Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.03.2011, Az. 30 W (pat) 511/10

30. Senat | REWIS RS 2011, 8874

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "BEAUTY AIR" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 028 617.5

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 3. März 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.] vom 15. Januar 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

1

[X.] AIR ist als Wortmarke für „Dienstleistungen von Schönheitssalons, Dienstleistungen von Visagisten, Maniküre, Durchführung von Massagen“ zur Eintragung als Marke in das vom [X.] geführte Register angemeldet worden.

2

[X.] AIR im Sinn von „Schönheit und Aussehen“ lediglich werbemäßig auf Einsatzgebiet oder Gegenstand der angebotenen Dienstleistungen hinweise, nicht aber auf die betriebliche Herkunft. Dass das Wort „air“ auch „Luft“ bedeute, sei nicht entscheidend, weil es nur auf die Bedeutung im Zusammenhang mit den maßgeblichen Dienstleistungen ankomme.

3

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, die Marke werde nicht im von der Markenstelle genannten Sinn verstanden. Das [X.] Wort „air“ bedeute im [X.] „Luft“. Die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit ergebe im [X.] „Schönheits-Luft“ und sei nicht beschreibend und damit schutzfähig. Die von der Markenstelle herangezogene Bedeutung „Aussehen“ enthalte im Lexikon den Zusatz „selten“; angeführt sei außerdem, dass „[X.]“ eine alte Form der Vokal- oder Instrumentalmusik sei; dann sei aber die angemeldete Bezeichnung im Sinn von „[X.]“ mehrdeutig und deshalb unterscheidungskräftig.

4

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

5

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.] Patent und Markenamts vom 15. Januar 2010 aufzuheben.

6

Wegen den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

7

[X.] AIR stehen hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.

8

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Dienstleistungen (oder Waren), für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Dienstleistungen bzw. Waren von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Produkten bzw. Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; vgl. [X.] GRUR 2008, 608 ff. - Rn. 66, 67 - [X.]; [X.], 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 674 - Rn. 34 - [X.]; [X.], 935 - Rn. 8 - [X.]; [X.], 825, 826 - Rn. 13 - [X.]; [X.], 952 - Rn. 9 - [X.]; [X.], 850, 854 - Rn. 18 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 257 - Bürogebäude; [X.] GRUR 2003, 1050 - [X.]; [X.] GRUR 2001, 1153, 1154 - anti [X.]). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der [X.] als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ([X.]/Hacker, [X.], 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 m. w. N.; vgl. z. B. [X.] [X.], 411, 413 - Rn. 24 - Matratzen [X.]/Hukla).

9

Keine Unterscheidungskraft kommt Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als [X.] versteht ([X.] GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], 417, 418 - [X.]). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren bzw. Dienstleistungen hergestellt wird ([X.] WRP 2010, 1504, 1506 - Rn. 23 - [X.]!; [X.], 949, 951 - Rn. 20 - My World; [X.], 411 - Rn. 9 - [X.]; [X.], 850, 854 - Rn. 19 - [X.]).

[X.] AIR die erforderliche Unterscheidungskraft zu.

Das [X.] Wort „beauty“ bedeutet im [X.] „Schönheit“, als Bestandteil in [X.] „Schönheits-“ (vgl. [X.], Großwörterbuch [X.], 3. Aufl. 2005, [X.] 935); im Bereich Schönheit/Kosmetik hat „beauty“ - wie von der Markenstelle bereits ausgeführt - als Fremdwort Eingang in die [X.] gefunden (vgl. [X.], 4. Aufl. [X.] 191). Dieses ohne Weiteres verständliche Wort ist für die beanspruchten Dienstleistungen im Sinn eines Hinweises auf Gegenstand und Zweck zweifelsfrei beschreibend.

Das [X.] Wort „air“ bedeutet im [X.] „Luft“ (vgl. [X.], a. a. [X.], [X.] 895; [X.], [X.], [X.]-Deutsch, 12. Aufl., [X.] 31; [X.], [X.], 7. Aufl., [X.] 33). Als Fremdwort ist „air“ in dieser Bedeutung in die [X.] eingegangen, zum Beispiel in Wortverbindungen wie [X.]bag, [X.]line, [X.]port (vgl. [X.] a. a. [X.], [X.] 60). [X.] werden somit keine Mühe haben, das Wort „air“ im Sinne von „Luft“ zu verstehen. In der Bedeutung von „Luft“ vermag das Wort „[X.]“ für sich betrachtet hinsichtlich der hier maßgeblichen Dienstleistungen in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise weder eine beschreibende Angabe noch einen engen beschreibenden Bezug zu vermitteln.

Soweit die Markenstelle ihrer Beurteilung Bedeutung und Verständnis des Wortes „air“ mit „Aussehen“ zugrunde gelegt hat, vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen. Zwar trifft es zu, dass „air“ in Wörterbüchern auch mit „Aussehen, Auftreten“ ins [X.] übersetzt ist (vgl. [X.], a. a. [X.], [X.] 895; [X.], a. a. [X.], [X.] 31; [X.], a. a. [X.], [X.] 33). Grundsätzlich sind aber nur dem inländischen Verbraucher naheliegende Übersetzungen zu berücksichtigen (vgl. [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rdn. 110; auch [X.] GRUR 89, 666, 667 - Sleepover; [X.], 408, 409 f. - [X.]; [X.], 399, 400 - Rack-Wall). Gegen eine naheliegende Übersetzung mit „Aussehen“ spricht zunächst, dass sie nachrangig angeführt ist; insbesondere ergibt die Gegenprobe in Wörterbüchern Deutsch-[X.] für das Wort „Aussehen“ das [X.] Wort „appearance“ (vgl. [X.], Großwörterbuch [X.], Deutsch-[X.], 3. Aufl., [X.] 81; [X.], [X.], Großwörterbuch [X.], Teil 2, Deutsch- [X.], [X.] 108); zudem ist nicht feststellbar, dass „air“ in Alleinstellung oder in Wortverbindungen - etwa in der Werbung - im Sinn von „Aussehen“ tatsächlich verwendet wird.

Angesichts dessen werden die angesprochenen Verkehrskreise das Wort „air“ ohne weiteres und naheliegend nur in der Bedeutung „Luft“ verstehen, nicht aber in der von der Markenstelle herangezogenen, eine betriebliche Herkunftsunterscheidung ausschließenden Bedeutung von „Aussehen“ erkennen. Unabhängig davon, ob sich [X.] Publikumskreisen dieser Bedeutungsgehalt ohne weiteres erschließt, ist es nicht geboten, auf sonstige - eher fernliegende - [X.] abzustellen. Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt einer Bezeichnung muss so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist (vgl. [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rdn. 87, 118 m. w. N.). Das ist hier, wie oben ausgeführt, nicht der Fall.

[X.] AIR in der Gesamtheit im Sinn von „Schönheit Luft“, „Schönheitsluft“ verstehen. Dies ist für die beanspruchten Dienstleistungen weder eine beschreibende Angabe noch ergibt sich hieraus ein enger beschreibender Bezug zu den Dienstleistungen. Für die [X.] kann damit nicht festgestellt werden, dass ihr die Eignung fehlt, die Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

[X.] AIR nicht für Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Fluggesellschaft, sondern für Dienstleistungen, die die Schönheit zum Gegenstand haben.

[X.] AIR auch keine Bezeichnung erblickt werden, die ausschließlich aus beschreibenden Angaben im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] besteht. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die angemeldete Wortkombination [X.] AIR in der insoweit maßgeblichen Gesamtheit bezogen auf die beanspruchten Dienstleistungen keine Angabe darstellt, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen dienen kann. Da, wie oben ausgeführt, das Wort „air“ nicht im Sinn von „Aussehen“ verständlich ist, fehlt es an der Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen und damit an einem Allgemeininteresse an der freien Verwendung.

Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben.

Meta

30 W (pat) 511/10

03.03.2011

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.03.2011, Az. 30 W (pat) 511/10 (REWIS RS 2011, 8874)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8874

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