Sachverhalt und Sachdienlichkeit sogar über einen in der Berufungsinstanz neu eingeführten Streitgegenstand zu [X.] ist, so erscheint es im Gegenteil geboten, die Zulassung der weniger weit reichenden [X.] nicht von strengeren Vor-aussetzungen abhängig zu machen als die in § 533 ZPO genannten Pro-29 - 14 - zesshandlungen ([X.], 141, 142; s. auch Meller-[X.] [X.], 3386, 3387). 30 d) Zu berücksichtigen ist schließlich, dass § 531 Abs. 2 ZPO eine Ausnahmevorschrift ist, die vor dem Hintergrund von Art. 103 Abs. 1 GG im Interesse der materiellen Richtigkeit einer Berufungsentscheidung (vgl. [X.]Z 160, 83, 92; 161, 138, 143 m.w.Nachw.) bei unstreitigem Sachvortrag kein geeignetes und erforderliches Mittel zur Erreichung des Rechtsmittelzwecks der Fehlerfeststellung und Fehlerbeseitigung ist ([X.] [X.], 526, 528), sondern in der Auslegung des [X.] reinen Strafcharakter hat (vgl. dazu [X.], 705, 707; [X.] 2006, 1024, 1027). Eine solche Strafe ist unter - 15 - Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprin-zips erst gerechtfertigt, wenn [X.] Verhalten zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt.
[X.] [X.] Ellenberger [X.] Grüneberg Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.07.2005 - 6 O 5142/04 - [X.], Entscheidung vom 07.04.2006 - 12 U 1605/05 -

Meta

XI ZR 144/06

24.07.2007

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2007, Az. XI ZR 144/06 (REWIS RS 2007, 2680)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2680

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28 U 217/04

17 U 103/04

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