Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.02.2017, Az. B 13 R 37/16 BH

13. Senat | REWIS RS 2017, 14870

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Rentenbegutachtung


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 9. November 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

2

Den im April 2014 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung des 1974 in [X.] geborenen, seit 1996 in [X.] lebenden und zuletzt als Lagerhelfer pflichtversichert beschäftigten [X.] lehnte die Beklagte im Wesentlichen gestützt auf ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie [X.] vom 25.7.2014 ab (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom [X.]). Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.

3

Das [X.] hat nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie [X.] vom 17.1.2016 sowie einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom [X.] mit Gerichtsbescheid vom 20.5.2016 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden täglich und mehr durchzuführen. Zu vermeiden seien Akkordarbeit, Nachtarbeit, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und Tätigkeiten mit einer das normale Maß deutlich überschreitenden geistigen Verantwortung oder Beanspruchung. Zwar habe der Sachverständige eine gewisse Fixierung des [X.] auf die Schmerzen als solche, auf die seiner Ansicht nach aufgetretenen Behandlungsfehler und die damit zusammenhängenden Rechtsfragen festgestellt. Diese Fixierung sei jedoch nicht so gravierend, dass sie erheblichen Einfluss auf das Leistungsvermögen des [X.] habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger keinerlei Schmerzmedikation einnehme, wenn er tatsächlich - wie von ihm angegeben - ca 75 % seiner Wachzeit schmerzgeplagt sei. Es sei auch zu hinterfragen, warum der Kläger eine ihm nach dem Bericht des Dr. J. (K.hospital S.) vom 5.2.2015 angebotene multimodale Schmerztherapie oder eine sonstige fachärztliche Therapie nicht durchführe. Schließlich lasse auch der Tagesablauf des [X.] keine wesentlichen Einschränkungen erkennen.

4

Die Berufung des [X.] hat das L[X.] nach mündlicher Verhandlung vom 9.11.2016 mit Urteil vom selben Tag zurückgewiesen. Auch das Berufungsgericht ist der Einschätzung des klägerischen Leistungsvermögens in dem Gutachten des Sachverständigen [X.] gefolgt. Die bei Schmerzen in dem Ausmaß, wie der Kläger sie schildere, zu erwartenden psychopathologischen Befunde habe [X.] wie zuvor bereits der Gutachter [X.] nicht feststellen können. Auch der Bescheinigung des Orthopäden/Unfallchirurgen W. vom 30.6.2015 und den dort mitgeteilten Befunden sei eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens nicht zu entnehmen. Der Antrag des [X.] auf Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens von einem Sachverständigen mit Fachkenntnissen zur craniomandibulären Dysfunktion werde abgelehnt. Die Gutachten der Neurologen und Psychiater [X.] und [X.] vermittelten ausreichende sachliche Grundlagen bezüglich der Schmerzverhältnisse des [X.] und deren entscheidungserheblichen Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen.

5

Der Kläger hat für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 22.11.2016 zugestellten L[X.]-Urteil am 14.12.2016 beim B[X.] Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Er macht Divergenz und Verfahrensmängel geltend.

6

II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.

7

1. Nach § 73a [X.] [X.]G iVm § 114 [X.] ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem B[X.] PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

8

Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben könnte.

9

Gegen das vom Kläger angegriffene L[X.]-Urteil ist als Rechtsmittel allein eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft (§ 160a [X.]G). In einem solchen Verfahren geht es nicht darum, ob die Entscheidung des L[X.] inhaltlich richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 [X.]G die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), das Urteil des L[X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] ([X.]) abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.] 3). Dass einer dieser Zulassungsgründe hier mit Erfolg geltend gemacht werden könnte, ist nach Prüfung des Streitstoffs und Berücksichtigung des Vorbringens des [X.] in seinem Schreiben vom 14.12.2016 nicht ersichtlich.

a) Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das Urteil des L[X.] auf § 160 Abs 2 [X.] [X.]G gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang nicht hinreichend geklärte und für den Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dass im Rechtsstreit des [X.] solche Rechtsfragen von Bedeutung sein könnten, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Rechtsfragen werden von ihm in seinem Schriftsatz vom 14.12.2016 auch nicht (sinngemäß) geltend gemacht.

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet das [X.] tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des L[X.] nicht den Kriterien entspricht, die das B[X.] aufgestellt hat, sondern erst, wenn das L[X.] diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl Senatsbeschluss vom 20.5.2014 - [X.] R 49/14 B - Juris Rd[X.]0).

Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es ist schon nicht ersichtlich, dass das L[X.] gegenüber den vom Kläger zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr rügt er sinngemäß, das Berufungsgericht habe die aus seiner Sicht bei ihm vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht beachtet und im Hinblick auf das ihm verbliebene [X.] nicht hinreichend gewürdigt. Damit stellt er aber allein auf die - angeblich - fehlerhafte Rechtsanwendung des L[X.] in seinem konkreten Einzelfall ab; die Entwicklung anderer von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichender Kriterien benennt er nicht; solche sind auch nicht ersichtlich. Das diesbezügliche Vorbringen des [X.] in seinem Schreiben vom 14.12.2016 geht daher über eine im Rahmen der [X.] unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus.

c) Schließlich ist auch kein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G).

Der vom Kläger gerügte Verstoß des L[X.] gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) liegt nicht vor. Insbesondere hätte sich das Berufungsgericht nicht gedrängt fühlen müssen, den vom Kläger angebotenen weiteren [X.] zu erheben. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich das L[X.] bei der Feststellung des Leistungsvermögens des [X.] nicht auf die von ihm erhobenen Beweise hätte stützen dürfen, weil etwa die vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters besteht oder wenn die in verschiedenen Gutachten enthaltenen sich widersprechenden Schlussfolgerungen mit entsprechenden Feststellungen einhergehen (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - [X.] RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 3 Rd[X.] 9 mwN).

Der Kläger zieht zwar vorliegend die Richtigkeit der im [X.] eingeholten Gutachten von [X.] und [X.] in Frage. Ebenso bezweifelt er deren Sachkunde im Hinblick auf die Beurteilung der craniomandibulären Dysfunktion bzw Myoarthropathie, die seiner Ansicht nach der der bei ihm vorliegenden Schmerzsymptomatik zugrunde liegen. Er verkennt jedoch, dass es im Rahmen eines [X.]s nicht nur auf eine andere Diagnosestellung oder Bezeichnung von Befunden ankommt. Vielmehr ist im Rahmen des § 43 [X.]B VI die Beeinflussung des Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen zu prüfen (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - [X.] RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 3 Rd[X.] 6). Dem sind die beiden gehörten Sachverständigen gerecht geworden. Sie haben als Neurologen und Psychiater eine in ihr medizinisches Fach- und Kompetenzgebiet fallende anhaltende somatoforme "Schmerzstörung" beim Kläger festgestellt und deren sozialmedizinische Auswirkung auf sein individuelles (quantitatives und qualifiziertes) Leistungsvermögen ([X.]) beurteilt. Die Rentenbegutachtung ist in diesem Sinne im Wesentlichen eine "Funktionsbegutachtung" (vgl Thüringer L[X.] Urteil vom 30.6.2015 - L 6 R 166/08 [X.] - Juris Rd[X.] 64; Bayerisches L[X.] Urteil vom 16.10.2014 - L 13 R 556/09 - Juris Rd[X.]71). Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die Gutachter anlässlich ihrer sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung keine weitergehende wissenschaftliche Ursachenklärung für erforderlich gehalten bzw vorgenommen haben.

Dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der beiden Sachverständigengutachten und der sonstigen aktenkundigen medizinischen Berichte durch das L[X.] nicht einverstanden ist, ist für das [X.] unerheblich. Denn insoweit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des L[X.]. Auf Angriffe gegen die Beweiswürdigung (§ 128 [X.] [X.]G) kann aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

Auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] vom Kläger nochmals zu den Akten gereichten Befundberichts des Schlaflabors der Klinik für Neurologie, Neurophysiologie und Frührehabilitation vom 15.2.2016 und des Attestes seines Hausarztes, des Internisten [X.], vom 25.2.2016 musste sich das L[X.] nicht zu einer weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen. Die dort attestierte chronische Schmerzstörung war den im [X.] gehörten Gutachtern bekannt. Eine Verschlechterung der Symptomatik ist in den vorgenannten Berichten nicht beschrieben. Eine relevante, die vom Kläger beschriebene Schlafstörung erklärende schlafbezogene Atemstörung wurde in dem Bericht des Schlaflabors ausgeschlossen, sodass sich das L[X.] auch hiervon ausgehend nicht zu einer weiteren Begutachtung auf internistischem Fachgebiet hätte gedrängt sehen müssen.

2. Da nach alledem die Bewilligung von PKH abzulehnen ist, entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das Gericht (§ 73a [X.] [X.]G iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Meta

B 13 R 37/16 BH

28.02.2017

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Stuttgart, 20. Mai 2016, Az: S 24 R 3576/15, Gerichtsbescheid

§ 43 SGB 6, § 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.02.2017, Az. B 13 R 37/16 BH (REWIS RS 2017, 14870)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14870

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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