Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.03.2012, Az. V S 21/11 (PKH)

5. Senat | REWIS RS 2012, 8324

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Gegenstand

Anforderungen an eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung


Leitsatz

NV: Es ist höchstrichterlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG trotz Verstoßes gegen Nachweispflichten steuerfrei ist .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das unter dem Aktenzeichen [X.]/11 beim erkennenden Senat anhängige Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts (FG).

2

Die Klägerin macht geltend, der Fall sei von grundsätzlicher Bedeutung. Darüber hinaus erfordere die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des [X.] ([X.]). Zu klären sei, ob für eine Steuerbefreiung der Lieferung von Fahrzeugen in das übrige Gemeinschaftsgebiet Besteller und Rechnungsempfänger identisch sein müssten, auch wenn feststehe, dass die Lieferung an einen Unternehmer im gleichen Mitgliedstaat erfolgt sei, der dort der [X.] unterliege. Weiter bedürfe es zur Fortbildung des Rechts einer höchstrichterlichen Klärung, ob der objektive Nachweis einer innergemeinschaftlichen Fahrzeuglieferung dann nicht erbracht sei, wenn die Zeitspanne zwischen Abholung des Fahrzeugs bzw. Abmeldung im Inland und der Zulassung im Bestimmungsland einen Monat überschreite.

3

Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 142 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- [X.]. § 117 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--) hat die Klägerin innerhalb der Beschwerdefrist vorgelegt.

Entscheidungsgründe

4

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

5

1. Nach § 142 [X.]O i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in [X.]aten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte [X.]echtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

6

2. Im Streitfall bietet das Beschwerdeverfahren keine hinreichenden Erfolgsaussichten, weil die in der Beschwerdeschrift geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

7

a) Die [X.]evision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) zuzulassen. Eine [X.]echtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den [X.] aus Gründen der [X.]echtssicherheit, der [X.]echtseinheitlichkeit und/oder [X.]echtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. [X.]-Beschluss vom 25. Januar 2011 [X.]/09, [X.]/NV 2011, 863). Es muss sich um eine klärungsbedürftige [X.]echtsfrage handeln, die im [X.]evisionsverfahren geklärt werden kann. Daran fehlt es hier.

8

aa) Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. [X.]. § 6a der im Streitjahr gültigen Fassung des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) trotz Verstoßes gegen Nachweispflichten steuerfrei ist.

9

Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der im Streitjahr gültigen Fassung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die [X.] bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen [X.]ichtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind ([X.]-Urteile vom 12. Mai 2009 [X.], [X.]E 225, 264, [X.], 511, unter [X.]; vom 17. Februar 2011 [X.]/10, [X.]E 233, 341, [X.], 769, unter II.2.c), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhindert den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- vom 27. September 2007 [X.]/05, [X.], Slg. 2007, [X.], [X.]/NV 2008, Beilage 1, 34, zweiter Leitsatz; [X.]-Urteil in [X.]E 233, 341, [X.], 769, a.a.O.).

Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, [X.] UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung insbesondere voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 [X.]/09, [X.], [X.]/NV 2011, 396, Leitsatz; [X.]-Urteil in [X.]E 233, 341, [X.], 769, unter II.2.c).

Von diesen Grundsätzen ist das [X.] ausgegangen und hat die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Lieferungen verneint, da die Klägerin nicht dargelegt habe, wer Abnehmer der Lieferung gewesen sei und erhebliche Zweifel daran bestünden, dass die Besteller bzw. [X.]echnungsempfänger die Abnehmer der Fahrzeuge seien.

bb) Soweit die Klägerin meint, die Abnehmer hätten aufgrund eines objektiven Nachweises zweifelsfrei festgestanden, macht sie eine unzutreffende Beweiswürdigung und damit einen materiell-rechtlichen Fehler (ständige [X.]echtsprechung, z.B. [X.]-Beschluss vom 22. März 2011 [X.]/10, [X.]/NV 2011, 1165, m.w.N.) geltend. Ein Fehler bei der [X.]echtsanwendung kann nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O zur Zulassung der [X.]evision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden [X.]echtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die [X.]echtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene [X.]-Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. [X.]-Beschluss vom 25. März 2010 [X.]/08, [X.]/NV 2010, 1455, m.w.N.). Einen solchen qualifizierten [X.]echtsanwendungsfehler des [X.] hat die Klägerin nicht dargelegt.

b) Eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des [X.]echts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) ist nicht notwendig. Da es sich bei dem [X.] der [X.]echtsfortbildung um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision handelt, muss der Beschwerdeführer darlegen, dass eine konkrete abstrakte [X.]echtsfrage im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall klärungsfähig ist (ständige [X.]echtsprechung, vgl. [X.]-Beschluss vom 16. November 2009 [X.]/09, [X.]/NV 2010, 905, unter [X.]). Daran fehlt es hier.

aa) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob für eine Steuerbefreiung der Lieferung von Fahrzeugen in das übrige Gemeinschaftsgebiet Besteller und [X.]echnungsempfänger identisch sein müssten, auch wenn feststehe, dass die Lieferung an einen Unternehmer im gleichen Mitgliedstaat erfolgt sei, der dort der [X.] unterliege, ist --wie [X.] bereits geklärt.

bb) Auch das Vorbringen der Klägerin, eine Entscheidung des [X.] sei erforderlich zu der Frage, ob der objektive Nachweis einer innergemeinschaftlichen Fahrzeuglieferung dann nicht erbracht sei, wenn die Zeitspanne zwischen Abholung des Fahrzeugs bzw. Abmeldung im Inland und der Zulassung im Bestimmungsland einen Monat überschreite, führt nicht zur Zulassung der [X.]evision wegen Fortbildung des [X.]echts. Die Frage, wann der objektive Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung erbracht ist, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und ist deshalb keine [X.]echtsfrage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, die einer Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des [X.]echts bedürfte (vgl. [X.]-Beschluss vom 29. November 2002 [X.], [X.]/NV 2003, 351, zum objektiven Nachweis der Verwendungsabsicht).

Meta

V S 21/11 (PKH)

09.03.2012

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

§ 4 Nr 1 Buchst b UStG 1999, § 6a UStG 1999, § 17a UStDV 1999, § 17aff UStDV 1999, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.03.2012, Az. V S 21/11 (PKH) (REWIS RS 2012, 8324)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8324

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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