30. Senat | REWIS RS 2012, 297
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Markenbeschwerdeverfahren – "MICROMASTER" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis -
In der Beschwerdesache
…
betreffend die [X.] 1 025 337
hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Winter und des [X.] am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 - [X.] - vom 19. Dezember 2011 aufgehoben.
I.
Die für die Waren „Appareils et instruments de mesure de longueurs“ international registrierte Marke 1 025 337
[X.]
sucht um Schutz für das Gebiet der [X.] nach.
Die Markenstelle für Klasse 9 - [X.] - des [X.] hat der [X.] mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Begründend ist im Wesentlichen ausgeführt, die aus den Bestandteilen „micro“ (= „klein, fein, gering“ oder auch Maßeinheit der Größe 0,000001) und „master“ (= „Herr, Magister, [X.], Könner“) gebildete [X.] weise auf eine besonders gute Qualität der registrierten Waren im Bereich sehr kleiner Maßeinheiten hin. Die Apparate und Instrumente verfügten also über eine meisterhafte Qualität für die Messung kleinster Längen. Dieser für den überwiegenden Teil des angesprochenen Verkehrs ohne weiteres erkennbare Sinngehalt schließe die Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung aus.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der [X.]ninhaberin. Sie hält mit näheren Ausführungen die Marke nicht für beschreibend. So werde das Präfix „Micro“ jenseits seiner originären Bedeutung als Bestandteil unzähliger Marken als nicht-beschreibender Phantasiebegriff verwendet; die angesprochenen Verkehrskreise würden durch diese Gewöhnung dem Begriff „Micro“ keinerlei produktbeschreibenden Inhalt zumessen. Die von der Markenstelle angenommene Bedeutung der Eignung der Waren zur Messung kleinster Längeneinheiten erschließe sich - wenn überhaupt - erst nach einer Abfolge mehrerer gedanklicher Schritte. So fehle es bereits an einem unmittelbaren Bezug von „Micro“ zu den [X.]. Auch das Wort „[X.]“ sei nicht beschreibend, insbesondere komme ihm weder in der [X.] noch in der [X.] die Bedeutung „eine besondere Qualität“ zu. Vielmehr sei „Master“ ein akademischer Grad und weder in diesem Sinn noch in lexikalischen Übersetzungen wie „[X.], Gebieter, Herr, Eigentümer, Arbeitgeber, Kapitän“ beschreibend. Das [X.] habe vielfach die Eintragungsfähigkeit von Kombinationsmarken bejaht, die den Begriff „Master“ enthielten. Insbesondere der 27. Senat habe in der Entscheidung 27 W (pat) 89/99 „[X.]“ bereits ausgeführt, dass „Master“ nicht einfach mit Begriffen wie „[X.], meisterlich“ gleichgesetzt werden könne und auch nicht so verwendet werde. Auch in der Kombination „[X.]“ würden die angesprochenen [X.] Verkehrskreise keinen beschreibenden Begriff erkennen. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die eine oder andere Sachaussage bei intensivem Nachdenken in mehreren Gedankenschritten durch die Marke vermittelt werden könne, reiche zur Verneinung der Unterscheidungskraft nicht aus. Die von der Markenstelle vorgenommene, analysierende Betrachtungsweise sei unzulässig, da sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung der Waren ergebe. Weder sei das Wort „[X.]“ lexikalisch vermerkt, noch handele es sich um ein gebräuchliches Wort der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache. Auch eine merkmalsbeschreibende Angabe im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] liege nicht vor. Die Anmelderin verweist ferner zahlreiche eingetragene Marken „[X.]“ sowie auf den Schutz der [X.] in zahlreichen Ländern.
Die [X.]ninhaberin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 - Internationale Registrierung - des [X.] vom 19. Dezember 2011 aufzuheben.
Hilfsweise hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
[X.] stehen für das Gebiet der [X.] keine absoluten Schutzhindernisse gemäß §§ 107, 113, 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.], Art. 5 Abs. 1 [X.] i. V. m. Art. 6 quinquies Abschnitt [X.] PVÜ entgegen. Insbesondere kann der [X.] nicht jede Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], Art. 6 quinquies Abschnitt [X.], [X.]. PVÜ abgesprochen werden.
1. Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren (und Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 13 - [X.]; [X.], 935 Rn. 8 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren (bzw. Dienstleistungen) zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; [X.], 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - [X.]; [X.], 710 Rn. 12 - [X.]; [X.], 949 Rn. 10 - My World; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.], 825, 826 Rn. 13 - [X.]; [X.], 411 Rn. 8 - [X.]; [X.], 778, 779 Rn. 11 - [X.]; [X.], 949 f. Rn. 10 - My World; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Waren (oder Dienstleistungen) abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412 Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Rn. 24 - SAT.2; [X.], 935 Rn. 8 - [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 13 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.] [X.], 428, 431 Rn. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.], 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; [X.], 1143, 1144 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; [X.], 952, 953 Rn. 10 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] [X.], 850, 854 Rn. 19 - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.], 850, 855 Rn. 28 f. - [X.]).
[X.] über die erforderliche Unterscheidungskraft. Weder lässt sich der Marke in Bezug auf die registrierten Waren ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt entnehmen noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür, die es rechtfertigen würden, der [X.] jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.
Die Markenstelle ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] aus den Elementen „[X.]“ und „[X.]“ zusammengesetzt ist, das aus dem [X.] stammende Wortbildungselement [X.](c)ro“ im [X.] „klein, fein, gering“ bedeutet (vgl. [X.], [X.], 7. Auflage 2011, S. 1186, 1188) und der aus der [X.] Sprache stammende Bestandteil „Master“ mit „Herr, Magister, [X.]“ in die [X.] übersetzt wird (vgl. [X.] Oxford, Großwörterbuch [X.], 3. Aufl., S. 1313).
[X.] den nachgesuchten Schutz zu versagen. Denn es fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] ein konkreter, beschreibender Sinngehalt zukommt. In der unmittelbaren Bedeutung der Gesamtbezeichnung [X.] von „kleiner/feiner Herr/[X.]“ ergeben sich keine beschreibenden Bezüge hinsichtlich der beanspruchten Waren zur Längenmessung. Diese Bedeutung hat auch die Markenstelle nicht zur Begründung der Entscheidung herangezogen. Unter Hinweis auf die Bedeutung von „micro“ als Benennung einer Maßeinheit mit der Größe 0,000001 meint sie vielmehr, dass die [X.] auf eine besonders gute Qualität der registrierten Waren im Bereich kleiner Maßeinheiten Hinweise, die benannten Apparate und Instrumente also über eine meisterhafte Qualität für die Messung kleinster Längeneinheiten verfügten.
[X.] bedarf es näherer Überlegungen, was der Annahme entgegensteht, dass der Verkehr Marken so aufnimmt, wie sie ihm entgegentreten. Entsprechendes gilt bezüglich des Begriffs „Mikrometer“ im Sinn einer Schraublehre/Messschraube.
[X.] lediglich eine werbliche Qualitätsangabe für ein meisterhaftes Produkt sieht. Dazu weist die [X.]ninhaberin zutreffend darauf hin, dass für das Adjektiv „meisterhaft“ das [X.] Wort „masterful/masterly“ lautet (vgl. [X.] Oxford, a. a. [X.], S. 1313). Weiter zutreffend hat die [X.]ninhaberin darauf hingewiesen, dass das Wort „master“ in der [X.] als Substantiv steht und im [X.]en in erster Linie im Sinn einer Anrede (Herr, Gebieter) verwendet wird, nicht aber zur Bezeichnung eines Handwerksmeisters (vgl. [X.], Deutsches Universalwörterbuch, a. a. [X.], S. 1166). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Wort „Master“ heute vor allem im Sinn eines akademischen Grades im Gebrauch ist (vgl. [X.], Deutsches Universalwörterbuch, a. a. [X.], S. 1166). Dafür, dass diese personenbezogene Angabe als Qualitätshinweis verstanden wird, fehlen damit ebenfalls sichere Anhaltspunkte.
Zum von der Markenstelle angenommenen Verständnis einer werblichen Qualitätsbeschreibung gelangt der Verkehr demnach nur, indem er „[X.]“ und „[X.]“ in „klein“ und „[X.]“ übersetzt, im Gesamtbegriff „[X.]“ über seine Wortbedeutung hinaus den Bestandteil „[X.]“ als eine Kurzform der Längenangabe oder auch der Bezeichnung für eine Messschraube, nämlich [X.]rometer“, einordnet und die personenbezogene Angabe „[X.]“ als Qualitätshinweis für ein Produkt bewertet. Ein sich daraus ergebender beschreibender Gehalt im Sinn einer besonders guten Qualität der Waren im Bereich sehr kleiner Messeinheiten erschließt sich damit allenfalls im Rahmen einer unzulässigen analysierenden Betrachtungsweise. Das steht der Annahme einer in den Vordergrund drängenden, für den angesprochenen Verkehr ohne weiteres ersichtlichen Beschreibung der registrierten Waren entgegen.
3. Nachdem der [X.] für die registrierten Waren kein unmittelbar beschreibender Bedeutungsgehalt entnommen werden kann, steht dem Schutz der [X.] in [X.] auch das Schutzhindernis einer beschreibenden Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], Art. 6 quinquies Abschnitt [X.], [X.]. [X.] nicht entgegen.
4. Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger absoluter Schutzhindernisse sind nicht ersichtlich und von der Markenstelle im Übrigen auch nicht innerhalb der Jahresfrist des Art. 5 Abs. 2 [X.] dem [X.] der [X.] mitgeteilt worden.
5. Die Beschwerde hat daher Erfolg.
Meta
13.12.2012
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.12.2012, Az. 30 W (pat) 512/12 (REWIS RS 2012, 297)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 297
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