Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.02.2010, Az. VI ZR 82/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9798

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Gegenstand

Beschränkte Erbenhaftung: Zulässigkeit des erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Vorbehalts


Leitsatz

Zur Aufnahme des erstmals im Berufungsrechtszug erhobenen Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung .

Tenor

Die Revision gegen das Grund- und Teilurteil des 19. Zivilsenats des [X.] vom 30. Januar 2009 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der am 16. März 2003 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde, nimmt die Beklagten als Erben ihres am 25. März 2004 verstorbenen [X.] M. auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Erstmals im [X.] haben die Beklagten die Einrede der beschränkten Erbenhaftung erhoben und beantragt, ihnen gemäß § 780 ZPO die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass ihres [X.] vorzubehalten. Das [X.] hat durch Grund- und Teilurteil den auf Ersatz immateriellen Schadens gerichteten Klageantrag dem Grunde nach zu 2/3 für gerechtfertigt erklärt und den Beklagten insoweit vorbehalten, ihre gesamtschuldnerische Haftung auf den Nachlass ihres verstorbenen [X.] zu beschränken. Dem Feststellungsbegehren hat das [X.] unter Berücksichtigung eines [X.] und Mitverschuldensanteils des [X.] von 1/3 stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen den Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagten seien mit dem von ihnen erstmals im [X.] gestellten Antrag, ihnen die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass ihres [X.] vorzubehalten, nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Zwar handele es sich insoweit um ein neues Verteidigungsmittel im Sinne dieser Vorschrift, doch habe das Berufungsgericht unstreitiges Vorbringen gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne Weiteres zugrunde zu legen. Für unstreitige Einreden gelte nichts anderes. So sei eine erstmals im [X.] erhobene [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der [X.] und die den [X.] begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Parteien unstreitig seien ([X.]Z [GZ] 177, 212). Dasselbe müsse auch für den im Wege der Einrede geltend zu machenden Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gelten. Hinsichtlich der Aufnahme dieses Vorbehalts hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

II.

3

Die Revision hat keinen Erfolg.

4

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Revision mangels Beschwer des Klägers unzulässig ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1989 - [X.] - NJW-RR 1989, 1226, 1230). Denn die Zulässigkeit eines Rechtsmittels kann offen bleiben, wenn zwischen seiner Verwerfung als unzulässig und seiner Zurückweisung als unbegründet weder hinsichtlich der [X.] noch hinsichtlich der Anfechtbarkeit der Rechtsmittelentscheidung Unterschiede bestehen (Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., Vor § 511, Rn. 12; zur sofortigen Beschwerde vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2006 - [X.] 171/04 - NJW-RR 2006, 1346, 1347 m.w.[X.]). Diese Voraussetzung ist hier gegeben.

5

2. Die Beschränkung der Revisionszulassung auf die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann die Revisionszulassung auf einen Teil des [X.] beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Eine Beschränkung der Zulassung auf einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist möglich, soweit es sich um rechtlich oder tatsächlich selbständige und abtrennbare Teile eines Gesamtstreitstoffs handelt ([X.]Z 101, 276, 278 m.w.[X.]). Dies ist hier der Fall. Bei dem Antrag, die Beschränkung der Erbenhaftung im Urteil vorzubehalten, handelt es sich um eine nach § 780 ZPO vorgesehene Erklärung, die die Geltendmachung einer materiell-rechtlichen Haftungsbeschränkung im Vollstreckungsverfahren ermöglichen soll (vgl. [X.], Urteil vom 9. März 1983 - [X.] - NJW 1983, 2378, 2379). Die Aufnahme dieses Vorbehalts kann das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein ([X.], [X.] 1995, 204; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 780, Rn. 19; [X.]/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 780, Rn. 10).

6

3. Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen und gemeint, eine Entscheidung des [X.] sei auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nach Auffassung anderer Oberlandesgerichte der erstmals im [X.] erhobene Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nur unter den - im Streitfall nicht gegebenen - Voraussetzungen von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei (vgl. OLG [X.] FamRZ 2004, 1222; [X.], [X.], 695).

7

a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der erstmals im [X.] erhobene Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung sei unabhängig von § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn die Voraussetzungen für seine Aufnahme unstreitig gegeben seien, ist mit Blick auf die Erwägungen des [X.] zur Zulässigkeit der erstmals im zweiten Rechtszug erhobenen [X.] folgerichtig. Beide Fallgestaltungen betreffen die Zulässigkeit der Berücksichtigung unstreitigen und damit nicht beweisbedürftigen Vorbringens. Nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung indessen ohne Weiteres zugrunde zu legen, denn unter den Begriff "neue Angriffs- und Verteidigungsmittel" im Sinne des § 531 ZPO fällt lediglich streitiges und damit beweisbedürftiges Vorbringen ([X.]Z [[X.]] 177, 212, 214 ff. m.w.[X.]). Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags. Es genügt, dass sich der Erbe im Erkenntnisverfahren darauf beruft (vgl. [X.]Z 122, 297, 305). Der Vorbehalt bedarf keiner Begründung ([X.], Urteile vom 29. Mai 1964 - [X.] - NJW 1964, 2298, 2300 und vom 9. März 1983 - [X.] - aaO). Voraussetzung für seine Aufnahme in den Entscheidungstenor ist allein die Verurteilung des Beklagten als Erbe des Schuldners. Der Erbfall selbst und die Erbenstellung des Beklagten sind regelmäßig unstreitig, weil der Kläger die von ihm begehrte Verurteilung darauf stützt. Deshalb spricht viel dafür, die Zulässigkeit des Antrags, die Beschränkung der Erbenhaftung vorzubehalten, im Rechtsstreit nicht anders zu behandeln als die Zulässigkeit der [X.], die, wenn sie erstmals im [X.] erhoben wird, nach der dargelegten Rechtsprechung des [X.] ([X.]Z [[X.]] aaO) unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen ist, sofern die Erhebung der Einrede selbst und die den [X.] begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind ([X.], ZPO, § 780, Rn. 9). Die vom Berufungsgericht für die Gegenansicht angeführten Urteile der Oberlandesgerichte [X.] und [X.] (aaO) sind vor dieser Entscheidung des [X.] des [X.] ergangen.

8

b) Die Revision stellt nicht in Abrede, dass die Beklagten von dem Kläger als Erben ihres [X.] in Anspruch genommen und als solche verurteilt worden sind. Sie meint jedoch, der Antrag auf Aufnahme des Vorbehalts hätte deswegen zurückgewiesen werden müssen, weil zwischen den Parteien streitig sei, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung gemäß §§ 1973 ff. [X.] oder §§ 1989 ff. [X.] gegeben seien, weswegen es dazu noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedurft hätte. Damit kann die Revision keinen Erfolg haben, denn die Frage, ob die Haftung der Beklagten auf den Nachlass beschränkt ist, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Wie die Revision selbst sieht, kann das Prozessgericht, wenn eine Einrede gemäß §§ 1973 ff. [X.] oder §§ 1989 ff. [X.] erhoben worden ist, nach seinem Ermessen bereits im Erkenntnisverfahren endgültig über die geltend gemachte Haftungsbeschränkung entscheiden oder sich auf die Aufnahme des Vorbehalts beschränken und die sachliche Klärung des [X.] dem besonderen Verfahren gemäß § 785 ZPO überlassen ([X.], Urteile vom 17. Dezember 1953 - [X.]/53 - NJW 1954, 635 und vom 29. Mai 1964 - [X.] - NJW 1964, 2298, 2300; vgl. auch [X.]Z 122, 297, 305). [X.] sich das Gericht - wie vorliegend geschehen - in zulässiger Weise mit dem Ausspruch des Vorbehalts, kommt es im Erkenntnisverfahren nicht darauf an, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung erfüllt sind, so dass es dazu keiner tatrichterlichen Feststellungen bedarf. Die prozessuale Lage entspricht daher derjenigen, die der Entscheidung des [X.] zur Zulässigkeit der erstmals in zweiter Instanz erhobenen [X.] zugrunde lag.

9

c) Bei der hier gegebenen Fallgestaltung kann die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage, ob der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung - ungeachtet der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO - auch dann zu berücksichtigen ist, wenn er erstmals im [X.] geltend gemacht wird, im Revisionsverfahren allerdings nicht verbindlich geklärt werden.

Selbst wenn dem Berufungsgericht mit der Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung nämlich ein Verfahrensfehler unterlaufen wäre, könnte dieser der Revision nicht zum Erfolg verhelfen, denn die Revision kann, wie sie selbst sieht, nicht darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht bei der Zulassung neuen [X.] die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht beachtet habe. Eine fehlerhafte Berücksichtigung von neuem Tatsachenvortrag, der bei [X.] Vorgehen vom Berufungsgericht hätte zurückgewiesen werden müssen, kann mit der Revision grundsätzlich nicht gerügt werden ([X.]Z 166, 29, 31; [X.], Beschluss vom 22. Januar 2004 - [X.]/03 - NJW 2004, 1458, 1459 f.; Urteile vom 2. März 2005 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 866, 867; vom 13. Februar 2006 - [X.]/04 - NJW-RR 2006, 760, 761; vom 27. Februar 2007 - [X.] - NJW 2007, 3127, 3128 und vom 6. Dezember 2007 - [X.]/07 - NJW-RR 2008, 459; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 530, Rn. 44 und § 531, Rn. 32; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 531 Rn. 38; a.A.: Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 531, Rn. 25). Deshalb ist die Revision zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                               Zoll                                   [X.]

                   Pauge                             von [X.]

Meta

VI ZR 82/09

02.02.2010

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 30. Januar 2009, Az: 19 U 154/07, Urteil

§ 531 ZPO, § 780 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.02.2010, Az. VI ZR 82/09 (REWIS RS 2010, 9798)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9798


Verfahrensgang

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Az. VI ZR 82/09

Bundesgerichtshof, VI ZR 82/09, 02.02.2010.


Az. 19 U 154/07

Oberlandesgericht Köln, 19 U 154/07, 30.01.2009.


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