Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2009, Az. I ZR 201/07

I. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 141

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[X.] vom 10. Dezember 2009 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 10. Dezember 2009 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] beschlossen: Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen. Der Streitwert für die Revision wird auf 25.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Beklagte sandte der ebenso wie sie im [X.]fahrzeughandel ge-werblich tätigen Klägerin, mit der sie zuvor keine geschäftlichen Kontakte [X.] hatte, am 9. Juni 2006 ihr aktuelles Kfz-Händlerangebot für den [X.] 2006 per elektronischer Post zu. Die Klägerin, die darum weder gebeten noch dem ausdrücklich zugestimmt hatte, beanstandete dies als unzulässige E-Mail-Werbung. Nachdem die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Un-terlassungserklärung abgelehnt hatte, erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung und hat, nachdem diese auch keine Abschlusser-klärung abgegeben hat, im vorliegenden Rechtsstreit [X.]. Sie hat beantragt, 1 - 3 - die Beklagte unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unter-lassen, unaufgefordert im geschäftlichen Verkehr ohne Einverständnis per E-Mail Verkaufswerbung zu versenden. 2 Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben ([X.], 382). 3 Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Nach der Zulassung der Revision hat die Klägerin den Rechtsstreit im Hinblick auf die am 30. Dezember 2008 in [X.] getretene Neufassung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. I[X.] Die Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Revisionsverfahren erklärt werden (vgl. [X.], 264, 265 f.; [X.], [X.]. v. 11.12.2003 - [X.], GRUR 2004, 350 = [X.], 350 - Pyrex). Der [X.] hat somit gemäß § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch [X.]uss über die Kosten zu [X.]. Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, diese Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu treffen (§ 128 Abs. 3 ZPO). 4 II[X.] Die Kosten des Rechtsstreits sind der Klägerin zu 1/4 und im Übrigen der Beklagten aufzuerlegen, weil deren Revision ohne die Änderung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und die daraufhin von den Parteien übereinstimmend erklärte Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraussichtlich nur insoweit Erfolg gehabt hätte, als sie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungs-gericht und dort dann zur Verurteilung der Beklagten gemäß einem dem Be-stimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden geänderten Klageantrag geführt hätte. 5 - 4 - 1. Bei der unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung gemäß § 91a Abs. 1 ZPO ist darauf abzustellen, inwieweit das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg gehabt hätte, wenn es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre (vgl. [X.]Z 50, 197, 199; [X.] GRUR 2004, 350 - "Pyrex", m.w.[X.]). 6 2. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte mit ihrer Werbung gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (in der Fassung, in der diese Vor-schrift bis zum 30.12.2008 gegolten hat; im Weiteren: UWG 2004) verstoßen hat. 7 a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 E-Mail-Werbung nicht durch ein mutmaßliches, sondern nur durch ein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis ge-rechtfertigt sein kann (vgl. [X.], Urt. v. 17.7.2008 - I ZR 197/05, [X.], 925 [X.]. 25 = [X.], 1330 - [X.]). 8 b) Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung des [X.] angenommen, die Angabe auf der Homepage der Klägerin, dass derjeni-ge, der mit ihr im Kontakt treten oder ihr etwas mitteilen möchte, ihr hierzu unter anderem eine E-Mail senden könne, habe erkennbar allein die Veräußerung von Gebrauchtfahrzeugen an Endabnehmer betroffen und daher nicht als kon-kludente Einwilligung in die streitgegenständliche E-Mail-Werbung gewertet werden können. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht ersichtlich. 9 c) Entgegen der Ansicht der Revision bestanden im Streitfall keine [X.] dafür, dass trotz des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 eine unzumutbare Belästigung aufgrund einer Inter-essenabwägung zu verneinen sein könnte (vgl. [X.], Urt. [X.] - 5 - - I ZR 191/03, [X.], 607 [X.]. 23 = [X.], 795 - Telefonwerbung für "Individualverträge"; [X.] K&R 2007, 274, 275 und 277 f. = DB 2007, 911 = OLG-Rep 2007, 753; [X.] in Hefermehl/[X.]/[X.], UWG, 26. Aufl., § 7 [X.]. 2; Fezer/Mankowski, UWG, § 7 [X.]. 32; [X.] in Pi-per/[X.], UWG, 4. Aufl., § 7 [X.]. 4; [X.] in [X.], jurisPK-UWG, 1. Aufl., § 7 [X.]. 286). Zwar wird im Schrifttum auch die gegenteilige Auffassung vertre-ten (vgl. Harte/[X.]/[X.], UWG, 1. Aufl., § 7 [X.]. 165 m.w.[X.] zum - allerdings noch vor dem Inkrafttreten des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 veröf-fentlichten - Schrifttum; MünchKomm.UWG/[X.], § 7 [X.]. 63; [X.] in [X.], 2. Aufl., § 7 [X.]. 2 und 9). Die Vertreter dieser Auffassung weisen [X.] selbst darauf hin, dass zwingendes Gemeinschaftsrecht die nach ihrer Auffassung vorzunehmende Gesamtabwägung verkürzen oder ganz ausschlie-ßen kann (vgl. Harte/[X.]/[X.] aaO § 7 [X.]. 165; MünchKomm.UWG/[X.], § 7 [X.]. 63; [X.] in [X.] aaO § 7 [X.]. 6). Damit aber verbietet sich im Blick auf die Bestimmung des Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/[X.] über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der [X.] in der elektronischen Kommunikation eine Interessenabwägung [X.] bei Telemarketingmaßnahmen, deren Adressaten natürliche Personen sind (Harte/[X.]/[X.] aaO § 7 [X.]. 165). Der [X.] Gesetzgeber hat in der Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG 2004 indes keinen Gebrauch von der ihm in Art. 13 Abs. 5 der Richtlinie 2002/58/[X.] eröffneten Möglichkeit gemacht, für den geschäftlichen Bereich ein niedrigeres Schutzniveau vorzusehen (Münch-Komm.UWG/[X.], § 7 [X.]. 136 mit Hinweis auf die Begründung des [X.] zum UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 21). Damit scheidet auch in diesem Bereich eine Interessenabwägung aus. d) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass nach der [X.] einer unzumutbaren Belästigung i.S. des § 7 Abs. 2 UWG 2004 die Fra-ge eines Bagatellverstoßes nicht mehr zu prüfen ist (vgl. [X.] [X.], 607 11 - 6 - [X.]. 23 - Telefonwerbung für "Individualverträge"; [X.], Urt. v. [X.], [X.], 189 [X.]. 23 = [X.], 44 - Suchmaschinenein-trag). Die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof der Europäi-schen Gemeinschaften zur Klärung der Frage, ob Art. 5 Abs. 2 lit. b der [X.] 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken es gebietet, bei Bejahung einer unzumutbaren Belästigung i.S. von Art. 8 und 9 sowie in [X.] I Nr. 26 die-ser Richtlinie eine gesonderte Prüfung des Verhaltens auf seine Eignung zur nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung der Interessen der Betroffenen vorzu-nehmen, kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Richtlinie 2005/29/[X.] allein das Verhalten zwischen Unternehmern und Verbrauchern regelt, im Streitfall aber eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung zwischen zwei Unternehmern vorliegt. Außerdem lässt die Regelung in Anlage I Nr. 26 Satz 2 der Richtlinie 2005/29/[X.] erkennen, dass das nach der Richtlinie 2002/58/[X.] bestehende Schutzniveau (vgl. dazu oben unter [X.]) durch die Richtlinie 2005/29/[X.] nicht abgesenkt werden sollte. 3. Die Revision hätte ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien gleichwohl Erfolg gehabt und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt, weil der von der Klägerin gestellte und vom [X.] für zulässig und begründet erachtete Unterlassungsantrag nicht die Voraussetzungen erfüllte, unter denen ein gesetzeswiederholender Unter-lassungsantrag nach den in der [X.] der [X.]sentscheidung "Tele-fonwerbung für 'Individualverträge'" ([X.], 607) dargestellten Grundsät-zen ausnahmsweise als hinreichend bestimmt und damit zulässig anzusehen ist. Wie schon die zahlreichen zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ergangenen Gerichts-entscheidungen sowie die einschlägige Kommentarliteratur zeigen, ist der Wort-laut dieser Bestimmung keineswegs in so hohem Maße eindeutig und konkret, dass sich über deren Anwendungsbereich kein ernsthafter Streit ergeben kann oder zumindest mögliche Zweifel hinsichtlich deren Reichweite durch eine [X.] - 7 - festigte Auslegung geklärt sind. Entgegen der Ansicht der Klägerin war es auch nicht Sache der Beklagten, schlüssig darzulegen, wie anders als geschehen ein Verbot formuliert werden könnte, sondern wäre gegebenenfalls vom [X.] und zuvor von der Klägerin darzulegen gewesen, dass die An-tragsformulierung trotz ihrer Auslegungsbedürftigkeit zur Gewährleistung des Rechtsschutzes im Hinblick auf die in Rede stehende [X.] war (vgl. [X.] [X.], 607 [X.]. 16 a.E. - Telefonwerbung für "[X.]"). 4. Der [X.] geht davon aus, dass die Klägerin ohne die [X.] im wiedereröffneten [X.] einen i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klageantrag oder zumindest einen oder gegebenenfalls auch mehrere, stufenweise enger gefasste Hilfsanträge bis hin zur konkreten Verletzungsform gestellt und [X.] mit einem dieser Anträge Erfolg gehabt hätte. Bei der Kostenentscheidung wäre sodann zu berücksichtigen gewesen, dass die Klägerin mit ihrem ur-sprünglichen, mangels Bestimmtheit zu weit reichenden Klagebegehren nur 13 - 8 - teilweise Erfolg gehabt hat. Danach entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten des [X.] der Klägerin zu 1/4 und der Beklagten zu 3/4 aufzuerlegen (§ 91a Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 ZPO).
[X.] Pokrant Schaffert
Bergmann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.04.2007 - 8 O 173/06 - [X.], Entscheidung vom 25.10.2007 - 4 U 89/07 -

Meta

I ZR 201/07

10.12.2009

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2009, Az. I ZR 201/07 (REWIS RS 2009, 141)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 141

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4 U 89/07

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