Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.08.2012, Az. I R 7/12

1. Senat | REWIS RS 2012, 3564

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Gegenstand

Vorrang der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit und damit keine Drittstaatenwirkung bei gesetzlicher qualifizierter Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H. - kein Verstoß gegen Diskriminierungsverbote und kein "Treaty override" durch sog. Schachtelstrafe


Leitsatz

1. Die sog. Schachtelstrafe gemäß § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verstößt gegen die unionsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) und bleibt deswegen innerhalb der Europäischen Union unanwendbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 13. Juni 2006 I R 78/04, BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821, und des BMF-Schreibens vom 30. September 2008, BStBl I 2008, 940) .   

2. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verlangt --i.V.m. Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 DBA-USA 1989 als maßgebende Bezugsnorm-- eine unmittelbare Beteiligung an einer in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile und damit eine qualifizierte Mindestbeteiligungsquote, welche bei typisierender Betrachtung geeignet ist, nach der einschlägigen Spruchpraxis des EuGH "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft zu ermöglichen". Die Unanwendbarkeit von § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) erstreckt sich deshalb infolge Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit (nach Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) nicht auf sog. Drittstaaten (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 9. August 2006 I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279, sowie vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE 224, 50) .

3. Die sog. Schachtelstrafe (hier nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999) widerspricht weder den Diskriminierungsverboten des Art. XI des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages noch jenen des Art. 24 DBA-USA 1989. Sie stellt gegenüber den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (hier nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA 1989) auch kein "Treaty override" dar .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war im Streitjahr 1999 zu 33,5 v.H. an einer in den [X.] ([X.]) ansässigen Kapitalgesellschaft, der [X.], beteiligt. Für die in diesem Jahr aus dieser Beteiligung erzielte [X.] wurde in den [X.] nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der [X.] und den [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern (DBA-[X.] 1989) eine Quellensteuer von 5 v.H. einbehalten. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) nahm die Dividende nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 4 DBA-[X.] 1989 von der Bemessungsgrundlage der [X.] Steuer aus, unterwarf sie jedoch der sog. Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 i.d.[X.] von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22. Dezember 1999 ([X.], 2601, [X.], 13) --KStG 1999 n.[X.]-- und berücksichtigte hiernach steuererhöhend 5 v.H. der [X.] als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Tatsächlich betrugen die der Klägerin im Zusammenhang mit der Beteiligung im Streitjahr entstandenen Kosten lediglich 10.953,18 DM.

2

Die Klägerin sah demgegenüber --unter Hinweis auf die Senatsurteile vom 13. Juni 2006 I R 78/04 ([X.], 82, [X.], 821), vom 9. August 2006 I R 50/05 ([X.], 93, [X.], 823), vom 9. August 2006 I R 95/05 ([X.], 504, [X.], 279) sowie vom 26. November 2008 I R 7/08 ([X.], 50)-- nur die ihr tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben gemäß § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999 als nichtabzugsfähig an; die sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.[X.] verstoße gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten der freien Wahl der Niederlassung sowie der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 43 und Art. 56 des [X.] zur Änderung des [X.] [X.], der Verträge zur Gründung der [X.] --EG-- sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der [X.] Nr. [X.], 1, jetzt Art. 49 und Art. 63 des [X.] die Arbeitsweise der [X.] --AEUV-- i.d.[X.] des Vertrags von Lissabon zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.], Amtsblatt der [X.] 2008, 47) und bleibe infolgedessen auch bezogen auf Beteiligungen in sog. Drittstaaten wie hier in den [X.] unanwendbar. Das [X.] lehnte das ab. Die anschließende Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 22. November 2011  13 K 2853/07 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2012, 1085 abgedruckt.

3

Mit seiner Revision rügt das [X.] Verletzung materiellen Rechts. Es anerkennt zwar, dass die sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.[X.] gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Dieser Verstoß schließe jedoch einen gleichzeitigen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und damit auch eine Ausstrahlung des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs auf sog. Drittstaaten aus. Das [X.] bezieht sich dazu auf das Schreiben des [X.] ([X.]) vom 21. März 2007 (BStBl I 2007, 302; durch [X.]-Schreiben vom 27. März 2012, [X.], 370, aufgehoben für [X.], die nach dem 31. Dezember 2010 verwirklicht werden). Es beantragt, das [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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Das [X.] ist dem Verfahren beigetreten, ohne eigene Anträge zu stellen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Das [[X.].] hat zu Unrecht angenommen, die sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].] bleibe infolge eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bezogen auf die Dividende aus der Kapitalbeteiligung in den [[X.].] unangewandt.

7

1. Einkünfte aus Dividenden sind nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.[[X.].]. Art. 10 Abs. 4 [X.]-[[X.].] 1989 aus der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer sowie --i.[[X.].]. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999)-- aus dem Gewerbeertrag auszunehmen, soweit es sich hierbei um aus nach dem Recht der [[X.].] steuerpflichtige Gewinnausschüttungen auf Anteile an Kapitalgesellschaften handelt, die von einer in den [[X.].] ansässigen Gesellschaft an eine in der [[X.].] ([[X.].]) ansässige Gesellschaft gezahlt werden, der unmittelbar mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile der in den [[X.].] ansässigen Gesellschaft gehören. Das korrespondiert, was die Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H. anbelangt, mit § 8b Abs. 5 [[X.].] 1999 n.[[X.].], wonach die abkommensrechtliche Steuerbefreiung für Gewinnanteile, die von einer ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden, ungeachtet der im Abkommen vereinbarten Mindestbeteiligung auch dann gilt, wenn die Beteiligung mindestens ein Zehntel beträgt. Die Voraussetzungen des hiernach gewährten sog. Schachtelprivilegs sind für die im Streitjahr von der [[X.].] an die Klägerin ausgeschütteten Beträge erfüllt. Insbesondere ist die Ausschüttung in den [[X.].] nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a [X.]-[[X.].] 1989 steuerpflichtig und hält die Klägerin mit 33,5 v.H. unmittelbar mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile an der [[X.].] als einer in den [[X.].] ansässigen Gesellschaft. Darüber besteht unter den Beteiligten kein Streit und das bedarf keiner weiteren Erörterung.

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2. Nach § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].], der im Streitjahr anzuwenden ist (vgl. § 54 Abs. 6d [[X.].] 1999 n.[[X.].]), gelten 5 v.H. von den Dividenden aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, die (u.a.) nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder nach § 8b Abs. 5 [[X.].] 1999 n.[[X.].] von der Körperschaftsteuer (bzw. --i.[[X.].]. § 7 Satz 1 GewStG 1999-- von der Gewerbesteuer) befreit sind, als Betriebsausgaben, die mit den Dividenden in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Daraus folgt nach Auffassung der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 10. Januar 2000, [[X.].], 71), dass der hieraus zu errechnende Betrag gemäß § 3c EStG 1997 (i.[[X.].]. § 8 Abs. 1 [[X.].] 1999 n.[[X.].]) nicht abgezogen werden darf; die Fiktion ist danach nicht davon abhängig, ob und in welcher Höhe der [[X.].] tatsächlich Betriebsausgaben entstanden sind (ebenso z.B. [[X.].] in [[X.].]/[[X.].]/[[X.].], Die Körperschaftsteuer, § 8b [[X.].] 1999 Rz 286, 290; [[X.].], Internationales Steuerrecht --[[X.].]-- 1999, 365; [[X.].]/Wiesch, Betriebs-Berater 1999, 2325). Die Gegenmeinung vermisst, um diese Rechtswirkung eines Abzugsverbots auslösen zu können, die ausdrückliche tatbestandliche Bezugnahme auf § 3c EStG 1997 und den darin angeordneten Abzugsausschluss für die betreffenden Betriebsausgaben, wie sie noch in der vorherigen Fassung des § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 a.[[X.].] enthalten war; mittels des bloßen Hinweises auf den "unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang" mit den betreffenden steuerfreien Einnahmen lasse sich dieses Manko nicht substituieren (z.B. Scheipers, [[X.].] --[X.]-- 2000, 89 unter Bezugnahme auf [[X.].]/[[X.].], [[X.].] 1999, 257). Bei verständiger Auslegung lässt sich auch die [[X.].] in § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].] aber leichthin in den notwendigen Kontext zu § 3c EStG 1997 stellen und sind beide Vorschriften im wechselseitigen Zusammenhang zu lesen. Es genügt die gesetzliche Festlegung, dass die mit 5 v.H. quantifizierten fiktiven Betriebsausgaben solche sind, die "in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang" mit den steuerfreien Einnahmen stehen; sowohl Rechtsvoraussetzung als auch Rechtsfolge von § 3c EStG 1997 werden damit tatbestandlich mit hinreichender Deutlichkeit aufgegriffen. Auch über diese Frage, die im Senatsurteil in [[X.].], 82, [[X.].], 821 noch unbeantwortet geblieben ist, streiten die Beteiligten im Ergebnis denn auch nicht.

9

3. Die vorgenannte Fiktion von Betriebsausgaben und ein daraus abzuleitendes Abzugsverbot sind auf den im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden.

a) Der Senat hat allerdings in seinem Urteil in [[X.].], 82, [[X.].], 821 (vgl. auch Urteile in [[X.].], 93, [[X.].], 823, sowie in [[X.].], 504, [[X.].], 279, und in [[X.].], 50, jeweils zu § 8b Abs. 5 [[X.].] 1999 [i.d.[[X.].] bis zur Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung des [[X.].] --Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz-- vom 20. Dezember 2001, [[X.].], 3858, [[X.].], 35 --[[X.].] 1999/2002 a.[[X.].]--] im [[X.].] an die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der [[X.].], --[[X.].] (vgl. Urteile vom 18. September 2003, [[X.].], [[X.].]/01, [[X.].]. 2003, [[X.].], [[X.].] 2003, 666, und vom 23. Februar 2006, [[X.].] Holding, [[X.].]/04, [[X.].]. 2006, [[X.].]) erkannt, dass beides im Zusammenwirken gegen die [[X.].] verbürgte Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 i.[[X.].]. Art. 48 [[X.].], jetzt Art. 49 i.[[X.].]. Art. 54 AEUV, und damit gegen primäres Gemeinschaftsrecht verstößt und deshalb wegen des Vorrangs des Unionsrechts vor nationalem Recht unanwendbar bleibt. Dem hat sich die Finanzverwaltung prinzipiell angeschlossen (vgl. BMF-Schreiben vom 30. September 2008, [[X.].], 940). Auch in diesem Punkt besteht unter den Beteiligten kein Streit.

b) Streit besteht aber darüber, ob die Vorschrift des § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].] über die sog. Schachtelstrafe nicht allein gegen die Niederlassungsfreiheit, sondern zugleich auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 [[X.].] (Art. 63 AEUV) verstößt. Letzteres könnte zur Folge haben, dass sich die Reichweite der Vertragsverletzung prinzipiell nicht nur auf Beteiligungsgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der [[X.].] und eines Staates erstreckt, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, sondern auch auf sog. Drittstaaten ("erga omnes"). Das hat der [[X.].] im [[X.].] an einschlägige Entscheidungen des [[X.].] in seinen Urteilen in [[X.].], 504, [[X.].], 279, und in [[X.].], 50 (jeweils m.w.[X.] zur [[X.].]-Rechtsprechung, s. dazu nachfolgend und fortführend auch z.B. Urteile vom 17. September 2009, [[X.].], [[X.].]/08, [[X.].]. 2009, [[X.].], [[X.].] 2009, 691 Rn. 36 ff., sowie vom 19. Juli 2012, [[X.].], [[X.].]/11, [[X.].], 1508 Rn. 17 ff.) für die Regelungen in § 8b Abs. 5 [[X.].] 1999/2002 a.[[X.].] angenommen (und blieb nach entsprechender Verfassungsbeschwerde des beklagten Finanzamts gegen das Senatsurteil in [[X.].], 50 gemäß §§ 93a, 93b des Gesetzes über das [[X.].] vom [[X.].] in dessen allerdings nicht begründeten Beschluss vom 11. April 2012  2 BvR 862/09, [[X.].] 2012, 464, unbeanstandet), wird seitens der Finanzverwaltung aber bislang anders gesehen; ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit trete jedenfalls dann hinter einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zurück, wenn infolge der konkret in Rede stehenden Beteiligungsquote die "beschränkenden Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit" darstellten (BMF-Schreiben in [[X.].], 302).

aa) Auslösend für diesen Streit ist das unterschiedliche Rechtsverständnis darüber, ob es für den systematischen Anwendungsvorrang der Niederlassungs- gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit auf das Telos der betreffenden nationalen Vorschrift oder aber auf die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse ankommt: Nach der ständigen Spruchpraxis des [[X.].] berührt eine nationale Regelung vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, wenn die Beteiligung es ihrem Inhaber im Rahmen einer sog. Direktinvestition ermöglicht, "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen"; hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die --als sog. [[X.].] "in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll", ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (vgl. m.w.[X.] zur ständigen Rechtsprechung z.B. [[X.].]-Urteile in [[X.].]. 2009, [[X.].], Rn. 36 ff., sowie in [[X.].], 1508 Rn. 17 ff.; vom 21. November 2002, [X.] und [X.], [X.]/00, [[X.].]. 2002, [X.], Rn. 66 ff.; vom 12. Dezember 2006, [X.] in [X.], [X.]/04, [[X.].]. 2006, [X.] Rn. 37 f.). Ausschlaggebend ist sonach, ob die zugrundeliegende nationale Norm --wie beispielsweise § 8b Abs. 5 [[X.].] 1999/2002 a.[[X.].]-- ausdrücklich oder nach ihrer Zielsetzung allgemein und vorbehaltlos gegen "jedermann" wirkt, oder ob sie qualifizierte Beteiligungsmerkmale verlangt. Die tatsächlichen Verhältnisse spielen insoweit keine unmittelbare Rolle; sie werden vom [[X.].] lediglich ergänzend herangezogen, um den zur Abgrenzung eingeforderten "sicheren Einfluss" für den konkret zu beurteilenden Einzelfall zu verifizieren (z.B. [[X.].]-Urteile in [[X.].], 1508 Rn. 31; vom 26. März 2009, [X.], [X.]/07, [[X.].]. 2009, [X.] Rn. 36 ff.; s.a. [[X.].] Köln, Urteil vom 24. Februar 2011  13 K 80/06, E[[X.].] 2011, 1651, jeweils m.w.[X.]). Die Finanzverwaltung sieht demgegenüber die tatsächlichen Verhältnisse als allein maßgebend an; lediglich sog. Streubesitz soll dem weltweit wirkenden [X.] und Beschränkungsschutz der Kapitalverkehrsfreiheit unterworfen sein.

bb) Im Streitfall bedarf es zu dieser Kontroverse nach dem grundsätzlichen Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit keiner weiteren Ausführungen, weil eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit jedenfalls unter den hier zu beurteilenden Gegebenheiten hinter die Verletzung der Niederlassungsfreiheit zurücktritt und deren "unvermeidliche Folge" ist (vgl. [[X.].]-Urteil in [[X.].]. 2009, [[X.].], Rn. 51). Grund dafür ist, dass § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].] nicht --wie aber dessen Nachfolgeregelung in § 8b Abs. 5 [[X.].] 1999/2002 a.[[X.].]-- allgemein an die steuerfreien Bezüge aus Anteilen an ausländischen Gesellschaften anknüpft, sondern nur an solche Gewinnausschüttungen der Auslandsgesellschaft, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Körperschaftsteuer befreit sind. Das aber erfordert wiederum nach dem beschriebenen Tatbestand des im Streitfall anzuwendenden Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 [X.]-[[X.].] 1989 als maßgebender Bezugsnorm --abweichend von § 8b Abs. 1 [[X.].] 2002 n.[[X.].]-- eine unmittelbare Beteiligung an den stimmberechtigten Anteilen der in den [[X.].] ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 v.H. und damit eine (qualifizierte) Mindestbeteiligungsquote, für welche sich "nach Aktien- und Umwandlungsrecht bereits bestimmte Sonderrechte (ergeben)" (so die amtliche Gesetzesbegründung zur innerstaatlich einseitigen Herabsetzung höherer abkommensrechtlicher Beteiligungsgrenzen auf eine Mindestbeteiligung von einem Zehntel in § 26 Abs. 5 [[X.].] 1984 --als Vorgängervorschrift zu § 8b Abs. 5 [[X.].] 1999 n.[[X.].]-- durch das Gesetz zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen [X.] 1984-- vom 22. Dezember 1983, [X.] 1983, 1583, BStBl I 1984, 14, vgl. [X.]. 10/336, dort S. 28 [i.[[X.].]. S. 22 f. zu § 102 Abs. 1 und 2 des Bewertungsgesetzes und der dadurch für Zwecke der Vermögensteuer gleichermaßen abgesenkten [X.]]) und welche deswegen eine "unternehmerische Beteiligung" kennzeichnet (s. Vogel, [X.], 3. Aufl., Art. 23 Rz 102). Eine derartige qualifizierte Mindestbeteiligungsquote ermöglicht in Einklang mit der zitierten einschlägigen Spruchpraxis des [[X.].] bei der hierfür gebotenen typisierenden Betrachtung einen hinreichend "sicheren Einfluss". Im Streitfall, in dem die Klägerin einen Anteil von 33,5 v.H. an der [[X.].] hielt und die Mindestbeteiligungsquote deutlich übertraf, steht denn auch tatsächlich außer Frage, dass es sich so verhält. Zu einer Drittstaatenwirkung der grundsätzlich anzunehmenden Unionsrechtswidrigkeit gelangt man sonach nicht; die Kapitalverkehrsfreiheit wird unbeschadet dessen, dass auch deren Schutzbereich grundsätzlich eröffnet bleibt, von der insoweit vorrangig anzuwendenden Niederlassungsfreiheit verdrängt (vgl. insoweit auch [[X.].]-Urteil in [[X.].]. 2009, [X.] Rn. 36 ff., dort zu einer 5%igen --allerdings mit Einspruchsrechten verbundenen-- Beteiligung an einer Publikums-AG im Hinblick darauf, dass die nationale Regelung jedenfalls auch auf Beteiligungen anwendbar sei, die den gesetzlichen [X.] überschritten; s. auch [X.] in [X.], EStG, 11. Aufl., § 50d Rz 27).

c) Der Senat erachtet die aufgezeigte Unionsrechtslage in Anbetracht des zwischenzeitlichen Stands der Rechtsprechung des [[X.].] als eindeutig. Sie entspricht den Aussagen der zitierten [[X.].]-Urteile und war insoweit bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof. Sie ergibt sich überdies zweifelsfrei aus dem [[X.].]-Vertrag. Überdies gebührt dem nationalen Gericht und nicht dem [[X.].] die vorrangige Einschätzung der Frage, ob eine Regelung wie vorliegend § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].] nach ihrer Zielsetzung in erster Linie eine potentielle Beherrschungssituation --mit der Folge der primären Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit-- im Auge hat, oder aber, ob --mit der Folge der Anwendbarkeit der [X.] diese Regelung primär allgemein wirkt. Einer Vorlage an den [[X.].] gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es deshalb nicht (vgl. [[X.].]-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 C.I.L.[[X.].]I.[X.], [[X.].]. 1982, 3415).

4. Die sog. Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].] widerspricht entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht dem Diskriminierungsverbot, wie dieses in Art. [X.]I Abs. 1 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der [[X.].] und den [X.] vom 29. Oktober 1954 ebenso wie in Art. 24 [X.]-[[X.].] 1989 verbürgt ist. Denn die [[X.].] als "Gesellschaft eines Vertragsteils" --hier der [[X.].]-- unterliegt in [[X.].] keiner "stärkeren Belastung als unter gleichartigen Voraussetzungen die (...) Gesellschaften des anderen Vertragsteils". Auch die Ausdehnung unionsrechtlich einzufordernder [X.] und [X.] auf Drittstaatenangehörige und Drittstaatenkonstellationen i.S. einer Meistbegünstigung ist danach nicht zu gewähren (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2011 I R 63/10, [X.], 198, [X.], 747).

5. Schließlich stellt die sog. Schachtelstrafe gleichermaßen kein sog. Treaty override dar, das der prinzipiellen Schachtelprivilegierung des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Sätze 1 und 3 i.[[X.].]. Art. 10 Abs. 4 [X.]-[[X.].] 1989 für die Dividenden aus der Auslandsbeteiligung in "faktischer" und möglicherweise völker- und verfassungswidriger Weise (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, [X.], 304) entgegenstünde. Die Schachtelprivilegierung wird vollen Umfangs eingeräumt. Dass die daraus erwachsende Steuerfreistellung der [X.] wirtschaftlich dann wieder um 5 v.H. der Dividenden als nichtabziehbar behandelte fiktive Betriebsausgaben zurückgenommen wird, berührt die zunächst gewährte Freistellung aus rechtlicher Sicht ebenso wenig, wie dies infolge der Nichtabziehbarkeit der tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben nach Maßgabe von § 3c EStG 1997 der Fall wäre. In beiden Situationen wird kraft positiv-rechtlicher Anordnung lediglich dem Rechtsgedanken Rechnung getragen, dass steuerbefreite Einkommensbestandteile mit einem Abzugsverbot für damit in Zusammenhang stehenden Aufwand korrespondieren sollen, und zwar gleichviel, ob dabei auf den tatsächlich angefallenen Aufwand abgestellt wird oder ob die nicht abziehbaren Betriebsausgaben insoweit abweichend von § 3c EStG 1997 pauschaliert werden. Keineswegs aber schafft § 8b Abs. 7 [[X.].] 1999 n.[[X.].] einen Steuertatbestand, welcher rechtlich neben der Steuerfreistellung des [X.]-Schachtelprivilegs stünde und diesen "überschriebe" (vgl. im Einzelnen z.B. Heurung/[[X.].], Der Betrieb 2010, 1551, 1553 f.; [X.] in [[X.].]/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift Herzig, 2010, S. 63, 85 ff.; [X.], [X.] 2001, 2045, 2051; s.a. Senatsurteil vom 10. Januar 2007 I R 53/06, [X.], 98, [[X.].], 585; anders z.B. --z.[X.] unter Berufung auf einen Grundsatz der "völkerrechtsfreundlichen" [X.], [[X.].] 2009, 473; [[X.].]/Hageböke, Unternehmensbesteuerung 2010, 651; [[X.].], [[X.].] 2009, 437; [X.], [[X.].] 2010, 658; [[X.].]). Aus dem in anderen gesetzlichen Zusammenhängen des § 8 Nr. 5 GewStG 2002 ergangenen Senatsurteil vom 23. Juni 2010 I R 71/09 ([X.], 177, [X.], 129) ergibt sich insoweit nichts Gegenteiliges.

6. Die Vorinstanz war hinsichtlich der unionsrechtlichen Einschätzung abweichender Auffassung. Ihre Entscheidung ist deswegen aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

Meta

I R 7/12

29.08.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 22. November 2011, Az: 13 K 2853/07, Urteil

§ 8b Abs 5 KStG 1999 vom 22.12.1999, § 8b Abs 7 KStG 1999 vom 22.12.1999, § 54 Abs 6d KStG 1999 vom 22.12.1999, Art 10 Abs 2 S 1 Buchst a DBA USA 1989, Art 10 Abs 4 DBA USA 1989, Art 23 Abs 2 S 1 Buchst a S 1 DBA USA 1989, Art 23 Abs 2 S 1 Buchst a S 3 DBA USA 1989, Art 24 DBA USA 1989, Art 43 EG, Art 56 EG, § 3c EStG 1997, Art 49 AEUV, Art 63 AEUV, Art 11 Abs 1 FreundschVtr USA

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.08.2012, Az. I R 7/12 (REWIS RS 2012, 3564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3564

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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